ART

Astyanax (Ἀστυάναξ). 1) Sohn des Hektor und der Andromache, der von seinem Vater Skamandrios, vom Volke aber zu Ehren Hektors A. genannt wurde (Il. VI 402f. XXII 506f.; vgl. Plat. Cratyl. 392f. und Tzetz. Hom. 129, der ihm V. 319 nach Dict. III 20 noch einen Bruder Laodamas giebt). Die unvergleichliche Scene zwischen Hektor und Andromache erhält durch die Anwesenheit des Kindes ihren rührenden Abschluss, zugleich aber auch einen leisen Anflug von Humor, als das Knäblein vor dem blinkenden Helme des Vater zurückbebt. Über die bildlichen Darstellungen des Vorgangs s. Bd. I S. 2152. Aber nicht das Gebet des Vaters, sein Sohn möge ein grosser Kriegsheld und Herrscher, gewaltiger als sein Vater, werden (Il. VI 476ff.), sondern die trübe Ahnung der Mutter, dass ihn einst einer der Achaeer vom Turme schleudern werde (XXIV 734f.), sollte in Erfüllung gehen. Über die Art seines Todes stehen zwei Angaben einander gegenüber. In der Iliupersis des Arktinos wurde A. erst nach der Einnahme Troias auf gemeinsamen Beschluss der Achaeer, die Odysseus (nach andern Kalchas) dazu überredet hatte, wahrscheinlich von diesem selbst von der Mauer geworfen, damit der Sohn nicht dereinst der Rächer des Vaters werde, Prokl. Chrest. Schol. Eurip. Andr. 10 (vgl. aber Robert Bild u. Lied 229). Clem. Alex. Strom. VI 747 = Cypr. frg. 22 K. Welcker Ep. Cycl. II 187. 223; vgl. Apollod. epit. 5, 23. Hyg. fab. 109. Tryphiod. 644ff. Dieser Darstellung folgte wohl auch Stesichoros in seiner Iliupersis (Schol. Eurip. a. a. O.), da auf dem Mittelbild der Tabula Iliaca Andromache den Knaben im Arme zu halten scheint, den der hinter ihr stehende Talthybios zur Opferung abholen soll (Jahn Griech. Bilderchron. 36). Vor allem aber haben die Tragiker diese Auffassung angenommen und weiter ausgeführt, so Euripides in den Troades (vgl. besonders 709ff. und 1133ff., wo die Bestattung des A. im Schilde des Vaters geschildert wird) und Accius im Astyanax (Ribbeck Röm. Trag. 412ff.). Bei Seneca, wo Andromache zunächst ihren Sohn zu verbergen sucht (Troad. 409ff. Serv. Aen. III 489), springt der etwas älter gedachte Knabe (vgl. Ovid. met. XIII 414f.) selbst mutig hinab sua in media Priami regna (1102). Dagegen hat Lesches in der Kleinen Ilias entsprechend der bekannten Tendenz seines Gedichts die blutige That dem Neoptolemos allein zugewiesen und in die Schreckensnacht der Eroberung verlegt (frg. 18 K. Paus. X 25, 9; vgl. Quint. Smyrn. XIII 251f.). Diese Scene setzten die Vasenmaler aus künstlerischen Gründen mit der Ermordung des Priamos durch Neoptolemos dergestalt in Verbindung, dass dieser den Knaben nicht vom Turme wirft, sondern an dem Altare des Zeus Herkeios, an den sich Priamos geflüchtet hatte, [1867] zerschmettert (Overbeck Bildw. d. theb. u. tr. Sagenkr. 621ff. Heydemann Iliupersis 13ff. Luckenbach Jahrb. f. Philol. Suppl. XI 631f. Robert Bild und Lied 59ff. Furtwängler Samml. Sabouroff Taf. 49. Baumeister Denkm. 742ff.). — Nach späteren Sagen blieb er am Leben und gründete ein neues Troia und die Städte Skepsis und Arisbe am Ida (Schol. Il. XXIV 735. Strab. XIII 607. Steph. Byz. s. Ἀσκανία nach Nicol. Damasc. und s. Ἀρίσβη Serv. Aen. IX 264). Von zwei Söhnen des Hektor, Oxynios und Skamandros, die nach Lydien gerettet wurden und nachher mit Aineias am Ida wohnten, berichtet auch Konon (46). Nach Schol. und Tzetz. zu Lyc. 1226 war A. mit seinem Bruder Sapernios sogar an der Gründung Roms (!) beteiligt.
[Wagner.]

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