Butter. Das griechische Wort βούτυρον hat man zum Teil für ein skythisches gehalten, da der Verfasser des vierten Buches der unter dem Namen des Hippokrates gehenden Schrift de morbis (II 357. 358 Kühn) dies sagen zu wollen scheint. Seine Worte sind: Die Skythen schütteln die in hohle Gefässe geschüttete Stutenmilch; diese schäumt infolgedessen und wird geschieden; das Fett, ὃ βούτυρον καλέουσιν, sammelt sich, da es leicht ist, an der Oberfläche an; die schwere und dicke Masse sammelt sich unten, diese scheiden sie auch aus und trocknen sie; wenn sie geronnen und trocken geworden ist, ἱππάκην (Pferdequark) μὲν καλέουσιν, die Molke der Milch befindet sich aber in der Mitte. Will man jedoch das erste καλέουσιν auf die Skythen beziehen, so muss man dies offenbar auch mit dem zweiten thun; in diesem Falle aber müsste der Autor auch die ἱππάκη für ein skythisches Wort erklärt haben, was nicht denkbar ist. Er scheint also die griechischen Benennungen den skythischen substituiert zu haben. Galen (VI 272) glaubte denn auch, dass das Wort davon herrühre, dass die B., soviel er wisse, meist aus Kuhmilch hergestellt werde; auch Plinius (XXVIII 133) giebt dieselbe Etymologie, da die B. meist aus Kuhmilch bereitet werde. Mag daher auch τυρός ursprünglich ein turko-tatarisches Wort gewesen sein (s. Käse), so war es doch längst bei den Griechen eingebürgert (Hom. Il. XI 639; Od. IV 88. IX 219. X 234). Ein anderes, vielleicht älteres Wort für B. war πικέριον (Ps.-Hipp. de morb. mul. II 688. 780. 782. Aret. p. 195. 240; dazu Kühn p. 577. 609), den Phrygiern entlehnt (Erotian. 110, 15), welches auch von Galen (XIX 131) mit βούτυρον identificiert wird; es scheint mit παχύς und pinguis dieselbe Wurzel zu haben. Bei den Kypriern soll die B. ἔλφος geheissen haben (Hesych.).
Bereitet wird die B. aus den fetten Teilen der Milch (Gal. VI 270. XI 677), und zwar der Schaf- und Ziegenmilch (Diosc. II 81. Plin. XXVIII 133), meist aber (Plin. ebd.) der Kuhmilch (Gal. VI 683. XII 266. 272. Orib. coll. II 59, 3. Aët. I 2, 104. Paul. Aeg. VII s. γάλα), die man fälschlich für die fetteste hielt (Gal. VI 683. XII 266. Orib. Paul. Aeg. aa. OO.), durch Verdichten derselben (Plin. XI 239), indem man die Milch drückt (חֶמְאָה prov. 30, 33, wo die Septuaginta wie an allen Stellen des alten Testament, wo dies Wort vorkommt, βούτυρον hat; auch Clemens Alex. paedag. I 6, 52 Dind., p. 128 P., übersetzt so Deuter. 32, 14), oder indem man sie in einem Gefässe bewegt, bis das Fett sich absondert (Diosc. a. a. O.). Herodot (IV 2) erzählt, dass die Skythen die von ihnen geblendeten Sclaven die Milch in hölzernen Gefässen schütteln liessen; was sich oben ansammle, schöpften sie ab und hielten es für wertvoller als das, was sich unten ansammle (s. z. d. St. V. Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁶ Anm. 47.) Ob man in dieser [1090] Weise die Gesamtmilch, wie es scheinen könnte, oder nur den Rahm zu B. verarbeitet hat, muss dahingestellt bleiben. Am ausführlichsten, wenn auch, was unwesentlich, vielleicht nur mit Bezug auf die Ziegenmilch, spricht darüber Plinius (XXVIII 133. 134), freilich nicht ohne ein störendes Versehen: ,Man bereitet die B., wozu im Winter die Milch vorher erwärmt wird, dadurch, dass man sie durch häufiges Schütteln in langen Gefässen herauspresst; zu den letzteren hat die Luft nur durch ein enges Loch unterhalb der verstopften (durch einen Lappen verschlossenen) Öffnung Zutritt; es wird ein wenig Wasser hinzugegossen, damit die Milch säuerlich wird; was am meisten zusammengezogen ist, schwimmt obenauf, und dieses nennt man, nachdem es herausgenommen ist, oxygala, das übrige kocht man in Töpfen; was obenaufschwimmt, ist butyrum, welches eine ölige Beschaffenheit hat‘. Offenbar müssen hier mindestens, wie schon Beckmann (Beiträge zur Gesch. d. Erfindungen 1792, III 1, 286f.) und Schneider (in seinem Commentar zu Col. XII 8) gesehen haben, oxygala und butyrum oleosum natura ihre Stellen vertauschen. Denn unter oxygala ist nach Plinius selbst (a. a. O. 135; vgl. Col. a. a. O.) nur eine Art saurer Milch oder hier vielmehr sauren Rahms zu verstehen (nach Anthimus de observ. cib. 78 melca ⟨id est lac⟩ quod acetaverit); vgl. Gal. VI 689. X 468. Orib. coll. II 60. Apic. 308. Geop. XVIII 12, 3).
