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Belisarios (gewöhnliche Namensform: Βελισάριος, Belisarius; Jordanes schreibt Belesarius [einmal Belezarius], ebenso Victor Tonn.; Vilisarius kommt vor bei Späteren und ist auch die Schreibart des Lib. pont.; Velisarius in der Papyrusurkunde s. VI bei Marini Pap. dipl. nr. 140; die römischen Inschriften bei de Rossi Inscript. Christ. I nr. 1055–1063 haben Vilisarius, Vuilisarius, Bilisarius, Velesarius; einmal [nr. 1056] Fl(avius) Belisarius; über die Etymologie E. Schröder Ztschr. f. D. Altert. XXXV 1891, 244), stammte [210] aus der Stadt Germania ‚an der Grenze von Thrakien und Illyrien‘ (Prok. Vand. I 11 p. 361 B.; vgl. de aedif. IV 1 p. 267. 4 p. 283), also aus derselben Gegend, in welcher auch die Heimat Iustinians war. Da in jener Zeit die Kaiser ihre Leibgarde hauptsächlich aus ihren Heimatgegenden zu recrutieren pflegten, mag die Landsmannschaft die erste Veranlassung zu dem Verhältnisse B.s zu Iustinian gewesen sein. Es scheint sogar zwischen dem Feldherrn und dem Kaiser ein eigentümliches, durch Schwur besiegeltes Treuverhältnis bestanden zu haben (Prok. Goth. II 29 p. 268). Prokop schildert ihn als hoch gewachsen und schön (Goth. III 1 p. 281). Sein Geburtsjahr ist unbekannt (Anhaltspunkte geben Prok. Pers. I 12 p. 59 und Agath. V 16 p. 312: also etwa 500 n. Chr.).
Die ersten Sporen verdiente sich B. noch unter der Regierung Kaiser Iustins, als er und Sittas, die beide damals Stellen in der Garde des nachherigen Kaisers und damaligen Magister militum Iustinian bekleideten, den Auftrag erhielten, in Persamenien einzufallen, während ein anderes römisches Heer gegen Nisibis marschieren sollte. Ein erster Beutezug gelang, bei einem zweiten wurden die beiden jungen Officiere unvermutet von den Persern angegriffen und geschlagen. Nichtsdestoweniger wurde B., da sich der General des gegen Nisibis gesendeten Heeres nicht bewährte, zum Commandanten des wichtigen Daras und der mesopotamischen Grenztruppen (wohl als Dux Mesopotamiae) ernannt (im J. 526. Prok. Pers. I 12 p. 59f.). Damals wurde ihm als Consiliarius Prokop attachiert, der ihn von nun an in amtlicher Stellung auf allen seinen Kriegszügen begleitete und seine Thaten der Nachwelt überliefert hat. Als Iustinian zur Regierung kam, erhielt B. den Auftrag, seine Grenzmark durch Anlegung eines Castells in Mindon, unmittelbar an der persischen Grenze, zu verstärken. Die Perser suchten den Bau zu verhindern; B. war nicht stark genug, sie abzuwehren, und auch ein aus Phoinikien herbeieilendes Hülfsheer wurde vernichtet, das Castell dem Erdboden gleichgemacht. B. selbst rettete sich fliehend aus der Schlacht (Malal. p. 442 B.; vgl. Chron. Pasch. p. 618 B. Theophan. z. J. 6020). Bald darauf wurde B. zum Magister militum per Orientem ernannt und rückte mit einem ansehnlichen Heere und dem Magister officiorum Hermogenes nach Daras, während Iustinian sich zugleich anschickte, Friedensunterhandlungen einzuleiten. Die Perser rückten, 40 000 Mann stark, unter Perozes aus Nisibis den 25 000 Mann B.s entgegen. B. bezog eine feste Stellung vor den Mauern von Daras, indem er einen langen Graben zog, in den er das Gros seiner Truppen legte, während er die vorgeschobenen Flügel mit Föderierten und Reiterei deckte und er selbst, sowie der Magister officiorum Hermogenes mit ihren Truppen hinter der Schlachtordnung in der Reserve standen. Am ersten Tage kam es nur zu unbedeutenden Gefechten, am zweiten zogen die Perser aus Nisibis noch 10 000 Mann zur Verstärkung heran. B. machte den vielleicht ernstlichen Versuch, die Perser zur Waffenruhe zu bewegen, sein Vorschlag wurde aber mit Hohn zurückgewiesen. Die Perser griffen am Nachmittage des folgenden Tages an, [211] in tiefer Schlachtordnung aufgestellt, die zwei Treffen bildete, welche abwechselnd kämpfen sollten; in der Reserve standen die Unsterblichen. Der Wind war den Römern günstig, so dass ihre Pfeile wirksam waren, die persischen unwirksam blieben. Der rechte Flügel der Perser wurde durch einen Rückenangriff der an B.s äusserstem linken Flügel aufgestellten Heruler nach grossen Verlusten in die Flucht geschlagen; noch grössere Verluste erlitt der persische linke Flügel, der, nachdem er scheinbar siegreich vorgedrungen, durch einen Seitenangriff und durch die Garde B.s auseinandergesprengt wurde; der hier commandierende persische General fiel. Im ganzen berechnet Prokop den Verlust der Perser auf 8000 Tote. Trotzdem wurde die begonnene Verfolgung nicht fortgesetzt, was dafür spricht, dass der Sieg nicht entscheidend war. Immerhin wurde, wie es scheint, durch die Schlacht bei Daras das Übergewicht der römischen Waffen hergestellt und die Grenze gesichert – ein Erfolg, der der Disciplin der Truppen B.s zu danken war (Juni 530. Prok. Pers. I 13. 14. Malal. p. 445. 452f. B. Theophan. z. J. 6021. 6022). Obwohl die Perser auch auf dem nördlichen Kriegsschauplatze, in Armenien, gegen Sittas den kürzeren zogen, ging Kabades doch nicht auf die byzantinischen Friedensvorschläge ein; es schien vielmehr, dass er sich die Herstellung der Waffenruhe durch Subsidien oder Tribut von den Römern abkaufen lassen wollte, und darauf einzugehen war Iustinian noch nicht gesonnen. So fiel im folgenden Jahre abermals ein persisches Heer von 15 000 Mann unter dem Commando des Azarethas und von dem Sarazenenfürsten Alamundarus (s. d. Nr. 2) geführt, in römisches Gebiet ein, vermied aber diesmal die gut befestigte mesopotamische Grenze und rückte unvermutet weiter südlich, direct gegen Syrien und Antiochia vor. B. war genötigt, nach Hinterlassung von Besatzungen in den mesopotamischen Grenzstädten über den Euphrat nach Syrien bis Chalkis zu marschieren, um dem Feinde, der schon in Gabbula, einer Stadt der Euphratprovinz, angelangt war, den Weg nach Antiochia zu verlegen. Die Perser wurden wider B.s Willen von seinem Unterbefehlshaber Sunicas angegriffen, sahen ihren Handstreich vereitelt, kehrten um und zogen den Euphrat entlang heimwärts. B. folgte ihnen, nachdem Hermogenes zu ihm gestossen war, in der Distanz von einem Tagmarsche, da er, offenbar aus Misstrauen gegen seine zum Teil neu ausgehobenen und ungeschulten Truppen, nicht zu schlagen wagte. Unter den Feldherren selbst herrschte Uneinigkeit. Indes eben die Truppen drängten B., wenn wir Prokop glauben können, zu einer entscheidenden Action, bevor die Perser aus dem Bereiche der römischen Machtsphaere entkommen konnten. Hinter Sura, gegenüber der römischen Stadt Kallinikon, am rechten Ufer des Euphrat, kam es am Ostersamstage (19. April) 531 zur Schlacht. Im Fernkampfe, der zwei Drittel des Tages währte, behielten die Römer die Oberhand. Dann wich aber ihr rechter Flügel vor einem wuchtigen persischen Angriffe in die Flucht, so dass den hier aufgestellten römischen Saracenen der Vorwurf des Verrates nicht erspart blieb. Dadurch geriet auch der übrige Teil der römischen Schlachtordnung ins Gedränge, wiewohl, [212] wie Prokop behauptet, B. selbst mit Reiterei und dem Fussvolk auf dem linken Flügel der persischen Reiterei lange standhielt. Als die Nacht heranbrach, rettete sich ein Teil des römischen Heeres und B. selbst, um am folgenden Tage nach Kallinikon überzusetzen, auf eine Euphratinsel während Sunicas und Simmas den Rückzug deckten. Die Perser konnten das Schlachtfeld plündern und nun ungestört nach Hause marschieren obwohl sie ebenfalls bedeutende Verluste erlitten hatten (Proc. Pers. I 18 und Malal. p. 461ff., welche die entgegengesetzten Standpunkte vertreten). Der Kaiser rief B. aus dem Osten zurück und setzte ihn ab, nachdem eine Untersuchung über die Ursachen der Niederlage durchgeführt worden war, die nicht zu Gunsten von B. ausgefallen zu sein scheint (Malal. p. 466), Sittas und Hermogenes blieben zurück, während die Diplomaten bald darauf (532) mit dem Nachfolger des Kabades, Chosroes, den sog. ewigen Frieden vereinbarten, der es Iustinian ermöglichte seine gegen die germanischen Reiche des Westens gerichteten Pläne ins Werk zu setzen.
Prokop berichtet, dass Iustinian den B. schon mit der Absicht vom Perserkriege abberief, um ihm den Vandalenkrieg zu übergeben (Pers. I 21 p. 107). Während seines Aufenthaltes in Byzanz kam der von den Circusfactionen erregte und durch die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Steuerdrucke und der Corruption der Verwaltung genährte Nikaaufstand zum Ausbruche (13. Januar 532). Die erregten Massen konnten nicht dadurch beschwichtigt werden, dass Iustinian die verhasstesten Beamten aus ihren Stellungen entfernte; auch ein Angriff B.s auf die Volksmenge fruchtete nichts; man rief den Neffen des Kaisers Anastasius, Hypatios, zum Kaiser aus, Iustinian zitterte in seinem Palaste und war bereit, aus Byzanz zu fliehen, bis die energischen Worte der Kaiserin Theodora ihn und seine Berater zu entschlossenem Widerstande bestimmten. Auf die Palastgarden und die Treue der übrigen in Βyzanz garnisonierenden Truppen war freilich kein Verlass. Aber B. verfügte über seine starke und in den Perserkriegen erprobte Gefolgschaft, und auch Mundus, der Magister militum per Illyricum, stand dem Kaiser mit einer Schar von föderierten Herulern zur Verfügung. B. unternahm es, geradenwegs gegen die kaiserliche Loge im Hippodrom vorzugehen, in der Hypatios den Thron bestiegen hatte, während sich die Menge im Hipppodrom versammelt hatte. Allein er kam unverrichteter Dinge zurück, da ihm die Palastwache die entschlossen war, in neutraler Stellung die Entscheidung abzuwarten, die Thore nicht öffnen wollte und er die Sache des Kaisers verloren gab. Indes kehrte er auf Befehl Iustinians nochmals zum Hippodrome zurück und drang nun, das Schwert in der Hand, an der Spitze eines wohlbewaffneten Gefolges auf die wehrlose Menge ein. Von einer anderen Seite her unterstützte Mundus den Angriff. Narses streute im Auftrage des Kaisers Gold unter die Menge, und schon wurden wieder Hochrufe auf Iustinian laut, währen die kaiserlichen Generale wahllos mehr als 30 000 Bewohner Konstantinopels niedermetzeln liess. Hypatios und seine Verwandten kamen vor Iustinians Richterstuhl. So wurde nach einer Dauer [213] von nur wenigen Tagen der Nikaaufstand, dem ein grosser Teil der schönsten Gebäude von Constantinopel zum Opfer gefallen war und der Iustinian beinahe seinen Thron gekostet hätte, in Strömen von Blut erstickt, und Iustinians Herrschaft war neu begründet durch die Entschlossenheit seiner Gemahlin, durch die Treue einiger weniger ihm treu gebliebener Generale und eine Anzahl von barbarischen Soldaten (Prok. Pers. I 24. Mala. p. 473ff. B. Chron. Pasch. p. 620ff. B. Theophan. zum J. 6024; vgl. Joh. Lyd. de mag. III 69ff. Marcell. zum J. 532).
Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass diese in schwierigen Verhältnissen hier zum erstenmal erprobte Treue mehr als die keineswegs glänzenden Erfolge im persischen Kriege B. die Gunst seines Landsmannes und Kaisers in noch höherem Masse gewannen. In dieselbe Zeit oder etwas früher auch B.s Vermählung mit Antonina, die vielfach entscheidend auf sein späteres Leben einwirkte und ihn bei dem africanischen Kriegszuge begleitete, den er nun im Auftrage Iustinians unternahm (Prok. Vand. I 14 p. 369). Denn er war dazu ausersehen, das Werkzeug auf die Wiedergewinnung des Westens gerichteten Restaurationspolitik Iustinians zu werden. Die Invasion war von langer Hand diplomatisch vorbereitet worden, seitdem der römerfreundliche Vandalenkönig Hilderich durch Gelimer gestürzt worden war und der Kaiser die Möglichkeit hatte – ähnlich wie später im Gothenkriege – als Verfechter nicht nur der Orthodoxie und des Römertums, sondern auch des rechtmässigen Königs aufzutreten. Als es gelungen war, den lange ersehnten Frieden mit den Persern abzuschließen, entblösste Iustinian die Ostgrenze von Truppen, um seinen Lieblingsplan durchzuführen. Die politische Constellation war auch deshalb günstig, weil das ostgothische und das vandalische Reich seit dem Tode Thrasamunds (523) auf gespanntem Fusse standen; ferner hatte sich der vandalische Statthalter von Sardinien, Godas, empört, so dass ein vandalisches Heer nach Sardinien abgehen musste, während die Landschaft Tripolis unter Führung eines gewissen Pudentius und mit Unterstützung einer römischen Truppenabteilung zu den Römern überging. Immerhin waren aber gegen die Expedition auch sehr ernsthafte Bedenken laut geworden, Bedenken, die sich gegen die gesamte Reichspolitik Iustinians richteten, die sich auf die erschöpften Finanzen des Staates gründeten und die im Kronrate ihren Ausdruck fanden, als der Praefectus praetorio, der doch zunächst für die Kosten aufkommen musste, Johannes, energisch gegen den Krieg sprach. Auch die Generale, so berichtet Prokop, seien gegen den Krieg gewesen; sie dachten an das Scheitern der grossen Expedition des Basiliskos und zweifelten, ob man Lorbeeren ernten könne mit Truppen, die vor der langen Seefahrt zurückscheuten und das Garnisonsleben den Strapazen eines Feldzuges bei weitem vorzogen. Andererseits war die chauvinistische Weltpolitik natürlich bei dem Teile der Bevölkerung von Constantinopel beliebt, der ferne vom Schuss und ohne eigenes Risico spannende Kriegsbulletins und glänzende Siegesfeste erwartete. Iustinian selbst schwankte, bevor er den für seine ganze Regierung entscheidenden Entschluss [214] fasste, und die Entscheidung scheint ihm erst der Einfluss der katholischen Bischöfe abgerungen zu haben, die in ihrem Eifer gegen den Arianismus und für die eigene Weltherrschaft natürlich eine Stütze der Weltpolitik des römischen Kaisers waren. Nun ernannte er B. zum Generalissimus für den vandalischen Krieg (στρατηγὸς αὐτοκράτωρ); Β. war mit der Würde eines Magister militum (so nennt ihn schon wieder die Nov. 155 vom 1. Febr. 533) per Orientem bekleidet, wurde aber mit ausserordentlichen Vollmachten ausgestattet, durch welche alle seine Verfügungen von vornherein gebilligt wurden und er als einziger Stellvertreter des Kaisers mit unbeschränkter Machtvollkommenheit erschien; ihn begleitete als Praefect Archelaos, als Domesticus Solomon und die verschiedenen Abteilungschefs des bunten, aus regulären Truppen und Föderierten bestehenden, im ganzen 15 000 Mann starken Heeres. Es waren alle Waffengattungen vertreten, den Kern des Heeres aber bildete B.s starke, an ihn persönlich attachierte Gefolgschaft. Die Flotte bestand aus 500 Transportschiffen unter dem Commando des Kalonymos mit einem Gehalt von 3000–50 000 Medimnen, bemannt mit 20 000 ägyptischen, ionischen, kilikischen Schiffern, und 92 schnellsegelnden Kriegsschiffen, bemannt mit 2000 Byzantinern (Prok. Vand. I 10. 11, aus ihm Theophan.). Nachdem durch eine religiöse Cerimonie der Flotte ein gutes Omen auf den Weg gegeben war, wurden im Monate Juni 533 die Anker gelichtet; an der Spitze der Flotte segelte B.s Schiff mit zwei anderen, die unter Tags durch rote Segel, in der Nacht durch Laternen kenntlich gemacht waren. Über Perinth, Abydos, Sigeum, Malea, Taenarum ging die Fahrt nach Methone, wo die unter Valerianus und Martinus vorausgeschickten Truppen aufgenommen wurden. Die Schwierigkeiten, die B. zu überwinden hatte, ergaben sich zum Teil aus der ungewohnten langen Seefahrt; mit Strenge war er bestrebt, die Disciplin, namentlich unter den föderierten Hunnen, aufrecht zu erhalten; durch die Schuld der Sparsamkeit des Praefecten Johannes war der für die Truppen bestimmte Brotvorrat verdorben und musste auf dem Wege der Requisition ersetzt werden, und es gingen gegen 500 Soldaten infolge der schlechten Verproviantierung zu Grunde. Neue Widerwärtigkeiten ergaben sich, als man in Zakynthos Wasser eingenommen und infolge des schlechten Windes erst am sechzehnten Tage am Fusse des Aetna in Sicilien landen konnte (Vand. I 12. 13). In dem gothischen Sicilien fand B. die Möglichkeit, sich frisch zu verproviantieren und Pferde für seine Cavallerie anzukaufen (Vand. I 14 p. 371; Goth. I 3 p. 19f.). B.s Heer war aber durch die lange Seefahrt demoralisiert und erklärte deutlich, dass es nicht gesonnen sei, zur See der gefürchteten vandalischen Flotte entgegenzutreten. B. selbst war über die gegenwärtigen Verhältnisse im Vandalenreiche durchaus nicht orientiert und für die Zukunft seiner Expedition besorgt. Er sendete Prokop nach Syrakus aus, um Erkundigungen einzuziehen, und erst als dieser ihm die Gewissheit brachte, dass die Vandalen noch keine Nachricht von der Expedition hatten, dass ein Teil der vandalischen Macht in Sardinien engagiert war und dass König Gelimer selbst vier Tagmärsche von [215] der Küste in Hermione stand, entschloss er sich, von Kaukana aus an Gaulos und Malta vorbei nach Africa überzusetzen; ein Wind trieb die Schiffe südlich bis Caputvada (Vand. I 14). Unter B.s Vorsitze fand ein Kriegsrat statt; der von Archelaos entwickelte Plan, man solle direct nordwärts steuern und versuchen, die schwach besetzte Hauptstadt Karthago, seit Geiserich die einzige Festung des Landes, mit einem Handstreiche zu nehmen, hatte strategisch viele Vorteile. Trotzdem entschloss sich B., sofort zu landen, weil er seinen Truppen nicht eine nochmalige Seefahrt zumuten wollte und nicht auf seine Flotte vertraute. Er bezog ein festes Lager und beschloss, mit seinem Heere zu Lande gegen Karthago zu marschieren, während die Flotte an der Küste folgte. Dieser Plan hatte strategisch den Nachteil, dass B. mit seinem Heere zwischen den südwestlich stehenden Gelimer mit der vandalischen Hauptmacht und die vandalische Hauptstadt geraten konnte; andererseits konnte er nun den Propagandakrieg führen, indem er im Namen des Kaisers als Befreier der Bevölkerung von der Tyrannis Gelimers auftrat. Eine Proclamation Iustinians erklärte ausdrücklich, dass der römische Feldherr nur für das alte, von Gelimer verletzte Recht kämpfe und Frieden und Freiheit bringe. Den Soldaten wurde das Marodieren strengstens untersagt; sie sollten schon ihrer eigenen Sicherheit wegen die römische Bevölkerung nicht als Feinde behandeln. So wurde die Proviantversorgung erleichtert, die Bevölkerung freundlich gestimmt, so stellten sich Überläufer ein. Die Stadt Syllectum, die von ihren Bewohnern gegen die Maureneinfälle befestigt war, übersendete ihre Schlüssel an B., nachdem einige Soldaten B.s eingedrungen waren. Nun zog das Heer auf der Strasse nach Karthago in Tagemärschen von 80 Stadien über Syllectum, Leptis, Adrumetum bis zum königlichen Lustschlosse Grasse; als Vorhut zog der Armenier Johannes mit 300 Reitern; zur Deckung der linken Flanke waren die Hunnen detachiert; die rechte Flanke war durch das Meer und die Flotte geschützt. Bei Grasse bekamen die Kundschafter B.s und Gelimers Fühlung mit einander. Der Vandalenkönig war nämlich auf die Kunde von B.s Landung von Hermione aufgebrochen und B.s Heere nachgerückt. Jetzt, da sich B.s Heer von der Küste entfernen musste, um landeinwärts gegen Karthago zu marschieren, sollte es bei Decimum, 70 Stadien von Karthago, zugleich in der Front vom Bruder des Königs Ammatas, der in Karthago commandierte, und im Rücken von Gelimer mit der vandalischen Hauptmacht angegriffen werden (Vand. I 15–17). 2000 Mann unter dem Commando des Gibamund wurden ferner von Gelimer detachiert, um die Römer zu umgehen und ihnen in die linke Flanke zu fallen. Die Lage B.s wäre eine kritische gewesen, wenn ihn nicht die eigenen vorsichtigen Dispositionen und die geringe Geschicklichkeit der Gegner aus seiner gefahrvollen Lage befreit hätten. B.s Vorhut unter Johannes stiess zuerst auf Ammatas, der mit zu geringen Truppen und einige Stunden vor der von seinem Bruder festgesetzten Zeit gegen Decimum vorgerückt war; bei dem Zusammenstosse fiel er selbst nach tapferem Kampfe, und was an Truppen in loser Ordnung aus Karthago [216] nachgerückt war, wurde von Johannes zersprengt und teilweise niedergemetzelt, teilweise nach der Stadt zurückgeworfen. Indes stiess die von Gelimer zur Umgehung bestimmte Schar auf dem sog. Salzfelde auf B.s Hunnen und wurde von diesen wilden Scharen mit ihrer neuartigen Kampfweise aufgerieben und verfolgt (Vand. I 18). Β. selbst, von diesen Vorgängen noch nicht unterrichtet, schlug vor Decimum an einem geeigneten Orte ein Lager. Dann schickte er die Föderierten gegen Decimum voraus; hier erfuhren sie von der Niederlage des Ammatas; schon kam aber auch das Hauptheer der Vandalen von Süden her, dem es gelang, die Föderierten in einem hitzigen Gefechte zurückzuwerfen, so dass sie sogar eine Abteilung von B.s Garde in ihrer Flucht mit sich rissen. Gelimer schien nach Prokops Urteil den Sieg schon in der Hand zu haben oder wenigstens die Rettung seiner Hauptstadt und die Vernichtung der vorgeschobenen Truppen des Johannes, die er von B.s Hauptmacht trennte. Allein nun stiess er auf die Leiche seines Bruders Ammatas und der Seinen; er dachte nur noch an die Bergung der Leiche, und diese Sentimentalität kostete dem Vandalenkönig seinen Thron oder wenigstens den Tag von Decimum. Denn B. fand Zeit, seine Garde und seine Reiterei neuerlich zu ordnen; er stürmte, jetzt von allen Vorgänge des blutigen Tages unterrichtet, gegen das umgeordnete Vandalenheer, das mit grossen Verlusten westlich nach Bulla fliehen musste. B. konnte seine zerstreuten Scharen an sich ziehen und über nachtete am 13. September 533 (Papencordt 152) mit dem Heere, soweit es an der Schlacht teilgenommen, auf dem Schlachtfelde (Vand. I 19). Am zweiten Tage nach der Schlacht rückte B., ohne Widerstand zu finden, in Karthago ein und bezog Gelimers Königsburg, während die Flotte an der benachbarten Küste vor Anker gegangen war. König Hilderich war schon vor der Schlacht im Gefängnisse auf Auftrag Gelimers niedergemacht worden, so dass die Römer ohne beengende Rücksicht auf die Legitimität, die sie angeblich beschützten, das Erbe der Vandalenkönige antreten konnten. Eine Anzahl von Kaufleuten aus dem römischen Reiche, die in Karthago gefangen waren, gewannen ihre Freiheit, und B. sah auch jetzt, so gut es eben anging, darauf, dass die Bevölkerung von seiner Soldateska möglichst wenig zu leiden hatte; die Einquartierung ging ordnungsmässig vor sich, Handel und Verkehr wurden nicht unterbrochen (Prok. Vand. I 20. 21). Aber der entscheidende Kampf stand noch bevor. B. liess zunächst die schadhaften Mauern von Karthago wiederherstellen. Das Landvolk in der Umgebung der Stadt, dem eigentlichen Centrum der vandalischen Besiedelung, war den Römern trotz aller Bemühungen feindlich gesinnt, und wo sich Römer einzeln blicken liessen, wurden sie niedergemacht. Die Mauren hingegen suchten bei B. um die Belehnung ihrer Häuptlinge nach und hielten sich im ganzen neutral; nur wenige gingen zu Gelimer, der in Bulla seine Streitkräfte concentrierte und seinen Bruder Tzazo, der mit 5000 Mann der besten vandalischen Truppen Sardinien wieder unterworfen hatte, an sich zog. B. nur durch die 400 Mann unter Cyrillus verstärkt, die nach Sardinien bestimmt gewesen waren, aber [217] nach den Erfolgen des Tzazo die Expedition aufgegeben hatten (Prok. Vand. I 23. 