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Bendis (Βενδῖς, Βενδῖδος, Βενδῖν nach Herodian. I 107, 21. II 760, 34f., wechselnd mit anlautendem Μ [Bekker anecd. 1192, 24], worauf auch die Bildungen Mendideum statt Bendideum [so die Überlieferung bei Liv. XXXVIII 41, 1], Μενδίδωρος [CIG 2034. Steph. Byz., vgl. Mordtmann Athen. Mitt. 1881, 122], Μενδᾶς [Mordtmann Denkschr. d. Wien. Akad. XIII 69 nr. 50] u. a. führen), thrakische, der Artemis verwandte, von den Alten (Hesych. s. Βενδῖς. Schol. Plat. rep. I 327 a. Palaiphat. 32) dieser gleichgesetzte Göttin, auch mit Hekate (Hesych. s. Ἀδμήτου κόρη) und Persephone (Orph. frg. 184 bei Prokl. in Plat. rep. p. 353) identificiert. Älteste Erwähnung bei Hipponax frg. 120 (Hesych. s. Κυβήβη [cod. Κυβήκη], Bergk PLG⁴ II 496): καὶ Διὸς κούρη Κυβήβη καὶ Θρηικίη Βενδῖς (nach Bergk), vgl. Kratin. frg. 82 (CAF I 38 K.). Zur Zeit des Perikles wurde ihr Kult, der den Komikern reiche Gelegenheit zum Spotte (Strab. X 471) bot (Kratinos Θρᾷτται, CAF I 34–38. Aristophanes Λήμνιαι, CAF I 486–490) in Athen eingeführt, eine ausführlichere Schilderung desselben bei Platon im Anfang der Republik, wo von ihrem Feste im Piraeus die Rede ist. Der daselbst neben der Artemis [270] Munichia stehende Tempel spielt 404 im Kampfe der dreissig Tyrannen mit der Partei des Thrasybulos eine Rolle (Xen. hell. II 4, 11), ferner lag auf Salamis ein Heiligtum der Göttin (CIA II 620, vgl. 610 und die Liste der Thiasoten nr. 987, dazu Lüders Dionys. Künstl. 19. Foucart Assoc. relig. 221). Recipiert im Kultus erscheint B. CIA I 210 (neben Adrasteia) und CIA II 741 (Hautgelder ἐγ Βενδιδείων παρὰ ἱεροποιῶν), auch die Namenform Βενδιδώρα (CIG 496) spricht für seine Verbreitung. Unmittelbar am Hafen von Alexandreia scheint nach Synes. epist. 4 ein Bendideion gestanden zu haben, Lumbroso L’Egitto dei Greci e dei Romani, Rom 1895, 159, vgl. Puchstein oben Bd. I S. 1386. Doch wird die Sache etwas zweifelhaft durch Ps.-Kallisth. I 31, wo die älteste Hs. Μενδίου und Μενδησίου (Iul. Valer. indidium) bietet, so dass Drexler Wochenschr. f. kl. Ph. 1894, 1244ff. an ein Heiligtum des Mendes gedacht hat. Auch in Vorderasien scheint der in der thrakischen Heimat sehr verbreitete Kultus (Strab. a. a. O. Liv. XXXVIII 41. Lukian. Iupit. trag. 10; Ikaromen. 24) Eingang gefunden zu haben, wenigstens deutet der bithynische Monatsname Βενδίδειος (s. d.) darauf hin. Vielleicht ist die auf einer Münze des Königs Nikomedes I. von Bithynien erscheinende mit zwei Lanzen und einem Dolche bewehrte Göttin (Mionnet II 503, 1. 2) B. zu benennen. B. ist in der thrakischen Göttertrias (Herod. V 7: θεοὺς δὲ σέβονται μούνους τούσδε, Ἄρεα καὶ Διόνυσον καὶ Ἄρτεμιν) das weibliche Gegenstück zu dem Kriegsgotte, ihr Beiname Βασιλείη (IV 33) wahrscheinlich Übersetzung des barbarischen Namens. Unter den drei Erklärungen der bei Kratinos in den ‚Thrakerinnen‘ erwähnten Benennung δίλογχος (Hesych.), entweder weil sie zwei Ämter gehabt, ein himmlisches und ein irdisches (Lobeck Aglaoph. 500), oder weil sie zwei Lanzen trage, oder weil sie zweifaches Licht, das eigene und das der Sonne, habe, dürfte die zweite (κυνηγετικὴ οὖσα) die richtige sein, da auf den von Heuzey und Daumet publicierten Reliefs aus Thrakien (Mission archéolog. de Macédoine, Paris 1876 p. 80 pl. IV 2. 3. 8) ein ähnlicher Typus der Jägerin Artemis erscheint, vgl. die Münzen bei Mionnet I nr. 58 (Anchialos). 130 (Deultum). 