.
4) Αὐλός = tibia, das gewöhnlichste Blasinstrument des Altertums, gehört zu der Gattung der Zungeninstrumente. Wie die Anwohner des Marsyasflusses in Asien durch das dort wachsende Schilfrohr zu Anfertigung von Flöten veranlasst waren (Strab. XII 578. Michaelis Ann. d. Inst. 1858, 302), so lud das auf einer Insel bei Thermae wachsende die Sicilier (Solin. V 19) und das am See Kopais wachsende Rohr die anwohnenden Boioter zum Flötenspiel ein, und Theophrast erzählt in seiner Pflanzenkunde IV 18 eingehend, wie die verschiedensten Teile der Flöten aus jenem Stoff angefertigt wurden (vgl. dazu Plin. n. h. XVI 164—172. Blümner Technologie II 391). Während aber aus dem trockenen Lande am Nil Flöten aus Rohr, sogar mit einem aus Stroh gebildeten Rohrblättchen, auf uns gekommen sind (Loret berichtet im Journal asiatique 1889 über mehr als 30 solcher Instrumente, von denen zwei noch das Röhrchen zum Anblasen zeigen), besitzen wir von griechisch-römischem Ursprung nur vier elfenbeinerne Flöten im Museum zu Neapel (abgebildet bei Howard Taf. 2) und zwei hölzerne Flötenpaare im Britischen Museum (eines abgeb. bei Howard Taf. 1), leider sämtlich ohne Rohrzunge. Man hat zwar in Neapel, Florenz und Brüssel Instrumente nach diesen Mustern angefertigt und mit einer aus Rohr geschnitzten aufschlagenden Zunge anzublasen versucht, das Ergebnis war jedoch ein unzureichendes, weil sich für dieses bei den Griechen als sehr umfangreich gerühmte Instrument immer nur ganz wenige Töne ergeben wollten. Erst seitdem Albert Howard, Professor an der Harvard-University in Cambridge (Massachusets), sich mit Untersuchung der antiken Flöte befasst, haben wir einen klareren Einblick in die Natur dieses Instruments bekommen.
Den wichtigsten Teil ihrer Auloi, die Zungen (γλωττίδες, ζεύγη), fertigten sich die Griechen an, indem sie Stücke des am See Kopais wachsenden Schilfes dünn schabten (κάλαμος ζευγίτης Theophr. IV 11, 6. Howard 23). Als dem Midas von Akragas bei seinem Auftreten in Delphi die Rohrzunge zerbrochen war, musste er sich allerdings so helfen, dass er τρόπῳ σύριγγος (vielleicht wie auf einem hohlen Schlüssel) weiter blies (Howard 19). Die Zunge, welche abgenommen und im γλωττοκομεῖον aufbewahrt wurde, war am Holmos befestigt. Dieser Teil wurde (wie die Mörserkeule in den Mörser) in das Hypholmion gesteckt, den obersten Teil des Flötenkörpers (Howard 28). Dieser Körper βόμβυξ (Poll. IV 70. Aristot. de audib. 800 b 25) war wie die Zunge aus Rohr, aus dem κάλαμος βομβυκίας gemacht. Das Schilf wird zwar nach oben etwas dünner, doch nicht so sehr, dass wir deshalb auf konische Gestalt der ganzen Flöte schliessen, an die Gesetze der [2417] offenen Pfeife denken und wie bei der modernen Oboe das Ansprechen geradzahliger Obertöne (der Octave) erwarten dürften. In Ägypten kannte man auch Rohrflöten von konischer Bauart; manche Abbildungen machen die gleiche Annahme für Griechenland wahrscheinlich. Aber vorhanden sind aus griechisch redenden Landen nur Reste cylindrischer Flöten, und Antigenidas bediente sich des im wesentlichen ebenso gestalteten