24). Mit den Verstärkungen rückte Gelimer näher an Karthago heran, sperrte die Strassen, zerstörte die Wasserleitung und rechnete auf Verbindungen, die er in der Stadt unterhielt, auf die Sympathien der Arianer und auf den Verrat der Hunnen in B.s Heere. B. rückte 140 Stadien von Karthago bis Trikameron, wo er, nur durch einen schmalen Bach von den Vandalen getrennt, sein Heer aufstellte, auf dem linken Flügel die Föderierten, auf dem rechten die römische Reiterei. In der Mitte stand der Armenier Johannes mit der Fahne und mit B.s Garde, hier traf auch B. selbst mit 500 Reitern ein, während die Infanterie langsamer nachrückte. Dreimal griff Johannes das vandalische Centrum, das Tzazo befehligte, an, das sich tapfer im Handgemenge wehrte. Erst beim dritten Angriffe fiel Tzazo selbst, und als das ganze römische Heer den Bach überschritt, flohen die Vandalen in ihr Lager. Nun griffen auch die Hunnen, die, abseits aufgestellt, den Verlauf des Kampfes abgewartet hatten, in die Verfolgung ein. Nach Prokops Angabe fielen 800 Vandalen und nur 50 Römer. Indes verfolgten die Römer ihren Sieg zunächst nicht und beschäftigten sich damit, die Toten zu plündern. Erst als gegen Abend das Fussvolk anrückte, zog B. mit gesamter Macht gegen das Lager der Vandalen. Gelimer gab alles verloren und rettete sich mit wenigen Begleitern durch die Flucht, und als des Königs Flucht bekannt wurde, verliess, was sich noch retten konnte, eiligst das Lager. Die Römer mordeten und plünderten die ganze Nacht hindurch, metzelten die Männer nieder und nahmen die im Lager aufgehäuften Schätze und die Frauen als gute Prise (Mitte December 533). Mit Mühe konnte B. am andern Tage seine Soldaten wieder zu Ordnung und Disciplin zurückbringen und wenigstens diejenigen Vandalen vor dem Tode retten und als Gefangene nach Karthago schicken, welche sich in die Kirchen geflüchtet hatten. Johannes wurde zur Verfolgung Gelimers ausgeschickt, fiel aber einem unglücklichen Zufall nach wenigen Tagen zum Opfer. B. selbst rückte mit der Hauptmacht nach und kam bis Hippo Regius, wo ihm durch einen Zufall der Königsschatz Gelimers in die Hände fiel. Hier erfuhr er, dass Gelimer sich zu befreundeten Mauren nach der Gebirgsstadt Medeos an der numidischen Grenze geflüchtet hatte, liess den Pharas mit den föderierten Herulern zur Cernierung des Platzes zurück und kehrte selbst nach Karthago zurück (Prokop. a. a. O. II 1–4). Ein Corps schiffte sich ein und nahm Sardinien und Corsica für den Kaiser in Besitz, ein anderes Caesarea und Mauretanien, ein drittes das Castell Septum an der Meerenge von Gibraltar, ein viertes die Balearen. War durch diese Besatzungen das spanisch-westgothische Reich des Theudis bedroht, der es versäumt hatte, den Vandalen zu Hülfe zu kommen, so ergaben sich infolge des Anspruches, welchen B. nun auf das sicilische Lilybaeum als auf vandalischen Besitz erhob, Verwicklungen mit den Ostgothen; über diese Streitfrage wurde auf Wunsch der Regentin Amalasuntha direct zwischen Ravenna und Byzanz verhandelt. Dem Pharas aber gelang es, nachdem ein Sturm missglückt [218] war, durch eine dreimonatliche enge Umschliessung den Gelimer zur Übergabe zu zwingen. Ihm und den Seinen garantierte B. im Namen des Kaisers, wie es damals fremden Fürstlichkeiten gegenüber Sitte war, nicht nur Sicherheit des Lebens, sondern auch einen hohen Rang und standesgemässe Versorgung in der Nähe von Byzanz. Auch nach der Gefangennahme des Vandalenkönigs war die Aufgabe des byzantinischen Heeres in Africa noch keineswegs beendet. Denn es stand ihm nach der Niederwerfung der Vandalen noch der schwierige Kampf gegen die Mauren bevor, die sich allüberall zu regen begannen. Schon hatte B. ein Corps nach Tripolis detachieren müssen, wo die Bevölkerung, die sich zuerst gegen die Vandalen erhoben hatte, von den Mauren belästigt wurde. Der an B. gerichtete kaiserliche Erlass über die provisorische militärische Organisation von Africa (Cod. Iust. I 27, 2) ist vom 13. April 534 datiert; eigentlich nur die frühere proconsularische Provinz und die Küste war von den Byzantinern besetzt, die Reorganisation der Civilverwaltung erst in ihren Anfängen, die Organisation der militärischen Limites kaum begonnen, als B. sich nach Byzanz einschiffte und zugleich ein maurischer Einfall alle Erfolge wieder in Frage zu stellen schien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass B. selbst den Wunsch hegte, nach Byzanz zurückzukehren; jetzt, nachdem er Africa scheinbar unterworfen hatte, und zwar im wesentlichen mit einem Cavalleriecorps von 5000 Mann – die Infanterie war, wie Prokop bemerkt, auf dem ganzen Feldzuge nicht in Action getreten – da er Gelimer und dessen gesamte Sippe mit dem Königsschatze in seinen Händen hatte, mochte er vielleicht seinen glänzenden Ruhm nicht bei der Durchführung der Verwaltung und in neuen langwierigen Kämpfen aufs Spiel setzen. Dazu kam aber noch ein anderer Umstand: einige Officiere B.s hatten ihn, gewiss fälschlicherweise, beim Kaiser denunciert und behauptet, dass er auf Untreue gegen Iustinian sinne und die Tyrannis anstrebe. Iustinian hatte ihm freilich die Wahl gelassen, ob er in Africa bleiben oder mit der Beute nach Byzanz zurückkehren wolle. Aber es gab keine bessere Widerlegung des Verdachtes, als dass er sofort die Rückreise antrat; sein Bleiben hätte vielleicht als Verrat gegolten. Seinem schon bestellten Nachfolger Solomon, der ihm den Brief des Kaisers überbracht hatte, überliess er einen Teil seiner Garde und die schwierigen Aufgaben, die noch zu erledigen waren. Dafür wurde er von Iustinian nach seiner Rückkehr mit Auszeichnungen bedacht, deren seit Jahrhunderten kein Privatmann teilhaftig geworden war. Er feierte seinen Triumph in prächtigem Festzuge von seinem Hause bis zum Hippodrom ziehend, wo sich der siegreiche Feldherr und der besiegte König vor der kaiserlichen Majestät beugten. Eine damals geprägte Münze zeigte auf der einen Seite das Bild des Kaisers und auf dem Reverse das Bild B.s mit der Umschrift: Β., ἡ δόξα τῶν Ῥωμαίων (Banduri Imper. Orient. I³: Anonym. Antiquit. Cpol. p. 80). Am 1. Januar des folgenden Jahres (535) aber trat er sein Consulat an und streute, von Gefangenen getragen, die Reichtümer der vandalischen Beute unter das Volk von Byzanz (Prok. Vand. II 5–9. Marc. Com. u. Vict. Tonn. [219] 534. 535; über die chronologische Bezeichnung des Consulatsjahres B.s vgl. de Rossi Inscr. Christ. I p. 479ff. 611).
In demselben Jahre beschloss der Kaiser, den diplomatisch lange vorbereiteten Krieg mit dem Gothenreiche zu beginnen, da er auch hier nicht nur als Befreier von der Barbarenherrschaft, sondern zugleich als Rächer der rechtmässigen Königin Amalasuntha und der amalischen Legitimität auftreten konnte. Auch zur Ausführung dieser neuen Aufgabe, welche die Restaurationspolitik stellte, wurde B. vom Kaiser berufen und stach abermals als στρατηγὸς αὐτοκράτωρ (er war damals jedenfalls auch schon Patricius) mit Flotte und Heer nach Sicilien in See; es sollte aber scheinen, als wäre die Expedition abermals gegen Karthago gerichtet. Das Heer war numerisch noch schwächer, als im africanischen Feldzuge; es bestand aus 1000 regulären und foederierten Truppen, 3000 Isauriern, 200 Hunnen und 300 Mauren, durchweg unter bewährten Führern. Dazu kam B.s bewährte Garde, die im Laufe des Feldzuges bis zu 7000 Mann anwuchs. Die Reiterei war aber weit stärker vertreten, als im africanischen Kriege. B.s Angriff sollte durch einen Einfall des Magister militum Mundus in Dalmatien und durch ein Bündnis des Kaisers mit den Franken, das den Norden Italiens bedrohte, unterstützt werden. Sicilien war von den Gothen, da sie die Kornkammer Italiens schonen wollten, nur schwach besetzt. Catania, Syrakus samt seiner Besatzung und die meisten Städte der Insel gingen ohne Widerstand zu den Kaiserlichen über. Nur die gothische Besatzung von Palermo wollte Widerstand leisten, wurde aber von B.s Flotte leicht zur Übergabe genötigt. Am letzten Tage seines Consulates zog B. wieder in Syrakus ein, nachdem er dem Kaiser die ganze Insel unterworfen hatte (Prok. Goth. I 5. Iord. Get. 60, 308; Rom. 369). Während B. in Sicilien die Winterquartiere bezog, wurden die Verhandlungen zwischen dem Kaiser und dem erschreckten Gothenkönige fortgesponnen. Zu Ostern 536 brach in dem benachbarten Africa eine Meuterei der römischen Soldaten aus, die zum Teile in ihren arianischen Sympathien, zum Teile in der von ihnen erhobenen Forderung ihren Grund hatte, dass sie mit den vandalischen Landlosen beteilt werden sollten, die Solomon zu Gunsten des Fiscus einzog. Mit Mühe konnte Solomon mit nur wenigen Begleitern (unter ihnen Prokop) sich nach Syrakus zu B. flüchten. Schon war Karthago selbst von 9000 Aufständischen bedroht, die sich den Stotzas zum Führer gewählt und die Überreste der wehrhaften vandalischen Bevölkerung an sich gezogen hatten, als B. mit einem Schiffe und 100 Mann seiner Garde landete. Auf das blosse Gerücht von seiner Ankunft flohen die Aufständischen, die ja zum Teil unter B. gedient, zum Teil von ihm besiegt worden waren. B. raffte 2000 Mann, die treu geblieben waren und deren Treue er noch durch reichliche Geschenke gefestigt hatte, zusammen und verfolgte den Stotzas bis an den Bagradas. Bei Membresa zersprengte er die Meuterer und liess ihr Lager plündern. Doch musste er den weiteren Kampf mit den Aufständischen den africanischen Anführern Überlassen, da seine Truppen zu weiterer Verfolgung nicht [220] stark genug waren und er genötigt war, nach Sicilien zurückzukehren, wo unter seinen eigenen Truppen eine Meuterei auszubrechen drohte (Prok Vand. II 14. 15. Iord. Rom. 370. Marc. Com. 535). Sie scheint indes nicht zum Ausbruch gekommen zu sein, und B. konnte, als die Verhandlungen zwischen König Theodahad und Iustinian abgebrochen wurden, auf Befehl des Kaisers von Messina nach Regium übersetzen. Der Schwiegersohn des Gothenkönigs, der das gothische Südheer commandieren sollte, ging zu B. über, der nun ungestört durch Bruttien und Lucanien, wo keine gothischen Besatzungen lagen und die Bevölkerung sich willig anschloss, immer von der Flotte begleitet, bis vor Neapel kam (Prok. Goth. I 8 p. 38f. Iord. Get. 60, 309; Rom. 370. Marc. Com. 536). Diese Stadt, den Mittelpunkt der gothischen Macht in Süditalien, in der der gothische Statthalter mit einer ziemlich starken Garnison lag, konnte Β. nicht in seinem Rücken lassen. Er blokierte die gut befestigte Stadt von der See und vom Lande her, und es gelang ihm auch, ein Aussenfort durch Capitulation zu nehmen. Aber die Verhandlungen mit der kaiserlichen Partei in der Stadt führten zu keinem Resultate, und die Proclamationen des Befreiers verfingen nicht bei der städtischen Bevölkerung, die sich unter gothischer Regierung ganz wohl fühlte. Schon waren einige Stürme B.s von der Besatzung, die von der Bevölkerung unterstützt wurde und die immer, allerdings vergeblich, auf Hülfe vom Gothenkönige hoffte, blutig zurückgewiesen worden. Schon war B. entschlossen die Belagerung, die bereits drei Wochen währte, abzubrechen, um noch vor Winter in Rom einzutreffen. Es zeigte sich, dass bei dem damaligen Stande der Kriegstechnik auch für ein römisches Heer eine gut verteidigte und verproviantierte feste Stadt ein fast unüberwindliches Hindernis war, und dass die Belagerten bei regelmässigem Verlaufe der Dinge immer im Vorteile waren, namentlich wenn die Belagerungstruppen numerisch so geringfügig waren, wie die B.s. Doch hier, wie so oft, war es eine Überraschung, eine Finte, welche die Situation vollständig zu Gunsten des römischen Heeres veränderte. Ein Isaurer hatte entdeckt, dass ein Aquaeduct, der nicht bewacht war, den Zugang in die Stadt ermöglichte; so drangen auf B.s Geheiss einige hundert Soldaten bei nächtlicher Weile in die Stadt, die nun durch einen Doppelangriff von aussen und innen überwältigt wurde. Die Soldateska ergoss sich plündernd und ohne Schonung zu kennen über die Stadt. Mit Mühe gelang es Β., dem Morden ein Ende zu machen und die Soldaten zu zwingen, wenigstens Frauen und Kinder der Neapolitaner herauszugeben, während er ihnen alles bewegliche Eigentum, das sie erbeutet hatten, liess. Die Plünderung Neapels war eine sonderbare Illustration zu den volltönenden Worten von römischer Befreiung und machte in Italien grossen Eindruck. Indes konnte B. nunmehr nach Hinterlassung einer Besatzung von 300 