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Baliares. Von den Gymneten des Festlandes, wie die ältesten griechischen Seefahrer die fast nackten iberischen Reiter nannten (s. Gymnetes), hat die Inselgruppe ihren griechischen Namen Γυμνήσιαι. Das meldete zuerst, wie es scheint, der alte Periplus (nur dass er irrtümlich von einer Insel Gymnesia spricht), dessen Text Avien (ora marit. 467) missverstand; den Namen der Balearen fügte Avien hinzu. Auch bei Timaios, dem nächstältesten Zeugen (bei Diodor. V 17. 18, den Schol. zu Lykophr. 633 und den mirab. ausc. 88; vgl. J. Geffcken Tim. Geogr. d. Westens 155), scheint nur der griechische Name zu stehen. [2824] Der einheimische, iberische (nicht phoinikische) Name Balearen (Βαλιαρεῖς bei den Griechen und Baliares bei den Römern mit i ist die ältere und bei weitem besser bezeugte Form; die mit e erscheint in den Hss. des Caesar und Orosius und scheint erst in der Zeit von Augustus abwärts zu überwiegen) findet sich zuerst bei Polybios (I 67, 7. III 33, 11. 113, 6) und in den Triumphalfasten des J. 633 = 121. Die spätere griechische Form ist Βαλιαρίδες (Strab. III 167. Agathem. I 5, der auch Βαλεάριαι hat) und Βαλλιαρίδες (Ptolem. II 6, 73); Βαλεαρίδες hat Philteas von Naxos (Schol. Lykophr. 633). Ganz vereinzelt steht die Nachricht bei Zonaras (XII 11, aus Josephos und Dio), dass die Iberer (so) die balearischen Inseln Hyassusen oder Regeninseln genannt hätten. Als Sondernamen der vier bis sechs Inseln, die die Gruppe bilden, sind im Itin. marit. (wohl nach Timaios) überliefert insula Columba Balearis maior, insula Nura Balearis minor (p. 511, 3). An eine Verwechselung mit der italischen Insel Columbaria bei Elba oder mit der kleinen Insel Ophiusa oder Colubraria unweit der Mündung der Sucro an der spanischen Küste und mit der Stadt Nora auf Sardinien ist nicht zu denken; der alte Name der grösseren Insel Columba, wenn richtig überliefert, scheint römischen Ursprungs (vielleicht ist er in dem Hafen Colom an der Südküste von Mayorca erhalten), Nura iberischen. Die grössere und die kleinere Insel werden sonst nur so unterschieden (Strab. III 167. Diod. V 17. Mela II 124. Plin. III 76. Ptol. II 6, 73. Agathem. I 5 und ebenso die Historiker); die Namen Maiorica und Minorica (beide als Frauennamen in Africa gebräuchlich) sind erst vom 6. Jhdt. an bezeugt (Georg. Cypr. ed. Gelzer p. XXXI). Die Entfernung der kleineren Insel von der grösseren wird bei Strabon (a. a. O.) auf 270 Stadien, bei Plinius (a. a. O., wohl nach Varro) auf 30 Millien angegeben; von der iberischen Küste bei Dianium seien die Pityusen 700 Stadien und ebensoviel die Balearen von diesen entfernt; die grössere habe an Länge 100, an Umfang 475, die kleinere an Länge 40, an Umfang 150 Millien; Capraria sei von der grösseren Insel 12 Millien entfernt. Die kleineren Inseln nämlich hiessen Capraria (jetzt Caprera), Menariae (e regione Palmae, wahrscheinlich die kleinen Felseninseln vor der Bucht von Palma), Tiquadra (jetzt Dragonera), Hannibalis, wohl schon römisch Cunicularia (jetzt Conejera, Kanincheninsel). Von den Städten auf den Inseln sind Bocchori und Guiuntum auf Mayorca, Mago und Iamo auf Menorca phoinikischen, Tuci auf der grösseren, Sanisera auf der kleineren vielleicht iberischen, Palma und Pollentia auf der grösseren Insel römischen Ursprungs.