Schilfrohrs. Cylindrische Rohre aber unterliegen dem Gesetze der gedeckten Pfeife; sie ergeben zwar viel tiefere Grundtöne, als offene Pfeifen, haben aber nur ungeradzahlige, vom Grundton weit abliegende Obertöne, die Quinte der zweiten und die Terz der dritten Octave. Diese letzteren herauszubringen ist Herrn Howard nicht nur mit der bei den früheren Versuchen benützten, bei Baumeister Denkm. I 554 abgebildeten, oder einer ähnlichen Clarinettzunge, sondern auch mit Hülfe eines fagottartigen, doppelten Röhrchens gelungen. Was also Proklos im Commentar zu Platons Alkibiades c. 68 (p. 197 Cr.) sagt, jeder Griff auf der Flöte ergebe drei Töne, das finden wir nun bestätigt. Der A. ist unsrer heutigen Clarinette überaus ähnlich. Allerdings würden auf letzterer die Obertöne nicht zu erreichen, also nur ein Ton mehr zu haben sein, als das Instrument Fingerlöcher besitzt, wenn nicht ein kleines nahe am obern Ende befindliches Löchlein die Zerlegung der Welle in Bruchteile begünstigte. Eine ähnliche Vorrichtung am A. haben wir lange vergeblich gesucht. Herr Ηοward aber versichert nicht nur, dass bei solch dünnem Schilfrohr, wie wir es für die Zeiten des Altertums anzunehmen haben, die Bildung der Obertöne auch ohne solche Öffnung möglich ist (S. 30); er hat dieselbe Vorrichtung auch durch Schriftstellen angedeutet und an einer pompeianischen Flöte verwirklicht gefunden (S. 32). Bei verschiedenen Schriftstellern, wie Aristoxenos, Plutarch und in der peripatetischen Schrift περὶ ἀκουστῶν lesen wir von einem κατάσπᾶv oder ἀνασπᾶν τὴν σύριγγα als einem Mittel zu Erhöhung des Tones auf dem Α.; das Etymologicum Magnum aber bezeichnet die Syrinx als τὴν ὀπὴν τῶν μουσικῶν αὐλῶν. Es ist sonach erwiesen, dass dieses Mittel zu Erzielung der Übertöne nicht erst 1692 in Nürnberg erfunden ist, sondern schon im Altertum bekannt war.
Da die Alten fast immer — jedenfalls beim pythischen Nomos in Delphi — Doppelflöten bliesen, hatte der Spieler für jedes Rohr nur über fünf Finger zu verfügen. Demnach hatten die alten einfachen Instrumente nur vier Grifflöcher (Poll. IV 80. Varro bei Acro zu Horaz ars poet. 202). War alles geschlossen, so erklang auf einem Instrument etwa von der Grösse unsrer Clarinette ein tiefer, schnarrender Ton, ungefähr das tiefe e eines Tenoristen. Die Öffnung des untersten Loches ergab f die drei folgenden g a h. Das war die Reihe der Grundtöne, für welche das dumpf klingende βουλαπτεροῦν im Kratylos eine recht entsprechende Bezeichnung zu sein scheint. Brachte der Aulet Obertöne heraus, so erklangen als erste Reihe derselben h'—fis" der Sopranstimme und als zweite Reihe gis"—dis"' über dieselbe hinaus. Es genügten also vier Grifflöcher, um die zweite und dritte Tonreihe des Instruments zu einer ununterbrochenen diatonischen Leiter von einer Octave [2418] und einer Terz h'—dis'" zusammenzuschliessen. Zwischen den tiefen und mittleren Tönen des Instruments fehlte dagegen eine volle Octave, welche Lücke erst durch sechs weitere Grifflöcher sich mochte ausfüllen und wenigstens zu einer diatonischen Reihe ergänzen lassen.