Fusssoldaten unter Herodianus in Neapel und einer anderen kleinen Besatzung in Cumae und nach Einreihung von 800 Mann der gothischen Truppen in sein eigenes Heer auf der Via Latina gegen Rom marschieren (Prok. Goth. I 8–10. Iord. Rom. 370. Marc. Com. 536. Lib. pont. v. Silverii 3; [221] sieben Türme von Β. in Neapel erbaut nach der Vita Athanasii Neapol. in Mon. Germ. Script. Lang. p. 440). Er fand keinen Widerstand. Denn der neu gewählte Gothenkönig Wittiges war nach Ravenna gegangen, um von dort aus alle gothischen Streitkräfte zu sammeln, und hatte nur eine Besatzung von 4000 Mann in Rom zurückgelassen. Da aber die römische Bevölkerung eine Belagerung fürchtete und auf Veranlassung des Papstes Silverius sich mit B. ins Einvernehmen setzte, fühlte sich die gothische Besatzung zu schwach zum Widerstande und räumte in der Nacht vom 9. auf den 10. December 536 durch die Porta Flaminia die Stadt, während B. durch die Porta Asinaria einzog (Prok. Goth. I 14). Der Eindruck, den die Nachricht hervorrief, dass B. seinem Kaiser die Schlüssel von Rom übersendet habe, war gross. B. hat sicherlich mit diesem moralischen Factor gerechnet. Nicht minder klar war es ihm aber, dass er den Besitz von Rom werde verteidigen müssen und mit Rom zugleich ganz Süditalien, das sich ihm allmählich angeschlossen hatte. An eine Offensive gegen das gothische Aufgebot, das Wittiges eben organisierte, war mit B.s geringen Streitkräften gar nicht zu denken. So musste sich B. auf die Mauern von Rom verlassen, die er, wo es nötig war, wieder in guten Zustand brachte, mit Schutzwehren versah und mit einem Graben umgab. Auch zwang er die Leute, ihr Getreide von der Campagna in die Stadt zu bringen, und sorgte durch seine Flotte für möglichst reichliche Getreidebeschaffung von Sicilien her – sehr zum Verdrusse der Stadtrömer, die gerade gedacht hatten, durch ihren Übergang zu den Kaiserlichen einer Belagerung zu entgehen. Indes liess B. auch die wichtigen Appenninenübergänge von Spoleto, Perugia, Narnia durch kleine Truppenabteilungen besetzen – eine Massregel, die zeigt, dass er die weitere Entwicklung des Krieges klar voraussah. Nun brach aber Wittiges mit einem Heere von 150 000 Mann gegen Rom auf, so dass es manchem römischen Soldaten als allzu kühnes Wagnis erscheinen mochte, wenn B. es wagen wollte, diesen Anprall mit seinen etwa 5000 Mann abzuwehren. Die kleine Abteilung, der B. die Aufgabe zugeteilt hatte, den Gothen den Flussübergang (Tevere oder Teverone? Ponte Molle? wahrscheinlicher Ponte Salario, vgl. Gregorovius B. 2 Cap. 4; dieselbe Verwechslung bei Prok. Goth. III 10 p. 319) zu wehren, um so noch eine weitere Frist zur Verproviantierung zu gewinnen, stob auseinander, und wider Erwarten sah sich B., der mit 1000 Reitern zur Unterstützung jener Abteilung ausgerückt war, plötzlich diesseits des Flusses der feindlichen Hauptmacht gegenüber. Es entspann sich ein Reitergefecht, und mitten im Getümmel unter den Truppen kämpfte B., weithin kenntlich durch sein Schlachtross und von den feindlichen Geschossen vor allen gesucht, verteidigt von seiner getreuen auserlesenen Garde, nach langem Kampfe mussten die Kaiserlichen gegen Rom zurückweichen. Nochmals stand das Gefecht vor der später so genannten Porta Belisaria (Salaria), da die Römer, zu denen ein Gerücht von B.s Tode gedrungen war, sich weigerten, das Thor zu öffnen, und B. sich erst den Feinden gegenüber Luft machen musste, bevor sie ihn einliessen. Nun verteilte B. die Wachen [222] auf den Mauern und Thoren, beruhigte die durch alarmierende Gerüchte erschreckten Soldaten und inspicierte die Ausführung der von ihm angeordneten Massregeln, bis es endlich spät in der Nacht seiner Frau und seinen Freunden gelang, ihn dazu zu bewegen, dass er auch an sein eigenes leibliches Wohl dachte (Prok. Goth. I 15–18). Er liess die Eingänge der Wasserleitungen verstopfen und lehrte die Römer ihre Mühlen, die bisher von den Wasserleitungen getrieben waren, auf Kähnen im Tiber anzubringen. Die Thore wurden von innen verrammelt. B. selbst residierte auf dem Pincio und behielt sich das unmittelbare Commando über die Porta Pinciana und Porta Salaria vor. Schon am folgenden Tage (am 21. Februar 537 nach dem Lib. pont., Anfang März nach Prok.) schlug Wittiges mit seinen Truppen sechs feste Lager, die den nordöstlichen Teil der Stadt umfassten, während die aus Gallien herbeigezogenen gothischen Truppen unter Marcias am rechten Tiberufer lagerten, die Verbindung über den Ponte Molle sicherten und zugleich das Land bis zur Tibermündung beherrschten. Eine vollständige Umschliessung der Stadt wagten die Gothen trotz ihrer Masse nicht; denn sie wollten ihre Truppen nicht zersplittern, um an jedem Punkte den taktisch so weit überlegenen Kaiserlichen sogar für den Fall eines gemeinsamen Ausfalles wenigstens numerisch überlegen zu sein. Eine gothische Gesandtschaft, die den Kaiserlichen freien Abzug anbot, wies B. stolz mit der Versicherung zurück, dass er lebend Rom niemals aufgeben werde. Als darauf am achtzehnten Tage Wittiges den Sturm befahl und selbst gegen die Porta Salaria vorging, war es B., der den ersten Schuss gegen die Feinde abgab; die Geschosse der Bogenschützen und Schleuderer wie der Ballisten schlugen in die dichten Haufen der Feinde ein; die Zugtiere, welche die hölzernen Belagerungstürme heranführen sollten, fielen, die Belagerungsmaschinen selbst wurden dadurch unbrauchbar und bald darauf von den ausfallenden Römern verbrannt. B. selbst musste mit einem Teile seiner Garde der bedrängten Porta Praenestina zu Hülfe eilen, wo die Gothen die Aussenmauer durchbrochen hatten, aber jetzt durch einen combinierten Ausfall zurückgedrängt und bis an ihr Lager verfolgt wurden. Auch vom Castell St. Angelo aus und an der Porta St. Pancrazio wurde der gothische Angriff zurückgeschlagen. Es sollen nach Prokops Angabe die Gothen einen Verlust von 30 000 Toten und noch mehr Verwundeten erlitten haben (Prok. Goth. I 19–23. Jord. Rom. 374). B. bereitete sich auf eine lange Belagerung vor, indem er alle verdächtigen Elemente und alles, was nur essen, aber keine Waffen tragen konnte, aus der Stadt schaffte, so lange es noch Zeit war. Die Bevölkerung, die zurückblieb, wurde militärisch organisiert und musste Wachdienst leisten, da sich die Geringfügigkeit der kaiserlichen Streitkräfte sehr fühlbar machte. Wittiges seinerseits besetzte am dritten Tage nach dem Sturme Porto an der Tibermündung, um der Stadt Rom die Communicationen zu verlegen, konnte aber nicht verhindern, dass zwanzig Tage darauf 1600 Reiter unter Martinus und Valerianus, grösstenteils Hunnen und Slaven, die schon im Herbst von Constantinopel abgegangen waren, B. zu [223] Hülfe kamen. Weitere Verstärkungen, die auf B.s Wunsch in Constantinopel mobil gemacht wurden, liessen noch lange auf sich warten. Trotzdem wagte B. noch einige Vorstösse, in denen er regelmässig im Vorteile war, da die Gothen der kaiserlichen Cavallerie, die mit Fernwaffen versehen war und bald da bald dort angriff, ohne doch selbst ereilt werden zu können, keine ähnliche Truppe entgegenzustellen hatten. Angeblich durch die kriegerische Stimmung der Römer und der Soldaten verleitet, wagte B. auch noch einen allgemeinen Ausfall; allein nun kam die Überzahl der Gegner zur Geltung, auch zeigten sich die Stadtrömer nicht genug discipliniert und die Belagerten wurden überall mit blutigen Köpfen zurückgeschlagen. Darauf kam es nur noch zu kleineren Zusammenstössen: Prokop berechnet, dass die Feinde während der Dauer der Belagerung 69 Gefechte gegen einander zu bestehen hatten (Proc. Goth. I 24–29). Auch in Rom selbst hatte B. mit Schwierigkeiten zu kämpfen; er war gezwungen, eine Anzahl von Senatoren, welche des Einverständnisses mit den Gothen bezichtigt wurden, aus der Stadt zu verbannen. Auf dieselbe Anklage hin wurde Papst Silverius abgesetzt und nach dem Orient geschickt, wie es scheint, auf Grund falscher Zeugenaussagen. Eine unserer Quellen behauptet, B. sei durch den Diakon Vigilius, den er zum Nachfolger des Silverius machte, im Auftrage der Kaiserin Theodora bestochen worden. Wie dem auch sei, jedenfalls war es der Einfluss der Kaiserin, welche den dem Patriarchen von Constantinopel und den von ihr verfochtenen Dogmen widerstrebenden Papst namentlich durch die Mithülfe der Antonina beseitigen liess, wie es scheint, nicht durchaus in Übereinstimmung mit Iustinian. Wie weit B. selbst in das Intriguenspiel eingeweiht war, wie weit er selbst betrogen wurde, lässt sich nicht entscheiden. Sehr anschaulich wird uns aber das Verhör des Papstes geschildert, als Silverius im Palaste auf dem Pincio erschien und in ein Gemach geführt wurde, in welchem auf ein Sopha hingestreckt Antonina und ihr zu Füssen B. sass (Prok. Goth. I 25 p. 121; Anekd. 1 p. 13. Liberat. brev. c. 22. Lib. pont. v. Silverii: V id. mai., nach Duchesne eher V id. mart. Marc. Com. zum J. 537. Vict. Tonn. zum J. 542). Im Sommer stellten sich in Rom in voller Heftigkeit alle Leiden einer belagerten Stadt, Hunger und Pest ein. Für das Brot der Soldaten war wenigstens einigermassen gesorgt. Die Reichen konnten sich um schweres Geld das Getreide erkaufen, das die ausschwärmenden Soldaten von ihren vielfachen Streifzügen heimbrachten. Die arme Bevölkerung aber, die ohnedies von der Stockung eines jeden Verkehres am meisten zu leiden hatte, war auf Kräuter und auf das Fleisch gefallener Tiere angewiesen. Dass der ausständige Sold von Süden her nach Rom gebracht wurde, während B. die Feinde durch eine Diversion nach der anderen Seite ablenkte, konnte den Leiden der Bevölkerung nicht abhelfen, und die Not steigerte sich ins Unerträgliche, als 7000 Gothen eine feste Stellung an der Südseite zwischen Via Appia und Via Latina einnahmen und dadurch thatsächlich fast alle Communicationen der Stadt abgeschnitten waren. Die römische Bevölkerung wurde immer schwieriger, [224] und B. konnte sie nur durch das Versprechen baldigen und ausgiebigen Ersatzes, den er vom Kaiser erwartete, einigermassen beschwichtigen. Er selbst war sich seiner kritischen Lage voll bewusst und machte die äussersten Anstrengungen, um auszuhalten. Prokop schlich sich bei nächtlicher Weile an den feindlichen Posten vorbei nach Campanien, um hier Truppen aus den Garnisonen und Getreide zu beschaffen. Die Kirche S. Paul fuori an der Strasse nach Ostia wurde von einem Detachement besetzt, ein anderes von 1000 Mann brachte die Antonina in Sicherheit und beunruhigte die Gothen im Rücken von Terracina aus, die Castelle Alba und Tivoli wurden besetzt. So wagte B. seine Besatzungsmannschaft noch weiter zu schwächen, erreichte aber dadurch den doppelten Vorteil, dass er den Nahrungsmangel in Rom wenigstens einigermassen behob und den Gothen durch die detachierten Abteilungen die ohnedies infolge der vorhergegangenen Plünderungen nicht leichte Verproviantierung für ihr immer noch grosses Heer derart erschwerte, dass es schwer war, zu entscheiden, oh sie eigentlich belagerten oder belagert wurden. Mussten sie doch sogar ihre feste Stellung an der Via Appia aufgeben (Prok. Goth. II 1–4. Lib. pont. v. Silv. 5). Indes hatten Prokop und Antonina in Campanien 500 Mann gesammelt und Getreideschiffe beladen. Und endlich lief auch das lange erwartete Hülfsheer in die Hafen von Neapel und Hydrunt ein, im ganzen 4800 Mann. Die Hauptmacht dieses Ersatzheeres sammelte sich in Neapel und gelangte nach dem Hafen von Ostia, während B. die Gothen durch einen Ausfall im Norden der Stadt durch die Porta Flaminia und Pinciana festhielt. Nun hielten sich die Gothen vollends für dem Feinde nicht mehr gewachsen. Wittiges bot den Frieden an und war bereit, Sicilien und Campanien abzutreten und dem Kaiser Tribut zu zahlen. B., dem das Anerbieten offenbar sehr gelegen war, verschanzte sich doch hinter seine Vollmachten, die ihm, wie er behauptete, nicht erlaubten, einen Fuss breit kaiserlichen Gebietes, worunter der gesamte Umfang des alten römischen Reiches verstanden war, abzutreten. Die Folge war, dass die Gothen die Erlaubnis begehrten, Gesandte zum Kaiser selbst zu schicken, und dass B. diese Erlaubnis gegen eine Waffenruhe von drei Monaten, während welcher die Gesandten die Verhandlungen abschliessen sollten, zugestand. In der darauffolgenden Nacht eilte B. nach Ostia, verabredete mit dem Ersatzheere, wie Truppen und Proviant in die Stadt zu schaffen