15 (Koile). Das von den Thrakern gefeierte Fest im Piraeus bestand nach Platon aus einer Procession, einem abendlichen Fackelwettrennen und einer Nachtfeier (παννυχίς), deren orgiastischen Charakter Prokl. in Tim. p. 26 e andeutet. Nach dieser Seite berührt sich der Kultus der B. mit dem des thrakischen Vegetationsdaemons Kotytto (s. d. und Mannhardt Wald- und Feldkulte II 258ff.); beide Kulte verbindet Strabon X 470. Schon Kratinos (frg. 84) scheint dies berührt zu haben, und wenn wirklich der Vers τυρβηνέων τι καινὸν ἐργαστήριον (s. Kock z. d. St.) von ihm stammt, so kann man das argivische Dionysosfest Τύρβη vergleichen (Paus. II 24, 6). Von den thrakischen Frauen erwähnt Herod. IV 33 Opfer von Getreidegarben an B., ebenso findet ein solches in der attischen Filiale statt (CIA I 210), ein ähnliches ferner auf Lemnos für die Μεγάλη θεός (s. d.), die bereits Aristophanes in den Lemnierinnen (Hesych. s. Μεγάλη θεός. CAF I 489) mit B. identifiziert hat. [271] Neuerdings ist die Gestalt der bithynischen Artemis (Bendis) aus Kallinikos Vita S. Hypatii (p. 97 ed. Bonn. Lpz. 1895) bekannter geworden. In übermenschlicher Grösse, spinnend und Ferkel weidend tritt sie zur Zeit ihres Kalathos (23. März–22. April nach Usener) dem Heiligen entgegen. Usener Rh. Mus. L 145.
Litteratur: Lobeck Aglaoph. 500. 628. 1165. 1214. Bergk De reliq. com. Attic. 76–92. J. Grimm Kl. Schrift. V 430ff. (erklärt unter dem Banne seiner Theorie vom Zusammenhange der germanischen Völker mit den thrakischen B. = altnord. Vanadis, schöne, leuchtende Frau). Rapp Die Beziehungen des Dionysoskultus zu Thrakien u. Kleinasien, Progr. des Stuttgarter Karls-Gymn. 1882, 31ff. (vgl. Roschers Lex. I 779–783). Tomaschek Die alten Thraker II 1 (S.-Ber. Akad. Wien 1893) 47 (mit Deutungsversuch). Preller-Robert Griech. Mythol. I 327f. (fast vollständige Stellensammlung). Rohde Psyche 397, 1.
[Knaack.]
Nachträge und Berichtigungen
Supplementband I (1903)
[S I 247] S. 269, 44 zum Art. Bendis:
Über die Gestalt der B. sind wir jetzt durch das Votivrelief mit der Ehreninschrift der Orgeonen der B. aus dem Piraeus vom J. 329/8 (Sammlung Jacobsen zu Ny Carlsberg bei Kopenhagen), welches P. Hartwig in einer Festschrift zum 70. Geburtstage O. Ribbecks (Bendis, eine archäol. Untersuchung, Leipz. 1897) veröffentlicht hat, ausreichend unterrichtet. Besonders charakteristisch für die thrakische Jagdgöttin ist ihre spitze, mit Ohrenklappen versehene Fuchspelzmütze (ἀλωπεκίς). Vor dieser officiellen Darstellung der B. müssen die Artemistypen auf den thrakischen Reliefs bei Heuzey und Daumet und auf den Münzen zurücktreten. Aber auch von den bei Hartwig vereinigten und auf B. bezogenen Darstellungen von göttlichen ‚Jägerinnen‘ sind, wie Trendelenburg Bendis (Progr. d. Askan. Gymn. zu Berlin 1898) 21 nachgewiesen hat, wohl die meisten auszuscheiden; ganz sicher ist nur das Londoner Relief (Taf. II), das vielleicht die Züge der Cultstatue (im Piraeus?) noch getreuer bewahrt hat, als das Kopenhagener. Über die B. δίλογχος vgl. noch Belger Berl. phil. Woch. 1899, 91ff. 155ff. (gegen Trendelenburg). B. im Gigantenkampfe glaubt B. Graef auf einer Pariser Vase zu erkennen (Herm. XXXVI 97). Eine neue Orgeoneninschrift aus dem Piraeus (πρὸς τὴν Βενδῖν καὶ τὸν Δηλόπτην [s. d.]) veröffentlichte Demorgue Bull. hell. XXIII 1899, 7-11. 370-373; vgl. Th. Wiegand Athen. Mitt. 1901, 172. Eine sichere Deutung des Namens ist noch nicht gefunden; über den Wechsel zwischen B und M vgl. Kretschmer Einl. in die Geschichte der griech. Sprache 236.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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