ART

Brasidas (Βρασίδας). 1) Spartiate, Sohn des Tellis. Seine Mutter hiess nach Plut. Lyk. 25 Argileonis, vgl. Plut. apophthegm. 190 B. 219 D. 240 C. Diod. XII 74, 3. Er machte sich schon im ersten Jahr des peloponnesischen Kriegs (431 v. Chr.) durch eine entschlossene Waffenthat bekannt: er rettete die lakonische Küstenstadt Methone, als sie durch den Angriff der athenischen Flotte Gefahr lief erobert zu werden (Thukyd. II 25, 2. Diod. XII 43, 2f. Plut. de Alex. virt. 13, vgl. Suid.). Fortan wurde er mit den wichtigsten Geschäften beauftragt. 431/30 bekleidete er das Ephorat (Xen. hell. II 3, 10). 429 wurde er dem Nauarchen Knemos als Berater beigegeben, wirkte in der zweiten Seeschlacht bei Rhion und Naupaktos mit und beteiligte sich Ende des Sommers am Versuch, den Peiraieus zu überrumpeln (Thuk. II 85f. 93). In gleicher Eigenschaft begleitete er 427 v. Chr. den Nauarchen Alkidas auf der Expedition der peloponnesischen Flotte gegen Korkyra (Thuk. III 69. 76. 79, 3). 425 war er Trierarch und that sich beim Angriff auf die athenischen Befestigungen in Pylos rühmlich hervor; er ward verwundet und büsste seinen Schild ein (Thuk. IV 11, 4f.). Als die Spartaner, um sich in ihrer Bedrängnis Luft zu schaffen, den Bitten des Perdikkas und der Chalkidier nachgaben und 424 v. Chr. einen Zug gegen die thrakischen Besitzungen der Athener ausrüsteten, bewarb er sich um das Commando und wurde, da auch die Chalkidier ihn wünschten, gewählt. Die Truppen, die er mitnahm, bestanden aus Heloten und peloponnesischen Bundesgenossen. Während er in Korinth die Ausrüstung des Zuges betrieb, erfolgte der Angriff der Athener auf Megara und Nisaia. Nisaia fiel den Athenern in die Hände; B. bewirkte, dass zur rechten Zeit peloponnesische und boiotische Truppen eintrafen, durch die Megara den Peloponnesiern erhalten blieb (Thuk. IV 70f. 74. Diod. XII 67). Glücklich führte er dann mit Hülfe seiner Freunde das Heer durch Thessalien hindurch und erreichte in Dion das Gebiet des Perdikkas (Thuk. IV 78f.). Er war [816] der rechte Mann an rechter Stelle; durch seine Thatkraft und massvolle Klugheit hat er die Sache Spartas ebenso gefördert, wie er den Athenern schadete (Thuk. IV 81). Auf Wunsch des Perdikkas unternahm er zuerst mit dem Makedonier einen Zug gegen den Lynkestenkönig Arrabaios. Perdikkas wollte diesen völlig unterwerfen, aber B. zog es vor, den Weg der Unterhandlung zu betreten, schloss nach einer Unterredung mit ihm einen Waffenstillstand und zog ab, zum grossen Verdruss des Perdikkas, der dem B. einen Teil seiner Unterstützung entzog (Thuk. IV 83f.). Jetzt wandte sich B. gegen die athenischen Bundesgenossen. Er fand den Boden wohl vorbereitet; in den einzelnen Städten waren schon früher durch Vermittlung der Chalkidier Verbindungen angeknüpft, und fast überall fand er einflussreiche Männer und Parteien, besonders die Oligarchen, zuweilen auch die Mehrheit der Bevölkerung, bereit, sich ihm zu ergeben und die athenische Herrschaft abzuschütteln. Sein erstes Unternehmen war kurz vor der Weinlese 424 v. Chr. gegen Akanthos gerichtet. Die Akanthier waren geteilter Meinung; als er anrückte und ihr Land besetzte, schlossen sie ihre Thore, verstanden sich aber dazu, ihn allein einzulassen und mit ihm zu unterhandeln. Er erklärte ihnen, dass er gekommen sei, sie zu befreien und ihre Autonomie herzustellen, dafür hätten ihm die Spartaner ihr Wort verpflichtet. Auch wolle er sie nicht unter die Herrschaft einer Partei bringen, sondern sich in ihre inneren Angelegenheiten nicht einmischen. Zugleich unterliess er nicht, die üblen Folgen anzudeuten, die eine Weigerung für die Stadt und ihr Gebiet haben könne. Er war, wie Thukydides (IV 84, 2) sagt, für einen Spartaner nicht unberedt, und seine Worte verfehlten ihren Eindruck nicht. Die Akanthier beschlossen, von den Athenern abzufallen; B. nahm sie in den Bund Spartas auf und sicherte ihnen die Autonomie. Gemeinsam mit ihnen stiftete er aus der athenischen Beute Weihgeschenke in Delphi (Plut. Lys. 1. 