Bidens. 1) Nigidius (bei Gell. XVI 6, 12. Macrob. VI 9, 5) sagt, dass nicht nur Schafe, sondern alle zweijährigen Opfertiere bidentes genannt würden. Doch Coruncanius (bei Plin. VIII 206) spricht nur von den zu Opfern gebrauchten Wiederkäuern, die bidentes geworden sein müssten. In der Regel war jedoch mit B. (schlechthin als Substantiv) nur das Schaf gemeint (Laberius bei Non. 53, 20. Verg. Aen. IV 57, dazu Serv. V 96. VII 93. VIII 544. ΧII 170. Ovid. met. XV 575; fast. IV 935. Sen. Oed. 569. Stat. Theb. III 457. Corp. Gloss. L. II 29, 37), selten wurde das [427] Rind (Fest. ep. p. 35, 2) oder der gar nicht zu den Wiederkäuern gehörende Eber (L. Pomponius bei Gell. XVI 6, 7. Non. 53, 18. Macrob. VI 9, 4) bidens (Adj.) genannt. Das Wort wurde mit duidens (Fest. ep. p. 66, 16) und fälschlich mit ambidens (oben und unten Zähne habend, ebd. 4, 17) identificiert. Ungenau ist auch die Deutung als zweijährig (Nigid. bei Non. 53, 22. Corp. Gloss. L. II 29, 35) oder fast zweijährig (Serv. Aen. IV 57; vgl. VI 39), wobei gar das Wort aus bidennis quasi biennis entstanden sein soll (Nigid. bei Gell. XVI 6, 13. Macrob. VI 9, 6). Richtig erklärt werden die bidentes als Opfertiere, welche zwei Zähne haben, die länger sind als die übrigen (Hyg. bei Macrob. VI 9, 7), und zwar als solche Schafe (Fest. ep. p. 33, 10. Serv. Aen. VI 39. Corp. Gloss. L. IV 592, 18). Dabei wird denn auch hervorgehoben, dass diese zwei Zähne unter andern acht hervorragten (Hyg. bei Gell. XVI 6, 15). Dies wird dann speciell von den Schafen gesagt (Isid. orig. XII 1, 9), bei welchen diese Erscheinung etwa zu Ende des zweiten Lebensjahres eintrete (Serv. Aen. IV 57; vgl. Acro zu Hor. c. III 23, 13). Rind und Schaf besitzen nämlich 24 Backen- und 8 Schneidezähne; letztere befinden sich aber nur im Unterkiefer. Beim Schaf erscheinen die beiden mittelsten Schneidezähne, die Zangen, zuerst von allen Zähnen, nämlich etwa 8 Tage nach der Geburt; diese werden auch zuerst gewechselt, nämlich mit 1–1½ Jahren, worauf das Schaf bei uns auch Zweischaufler oder Jährling heisst; an die Stelle der ersten, der sog. Milchzähne, treten nämlich zwei grössere, breitere Schneidezähne (vgl. A. Nehring Jahrb. f. Philol. 1893, 66; auch A. Spengel Blätt. f. bayr. Gymn. XXIV 1888, 262ff.). Dann folgen die beiden benachbarten Schneidezähne mit 1½–2 Jahren, die ersten Backenzähne u. s. w. Beim Rinde erscheinen die Milchzangen mit oder bald nach der Geburt; im 15.–20. Monat werden sie durch sehr breite, schaufelförmige dauernde Zangen ersetzt; mit 25–27 Monaten wechseln dann die beiden benachbarten Schneidezähne u. s. w. Da die Alten für den ersten Wechsel ein Alter von fast 2 Jahren für das Schaf angeben, so vermutet Nehring (a. O. 67), dass die Schafe der alten Römer im Vergleich mit den wohlgepflegten, auf Frühreife gezogenen Rassen unserer heutigen Kulturländer hinsichtlich des Zahnwechsels spätreif gewesen seien oder im Laufe der Jahrhunderte überhaupt eine Verfrühung im Eintritt des Wechsels der beiden mittelsten Schneidezähne beim Schafe sich herausgebildet habe. Das Fleisch der Schafe und Rinder im Alter von 1½–2 Jahren ist zart und wohlschmeckend, so dass es sowohl den Göttern als auch den Priestern gefallen konnte. Beim Eber kann B. wohl nur die von den Wiederkäuern auf ihn übertragene Bedeutung von ‚zweijährig‘ gehabt haben, ohne dass die Beschaffenheit der Zähne dabei in Betracht kam. Übrigens kann sich die Vorschrift der Pontifices, nur bidentes zu opfern, nicht auf Privatopfer bezogen haben (vgl. Hor. c. III 13, 9f.). Denn Varro (r. r. II 4, 16) sagt, dass das Schwein mit dem zehnten, Plinius (VIII 206), dass dieses mit dem fünften, das Schaf mit dem siebenten und das Rind mit dem dreissigsten Tage für das Opfer geeignet (purus) sei. Daher betont Vergilius fast immer [428] für die Opfer von B. in der Heroenzeit, dass sie rite oder de more geschahen oder dass die geopferten b. lectae de more waren. Bei Horatius werden denn auch öfters Lämmer geopfert, auch ein zartes Kalb (c. IV 2, 54) und ein zweimonatliches Ferkel (c. III 17, 15). Öfters ist B. gleichbedeutend mit ovis überhaupt für ‚Schaf‘ gebraucht (Ovid. met. X 227. Phaedr. I 17, 8. Sen. Oed. 134. Symphos. aenigm. 33. Corp. Gloss. L. IV 211, 44). Einmal ist scherzweise damit ein altes Weib bezeichnet (bidens amica Priap. 82 [83] 26), d. h. ein solches, welches nur noch zwei Zähne hat.
[Olck.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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