seien, und kehrte noch in derselben Nacht nach Rom zurück. Am folgenden Tage zog ein Teil des Heeres am linken Tiberufer und die Proviantschiffe auf dem Flusse in die Stadt ein, unbehelligt von den am rechten Tiberufer liegenden Gothen, die nicht durch einen Überfall B. den Vorwand zur Verweigerung des Waffenstillstandes bieten wollten. Denn formell wurde der Waffenstillstand durch Auswechslung von Geiseln erst jetzt ratificiert, nachdem Rom thatsächlich entsetzt war (December 537). Diplomatisch und strategisch waren jetzt die Gothen geschlagen. Denn obwohl der Waffenstillstand offenbar auf Grund des Status quo geschlossen war, sahen sich die Gothen durch Proviantmangel genötigt, eine Stellung nach der andern aufzugeben [225] geben, namentlich die Hafenstädte Porto und Centumcellae, welche, jetzt von den Kaiserlichen besetzt wurden, die, da sie mit ihrer Flotte das Meer beherrschten, der Nahrungssorgen jetzt überhoben waren, und zu denen noch nachträglich Hülfstruppen unter Hildiger aus Africa gestossen waren. B. konnte es sogar wagen, den hervorragendsten General des Hülfsheeres, Johannes (Neffen des Vitalianus), mit 2000 Reitern, worunter 800 aus der Garde B.s, zu detachieren und nach Alba (Fucentia) in die Winterquartiere zu legen, von wo aus er die gothische Küste des adriatischen Meeres bedrohte. Es war natürlich vergeblich, dass sich Wittiges über die Verletzung des Waffenstillstandes beklagte (Prok. Goth. II 5–7). Thatsächlich wurde er nicht eingehalten, und als Wittiges bemerkte, dass ihn B. nur zum besten hatte und, seinerseits die Waffenruhe nicht beachtend, vergebliche Versuche machte, sich doch noch Roms zu bemächtigen, gab dies B. den erwünschten Vorwand, den Johannes ins Picenische vorrücken zu lassen. Er verwüstete alles Gothische, was ihm in den Weg kam, die römische Colonenbevölkerung, die er schonte, wird ihm gegen die gothischen Herren, die in dieser Gegend niedergelassen waren, beigestanden haben. Schrecken verbreitete die Niederlage einer gothischen Abteilung, die sich ihm in den Weg stellte, und als er an Auximum und Urbinum vorbei gen Ariminum kam, öffnete ihm die römische Bevölkerung die Thore, während die gothische Besatzung nach Ravenna floh; ja, er konnte sogar mit der Königin Matasuntha, die in Ravenna auf Verrat sann, ein Einverständnis anknüpfen. Das gothische Belagerungsheer aber brach, nachdem der Waffenstillstand schon angelaufen war, im Monat März 538 auf die Kunde hin auf, dass die Römer das Eigentum der Gothen verwüsteten, Weib und Kind bedrohten. Auf dem Rückzuge überfiel sie B. nochmals beim Tiberübergange und fügte ihnen beträchtlichen Schaden zu, nachdem die Belagerung Roms ein Jahr und neun Tage gedauert hatte (Prok. Goth. II 9. 10; 14 menses: Jord. Get. 60, 312; per anni spatium: Jord. Rom. 374. Marcell. Com. 538; annum unum: Lib. pont. v. Silv. c. 5). Der allzu kühne Vorstoss des Johannes war offenbar nicht nach dem Sinne B.s, dessen Plan nun, da er selbst wieder zum Angriffe übergehen konnte, dahin ging, die Gothen in dem Centrum ihrer Macht und ihren eigentlichen Sitzen zu umstellen und systematisch von allen Seiten zu erdrücken. Diesem Zwecke diente die Expedition gegen Mailand, die in demselben Jahre mit Glück ausgeführt wurde. Ebendeshalb verlangte B. auch von Johannes, dass er sich mit seinen Kerntruppen auf die Hauptmacht zurückziehe; allein Johannes, pochend auf seine bisherigen Erfolge und auf die ihm ergebenen Soldaten, gehorchte nicht, und nur die Gardisten B.s, die in Ariminum waren, folgten dem Befehl ihres Herrn. Ariminum wurde bald von der gothischen Hauptmacht unter Wittiges eingeschlossen, während B. zu Beginn des Sommers auf der Via Flaminia nach Wegnahme von Clusium und Tuder an die adriatische Küste zog. Bei Firmum vereinigte er sich mit den 7000 Mann, welche Narses und der Magister militum per Illyricum Iustinus mit der Flotte herbeigebracht hatten. Die numerische Stärkung des Heeres war sehr beträchtlich. [226] Allein bald zeigte sich der Zwiespalt zwischen B., der nichts unternehmen wollte, so lange ihn das starke Auximum im Rücken bedrohte, und Narses und der Actionspartei unter den neu angekommenen Generalen, welche es für eine Ehrensache erklärten, den hart bedrängten Johannes in Ariminum zu entsetzen, und dem Kriege wo möglich durch einen kräftigen Vorstoss ein Ende machen wollten. Die letztere Partei siegte, da es B. offenbar nicht auf eine Kraftprobe ankommen lassen wollte. Man liess eine Abteilung zur Rückendeckung zurück, während das übrige Heer in zwei Abteilungen – Martinus an der Küste, B. und Narses die Berge entlang – und die Flotte unter Hildiger gegen Ariminum zogen. Durch diese combinierte Bewegung sahen sich die Gothen von drei Seiten bedroht, verliessen in eilender Flucht ihr Lager und retteten sich nach Ravenna. Johannes war entsetzt, allein dadurch die Einigkeit unter den Feldherren keineswegs hergestellt (Prok. Goth. II 11–13. 16. 17). Als B. Urbinum belagerte, um seinem Plane gemäss dem ihm immer noch gefährlich erscheinenden Feinde einen Fuss breit Landes nach dem andern abzugewinnen, verliessen ihn Narses und seine Anhänger mit 10 000 Mann, um auf eigene Faust in die Aemilia vorzudringen, trotzdem sich B. auf seine kaiserliche Vollmacht berief und es auch an flehentlichen Bitten nicht fehlen liess. Indes gelang es ihm nach kurzer Belagerung im December, die Stadt einzunehmen; auch Orvieto, jetzt das südlichste Bollwerk der Gothen, fiel in seine Hände, bevor er selbst die Winterquartiere in Rom nahm und ein Beobachtungscorps in Firmum überwintern liess (Prok. Goth. II 18–20; über B.s Liberalität gegen die Kirche Lib. pont. v. Vig. 2; u. a. erbaute er das Xenodochium in Via Lata in Rom und das Kloster des hl. Iuvenalis in Horta, vgl. Duchesne z. d. St. und Platner-Bunsen Beschreib. d. St. Rom III 3, 193). Im Frühjahr brach B. wieder gegen die adriatische Küste auf und verbrachte sieben Monate mit 11 000 Mann mit der Belagerung von Auximum, während eine andere Abteilung das gothische Faesulae, das Ausfallthor von Ravenna nach Etrurien, belagerte. Während des Marsches traf bei ihm die Nachricht ein, dass Mailand, das von einem Corps der Kaiserlichen besetzt worden war, von den Gothen wiedererobert und zerstört sei. B. konnte dies mit einigem Recht dem Ungehorsam der frondierenden Generale zuschreiben, die der bedrohten Hauptstadt Norditaliens nicht rechtzeitig zu Hülfe gekommen waren. Der Bericht B.s bewirkte, dass der Kaiser den Narses aus Italien abberief. Hatte dies auch eine unbequeme Schwächung des kaiserlichen Heeres zur Folge, da die 2000 Heruler sich weigerten, nach Narses Abgang in Italien zu dienen, so war doch wenigstens die thatsächlich unterbrochene Einheit des Oberbefehls wieder hergestellt (Prok. a. a. O. II 21–23). Zunächst wurde allerdings ein kaiserliches Heer, das bei Ticinum stand, von einem Schwarme von 100 000 Franken, die unter König Theodebert einen Plünderungszug über die Alpen unternommen hatten, über den Haufen gerannt; allein das gothische Heer, das die Polinie verteidigte, erlitt dasselbe Schicksal, und Wittiges wurde durch die Furcht vor einer feindlichen [227] Bewegung der Franken nicht minder, als durch die Furcht vor Johannes davon abgehalten, von Ravenna aus seinen beiden hart bedrängten Festungen zu Hülfe zu kommen. Als nun endlich die tapferen Besatzungen von Faesulae und von Auximum sich ergeben hatten und zum Teil sogar B.s Heer verstärkten, konnte der Oberfeldherr sich zur Belagerung von Ravenna wenden, da die fränkischen Schwärme, ohne ein dauerndes Resultat erzielt zu haben, in ihre Heimat zurückkehrten. Von Norden her bedrohte die Stadt Vitalius, der nach Beendigung des dalmatinischen Krieges heranzog. Das Meer war von der kaiserlichen Flotte beherrscht (Herbst 539). Die Gothen hatten sich schon vor längerer Zeit, um einen Ausweg aus ihrer bedrängten Lage zu finden, nach Verbündeten umgesehen und durch eine Gesandtschaft dazu beigetragen, dass der Perserkönig ins römische Gebiet einfiel, so dass es Iustinian wünschenswert erschien, den Frieden im Westen wiederherzustellen. Zunächst wurden die seiner Zeit von Rom aus nach Constantinopel geschickten und hier lange Zeit zurückgehaltenen gothischen Gesandten mit dem Bedeuten nach Italien entlassen, dass bald eine römische Gesandtschaft eintreffen werde, um Friedensverhandlungen anzuknüpfen. B. hatte sie nur gegen Rückgabe der lange widerrechtlich festgehaltenen kaiserlichen Gesandten Athanasios und Petros durchgelassen. Bald darauf boten die Franken dem Wittiges ein Bündnis gegen Überlassung eines Teils von Italien an. B. erkannte die Gefahr und bewog die Gothen, das fränkische Bündnis fahren zu lassen und lieber mit ihm zu unterhandeln, während er Ravenna immer mehr bedrängte und die Kornspeicher in der Stadt, angeblich im Einverständnis mit der verräterischen Königin, in Brand stecken liess, und während Johannes einen Versuch des Uraias, von der Lombardei her Ravenna zu entsetzen, vereitelte (Prok. Goth. II 24–28). Schon waren auch die kaiserlichen Gesandten, Domnicus und Maximinus, eingetroffen: sie waren bereit, im Auftrage des Kaisers mit Wittiges auf folgende Bedingungen Frieden abzuschliessen: den Gothen solle das Land nördlich des Po, das thatsächlich zum grössten Teile noch in ihren Händen war, bleiben; der Kaiser begnügte sich mit dem übrigen Italien und der Hälfte des Königsschatzes als Kriegsentschädigung. Die Gothen betrachteten diese Bedingungen noch als sehr günstig. B. aber weigerte sich auf das entschiedenste, einen solchen Vertrag zu unterschreiben, der ein gothisches Reich weiterbestehen liess, der ihm den Ruhm, den er schon in Händen zu haben glaubte, genommen hätte, in Italien ebenso wie in Africa der Barbarenherrschaft ein definitives Ende gemacht und den König als Beweis dafür gefangen nach Constantinopel geführt zu haben; der aber auch andererseits, wie B. wohl behaupten konnte, die Interessen des Kaisers nicht genügend wahrte. Er wagte ein kühnes Spiel, da es unter seinen Generalen nicht an solchen fehlte, die behaupteten, dass er nur im eigenen ehrgeizigen Interesse den Krieg nicht beenden wolle, dessen schliesslicher Ausgang, wie sie auf B.s Wunsch zu Protokoll gaben, nach ihrer Meinung doch sehr zweifelhaft war und nicht zu einer vollständigen Vernichtung der Gothenherrschaft führen werde. Für die Gothen [228] war natürlich B. nicht nur der einzige Vertreter des Kaisers, sondern auch der Mann, in dem sie die thatsächliche Macht der Römer in Italien verkörpert sahen. Mit ihm unterhandelten sie weiter und da sie die Ursache ihres eigenen Missgeschickes in der Unfähigkeit des Wittiges sahen, der bereit war, seine Krone aufzugeben, aber B.s Persönlichkeit die Erfolge der kaiserlichen Waffen zuschrieben, boten sie ihm insgeheim die Herrschaft über Gothen und Römer in ganz Italien an, wenn er ihnen dagegen Eigentum und Freiheit garantiere. Diese letztere Bedingung beschwor B.; daran zu zweifeln, dass er den andern, ihn selbst betreffenden Teil der Abmachung einhalten werde, sahen die Gothen keinen Grund. War es doch schon oft genug vorgekommen, dass ein glücklicher General und Söldnerführer seinem Kaiser die Treue gebrochen hatte, und sogar die Regel, dass die Begründer der romanisch-germanischen Königreiche im Dienste des Reiches gestanden hatten. Im Frühjahr (oder Winter nach Prokop; Agnell. c. 63 in mense madeo ist sicherlich falsch. Marcell. Com. 540. Mar. Avent. 540) des J. 540 fuhr eine römische Getreideflotte im Hafen von Classis ein, während das römische Heer in Ravenna einzog. B. nahm den Schatz in Besitz und hielt Wittiges gefangen; die Gothen von diesseits des Po entliess er auf ihren Grundbesitz; die jenseits des Po stationierten gothischen Officiere mit Ausnahme des Ildebad stellten sich ihm in Ravenna zur Verfügung. Darauf machte B. Vorbereitungen, um nach Constantinopel zurückzukehren da ihn der Kaiser abberufen hatte, wie die einen sagten, weil B.s Vorgehen bei ihm verdächtigt worden war, wie andere meinten, nur um ihm den Oberbefehl im persischen Kriege zu übertragen. Die Gothen bestürmten ihn noch einmal sein Versprechen wahr zu machen, sahen sich aber getäuscht und stellten nun den Ildebad als König an ihre Spitze (Prok. Goth. II 29. 30. Jord. Get. 60, 313, vgl. Lib. pont. v. Vig. 1, wonach B. von Ravenna über Rom nach Constantinopel gereist wäre).