Waren aber die Löcher nicht kreisrund, sondern in der Richtung des Rohres verlängert, wie das auf einem zwischen Athen und Eleusis gefundenen, jetzt vom britischen Museum erworbenen Flötenpaare der Fall ist, dann konnte man durch halbes Offnen der Tonlöcher ohne weitere Vorrichtung leicht auch chromatische Intervalle blasen (Gevaert II 646. Howard 60). Vielleicht hat sich Pronomos, den wir uns (nach Wieseler Satyrspiel 21 = 583) um 430 v. Chr. in Thätigkeit denken müssen, zu seiner Neuerung dieses einfachen Mittels bedient. Während man nämlich vor ihm zur dorischen, lydischen und phrygischen Tonart jedesmal andere Instrumente genommen hatte, blies er alle diese Tonarten auf einem und demselben Instrument (Paus. IX 12, 4. Ath. XIV 631 C). Schwerlich hat er dazu neue Töne oben oder unten angesetzt. Erhöhte er aber in dem Pentachord der Grundtöne e—h den Ton f in fis, dann schuf er statt der dorischen Scala eine phrygische, und griff er dazu noch gis statt g, so hatte er eine lydische Tonreihe, und dasselbe gilt für die Region der hohen Töne. Zu den vier Löchern der einfachen Flöte konnte übrigens auch ein fünftes treten, sobald der Spieler des Daumens nicht notwendig bedurfte, um das Instrument festzuhalten. Howard meint, es könne möglicherweise die Mundbinde für diesen Zweck eingerichtet gewesen sein (S. 29). Vollkommener war die Flöte des Diodor von Theben. Von ihm heisst es bei Poll. IV 80: πολύτρητον δὲ (τὸν αὐλὸν) ἐποίησε, πλαγίας ἀνοίξας τῷ πνεύματι τὰς ὀδούς. Leider wissen wir nicht, wann dieser Vervollkommner der Flöte gelebt hat; aber die Art seiner Erfindung ist wohl verständlich. Wie auf unsren Holzinstrumenten seitwärts von den Grifflöchern allerlei Nebenlöcher liegen, die der Spieler mittelst Klappen öffnen kann, so hat Diodor der Luft Nebenwege geöffnet, musste aber auch für Verschluss derselben sorgen. Dieser Verschluss wurde wahrscheinlich so hergestellt, wie wir es an den aus Pompeii erhaltenen Flöten sehen. Um jedes Tonloch der Flöte ist ein drehbarer Ring befestigt, welcher in einer Stellung das Loch öffnet, in andrer dasselbe schliesst. Die Instrumente sind chromatisch; es steht aber im Belieben des Spielers, vor Beginn des Stücks f zu öffnen, fis zu verschliessen u. s. w. Ἐφόλκια heissen die an einem grossen Schiff zur Landung angehängten kleinen Bote, und βόμβυκες ἐφόλκιοι,„Anhänge-Röhren“ heissen vermutlich (nach Arkadios p. 188 Bark.) diese um eine Flöte drehbaren Ringe oder Büchsen. Schattierungen auf dem Flötenrohr, wie bei Baumeister Denkm. I 555 zu sehen, machen diese Einrichtung schon für frühere Zeit wahrscheinlich. Haken κέρατα (von Arkadios mit der Form des Spirituszeichens in der Schrift verglichen) dienten wohl zum Drehen der Büchsen. Durch solch verschliessbare Löcher konnte nun die Lücke zwischen der Reihe der Grundtöne und ersten Obertöne wesentlich vermindert werden. Doch ist auch auf den grossen pompeianischen Instrumenten trotz ihrer 11—13 Grifflöcher jene Lücke noch nicht ganz [2419] geschlossen; es fehlt bei nr. 1 eine Terz, bei nr. 2 und 3 eine Quart, nur der ganz grosse A. nr. 4 mit 16 Löchern hat wenigstens die diatonische Scala geschlossen (Howard 52—54). Sobald eine derartige Vorrichtung an einem A. angebracht war, hatte derselbe so ziemlich den Umfang einer modernen Clarinette, etwa drei Octaven. Seit Antigenidas ist ausserdem eine Veränderung nicht nur im Spiel, auch in Zurichtung der Flöte eingetreten. Das Rohr für die Zungen, das man ehedem im Herbst geschnitten, dann lange Jahre liegen gelassen und darauf mühsam eingespielt hatte, schnitt man nun schon im Sommer; nach drei Jahren war es brauchbar und erforderte nicht mehr so langes Einspielen. Die Zunge war nun elastischer, und