18; de Pyth. orac. 14). Dem Beispiel der Akanthier folgte alsbald das benachbarte Stageiros (Thuk. IV 84–88). Im Winter folgte der Hauptschlag gegen das wichtige Amphipolis. Nachdem hier durch Chalkidier und die den Athenern abgeneigten Argilier der Abfall vorbereitet worden war, setzte sich B. mitten im Winter 424/3 v. Chr. von Arnai in der Chalkidike aus in Bewegung. Unterwegs schloss sich Argilos an; die Strymonbrücke ward überrumpelt und B. erschien völlig unerwartet vor Amphipolis, nahm viele Bürger gefangen und warf die Stadt in vollständige Verwirrung. Er stellte sehr milde Bedingungen, und noch ehe die erbetene athenische Hülfe eintraf, schloss sich die Stadt ihm an. Dagegen der Hafenort Eion ward vom attischen Strategen Thukydides rechtzeitig besetzt und behauptet. Bald darnach traten auch Myrkinos, Galepsos und Oisyme zu B. über (Thuk. IV 102–108. Diod. XII 68. Polyaen. I 38, 3). Alle athenischen Unterthanen wurden unruhig und unsicher. B. zeigte sich gegen alle gemässigt und milde, enthielt sich jeder Parteinahme und gewann dadurch allgemeine Zuneigung. Er benützte die günstige Gelegenheit, da eine ausreichende attische Macht nicht vorhanden war, und ging noch in demselben [817] Winter auf die Athoshalbinsel, die sog. Akte, über, wo alle Städte ausser Sane und Dion sich ihm anschlossen. Dann wurde Torone auf der Sithonia durch Überfall genommen und die kleine athenische Besatzung vertrieben (Thuk. IV 109–116. Diod. XII 68, 5f.). Selbst auf Pallene erstreckte sich der Abfall: Skione sagte sich von den Athenern los; B. wagte es, zu Schiff hinüberzufahren und übernahm die Stadt, die ihn als Befreier mit Freude und Ehren begrüsste (Thuk. IV 120f. 123. Diod. XII 72. Polyaen. I 38, 4). Er gedachte auch, die benachbarten Städte in Angriff zu nehmen, als die Nachricht von dem inzwischen (Frühjahr 423) geschlossenen Waffenstillstande eintraf, der schon etwas vor dem Übertritt Skiones begonnen hatte. B. weigerte sich, Skione aufzugeben, und nahm bald darauf auch Mende, als es von den Athenern abfiel, in sein Bündnis auf. Er war überhaupt gegen den Frieden und wünschte dringend seine bisherigen Erfolge hier fortzusetzen (Thuk. V 16). Daher ging der Krieg hier weiter, während im übrigen Hellas die Waffen ruhten. Die Athener sandten sogleich ein Heer, um Skione und Mende wieder zu erobern. B. traf für die Verteidigung der Städte einige Vorkehrungen (Thuk. V 122f. Diod. XII 72, 7), zog aber selbst an der Spitze der Bundesgenossen mit Perdikkas aufs neue ins Land der Lynkesten gegen Arrabaios, der in einem Treffen geschlagen wurde. Jedoch auch diesmal bestand zwischen B. und Perdikkas kein Einvernehmen, und da Perdikkas illyrische Hülfstruppen erwartete, so wünschte B. nach deren Ankunft mit Rücksicht auf das bedrohte Mende wieder abzuziehen. Nun aber kam die Nachricht, dass die Illyrier, gefürchtete Krieger, sich vielmehr dem Arrabaios angeschlossen hätten; die Verbündeten beschlossen daher zurückzugehen. Aber ehe noch etwas Bestimmtes verabredet war, zog das Heer des Perdikkas, das von B. entfernt lagerte, aus Furcht vor den Illyriern eiligst und in Verwirrung ab. B. sah sich am nächsten Morgen dem Arrabaios und den Illyriern allein gegenüber und musste einen schwierigen Rückzug antreten. Durch zweckmässige und besonnene Anordnung wusste er den ungestümen Andrang der Barbaren zurückzuhalten; er selbst mit 300 Auserlesenen bildete die Nachhut. Zuletzt war noch ein gefährlicher Pass zu überwinden, wo er von völliger Umzingelung bedroht war; es gelang ihm aber, mit seinen 300 eine beherrschende Höhe zu erstürmen und