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10) Bakcheios Geron (Βακχεῖος Γέρων), der Verfasser einer Εἰσαγωγὴ τέχνης μουσικῆς, habe unter Constantin d. Gr. geschrieben, so geben einige Trimeter (Versus politici) an, welche mit jener harmonischen Schrift zusammen überliefert sind. Das uns vorliegende Lehrbüchlein, in Fragen und Antworten abgefasst, zeigt jedoch deutliche Spuren späterer Überarbeitung. Schon der die §§ 1-58 (bis p. 14 M.) umfassende erste Teil enthält, obwohl die Einteilung und vorherrschende Grundanschauung (Halbton in § 8) der aristoxenischen Schule angehören, daneben mancherlei diesem System fremde Bestandteile, z. B. die von Aristoxenos verschmähte Notenschrift. Dass in § 8 von der Diësis ausgegangen wird, erinnert an Aristoteles (Jan Script. mus. 15), die Auffassung der Symphonie in § 10 gemahnt uns an Aelian bei Porphyrios in Ptol. p. 218, während die geringe Zahl der in § 46 zugelassenen Tonarten von Herakleidos (Athen. XIV 624), der Ausdruck [2791] φερόμενοι für die beweglichen Töne des Tetrachordes in § 36 von Damon (Arist. Qu. II p. 95) zu stammen scheinen. Überhaupt finden sich mit Aristeides zahlreiche Berührungspunkte. Die grosse Buntheit des Ausdrucks (ὑπατοειδής in § 43 neben βαρύπυκνος § 27), sowie einzelne hie und da sich zeigende Widersprüche (§ 20 mit 25) zeugen von mehrfacher Überarbeitung des Textes, wie denn die Frageform sicherlich diesem Lehrgang nicht von Anfang eigen war.
Zwischen die zwei Lehrgänge der Harmonik ist § 59-66 eine Sammlung von Definitionen eingeschoben, unter denen die Beschränkung des Tonsystems auf nur sieben oder acht Saiten in § 63 besonders auffällt. Die zweite harmonische Abhandlung (§ 67-88) geht von dem Klang als erstem Grundbegriff der Musik aus und trifft darin mit der Anschauung des Adrast (bei Theo de mus. c. 6) zusammen. Von dem Werte der Sinneswahrnehmung will sie nichts wissen, sich vielmehr nur auf Geisteserkenntnis oder auf eine Vereinigung beider Erkenntnisarten gründen (§ 72). Auf eine recht alte Quelle geht sie in § 74 zurück, wo sie den verschiedenen Tonsystemen nur eine Ausdehnung auf drei Tetrachorde zuerkennt; eigentümlich ist ihr der Ausdruck πεζοί für die Töne der gesprochenen Rede; in der Bezeichnung ἡγούμενος für den höchsten Ton im Tetrachord trifft sie mit Ptolemaios zusammen. Während der erste Lehrgang des B. doch manch dankenswerten Aufschluss (über Ekbole, Eklysis u. a.) giebt, können wir der zweiten Abhandlung nichs derartiges nachrühmen. Dieselbe ist vielmehr ein recht dürftiger Abriss der Harmonik, welcher, geordnet nach der Disposition des Aristoxenos, die Anschauungen eines akademischen oder peripatetischen Philosophen mitteilt. Der Ausdruck ist oft recht ungeschickt gewählt (§ 68. 71), die Versetzungsscalen sind gar nicht erwähnt, dagegen wird über den Klang in § 67. 71 und 97 dasselbe gesagt. Auch diese Partie ist also hinterher überarbeitet. Nehmen wir schliesslich den für die Person des B. günstigsten Fall an, dass nämlich der Kern des ganzen Lehrbuches von ihm herrühre, und dass er zu diesem Behufe erst ein aristoxenisches, dann noch ein anderes Lehrbuch ausgezogen habe, so hat jedenfalls der spätere Schulgebrauch jene Grundlage vielfach wieder abgeändert. Genaueres darüber findet der Leser im Programm des Strassburger Lyceums 1891, 1 und 19, sowie bei Jan Script. mus. 285. Der mit § 89 beginnende metrische Abschnitt enthält Lehrsätze von Rhythmikern und Metrikern in buntem Gemisch, erstere (in § 93. 94. 98) an Aristoxenos, letztere (§ 89—92) an Choiroboskos erinnernd. Interessant ist das in § 100 aufgestellte Verzeichnis von zehn Grundrhythmen, aus denen im folgenden § je ein Versfuss näher beschrieben und mit einem Beispiel belegt wird. Die Überlieferung des Textes ist leider auch hier nicht besser als in den harmonischen Abschnitten; die Bestimmung des Begriffs πούς fehlt ganz. Vgl. darüber Rh. Mus. XLVI (1891) 557.
Die harmonische Isagoge wurde zuerst herausgegeben von Marius Mersennus in Commentarius ad VI Geneseos capita, Paris 1623 fol., sodann von Federicus Morellus, Bacchii Senioris Iatromathematici isagoge, Paris 1632. Es folgten [2792] Meiboms Antiquae musicae auctores septem, Amstel. 1652, endlich die Bearbeitung Karl v. Jans im Programm des Strassburger Lyceums 1890 und in den Musici scriptores, Leipzig 1895.
[v. Jan.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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