Über die iberischen Urbewohner liegen bei Strabon und Diodor ausführliche Nachrichten vor, die auf Timaios und Poseidonios zurückgehen. Besonders die einheimische Kunst des Schleuderns, mit der sogar der Name Balearen (ἀπὸ τοῦ βάλλειν) verkehrterweise zusammengebracht wurde, wird eingehend beschrieben, die Schleuderriemen aus schwarzer Binse mit den drei Schleudersteinen von verschiedener Grösse, die sie um Kopf und Leib geschlungen und in der Hand führten (regelmässig gerundete Steinkugeln von bestimmten Grösseverhältnissen sind auf Menorca gefunden [2825] worden), ihre von Kindheit auf geübte Treffsicherheit u. s. w., wobei wohl Übertreibungen mit unterlaufen. Das Schleudern ist eine wie bei den Hirtenvölkern des Orients so auch bei den Griechen, besonders den Akarnanen und Achaeern, altgeübte Kunst; auf phoinikischen Ursprung der Bevölkerung ist daraus keineswegs zu schliessen. Die Tracht und Bewaffnung des balearischen Hirtenvolkes wird ebenfalls geschildert: der Schafpelz, die Sisyra oder Sisyrna, die kleinen Schilde aus Ziegenleder, die nur im Feuer zugespitzten, selten mit eisernen Spitzen versehenen Wurfspeere. So mögen sie vor alters in den karthagischen Heeren um Sold gedient haben. Sie kannten weder Gold noch Silber; Timaios berichtet, es sei den Bewohnern verboten, die edlen Metalle auf die Inseln zu bringen, weil Herakles einst darum gegen den Geryoneus ausgezogen sei; also wohl um sich vor Seeräubern, vor phoinikischen Streifzügen und der Ausbeutung durch phoinikische Kaufleute zu sichern. Deswegen hätten die balearischen Söldner kein Geld zurückgebracht, sondern dafür Frauen und Wein gekauft. Sie waren so κατάγυνοι, dass sie, wenn Seeräuber ihnen Frauen geraubt hatten, drei oder vier, auch fünf Männer als Lösegeld für eine Frau boten. Auch besteht bei ihnen derselbe polyandrische Gebrauch bei der Hochzeit, der auch von libyschen Stämmen, Nasamonen, Massageten und Arabern erzählt wird. Sie wohnen in Felsenhöhlen und befestigen die Klippen; von ihren Burgen aus machen sie sich viel Land unterthan. In diese Burgen zogen sie sich beim Angriff der Römer zurück und wurden so unsichtbar, dass sie erst aufgestöbert werden mussten (Flor. I 42). Höhlen (wie bei Calascovas auf Menorca) und zahlreiche Burgen mit primitiven Steinringen haben sich erhalten. Sie waren trotz ihrer kleinen schlechten Fahrzeuge geübte Schiffer und Fischer; selbst der römischen Flotte fahren sie kühn entgegen. Ihre Toten bestatten sie nach Timaios auf besondere Art: sie zerschlagen die Gebeine mit hölzernen Knütteln und thun sie in ein Fass (aus Holz oder Thon?), und darauf häufen sie Steine; vom Verbrennen ist nichts gesagt. Zahlreiche erhaltene Denkmäler bestätigen diese genauen und wertvollen Beobachtungen: stadt- und burgähnliche Niederlassungen mit künstlichen Höhlen und halbkreisförmigen Hauptgebäuden (Tempeln?), grosse Grabdenkmäler (die Talayots, von atalaya, Warte), auf beiden Inseln nahe an 600, kleinere Gräber in Form eines mit dem Kiel nach oben liegenden Bootes.

Die Zahl der Bewohner hatte Timaios für die ältere Zeit auf ungefähr 30 000 angegeben; über ihr Wachsen und ihre spätere Abnahme fehlt es an Angaben. Die jetzige Bevölkerungsziffer beträgt etwas über 200 000.