Im Gebrauch war die B. bei den Barbaren viel mehr als bei den Griechen und Römern. O. Schrader (bei V. Hehn a. a. O. 158) hält es für sicher, dass die Indogermanen schon vor ihrer Trennung verstanden hatten, die fetten Teile der Milch, um sie als Salbe zu benutzen, abzusondern, doch in der Heimat der Olive den Griechen und Römern allmählich die Kunst verloren gegangen sei. Die B. war bei den Barbaren später eine beliebte Speise und ein Zeichen von Wohlhabenheit (Plin. XXVIII 133), sie salbten sich damit (Plin. XI 239), besonders in kälteren Gegenden, wo man kein Olivenöl hatte (Gal. VI 684), so die Paioner im nördlichen Makedonien (mit aus Milch gewonnenem Öl nach Hekataios bei Athen. X 447 d), die keltischen Galater (die Frau des Deiotaros nach Plut. adv. Colot. 4) und die Burgunder (mit saurer B. nach Sidon. Apoll. carm. 12, 6); ebenso die κυνοκέφαλοι in Indien (Ktesias bei Phot. bibl. 43 a 32 Bekk.). Bei einer Hochzeitsfeier in Thrakien im J. 382 v. Chr. sassen an der Tafel des Königs butteressende Männer (Anaxandrides bei Athen. IV 131 b). Unter den schon von Kyros für die Tafel der persischen Könige bestimmten Speisen wird auch Milchöl genannt (Polyaen. IV 3, 32). In Indien gebrauchte man B. bei Verwundungen der Elefanten (Strab. XV 705. Ael. h. a. XIII 7); von der Westküste Indiens kam B. in der 2. Hälfte des 1. Jhdts. n. Chr. nach Ägypten (Peripl. mar. Erythr. 14), denn die dortige Gegend war reich daran (ebd. 41). Auf dem Feldzuge des Aelius Gallus durch das glückliche Arabien bis zum heutigen Marib unter Augustus erhielten die römischen Soldaten B. statt Öl (Strab. XVI 781). Auch in der Umgegend von Meroë bediente man sich der B. und des Tierfetts statt des Öls (Strab. XVII 821). Diese Stelle vertrat die B. selbst in Lusitanien (Strab. [1091] III 155). Ein Rest phoinikischer Sitte mag es gewesen sein, wenn am Tage der Rückkehr der Aphrodite von Libyen nach dem Eryx die ganze Gegend um diesen nach B. duftete (Athen. IX 395 a). Einige unterworfene Völker machten zur Zeit des Plinius das Brot mit B. an, indem sie Sorgfalt auf das Backen verwandten (Plin. XVIII 105). Die Bemerkung, dass B., nur in kleiner Menge genossen, Hunger und Durst stille und die Kräfte erhalte, geht auf die Skythen (Plin. XI 284, vgl. XXV 82. 83). Daher wird wohl auch an fremde Völker zu denken sein, wenn es heisst, dass frische B. auch statt des Öls der Zukost und statt des Tierfetts den Kuchen beigemischt werde (Diosc. II 81), oder dass man (οἱ πολλοί) B. für die Lampen verwende (Clem. Alex. paed. I 6, 51 Dind., p. 128 P.). Denn wenn die B. auch schon zu Solons Zeiten den Griechen bekannt gewesen sein mag, da er (bei Plut. Sol. 16) das verwirrende und egoistische Treiben der Demagogen mit dem Verarbeiten der Milch, um das Fett daraus zu entnehmen, vergleicht, so ist doch von einem andern als medicinischen Gebrauch bei ihnen nirgends die Rede, auch da nicht, wo man es am ehesten vermuten sollte, wie bei den Komikern, Pollux, Athenaios, den Geoponikern u. s. w. Galen (VI 272) nennt sie daher φάρμακον. Nicht viel anders liegt die Sache bei den Römern, von denen zuerst Celsus in seinem medicinischen Lehrbuche die B. erwähnt. So suchen wir sie besonders bei den Agrarschriftstellern (ausser bei Col. VI 12, 5, wo sie ein Heilmittel schmerzhafter Stellen am Leibe des Rindes bildet) und in dem Kochbuch des Apicius vergebens. Selbstverständlich haben sie, wie schon der Name und die erste Verwendungsweise lehrt, den Gebrauch der B. zuerst von den Griechen gelernt, dagegen die Sitte, ihre Kinder damit zu salben, von den Barbaren (Plin. XI 239). Nichts Auffälliges hat es, dass die B. in dem Maximaltarif Diocletians vom J. 301 (IV 50) als Marktware aufgeführt ist, da z. B. auch das der griechisch-römischen Welt fremde Bier hier eine Stelle gefunden hat (II 11. 12); dass es hinter dem Talg, welcher allerdings nur von ärmeren und weniger civilisierten Menschen statt des Öls oder der B. zur Anmachung von Speisen angewandt sein mag, und am Ende des Abschnitts über die Fleischarten statt zusammen mit der Schafmilch und dem Weichkäse (VI 95. 96) genannt ist, hat eine Parallele daran, dass der feste Käse mit den Fischen zusammen genannt ist (V 11). Blümner (D. Maximaltarif des Diocl. 81) nimmt freilich an, dass es sich nicht um frische, zum Essen brauchbare, sondern um conservierte oder eigens zu andern Zwecken präparierte B. handele. Der Preis ist übrigens für ein römisches Pfund = 0,327 kg. auf 16 Denare (1 kg. auf 89 Pf.) angesetzt, der des Schmers, Talgs und alten Käses auf 12, 6 und 12 Denare, also unsern heutigen Verhältnissen entsprechend, während der Sextar = 1½ römisches Pfund Olivenöls (0,547 l.) 12–40 Denare kostete und dieses heute in Italien nur etwa den dritten Teil des B.-Preises hat.