Als B. mit dem Gothenkönige und dessen Frau, der letzten Amalerin, mit einer grossen Anzahl gefangener vornehmer Gothen und mit dem Königsschatze an den Hof seines Kaisers zurückkehrte, war er der gefeiertste und populärste, durch sei Reichtum und seine Haustruppen der mächtigste Mann im Staate. Allein diesmal bewilligte Iustinian seinem getreuen Feldherrn den Triumph nicht. Mochte er auch vielleicht von seiner Treue überzeugt sein, so schien B. doch fast schon über das Mass hinausgewachsen zu sein, das einem Unterthanen im absoluten Staate zukommt (Prok. Goth. III 1). Seine Dienste freilich konnte Iustinian gerade jetzt am wenigsten entbehren, da der Perserkrieg sehr gefährliche Dimensionen angenommen und der Perserkönig sogar Antiochia eingenommen hatte. Schon war von den Generalen, die mit B. aus Italien zurückgekehrt waren, Martinus nach Daras abgegangen. B. folgte zu Beginn des Frühjahrs 541 (Marcell. Com. zum J. 541; dazu Nov. Iust. 109. 111) mit Valerianus, der nach Armenien bestimmt war, und mit seinen Haustruppen, die jetzt durch die gothische Capitulanten noch wesentlich verstärkt waren. Seine erste Arbeit musste die Reorganisation des vollständig [229] desorganisierten mesopotamischen Heeres sein. Nachdem er auch die Truppen aus der Libanonprovinz und den Saracenenfürsten Arethas an sich gezogen hatte, hielt er in Daras (etwa im Juni) Kriegsrat und beschloss einen Vorstoss in das persische Gebiet, da die Armee des Perserkönigs gerade auf einer Expedition in die Lazica begriffen war. B. rückte gegen Nisibis vor, schwenkte aber gegen Süden ab, um hier in einer guten Stellung auf einen Angriff der starken Besatzung dieser wichtigen Festung zu warten. Ein Teil der Generale verweigerte den Gehorsam und rücke näher an die Stadt heran, wurde aber überfallen und, nachdem sie ein Feldzeichen verloren hatten, nur durch das Einschreiten der Hauptmacht unter B. und namentlich der gothischen Garde gerettet. Nach dieser Erfahrung hielt B. sein Heer für ungeeignet, um die Belagerung von Nisibis durchzuführen. Dagegen hielt er sich mit der Belagerung des Castells Sisauranon, einen Tagmarsch hinter Nisibis, auf und schickte nur die Saracenen unter Aretbas und einen Teil seiner Garde als Streifpartie weiter vor ins feindliche Land. Diese Truppen streiften bis jenseits des Tigris und plünderten weit und breit das unverteidigte Land, bis Arethas es für gut fand, seine Beute in Sicherheit zu bringen, und sich nicht wieder mit dem römischen Heere vereinigte, während die Männer von der Garde auf das falsche Gerücht vom Nahen eines grossen feindlichen Heeres über den Euphrat gingen und, vom Hauptheere durch grosse Strecken getrennt, zunächst als verschollen galten. Dieser Umstand, ferner die Krankheit, die infolge der Hitze nach der Einnahme des Castells unter den römischen Truppen ausbrach, und die Angst vor einem Einfalle der Saracenen in die südlichen Provinzen des Reiches wurden officiell als die Ursachen angegeben, welche B. jetzt zu seinem überraschenden von und hastigen Rückzuge nach dem römischen Teil von Mesopotamien bewogen, ohne dass er auch nur versucht hätte, dem Perserkönig den Weg zu verlegen, der auf die Nachricht vom Einfalle B.s zum Schutze seines Landes herbeieilte (Prok. Pers. II 14–19). Allein es scheinen in der That ausser diesen Ursachen und vielleicht auch der Unzuverlässigkeit seines Heeres noch andere, rein persönliche Umstände für B. in Betracht gekommen zu sein. Der kulturgeschichtlich interessante Sittenroman des Mannes B. verflicht sich immer enger mit den Kriegsannalen jener Zeit, welche den Namen des Feldherrn B. unsterblich gemacht haben. Darüber kann kein Zweifel bestehen, dass der mächtige Feldherr im eigenen Hause der Sclave war. Zeitgenossen konnten sich seine blinde Liebe zu der älteren Antonina nur durch die Einwirkung von Liebestränken erklären, so gross war die Gewalt dieser Frau über B., so sehr hatte sie sich ihm auch unentbehrlich zu machen gewusst. Ehrgeizig und eine Intrigantin, der am kaiserlichen Hofe keine andere gewachsen war, stellte sie alle Künste ihrer findigen Natur in den Dienst der Aufgabe, die äussere Stellung, Macht und Reichtum ihres Mannes zu heben. Allein dies hinderte sie nicht, ebenso skrupellos in ihrem Privatleben ihrem heissen Temperamente nachzugeben und ihrem eigenen Helden die Hörner aufzusetzen. Ein unbedeutender Mensch, Theodosius, der dem B., [230] seinem Adoptivvater, alles verdankte, dessen einzige Leidenschaft das Geld gewesen zu sein und der selbst vor der gefährlichen Rolle, die er spielte, Angst gehabt zu haben scheint, wurde schon in Africa, vielleicht sehr gegen seinen Willen, der glücklichere Concurrent des gefeierten Feldherrn bei dessen eigenem Weibe. Eine kühne Lüge der Antonina soll genügt haben, um B. zu beschwichtigen, als er sie in Karthago beinahe in flagranti ertappte. In Sicilien fand sich dann eine Kammerfrau, die dem B. allerlei ausplauderte, so dass dieser seinen Nebenbuhler beiseite schaffen wollte. Allein im eigenen Hause konnte er seinen Willen nicht durchsetzen. Theodosius erfuhr noch rechtzeitig von der Sache und machte sich aus dem Staube. Antonina wusste ihrem Gemahl einzureden, dass sie ein Opfer der Verleumdung geworden sei; die Kammerfrau musste nun die Eintracht ihrer Herren büssen; Theodosius kam zurück, und Photius, der eigene Sohn der Antonina aus einer früheren Ehe, musste fort, weil er zu seinem Stiefvater hielt und sich mit dem Geliebten der Mutter nicht vertrug. Constantinus aber, einer der tüchtigsten Feldherren B.s in Italien, musste dafür büssen, dass er gemeint hatte, B. hätte besser gethan, sich an seiner untreuen Gattin, als an deren Geliebtem zu rächen. Er liess sich freilich während der Belagerung von Rom eine schwere Insubordination zu Schulden kommen, allein keine solche, die man nach damaligen Begriffen bei einem vornehmen Generale mit dem Tode bestraft hätte; er wurde in Gewahrsam genommen und dann im Gefängnis aus dem Leben geschafft. Dass Prokop sogar in seiner officiellen Geschichte (Prok. Goth. II 8 p. 181) diese Handlung B.s ausdrücklich tadelt, spricht dafür, dass die Darstellung seiner Geheimgeschichte, in welcher der Tod des Constantinus den Ränken der Antonina zugeschrieben wird, auf Wahrheit beruht. Als Theodosius nun mit B. und Antonina nach Constantinopel zurückgekehrt war, scheint er den Scandal gefürchtet zu haben, den sein Verhältnis zu Antonina, die in dieser Beziehung durchaus nicht vorsichtig war, am Hofe erregen musste, und die Folgen, die für ihn daraus entstehen konnten; so floh er in ein Kloster nach Ephesus. Allein die Klagen der Antonina brachten es dahin, dass B. selbst das Kaiserpaar um die Rückberufung des Theodosius bat. Und erst als B. gegen die Perser aufgebrochen war und ihn Antonina gegen ihre Gewohnheit nicht begleitete, kam er unter dem Einflusse des Photius so weit zur Besinnung, dass er den Photius mit der Beseitigung des Theodosius beauftragte und ihm die heiligsten Eide schwur, dass er ihn gegen die Folgen seiner Handlungen schützen werde. Indes war Theodosius wieder zeitweilig zu Antonina nach Constantinopel zurückgekehrt und Antonina hatte weiter intrigiert, indem sie den politischen und persönlichen Feind ihres Mannes und ihrer eigenen Machtstellung, den Praefectus praetorio Johannes, auf listige und wenig ehrenvolle, aber damals nicht gerade ungewöhnliche Weise anschwärzte und zu Fall brachte, wodurch sie sich zugleich die unauslöschliche Dankbarkeit der Kaiserin Theodora errang. Der Palast des Gestürzten wurde zur Belohnung dem B. geschenkt (Prok. Pers. I 25. Marc. Com. zum J. 544). Nun [231] entliess sie ihren Geliebten nach Ephesus und eilte gen Mesopotamien in das Feldlager ihres Mannes. Auf die Nachricht von ihrem Herannahen ordnete B., der thatsächlich den ganzen Feldzug nicht mit gewohntem Eifer geführt hatte, schleunig den Rückzug an und traf sie schon auf römischem Gebiete. B. nahm alle Energie, deren er fähig war, zusammen und hielt sein untreues Weib in engem Gewahrsam, konnte es aber doch nicht übers Herz bringen, sie zu töten, so oft er auch daran gedacht haben mag. Photius aber eilte nach Ephesus, brachte den Theodosius (und dessen Schätze) in seine Gewalt und verbarg ihn in Cilicien vor den Augen der Menschen. Allein die Kaiserin wachte über das Heil ihrer Freundin. Sie befreite die Antonina, indem sie B. nach Constantinopel berief, warf den Photius und einige von dessen Genossen ins Gefängnis und brachte auch den Theodosius (der übrigens bald darauf starb) wieder in die Arme seiner Freundin. Wir hören nichts davon, dass B. Schritte zu Gunsten des Photius unternommen hätte, ebensowenig aber davon, dass man gegen seine Person vorgegangen wäre: es lag dies nicht im Interesse der Antonina, und er besass offenbar auch noch in zu hohem Grade das Vertrauen des Kaisers. Im folgenden Jahre (542) finden wir ihn wieder als Höchstcommandierenden im Perserkriege (Prok. Anekd. 1–3). Chosroes hatte den Euphrat überschritten und war abermals in römisches Gebiet eingefallen, fand in der Euphratprovinz keinen Widerstand, da sich die schwachen römischen Abteilungen in die festen Plätze geflüchtet hatten und bedrohte Palaestina mit einem Einfalle. B. kam mit geringer Begleitung in der kaiserlichen Eilpost herbei und sammelte bei Europos möglichst viele von den zerstreuten Streitkräften um sich. Trotzdem war er viel zu schwach, um dem starken Perserheere in offenem Felde Widerstand leisten zu können. Allein Chosroes scheint über die Verhältnisse im römischen Heere schlecht unterrichtet, dazu von B. getäuscht worden zu sein; auch der Name B.s hatte bei den Feinden des römischen Reiches einen gefährlichen Klang. Kurz, der Perserkönig entschloss sich, über den Euphrat zurückzugehen aus Angst, dass ihm B. den Rückzug abschneiden könnte, und liess sich sogar auf Friedensunterhandlungen ein, ohne sich freilich dadurch abhalten zu lassen, die römische Stadt Callinicum zu zerstören. Vielleicht ist es ungerecht, wenn man B. einen Vorwurf daraus machte, dass er dies geschehen liess. Hatte er doch die Ungeschicklichkeit des Gegners auf das beste ausgenützt, um ihn aus den bedrohten römischen Provinzen herauszumanövrieren; allein glänzende Waffenerfolge waren freilich in diesem Feldzuge nicht zu verzeichnen (Prok. Pers. II 20. 21; Anekd. 3 p. 29. Iord. Rom. 377). Als er nach Constantinopel zurückgekehrt war, schien sein Stern vollends im Erlöschen zu sein. Er wurde denunciert, dass er während der schweren Krankheit, die Iustinian damals durchzumachen hatte, als eine schwere Epidemie alle Länder am Mittelmeere heimsuchte, sich mit anderen Generalen dahin geäussert habe, dass das Heer einen Nachfolger, der in Constantinopel aufgestellt werden würde, nicht anerkennen werde. Es scheint, dass Theodora in dieser Äusserung hauptsächlich eine Beleidigung [232] ihrer Person erblickte, ganz abgesehen davon, dass es in jener Zeit schon als Majestätsverbrechen gedeutet werden konnte, wenn überhaupt vom Tode des Herrschers gesprochen wurde. Theodora begnügte sich aber damit, B. sein Commando nehmen zu lassen, sein Vermögen zum grossen Teil einzuziehen und ihn dadurch ohnmächtig zu machen, dass sie seine Garde, die Hauptstütze seiner Macht, an verschiedene Generale und Höflinge verteilte. B. war in Ungnade, und der Neid, der sich gegen ihn angesammelt hatte, und der ganze ‚Byzantinismus‘ der Hofgesellschaft zeigte sich darin, dass ihn, den Gestürzten, jetzt alle mieden, die sich früher seine Freunde genannt hatten. Aber auch B. selbst scheint keine Anwandlung von Empörung gefühlt, sondern sich zitternd und ergeben in sein Schicksal gefügt zu haben. Als sich aber die Herrscher eines Teils seines Reichtums bemächtigt und sich wohl auch von seiner vollständigen politischen Ungefährlichkeit genügend überzeugt hatten, nahmen sie ihn wieder in Gnaden auf unter der Bedingung, dass er sich mit seiner Gemahlin versöhne. Seine einzige Tochter Johannina wurde mit einem Enkel der Kaiserin verlobt. Und B. widmete abermals dem Kaiser seine Dienste, er wurde zum Oberstallmeister ernannt und mit der Aufgabe betraut, die fast verlorene kaiserliche Herrschaft in Italien wieder herzustellen (Prok. Anekd. 4. Marcell. Com. zum J. 545).