das Heer in Sicherheit zu bringen. Seine erzürnten Soldaten fielen dann über den Tross der Makedonier her, deren Flucht sie in solche Gefahr gebracht hatte (Thuk. IV 124–128, vgl. Polyaen. I 38, 5). Dies war das Ende der Freundschaft mit Perdikkas, der sogleich zu den Athenern hinüberneigte und bald mit ihnen Frieden schloss, was die weitere Folge hatte, dass ein neuer Zuzug, den B. erwartete, auf Betreiben des Perdikkas von den Thessalern nicht durchgelassen ward, sondern nur einige Spartiaten, aus denen B. den gewonnenen Städten Amphipolis und Torone Befehlshaber geben musste (Thuk. IV 132). Während des lynkestischen Feldzuges war inzwischen das Heer der Athener angekommen, hatte Mende erobert und belagerte Skione. B. konnte nicht helfen; er versuchte gegen Ende Winters (Februar 422) Potidaia zu überrumpeln, ward aber abgewiesen. [818] Im nächsten Sommer, 422 v. Chr., erschien Kleon mit einem neuen athenischen Heere und eroberte Torone; B. kam zur Hülfe zu spät (Thuk. V 3, 3. Diod. XII 73, 2f.). Von hier fuhr Kleon nach Eion, nahm Galepsos, bot die verbündeten Makedonier und Thraker auf und rüstete sich zum Angriff gegen Amphipolis. B. besetzte die Höhe Kerdylion nicht weit von der Stadt und beobachtete von hier aus seinen Gegner. Von der Ungeduld seiner Soldaten getrieben rückte Kleon, noch ehe seine Verstärkungen angekommen waren, näher an Amphipolis heran und besetzte eine Höhe, von wo aus man die Stadt und Umgegend überblicken konnte. Er dachte keine Schlacht zu liefern und erwartete auch keinen Angriff der Feinde. B. hatte sich, als die Athener erschienen, in Amphipolis hineingezogen. Er wollte, da die athenischen Hopliten besser waren als die seinigen, keine regelrechte Schlacht liefern, sondern den Gegner durch einen unerwarteten Angriff überrumpeln, und traf die nötigen Anstalten, um plötzlich aus den Thoren von Amphipolis hervorzubrechen. Als Kleon diese Anstalten bemerkte, beschloss er abzuziehen und setzte seine Truppen übereilt und unvorsichtig in Bewegung. Dies war der Augenblick, wo B. losbrach. Die Athener wurden völlig überrascht; der linke Flügel entfloh sogleich, der rechte leistete einige Zeit Widerstand, und wurde dann mit grossen Verlusten geschlagen. B. wurde, als er den feindlichen rechten Flügel angriff, verwundet (vgl. Plut. de sera num. vind. 1; apophthegmat. p. 190 B. 219 D), in die Stadt gebracht und starb bald darnach. Im feierlichen Zuge bestatteten die Bundesgenossen ihn in Amphipolis vor dem Markte, wo ihm noch später heroische Ehren erwiesen wurden. Die Amphipoliten schafften die ihrem Gründer, dem Athener Hagnon, erwiesenen Ehren ab und setzten den B. als Gründer und Wohlthäter an seine Stelle (Thuk. V 6–11 und mit manchen Entstellungen Diod. XII 73, 3; vgl. Aristot. Eth. Nicom. V 10 p. 1134 b 23). In Sparta war ihm ein Kenotaph errichtet (Paus. III 14, 1).

B. war weitaus der bedeutendste Mann Spartas im archidamischen Kriege (vgl. Aristoph. Wesp. 475; Frieden 640) und hat durch seine Persönlichkeit über seinen Tod hinaus gewirkt. Er flösste den attischen Bundesgenossen Vertrauen zu Sparta ein, und das hat auch später Früchte getragen (Thuk. IV 81).

Einige an die Eroberung und Verteidigung von Amphipolis sich anknüpfende Kriegslisten des B., die aber mit der wirklichen Geschichte kaum noch in Verbindung stehen, stehen bei Polyaen. strat. I 18, 1f. Frontin. strat. I 5, 23. Der Ansatz dazu findet sich schon bei Isokrates VI 53. Ein mehrmals überliefertes Wort von ihm (Plut. de prof. in virt. 8; apophthegm. p. 190 B. 219 C) wird auch dem Agesilaos zugeschrieben (apophthegm. p. 208 F).

Litteratur: Gust. Schimmelpfeng De Brasidae Spartani rebus gestis atque ingenio, Diss. Marburg 1857. Oncken Athen und Hellas II 299f. 326f.
[Niese.]

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