In der Medicin galt die B. vor allem als ein erweichendes (Cels. V 15. Diosc. II 81. Plin. XXVIII 134. Gal. VI 683. XII 266. 272) und Geschwüre füllendes Mittel (Cels. V 14. vgl. VI [1092] 18, 2. Scrib. Larg. 238. Diosc. Plin. a. a. O. Plin. XXVIII 241. XXX 118). Zuerst finden wir sie als solches bei Frauenkrankheiten angewandt, nämlich mit andern Mitteln gegen Geschwüre oder Entzündungen der Gebärmutter (Ps.-Hipp. II 564. 688. 731. 732. 749. 750. 751. 782. Diosc. a. a. O. und II 84. Plin. XXVIII 252. XXIX 37) und Verhärtung des Muttermundes (Ps.-Hipp. II 780. Theoph. Nonn. 208). Ferner wurde die Geschwulst der Hirnhaut bei Schädelbruch durch zerriebene Weinblätter in B. zurückgetrieben (Cels. VIII 4 p. 337, 4 Dar.; vgl. Diosc. II 81). Gegen die Ruhr wurden Klystiere von Rosenöl und B. (Cels. IV 22) oder nur von B. (Diosc. a. a. O.; vgl. Ruf. Ephes. p. 333 Dar.) oder mit Zusatz von Terpentinharz (Plin. XXVIII 205) gebraucht; bei Stuhlzwang sollte der After durch Rosenöl und B. gekräftigt werden (Cels. IV 25); bei Fehlern des Afters wurde sie mit andern Mitteln angewandt (Diosc. II 84. Plin. XXIX 37, vgl. XXVIII 216). Dann gegen Geschwüre der Lunge mit Honig (Plin. XXVIII 194. Cass. Fel. 40 p. 92, 4 Rose; vgl. Theoph. Nonn. 133), und auch allein bei Auswurf aus der Lunge (Aët. I 2, 104) oder gegen diesen allein (Gal. VI 273. Orib. eup. II 1 B 13. Sim. Seth. p. 27). Gegen Husten mit Speltmehl (Plin. XXII 124) oder allein (Theoph. Nonn. 125. Sim. Seth. p. 27). Pflaster von B. gegen Verletzungen (Diosc. II 81). Geschwüre (Plin. XXVIII 214) und mit andern Mitteln gegen Geschwülste der Blase (Ruf. Ephes. p. 48). Frische B. gegen Ohrenleiden (Plin. XXVIII 174. Marc. Emp. IX 108), besonders geschwollene Ohrendrüsen mit andern Mitteln (Scrib. Larg. 43. Plin. XXVIII 177) oder allein (Gal. XII 266. 273. Orib. eup. II 1 B 12. 13; lat. Übers. bei Daremb. VI p. 444. Aët. I 2, 104. Paul. Aeg. VII s. v. Sim. Seth. p. 27). Gegen Bubonen (ebd.). Gegen Anschwellung des Zahnfleisches beim Zahnen der Kinder (ebd. Diosc. II 81. Plin. XXVIII 257, vgl. 190) und andere Anschwellungen im Munde (Diosc. Plin. aa. OO. Gal. XII 273). Am meisten wurde sie nach den Angaben des Plinius angewandt; dabei stimmt er grösstenteils mit Diosc. II 81 überein (vgl. noch XXVIII 160. 192. 203); er bemerkt auch, dass sie für um so wirksamer gehalten werde, je widriger sie schmecke, und alte B. sehr vielen Compositionen zugesetzt werde (XXVIII 134; vgl. Sim. Seth. p. 27). Galen und Spätere wandten sie weit seltener an. Endlich wurde die B. auch von den Tierärzten in Gemisch mit andern Medicamenten bei verschiedenen Krankheiten der Pferde, z. B. gegen Husten (Pelag. 450. Veget. VI 9, 5. Hippiatr. 79) gebraucht.
Litteratur: V. Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁶ 1894, 153–157.
[Olck.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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