Öl und Wein waren nach Timaios ursprünglich unbekannt, daher die Bewohner auf Wein so erpicht gewesen seien, wie auf die Frauen. Öl gewannen sie aus dem heimischen Mastix (oder der Terebinthe) und brauchten es mit Schweinefett vermischt zum Salben des Körpers; der Ölbaum ist erst durch die Römer in grösserem Umfang in Iberien eingeführt worden (Plin. XV 7). Plinius rühmt den Wein (XIV 71) und den Weizen der Balearen (XVIII 67). An Schafen, Ziegen und Schweinen waren sie reich, wie die Pityusen, [2826] namentlich auch an Maultieren, wie noch jetzt. Schädliche Tiere fehlten; selbst die Kaninchen, die auf dem spanischen Festland von jeher so häufig waren, seien erst auf die Inseln gebracht worden, hätten sich aber dann so vermehrt und solchen Schaden angerichtet, dass die Bewohner durch eine Gesandtschaft an Augustus militärische Hülfe gegen sie erbeten und erhalten hätten (Strab. III 144. 168. Plin. VIII 217). Geschätzt waren die in den Höhlen an den Küsten gefischten Austern (daher cavaticae Plin. XXX 45), die Ockererde (rubrica Vitr. VII 7, 2. Plin. XXXV 13), das aus den Wäldern der Strandkiefer gewonnene Harz und Pech (Dioscor. mat. med. I 92), das für den Schiffbau Verwendung fand. Nur zufällig ist vielleicht von den noch jetzt sehr ausgedehnten Salinen der Balearen nicht die Rede, die sicher bereits von den Phoinikiern benutzt worden sind.

Nachdem Ebusos 160 Jahre nach Karthagos Gründung, also etwa um die Mitte des 7. Jhdts., von Karthago besetzt worden, wie Timaios berichtete (Meltzer Gesch. der Karthager I 154), hat sich wahrscheinlich die karthagische Eroberung bald auch auf die Balearen ausgedehnt; die Insel des Hannibal bei der grösseren Insel (offenbar nach einem der älteren Träger des Namens) und Mago, die Hauptstadt der kleinen Insel, scheinen dies anzudeuten. Die wahrscheinlich bis in das 6. Jhdt. zurückgehenden phoinikischen Münzen von Ebusos finden sich in grosser Zahl auf den Balearen (Mon. ling. Iber. nr. 112); auch in Campanien sind sie häufig. Vielleicht wurden schon damals auch die phoinikischen Städte Guiuntum, Bocchori, Iamo angelegt; Mago könnte nach dem jüngeren Mago benannt sein. Denn nach dem aus Polybios stammenden Bericht bei Livius (XXVIII 36ff.) über das J. 206 v. Chr. erhielt Mago, der Bruder Hannibals, den Befehl, da sich Hispanien nicht mehr halten liess, mit der Flotte nach Italien zu segeln und sich dort mit Hannibal zu vereinigen. Nach einem vergeblichen Versuch, sich Neukarthagos zu bemächtigen, und einer Fahrt nach Gades und von da nach Ebusos, wo er von der phoinikischen Bevölkerung freundlich aufgenommen und ausgerüstet wird, segelt er nach den Balearen, um in dem guten Hafen der grösseren Insel zu überwintern. Feindlich empfangen, ,nicht anders als ob Römer die Inseln bewohnten‘, bemächtigt er sich durch Kampf der Stadt und des Landes und sendet 2000 dort ausgehobene Krieger (wohl balearische Schleuderer) nach Karthago. Von da fährt er im Frühjahr nach der kleinen Insel, legt das feste Castell an, das seinen Namen trägt, und führt von da aus im folgenden Frühjahr den Seezug gegen Genua aus (Liv. XXVIII 36).