während man früher ἀπλάστως geblasen, ging man nun zur πλάσις über (Theophr. a. a. O. Howard 25). Nach Quintilian I 11, 6 scheint es, dass man nun praeclusis quibus soni clarescunt foraminibus sich mehr in den sonoren Grundtönen bewegte. Neben den Haken oder Ringchen zum Drehen der Büchsen finden sich in Bildwerken römischer Zeit noch allerlei Aufsätze auf dem Rohr der Flöte; teils gleichen sie Kegeln, deren Spitze auf der Flöte steht, teils Pilzen oder Blumenglocken (bei Baumeister a. a. O. Fig. 594—97. Howard Taf. 1, 1. Guhl und Koner Leben der Griechen und Römer Fig. 248 i). Dieselben können unter Umständen den Ton der Flöte etwas vertiefen; doch liess sich ja derselbe Zweck einfacher durch ein weiter unten angebrachtes Griffloch erreichen. Es ist deshalb viel wahrscheinlicher, dass diese Glocken nur die zu schliessenden Tonlöcher leichter erreichbar machen und den Fingern einen festeren Ruhepunkt geben sollten, wie ähnliche Röhrchen auch heutigentags mitunter zu diesem Zweck auf Flöten oder Clarinetten gesetzt werden. Noch grössere Erleichterung boten diese Ansätze dem Spieler, wenn sie je weiter unten, desto grösser wurden, wie das bei dem Neapeler Relief Museo Borb. III 40 = Baumeister Fig. 596 der Fall ist. Flötenrohre von der Länge, wie die aus Pompeii auf uns gekommenen, stellten ohnehin an die Fertigkeit der Hand unglaubliche Anforderungen. Die Deckung der unteren Tonlöcher wäre zwecklos, wenn nicht alle weiter oben befindlichen Löcher gleichzeitig geschlossen sind; das oberste und unterste Griffloch ist aber auf einem der pompeianischen A. um 37 cm. von einander entfernt. Indes finden wir im Museo Borb. I 31. II 56. VII 21. XVI 3 oder bei Wieseler Theatergebäude VI 1. XI 6. XIII 2. 6 so grosse Rohre an doppelten Flöten, dass wir auch bezüglich der pompeianischen Instrumente die Möglichkeit derselben Behandlungsweise werden zugeben müssen (Howard 53. 55). Die beiden aus Italien stammenden Flöten des britischen Museums haben nur sechs Tonlöcher und die bekannten Büchsen zum Verschluss derselben, es ist darum auffallend, dass Howard um des Mundstücks willen den gemeinsamen Gebrauch dieser Instrumente nicht gerne glauben will (S. 17. 58). Ähnlich verhält es sich mit dem aus Attika stammenden Flötenpaar (Howard 59); an ihm fehlen allerdings die drehbaren Büchsen.
An einer Stelle, welche die Gattungen der ausländischen Flöten ausser Betracht zu lassen scheint, werden mit Berufung auf die Autorität des Aristoxenos fünf Arten von A. unterschieden, Ath. XIV [2420] cap. 36 (vgl. IV 176 F). Um mit den beiden letzten Arten zu beginnen, über welche Poll. IV 81 ganz bestimmte Angaben macht, so diente die vierte Gattung, die τέλειοι zu Paianen und zum pythischen Nomos (vgl. o. Auletik), die fünfte ὑπερτέλειοι zu Männerchören, namentlich zu Dithyramben. Diese fünfte Art war offenbar das Instrument der kyklischen Auleten und muss die Töne der mittleren Männerstimme umfasst haben; die vierte Art gehörte den pythischen Auleten zu und stand um einige Töne höher, vielleicht um soviel, als lydische Flöte und lydischer Tonos ursprünglich höher waren als griechische Flöte und dorischer Tonos. Die zweite Art umfasst die Knabenflöten, παιδικοί, welche auch ἡμίοποι bei Anakreon und Aischylos heissen (Ath. IV 176 F, vielleicht ἡμίκοποι zu lesen? wie μεσόκοποι ebd.); sie hatten offenbar halbe Mensur und bildeten die Octave zu den Flöten des Männerchors. Die παρθένιοι aber waren höher wie diese, vermutlich um soviel als die pythischen A. höher standen im Vergleich zu der Chorflöte. Zwischen der zweiten und vierten Art aber, zwischen παιδικοί und τέλειοι, gab es noch die αὐλοί κιθαριστήριοι, welche nach Pollux zur Cither gespielt sein sollen.