Nach B.s Abgang aus Italien hatte es sich gezeigt, dass die gothische Macht noch keineswegs vernichtet war. Die Gothen jenseits des Po wollten sich nicht unterwerfen und wählten sich Könige, während die byzantinischen Generale das Land auspressten und die Armee durch Disciplinlosigkeit und das chronische Ausbleiben des Soldes desorganisiert wurde. Totilas, der neu gewählte Gothenkönig, schlug sie in zwei Schlachten dermassen, dass die Kaiserlichen das flache Land preisgaben und sich in die Festungen zurückzogen. Sein Heer schwoll an durch die Masse der Unzufriedenen, und mit geschickter Politik wusste er die italienische Bevölkerung gegen ihre römischen Grundherren auszuspielen und auf seine Seite herüberzuziehen. Schon hatte er Neapel genommen und bedrohte Rom. Im Süden Italiens hielt sich mit Mühe in Hydruntum eine kaiserliche Besatzung, und auch die festen Plätze in der Nähe von Ravenna wurden bedrängt. B. aber kam (544), abermals zum Generalissimus ernannt, aber ohne seine Garde, ohne sein Veteranenheer, das zum Teil im persischen Feldzug verwendet wurde, und sollte helfen. Es scheint, dass ihm Iustinian gar keine Truppen (ausser den schon in Italien befindlichen) zur Verfügung stellte, und dass er sogar die 4000 Rekruten, die er in Thrakien im Verein mit Vitalius, dem Magister militum per Illyricum, anwarb, auf eigene Kosten anwerben und erhalten musste (Prok. Anekd. 4 p. 35; Goth. III 10. Jord. Rom. 380). Zunächst wagte sich B. gar nicht nach Italien; von Salona aus sendete er zu Schiff eine Abteilung, der es zwar gelang, Proviant für ein Jahr nach Hydrunt zu schaffen und die erschöpfte Besatzung abzulösen, der aber bei einer Streifung von den Gothen nicht unbeträchtliche Verluste beigebracht wurden. Von Salona fuhr B. nach Pola, wo er längere Zeit verweilte, [233] offenbar um seine Mannschaft ungestört einexercieren zu können, und von hier erst nach Ravenna. Allein hier musste er bald einsehen, dass er mit seinen Mitteln nichts ausrichten konnte. Die Steuern aus Italien, auf die er allein angewiesen war, gingen natürlich nicht ein. Das Heer, das er vor wenigen Jahren zum Siege geführt hatte, war durchaus unzuverlässig geworden; die illyrischen Truppen, die schon lange ohne Sold waren, machten sich bei Gelegenheit einer Expedition gegen Bononia aus dem Staube, als sie von einem Barbareneinfalle in ihre Heimat hörten; die Aufforderung B.s an alle Abgefallenen und Überläufer, deren Zahl Legion war, sich wieder den kaiserlichen Waffen anzuschliessen, blieb ganz wirkungslos. Ein Versuch, das wichtige Auximum zu befreien, missglückte. Nur Pisaurum vermochte B. wieder besetzen und befestigen zu lassen, um nicht Ravenna den directen Angriffen der Gothen auszusetzen. Es zeigte sich die Wirkung der vorsichtigen Massregel des Totilas, der die Festungen, die er genommen hatte, regelmäßig schleifen liess, so dass es den Kaiserlichen an Stützpunkten für ihre Operationen fehlte (Prok. Goth IIΙ 10. 11. Jord. Rom. 380). B. sendete den Johannes, seinen langjährigen Gegner, nach Konstantinopel mit der Bitte um wirksame Unterstützung und schilderte dem Kaiser brieflich die elende Lage der Provinz und des Heeres; er verlangte seine Garde zurück und andere Hülfstruppen und Geld. Namentlich als Herodian – angeblich weil B. von ihm wegen seiner bisherigen Amtsführung Rechenschaft verlangt hatte (Prok. Goth. III 12; Anekd. 5 p. 37) – Spoleto übergeben und die Gothen auch Assisi in ihre Gewalt genommen hatten und von den wichtigeren Plätzen im Appennin nur noch Perugia sich für die Römer hielt, wurde es B. ganz klar, dass er von Ravenna aus auf den Gang des Krieges überhaupt nicht einwirken und insbesondere Rom, das von Totilas belagert wurde, nicht retten konnte. Er liess den Iustinus zum Schutze von Ravenna zurück, segelte nach Dyrrhachion (545), von wo aus er nochmals den Kaiser dringend um Hülfe bat. Es stiessen denn auch in der That Truppen unter Johannes und Isaak zu ihm, während die herulischen Hülfstruppen unter Narses auf dem Marsche zögerten und dann durch einen Slaveneinfall von der Vereinigung mit B. abgehalten wurden. Auch dies Kriegsjahr blieb für die Kaiserlichen vollständig ergebnislos. Denn weder der Versuch einer kleinen, von B. nach Porto detachierten Abteilung, im Vereine mit dem Befehlshaber von Porto, Innocentius, Rom Luft zu machen, noch der Versuch des Vigilius, von Sicilien aus über Ostia Getreide nach Rom zu schaffen, gelang. Indes scheint sich der alte Hader der Feldherrn, der jeden einheitlichen Kriegsplan vereitelte, in Dyrrachion erneuert zu haben (Prok. Goth. III 12. 13. 15. Jord. Rom. 380). B. segelte im J. 546 über Hydruntum, wo die Gothen die Belagerung aufhoben, weiter nach Porto, da er es für das wichtigste hielt, Rom nicht in die Gewalt der Feinde fallen zu lassen, während Johannes von Calabrien durch Campanien gegen Rom vordringen sollte. Dieser hielt sich aber in Süditalien mit der Unterwerfung Calabriens und Apuliens auf, wo sich keine starken gothischen Heere [234] befanden, und wagte nicht oder wollte nicht den Angriff gegen das Hauptheer vor Rom versuchen. B. harrte vergebens. Da entschloss er sich, einen verzweifelten Versuch zu machen, die Stadt, deren Bevölkerung ausgehungert war, während der Commandant Bessas das aufgespeicherte Getreide nur um Wucherpreise verkaufte, mit Proviant zu versehen. Bessas war nicht dazu zu bewegen, die Action von Rom aus zu unterstützen. B. setzte sich mit seinen getreidebeladenen Schlachtschiffen in Bewegung, am rechten Tiberufer von seinem Fussvolke begleitet. Der Angriff richtete sich gegen die Sperrkette und die Sperrbrücke, welche die Gothen über den Fluss gelegt hatten. Schon war von einem schwimmenden Turme, den B. vorbereitet hatte, aus der gothische Wachturm am rechten Tiberufer in Brand gesteckt worden, und es schien, dass das kühne Unternehmen gelingen würde. Da brach Isaak, der mit den Reservetruppen zum Schutze der Rückzugslinie und zum Schutze der Antonina in Porto zurückgelassen war, gegen den ausdrücklichen Befehl B.s auf ein falsches Gerücht hin aus seiner Reserve hervor und überfiel das gothische Lager am linken Tiberufer. Die Gothen flohen zuerst, kehrten aber bald zurück und richteten unter den Kaiserlichen, die ohne jede Vorsicht das Lager zu plündern begonnen hatten, ein Blutbad an und nahmen sogar Isaak gefangen. Als B. nun hörte, dass Isaak gefangen sei, verlor er jede Geistesgegenwart, sah schon in Gedanken Porto von den Gothen genommen, sein Weib gefangen, seine Rückzugslinie abgeschnitten. Eiligst kehrte er um, um zu retten, was noch zu retten war. Nach Porto zurückgekehrt sah er, dass seine Furcht unbegründet gewesen war. Von nun an unternahm er keinen Versuch mehr, um Rom zu entsetzen; selbst fieberkrank musste er mit seiner geringfügigen Truppenmacht von Porto aus den unausweichlichen Fall von Rom beobachten (Prok. Goth. III 18. 19; in das J. 546 gehört auch der Brief des Vigilius, Jaffé-K. 918 = Mansi IX 46, in dem B. erwähnt wird). Die Wiedergewinnung Roms durch die Gothen (December 546) war für Totilas ein glänzender Erfolg. Er suchte diesen Moment zu benützen, um durch Gesandte in Constantinopel Friedensunterhandlungen anzuknüpfen. Allein Iustinian wies ihn an seinen Generalissimus B. Dass nun in der That zwischen Porto und Rom Verhandlungen über den Frieden gepflogen worden wären, berichten unsere Quellen nicht. Man könnte aber geneigt sein, dies anzunehmen, um die weitere Entwicklung zu verstehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass B. in seiner Zähigkeit, auch falls er die Vollmacht hatte, auch jetzt noch nicht geneigt war, einen Fuss breit Landes den Gothen zu überlassen, und dass er den Totilas durch Unterhandlungen hinzuhalten suchte. Schon dem Kaiser gegenüber hatte Totilas gedroht, dass er, falls ihm kein Vertrag zugestanden würde, Rom dem Erdboden gleich machen und gegen die Senatoren vorgehen werde, die sich in seiner Gewalt befanden. B. setzte es nun bei Totilas durch, dass er von seinem angeblichen Vorhaben abstand, vermutlich indem er dies als Vorbedingung für jede Verhandlung bezeichnete. Möglich auch, dass Totilas nicht daran dachte, dass ihm durch das Fortbestehen von Rom in der nächsten Zeit Gefahr [235] erwachsen könnte – jedenfalls aber haben derartige Erwägungen und nicht romantische Sentimentalität den Realpolitiker Totilas dazu gebracht, Rom bestehen zu lassen. Er begnügte sich damit, etwa den dritten Teil der Umfassungsmauer niederzulegen, und liess zur Bewachung B.s den grössten Teil seiner Truppen in der Nähe von Rom zurück, während er selbst sich nach Süditalien gegen Johannes wendete (Prok. Goth. III 22). Eine Recognoscierung, die B. mit 1000 Mann gegen Rom unternahm, führte zwar zu einem glücklichen Gefechte mit den Gothen, aber sonst zu keinem Resultate (Prok. a. O. III 23 p. 375). Erst als Totilas, vielleicht um einen Schlag gegen Ravenna auszuführen, seine Truppen aus der Campagna weggezogen hatte, konnte B. nach Hinterlassung eines schwachen Postens in Porto in die verödete Stadt einziehen (547, etwa Februar). Rasch verproviantierte er sie zu Schiffe auf dem Tiber und zog die in der Umgebung zerstreute Bevölkerung herein. Die Mauern wurden, so gut es in der Eile ging, notdürftig wiederaufgebaut; sie hatten noch keine Thore, als Totilas auf die Nachricht von B.s kühnem Streiche nach 25 Tagen – schwerlich mit seiner gesamten Macht – heranrückte. Im Laufe von wenigen Tagen versuchte er dreimal die Stadt zu erstürmen; allein vergebens; die Truppen B.s schlugen sich vortrefflich, und die Gothen wurden blutig abgewiesen. Totilas sah sich um die Frucht seiner jahrelangen Bemühungen gebracht und fühlte sich zu schwach, um Rom jetzt wiederzugewinnen. Er begnügte sich damit, die Tiberbrücken (mit Ausnahme des Ponte Molle, der in der Gewalt B.s gewesen zu sein scheint) abzubrechen und sich in Tibur, dessen Befestigungen er wiederherstellen liess, festzusetzen (Prok. Goth. III 24. Iord. Rom. 381. Marcell. Com. 547). Allein trotz alledem war die Lage der Kaiserlichen in Italien, die durchaus in die Defensive gedrängt waren, die in getrennten kleinen Abteilungen operierten und gerade damals auch in Süditalien Verluste erlitten, unhaltbar. Auf B.s dringende Vorstellungen entschloss sich endlich der Kaiser, Verstärkungen zu schicken, freilich in durchaus ungenügendem Ausmasse. Einige wenige Abteilungen vereinigten sich mit Johannes in Süditalien; das Gros unter dem Magister militum per Armeniam Valerianus hielt sich an der griechischen Küste und wollte vor dem Frühjahr nicht übersetzen. Da an einen Entsatz von Rom nicht zu denken war, erging an B. der kaiserliche Befehl, sich mit den übrigen Truppen in Calabrien zu vereinigen und von hier aus die Offensive zu ergreifen; es wurde also offenbar B.s Feldzugsplan, der auf ähnlichen Voraussetzungen aufgebaut war, wie bei der ersten Eroberung Italiens, in Constantinopel nicht gebilligt. B. nahm ausgewählte 700 Reiter und 200 Fusssoldaten mit sich, liess den übrigen Teil seiner Armee unter Konon in Rom und schiffte sich ein. Da ihn die Winterstürme verhinderten, wie es in seiner Absicht lag, bis nach Tarent zu gelangen, landete er in Kroton. Hierher sollte Johannes nun kommen, um sich mit B. zu vereinigen. Als aber B.s Truppen in der Nähe von Ruscia von Totilas geschlagen wurden, gab B. auch diesen Plan auf und segelte nach Messana zurück (Winter 548. Prok. Goth. III 27. 28. Marcell. Com. 548. Iord. Rom. 381). Erst [236] im Frühjahr, nachdem der Kaiser 2000 Fusssoldaten zur Verstärkung und einen dringenden Befehl an B. hatte abgehen lassen, vereinigten sich endlich Valerianus und B. in Hydruntum. Um Mittsommer entschlossen sich die Feldherren endlich zu einer gemeinsamen Unternehmung zum Entsatze des von Totilas hart bedrängten Ruscia; allein ein erster Versuch scheiterte an den widrigen Winden, ein zweiter an der Entschlossenheit des Totilas, der seine Truppen an der Küste aufstellte, um die Landung zu verhindern. Die Feldherren zogen sich nach Kroton zurück und beschlossen, nun wieder getrennt zu operieren; B. behielt sich abermals die Operationen zur Unterstützung von Rom vor, wo die meuternden Soldaten ihren Befehlshaber Konon niedergemacht hatten. Bevor er indes diese neue Expedition unternahm, wurde er nach Constantinopel zurückberufen. Er hatte nämlich die Antonina mit der Bitte um Verstärkungen an den Hof geschickt und als in diesem Jahre die Kaiserin Theodora gestorben war, setzte Antonina wenigstens die Abberufung ihres Mannes aus Italien durch, der unter diesen Umständen an einer glücklichen Beendigung des Krieges verzweifelte. Er kehrte diesmal nicht als Sieger zurück, und es wurden wegen seiner Kriegführung gegen ihn schwere Vorwürfe erhoben. Allein die Hauptschuld für seinen Misserfolg wird man in den Verhältnissen sehen dürfen: in der Desorganisation des italienischen Heeres und der vollständigen Veränderung der politischen Lage; in dem Geldmangel der ihn dazu zwang, die ohnedies schwer hergenommenen Provinzen nach byzantinischer Art mit Steuern zu belasten, was ihm den Vorwurf der Habsucht eintrug; schliesslich in dem Mangel an Subordination der Generale, namentlich des Johannes und seiner Partei, die, wie es scheint, sich in Opposition zur Kaiserin und damit auch gegen den Einfluss der Antonina stellte und nach dem Tode der Kaiserin durch die Abberufung B.s und die folgenden Ereignisse die Oberhand bekam (Prok. Goth. III 30; Anekd. 5. Iord. Rom 381). Wie sehr aber auch jetzt noch B. als Stütze des Thrones angesehen wurde, geht daraus hervor, dass eine Verschwörung zum Sturze des Kaisers, die kurze Zeit vor B.s Ankunft in Constantinopel entdeckt und vereitelt wurde, zugleich den Zweck hatte, B. aus der Welt zu schaffen (Prok. Goth. IIΙ 31. 32).