In die römische Eroberung Hispaniens sind die Pityusen und Balearen nicht einbegriffen gewesen. Doch deuten die römischen etwa im 3. Jhdt. nach campanischem Vorbild geschlagenen Münzen von Ebusos (Mon. ling. Iber. nr. 1120) darauf hin, dass die Inseln damals schon unter römischem Schutz standen. Über die Eroberung der Balearen durch Q. Caecilius Metellus im J. 121 v. Chr., der den Namen Baliaricus führte nach seinem in den capitolinischen Triumphtafeln verzeichneten Triumph im J. 122, hatte Livius im 60. Buch [2827] ausführlich berichtet; die Epitome, Florus, Orosius und einige Notizen bei Strabon sind davon übrig. Den Vorwand bot, dass sich einige Übelthäter unter der sonst friedlichen Bevölkerung mit den Seeräubern verbunden hätten. Ihr Widerstand wurde leicht überwunden. Metellus besetzte wohl zuerst das Castell Mago und legte dann auf der grösseren Insel die Städte Pollentia, die kräftige, unweit Bocchori, das eine civitas foederata blieb, und Palma, wohl an der Stelle einer älteren einheimischen Niederlassung an, die ihm die Palme des Siegs verschafft hatte.

Nach der Einteilung des Augustus gehörten die Inseln zur tarraconensischen Provinz und zum Conventus von Neukarthago (Plin. III 18, vgl. 76). Unter Nero gab es einen praefectus pro legato insularum Baliarium (CIL XI 1331). Unter Tiberius sind in Ebusos Kupfermünzen mit der Aufschrift Ins(ula) Aug(usta) für sie geschlagen worden (Mon. ling. Iber. nr. 112 m. n). Die römischen Bürger der phoinikischen Städte auf beiden Inseln, Mago, Iamo, Bocchori, Guiuntum gehörten, wahrscheinlich nachdem diese unter Vespasian latinisches Recht erhalten hatten, zur Tribus Quirina, die der römischen Städte Palma und Pollentia zur Velina (Kubitschek Imp. Rom. tributim discr. 201). Im Laufe des 1. Jhdts. dienten die Inseln nicht selten als Verbannungsort (Tac. ann. IV 42. XIII 42. 43. Suet. Galba 10). Von einer Garnison ist nichts bekannt. Seit Diocletian bilden die Inseln eine der sieben Provinzen der Dioecese Hispanien unter der Verwaltung eines dem Vicarius Hispaniae unterstellten Praeses (Notit. dign. Occid. I 105. III 13. XXI 15). Damals gab es auch eine Purpurfärberei daselbst (Notit. dign. Occid. XI 3, 71). Die lateinischen Inschriften der Inseln sind CIL II p. 494ff. 961ff. gesammelt; auch Bildwerke und kleinere Altertümer aus vorrömischer und römischer Zeit haben sich nicht selten gefunden. Unweit Palma ist ein frühchristlicher Mosaikfussboden gefunden worden (Inscr. Hisp. christ. nr. 183).

Von vandalischen und gothischen Eroberungszügen scheinen die Inseln verschont geblieben zu sein. Zahlreiche Juden waren seit alter Zeit auf ihnen ansässig, wie der Brief des Bischofs von Menorca Severus, angeblich aus dem J. 418, zeigt (Baronius Annal. eccles. ed. Theiner VII 1866 p. 116f.); er ist aber sicher weit jüngeren Ursprungs.

Von der sehr ausgedehnten Litteratur über die Inseln seien hervorgehoben J. Chr. Wernsdorf De antiquitatibus Balearicis, Braunschweig 1760, sehr gründlich, aber veraltet. E. Hübner Die Balearen, Römische Herrschaft in Westeuropa, Berl. 1890, 208ff. E. Cartailhac Monuments primitifs des Iles Baléares (50 Taf.), Toulouse 1892 fol.; vgl. DLZ 1893, 108.
[Hübner.]

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