Über die lydische Flöte ist uns nichts Bestimmtes überliefert. Wenn aber der Verfasser der ps.-plutarchischen Schrift von der Musik c. 15 die Bezeichnung λνδιστί schlechtweg für dieselbe Tonart einsetzt, welche Platon συντονολνδιστί genannt, muss die alte lydische Harmonie hoch geklungen haben. Dürfen wir als sicher annehmen, was Müller Etrusk. II 204 sagt, die Etrurier hätten ihre Doppelflöte aus Lydien mitgebracht, dann muss die lydische Flöte klein gewesen sein und hoch geklungen haben, denn der Semelespiegel, die Wandbilder von Tarquinii und andere Darstellungen zeigen eine sehr kleine Sorte Flöten. Wenn Ion (bei Ath. IV 185 A) sagen konnte επὶ δ' αὐλὸς ἀλέκτωρ λύδιον ὕμνον ἀχέων, so führt das zu derselben Annahme. Die Angabe des Donat praef. Adelph. p. 7,11 Reiff., die Adelphi seien duabus dextris id est lydiis begleitet worden, können wir uns wohl gefallen lassen. Was aber derselbe und nach ihm Salmasius von der gravitas dieser Flötenart wissen will, muss wohl auf Verwechselung beruhen. Das nahm schon Boeckh an in den Heidelberger Jahrbüchern 1810, ihm folgen Dziatzko Rh. Mus. XX (1865) 595 und Ed. v. Brunér De canticis et tibiis fabularum Terentii (Helsingfors 1877) 6—20.
Von der phrygischen Flöte wissen wir dagegen sicher, dass sie tief klang. Canit Phryx cum grave calamo sagt Cat. 63, 22 und cornu grave mugit adunco tibia schreibt Statius Theb. VI 120. Βαρὺς γὰρ ἦν bestätigt Athen. IV 186A, vgl. Aelian bei Porphyrios zu Ptol. harm. 217. Die Worte curvus, aduncus und cornu erklärt Hesychios s. ἐγκεραύλης ὁ τοῖς Φρυγίοις αὐλῶν ἔχει γὰρ ὁ ἀριστερὸς προςκείμενον κέρας. Die phrygischen Flöten waren demnach ungleich, die rechte war kürzer, die linke länger und mit einem aufwärts gekrümmten Ansatz versehen, Müller-Wieseler Denkmäler II 295.432b. Baumeister Denkm. I 442. 557f. Guhl und Koner Fig. 248 e. i. Der Name dieses Ansatzes ist Elymos nach Ath. IV 177 Α und Poll. IV 74, wahrscheinlich. mit alamoth verwandt. Ihrer Form wegen heißt diese [2421] Flöte auch κέρας bei Hesychios und Pollux, Berecynthium cornu bei Horaz carm. I 18, 13; vgl. III 19, 13 und Ovid. fast. IV 181 inflexo Berecynthia tibia cornu. Der Name σκυτάλιαι, Stöckchen, für die phrygischen Flöten (Athen, a. O.) mag daher kommen, dass sie beide oder auch nur das linke Rohr dünner war, als die Flöten sonst zu sein pflegten. Die Tiefe des Tons hängt nur von der Länge, nicht von der Breite der Welle ab (Aelian. a. O.). Der starke Ton des Elymos wirkte gewaltig aufregend; wahrscheinlich ist diese Flötenart erst mit dem Kult der phrygischen Göttermutter nach Griechenland gekommen und von dort aus in die Orgien des Dionysos übergegangen (Baumeister II 801. 867). Auf Vasengemälden und anderen Bildwerken alter Zeit findet sich kein Elymos. In Etrurien kommt derselbe vor (Müller Etr. II 205), auch auf campanischen Wandbildern; häufig erscheint er jedoch erst auf römischen Reliefs und Gemmen. Hie und da hat statt der linken die rechte Flöte den hornförmigen Ansatz; zwei Elymoi werden dagegen, wo sie sich finden, wohl auf einem Fehler des Zeichners beruhen. Auch bei Pollux a. O. scheint ἑκατέρῳ aus ἑτέρῳ verschrieben. Klar und verständlich wird der Sachverhalt von Varro bei Serv. Aen. IX 618 dargelegt: Tibia Phrygia dextra unum foramen habet; sinistra duo, quorum unum acutum sonum habet, alterum gravem. Mit foramen ist natürlich das durchbohrte Rohrstück gemeint, die linke Flöte bestand aus zwei solchen Stücken. Duae tibiae sinistrae kommen bei Plautus und Terenz nicht vor; es ist demnach wahrscheinlich, dass die pares duae dextrae waren. Über die tyrischen Sarranae ist nur so viel sicher, dass sie ein gleiches Paar bildeten (Serv. a. O.).