Die folgenden Jahre verbrachte B. ruhig in Constantinopel, im Genusse seiner Ehren und Reichtümer, nach Prokops Aussage unbedingt seinem Ansehen nach der erste Mann im Staate, als Magister militum per Orientem, dann auch in der Vertrauensstellung eines Commandanten der kaiserlichen Leibgarde (Comes domesticorum), aber politisch und militärisch, wie es scheint, vollständig annulliert (Prok. Goth. III 35 p. 427. IV 21 p. 569 B.; seine Thaten waren in den Mosaiken des von Iustinian neu erbauten Palastes verherrlicht: Prok. de aedif. I 10; seine vergoldete Statue wird erwähnt vom Anon. de antiq. Cpol. bei Banduri Imper. Orientale I 3 p. 7. 95). Das letzte Decennium von Iustinians Regierung verfloss ohne grosse Expeditionen, wie sie den Beginn seiner Regierung gekennzeichnet hatten. Schwer lastete auch jetzt der Steuerdruck auf den Unterthanen, [237] allein die Armeen wurden vernachlässigt, und der alte Kaiser zog es vor, den Frieden seines Reiches von den unruhigen Nachbarn zu erkaufen. Als nun im März des J. 559 hunnische Scharen unter Zabergan über den Balkan vordrangen, fanden sie nirgends Widerstand. Während ein Teil verheerend und plündernd gegen die thrakische Chersonnes vorging, zog Zabergan selbst mit 7000 Mann gegen die langen Mauern, fand diese unbesetzt und konnte sein Lager bei Melantias am Athyras, nur 140 Stadien von Constantinopel entfernt, aufschlagen. Der Schrecken, den die flüchtenden Bauern in Constantinopel verbreiteten, war gross, schon wurden auch die Kirchenschätze aus der Umgegend nach Constantinopel gerettet. Jetzt forderte der Kaiser B. auf, die Feinde zurückzuweisen. B. konnte sich nur auf etwa 300 Veteranen verlassen, die wahrscheinlich zu seiner Garde gehörten. Die Palasttruppen waren ganz unbrauchbar, da die Stellen in diesem Corps in der letzten Zeit als Pfründen vergeben worden waren. Eine ungeordnete Menge aus Stadt und Land bot dem gefeierten Feldherrn ihre Dienste an, konnte aber natürlich nur mit Vorsicht verwendet werden. Nachdem die Mauern von Constantinopel besetzt worden waren, machte B. seine Truppen beritten, zog eiligst vor die Stadt und schlug ἐν Χέττου κώμῃ ein festes Lager. Er versuchte die Feinde über die Geringfügigkeit seiner Truppenmacht zu täuschen; als aber 2000 Hunnen angriffen, widerstand er selbst im Handgemenge mit einem Teile seiner Kerntruppen tapfer, während er die übrigen Veteranen seitwärts von der feindlichen Angriffslinie in Hinterhalte legte. Als diese hervorbrachen und zugleich die Hauptmasse der Truppen B.s sich zeigte, mehr um zu demonstrieren, als um zu kämpfen, gerieten die Hunnen in Verwirrung, eilten mit Hinterlassung von 400 Toten in wilder Flucht in ihr Lager zurück, brachen sogar das Lager ab und zogen jenseits der langen Mauern zurück. Dass B., der durch seinen Mut und seine Entschlossenheit Constantinopel gerettet zu haben schien, als alles den Kopf verloren hatte, von der Bevölkerung überschwenglich gefeiert wurde, ist natürlich, obwohl man mit Fug bezweifeln darf, ob Constantinopel selbst auch nur einen Augenblick in wirklicher Gefahr war. Indes contrastierte mit der öffentlichen Meinung das Verhalten des Kaisers, der den B. nicht nur zurückberief, als man dachte, dass er noch seinen Sieg hätte verfolgen können, sondern dem Retter seines Thrones aus Argwohn auch keinerlei offizielle Ehren zu teil werden liess (Agath. V 15–20. Theophan. zum J. 6051. Vict. Tonn. zum J. 559; vgl. Malal. p. 490 B.). Vermutlich hat sich unter diesen Umständen von vornherein der Verdacht auch gegen B. gewendet, als im November des J. 562 eine Verschwörung gegen das Leben des Kaisers entdeckt wurde. Einer der Verschworenen gab auf der Folter an, dass auch einige Freunde und Bedienstete B.s von der Verschwörung gewusst hätten, und als diese verhaftet wurden, denuncierten sie vor dem Stadtpraefecten Prokop, der die Untersuchung führte, auch den B. selbst. Am 5. December wurden diese Aussagen in einer feierlichen Staatsratssitzung unter Vorsitz des Kaisers verlesen und Β., der selbst zugegen war, fiel in Ungnade; seine Ehrenstellungen [238] und seine Garde wurden ihm genommen, er wurde in seinem Palast in Haft gehalten, da eine nochmalige Folterung der Angeber dasselbe Resultat ergab (Malal. p. 493ff. Theophan. zum J. 6055). Allein schon am 19. Juli des folgenden Jahres (563), nachdem der Praefect Prokop kurz vorher gestürzt worden war, wurde B. in alle Ämter und Würden wieder eingesetzt (Theophan. zum J. 6055 p. 370 B.). Im März des J. 565 ist er in Constantinopel gestorben, sein Vermögen fiel an den Fiscus (Theophan. zum J. 6057 p. 371 B.). Des berühmten Feldherrn Leben wurde den Epigonen zur Legende und ausgeschmückt zu einem lehrhaften Beispiele der Wandelbarkeit des Schicksales und der Fürstengunst; diese Sagenbildung wurde dadurch erleichtert, dass Prokops Werk vor B.s Tode abbricht und der Phantasie zur Ausschmückung der letzten Lebensjahre des Feldherrn freien Spielraum lässt. In das Gebiet der Fabel ist die Erzählung zu verweisen, dass B. auf Befehl des Kaisers geblendet wurde und durch Erbetteln milder Gaben sein Leben fristen musste. Diese Anekdote geht nur auf die Autoritäten des Tzetzes (Chiliad. III 334ff.) und des Anonymus de antiquitatibus Constantinopol. zurück (bei Banduri Imp. Or. I 3 p. 7; derselbe Autor bringt an einer anderen Stelle die Version, dass die Antonina ihren Gatten überlebt und die Kirche des hl. Procop erbaut habe).
Die Gestalt B.s stand durch Decennien im Mittelpunkte der Interessen seiner Zeitgenossen, und durch den günstigen Zufall, dass Prokops Werke seine Thaten erzählen und uns erhalten sind, ist B. auch für uns die Verkörperung einer ganzen Zeitepoche geworden; leicht sind wir deshalb geneigt, die Bedeutung seiner Persönlichkeit zu überschätzen. B. war aber nicht der Urheber, sondern nur eines der Werkzeuge der ins Grosse gehenden iustinianischen Reichspolitik, die freilich mit dem namentlich dem reichsangehörigen Germanen tief eingewurzelten Respect vor dem römischen Reiche wohl zusammenstimmte; er war nur das allerdings vortreffliche Schwert, das Iustinian sehr geschickt ausgewählt hatte, um seine Schlachten zu schlagen. Er war vertraut genug mit den politischen Plänen des Kaisers, um sie strategisch mit der ihm eigenen Zähigkeit durchführen zu können, hat aber niemals eigene Politik gemacht, die seinem Gesichtskreise und wahrscheinlich auch seinem Bildungsgange ganz ferne lag. Wenn die Diplomatie in den Gang des Krieges eingriff und der Feldherr Diplomat sein musste, wendete er den Barbaren gegenüber dieselben Kriegslisten an, die er als Feldherr anzuwenden gewöhnt war, und sie waren ihm immer nur ein Mittel zur Durchführung seiner strategischen Pläne. Er hat wohl zu organisieren verstanden, aber nur für den Zweck des Krieges, und dauernde politische Organisationen sind nicht an seinen Namen geknüpft. Gerade ein solches Werkzeug brauchte Iustinian; denn es war sicherlich nicht minder, als das persönliche Treuverhältnis zum Kaiser, der vollständige Mangel an eigenen politischen Conceptionen, welche in B. niemals auch nur den Gedanken aufkommen liessen, dass er etwas anderes sein könnte, als ein Unterthan des Kaisers. ‚Ich dien’‘ war auch sein Wahlspruch; zieht man dies in Rechnung, so kann es nicht mehr wunderbar [239] erscheinen, mit welcher Ergebenheit er die schändlichsten Demütigungen ertrug, in einer Zeit des organisierten Servilismus, der nur in der Revolte sein natürliches Correlat fand. B. war mit Leib und Seele Soldat. In manchem Gefechte hat er selbst tapfer mitgefochten und sich selbst mitten in die Gefahr begeben. Mochte schon dies ihm die Gunst des gemeinen Soldaten erringen, so hat seine Freigebigkeit den Soldaten gegenüber seine Beliebtheit noch wesentlich gesteigert. Diese persönliche Anhänglichkeit an den Feldherrn und Aussicht auf materiellen Erfolg hielt aber allein die zusammengewürfelten Heere jener Tage zusammen, die an der Sache, für die sie kämpften, nicht das geringste Interesse hatten. Dieselben Momente ermöglichten es B., sich die Garde zu schaffen, auf der seine Hauptmacht beruhte, deren Tüchtigkeit und Brauchbarkeit bisher unerreicht war und auf deren Zuverlässigkeit hauptsächlich die Disciplin beruhte, die B. in für damalige Verhältnisse anerkennenswerter Weise aufrecht zu erhalten suchte. Er wusste seine Truppen so auszubilden, dass sie widerstandskräftig und vor allem schnell beweglich waren; deshalb bevorzugte er ganz besonders und in noch höherem Masse, als dies überhaupt im römischen Heere geschah, die Reiterei. Denn durch schnelle Beweglichkeit und gute Ausbildung musste ersetzt werden, was den Barbaren gegenüber an Masse fehlte. Die Aufgabe des Feldherrn war unter diesen Verhältnissen besonders compliciert, da es seine Hauptaufgabe war, die Stellungen und Combinationen ausfindig zu machen, in denen die Vorzüge der eigenen Truppen nicht nur zur Geltung kommen konnten, sondern auch von der Masse der Feinde nicht erdrückt wurden; da er beständig in die Notwendigkeit versetzt wurde, seine Truppen zu zersplittern, um allen Aufgaben gerecht zu werden, und doch eine rasche Verbindung immer aufrechtzuerhalten. Mit denselben Umständen hängt es zusammen, dass die Verwendung der Specialwaffen der verschiedenen foederierten Völkerschaften unter B. eine grosse Rolle spielt, und dass bei den beständig neuen Combinationen die Erfindung immer neuer Überraschungen des Gegners B.s grösste Stärke war; namentlich war bei dem damaligen Stande der Technik der Belagerungskrieg auf solche Aushülfen angewiesen, da der Sturm auf eine befestigte Stadt beinahe immer aussichtslos sein und eine regelrechte Aushungerung allzu viel Zeit erfordern musste. Mit dieser Erfindungsgabe, die in der Schule der Erfahrung gesteigert war, hängt die Zähigkeit zusammen, mit der B. seinen einmal entworfenen Feldzugsplan festhält, da er in den Einzelheiten der Ausführung für unerwartete Schwierigkeiten immer unerwartete Lösungen zu finden weiss. Dagegen sehen wir ihn wohl vor grossen Unternehmungen und grossen Entschlüssen, deren Tragweite er als blosser Soldat nicht völlig ermessen konnte, zaudern, im Nika-Aufstand schon verzweifeln. Ein solcher Mann war nicht zu selbständigem Handeln im grossen geschaffen. Wie von seinem Kaiser liess er sich von seiner Gattin, deren überlegenen Verstand er anerkennen musste, leiten; und wenn sie abwesend war, konnte er auch fremden Einflüssen anheimfallen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mancher auch von seinen Zeitgenossen gerügte [240] unschöne Zug in seinem Leben auf seine Beeinflussbarkeit zurückzuführen ist, die sich notwendig aus dem Missverhältnisse seiner äusseren Stellung und seiner inneren Veranlagung ergab. Es ist möglich, dass Antoninas Ränke viel zu dem colossalen Anwachsen seines Vermögens beigetragen haben, und nicht anzunehmen, dass er seine Stellung in materieller Beziehung in einer Weise ausgenützt hätte, welche für damalige Begriffe als ungewöhnlich bezeichnet werden kann. Andrerseits ist es sicher, dass sein Reichtum eine der notwendigen Grundlagen seiner Stellung im Heere war und dass, wenn er auch bei Fouragierungen und Einquartierungen Disciplin zu halten suchte auch hier manche Ungesetzlichkeiten untergelaufen sein werden. Und nicht minder ist aus der damaligen Zeit heraus zur Genüge erklärlich, dass dieser Mann, der seine wirkliche Macht im Staatswesen weder gebrauchen wollte, noch sie zu gebrauchen verstand, äusseren Ehren und äusserem Glanze sehr zugänglich war. Was aber ihn, der wahrscheinlich aus kleinen Verhältnissen hervorgegangen war, den Soldaten, der seine Jugend grösstenteils nicht in den bequemen Stellungen der Hauptstadt, sondern in den Strapazen ernster Kriege verbrachte, vor der überwiegenden Mehrzahl seiner vornehmen Zeitgenossen auszeichnete war seine Nüchternheit und Sittenstrenge, die wohl zu den übrigen Zügen des Bildes passt, das uns Prokop von Iustinians gefeiertstem Feldherrn überliefert hat.
Litteratur. Im allgemeinen: Gibbon Decline and fall of the Rom. Emp. IV chap. 40–43 Finlay Greece under the Romans, chap. 3. Hodgkin Italy and her invaders III (1885) chap. 15 und IV (1885) chap. 1–14. 17–20. Lord Mahon Life of B. (1829). Chr. F. Zeller B. der röm. Feldherr (1809). Dazu kommen die verschiedenen Erklärer von Prokop und Dahn Prokopius von Caesarea (1865). Ferner für die Chronologie: Clinton Fasti Romani und Muralt Essay de Chronographie Byzantine. Für einzelne Teile seiner Geschichte kommen in Betracht namentlich: Αd. Schmidt Aufstand in Constantinopel unter Kaiser Iustinian. Papencordt Gesch. d. vandalischen Herrschaft in Africa (1837) B. 2 Kap. 3. Dahn Könige der Germanen I (1861) 171–181. II 195–234. Pflugk-Hartung B.s Vandalenkrieg, Hist. Ztschr. LXI 1889, 69–96. Manso Geschichte des ostgoth. Reichs in Italien. Gregorovius Gesch. d. St. Rom im M.-A. I, B. 2 Cap. 3–6. K. L. Roth Über B.s Ungnade (1847), Progr. Basel.
[Hartmann.]