Der gewöhnlichste Stoff, aus welchem man die Flöten anfertigte, war, wie zu Eingang bemerkt, Schilfrohr. Für den Elymos wird uns Buchsbaum als Stoff angegeben von Poll. IV 74, vgl. Verg. Aen. IX 619. Die bei Athen gefundenen Flöten des britischen Museums sind aus dem Holz der Sykomore; auch das andere aus Attika stammende Flötenpaar hatte einen hölzernen Kern. In Africa pflegte man Lotosholz zum Anfertigen von Flöten zu benützen (Plin. n. h. XIII 106. Poll. IV 71. 74), anderwärts auch Lorbeerstämme. Aus Knochen konnten leicht die kleinen etruskischen Flöten gemacht werden; der Name tibia lässt auf gleichen Gebrauch bei den Römern schliessen. Aber auch Aristophanes kannte schon αὐλοὺς ὀστείνους(Poll. X 153), Iuba bei Athen. IV 182 Ε und Poll. IV 75 erzählen von Flöten aus Hirschknochen. Plutarch (conv. VII sap. 5) will wissen, dass zu phrygischen Flöten — wahrscheinlich dem oberen, geraden Teil derselben — stellenweise die Knochen der Esel beliebter gewesen seien, als die der jungen Hirsche. Die Skythen sollen sich Flöten aus den Knochen von Adlern und Geiern gedrechselt haben (Poll. IV 76). Flöten aus Elfenbein brachten wohl die Phoiniker in Aufnahme (Trypho bei Athen. IV 182 E); den augustischen Dichtern sind solche Instrumente wohlbekannt (Prop. IV 6, 8. Verg. Georg. II 193); aus diesem Stoff ist der Kern der pompeianischen vier Flöten. Von Metall waren wahrscheinlich immer nur die drehbaren Büchsen, welche die Klappen vertraten (tibia aurichalco iuncta bei Horaz a. p. 202); Howard vermutet [2422] Silber an den Neapeler Exemplaren (7. 48). Die Mundbinde φορβειά, στομίς, χειλωτήρ, capistrum, die man mit einem Kappzaum verglichen hat, war natürlich von Leder. Abbildungen Baumeister Denkm. I 553. 557. 1107. Guhl und Koner Fig. 2481. Man verwahrte die Flöten in der συβήνη, einer Tasche aus ungegerbtem Tierfell; wo sich dieselbe abgebildet findet, pflegt das Büchschen für die Rohrzungen (γλωττοκομεῖον Poll. X 153) nicht zu fehlen, Baumeister Denkm. I 554. 1589.
S. auch die Artikel Askaules, Ginglaros, Gingras, Hippophorbos, Idutoi, Manaulos, Niglaros, Photinx, Plagiaulos, Syrinx, Tibia, Tityrinos, Tonarion.
Litteratur: Sommerbrodt in Ersch und Gruber Encyklop. u. d. W. Flöten; Scaenica 297. Gevaert Histoire et théorie de la musique de l'antiquité, Gand 1875—81, II 270ff. Carl v. Jan Allgem. Musikal. Zeitung, Leipzig 1881, 465ff. Hermann-Blümner Griech. Privataltertümer 318ff. Albert Howard The aulos or tibia in Harvard studies in class. philology, vol. IV, Boston 1893.
[v. Jan.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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