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6) Eine Titanin, bei Hesiod Theog. 409 (danach Apollod. I 2, 2. 4. Hyg. praef.) Tochter des Koios (des Polus, Hyg. praef., vgl. fab. 140) und der Phoibe (Tochter des Hyperion, Nonn. Dion. XXIII 237; des Titan, Hyg. fab. 53. Schol. Stat. Theb. IV 796), Schwester der Leto (und der Aphirape [?], des Perses und Pallas, Hyg. praef.), Gemahlin des Perses (Perseus, Musaios Schol. Apoll. Rhod. III 1035. Lykophr. 1175; Persaios, Hom. Hymn. Dem. 24f.) und Mutter der Hekate (von Zeus bei Musaios Schol. Apoll. Rhod. III 467. 1035; andere Genealogien der Hekate s. u. Hekate; A. von Zeus Mutter des tyrischen Herakles, Eudoxos von Knidos Athen. XI 392 D. Cicero de deor. nat. III 16; Gemahlin des Flussgottes Hydaspes, Nonn. Dion. XXIII 236f.).
Bereits zu Pindars (frg. 65 Bgk.) Zeit scheint in Weiterentwicklung der älteren delischen Kultlegende (s. o. S. 21f.) die Identification der A. mit der Insel Delos bekannt gewesen zu sein; die Insel, von den Menschen Delos genannt, von den seligen Göttern aber τηλέφαντον κυανέας χθονὸς ἄστρον (doch wohl Anspielung auf den Namen A.), wird von Stürmen auf den Wogen umhergetrieben, bis Leto sie vor der Geburt ihrer Kinder betritt. Da erheben sich vier Säulen aus dem Meeresgrund, um sie zu stützen, und auf der befestigten Insel kommt das göttliche Zwillingspaar zur Welt. Wie weit hier schon der später erzählte Mythos vorauszusetzen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit erkennen; doch erschien A. wohl als Schwester der Leto, wie sie aus Hesiodos bekannt war, zu der Rolle einer Helferin der Leto besonders geeignet. Auch der dem alten Hymnos noch fremde, wahrscheinlich orphischer Legendenbildung entstammte Name Ortygia ist wohl als bekannt zu denken. Uns ist der Mythos im Zusammenhang erst seit der hellenistischen Zeit bekannt, und zwar in verschiedenen Versionen (die allerdings nicht überall streng aus einander gehalten werden, vgl. auch Robert Arch. Jahrb. V 1890, 218ff.).
A) Eine leicht variierende Weiterbildung der pindarischen Fassung giebt im Zusammenhang Kallimachos (H. Del. 36ff.; ihm folgt Apollod. I 4, 1, 1): A. stürzt sich, um dem Liebeswerben des Zeus zu entgehen, vom Himmel ins Meer (ἀστέρι ἴση) und wird dort in eine Insel verwandelt, die auf den Wellen umhertreibt, bis sie die herumirrende Leto anruft und ihr die Stätte zur Geburt des Apollon darbietet. Nun heisst sie, die vorher ἄδηλος gewesen, Delos.
B) Einen Compromiss der delischen Geburtslegende mit dem delphischen Drachenkampfmythos bildet die bei Hyg. fab. 53. 140 vorliegende Tradition (ihr folgt Schol. Stat. Theb. IV 796): Zeus liebt A., die ihn verschmäht; zur Strafe verwandelt er sie in eine Wachtel und stürzt sie ins Meer, worauf sie zu einer Insel wird, die Ortygia (Wachtelinsel) [1782] heisst. Nun hatte Hera bestimmt, Leto solle nur dort gebären, wo die Sonne nicht hinscheine; zugleich hatte sie Python, den durch Apollons Geburt bedrohten Orakelinhaber von Pytho, zur Verfolgung der Leto ausgesandt. Da lässt Zeus die Leto von Boreas zu Poseidon tragen, und dieser sendet sie nach Ortygia, das er unter den Meeresspiegel versenkt, und das, nach Apollons Geburt wieder aufsteigend, nunmehr Delos (die Sichtbare) heisst.
C) Varianten: A. verwandelt sich selbst in eine Wachtel, Apollod. I 4, 1, 1. Schol. Lyk. 401; sie wird auf ihre Bitte (von den Göttern) in eine Wachtel verwandelt, dann von Zeus zur Strafe in eine umhertreibende Insel, die zuerst Poseidon und Doris heilig war, und die nach Apollons Geburt durch diesen an den beiden Nachbarinseln Gyaros und Mykonos befestigt wird, Serv. Aen. III 73. Myth. Vat. I 37. III 8, 3. Nonn. Dion XXXIII 336ff. Ganz abweichend: Zeus raubt A. als Adler (Verwechslung mit Aigina), Ovid. met. VI 108; Poseidon verfolgt sie und verwandelt sie zur Strafe für ihre Sprödigkeit in eine Insel, Nonn. Dion. II 125f. XXXIII 336ff. XLII 410; Leto selbst wird von Zeus in eine Wachtel verwandelt, Serv. Aen. III 73. Abweichende Erklärung des Namens Ortygia bei Phanodem. FHG I 366 (Athen. XI 392 D), vgl. Eustath. Od. V 123 p. 1528, 4ff.; des Namens Delos, Serv. Aen. III 73.
Dargestellt finden wir A. als Teilnehmerin am Gigantenkampf am pergamenischen Altarfries (inschriftlich bezeichnet, zwischen Leto und Hekate), vgl. Puchstein und Robert S.-Ber. Akad. Berlin 1888, 1232. 1239; der Leto die Hand reichend, auf dem Mosaik von Portus Magnus, Arch. Jahrb. V 1890, Taf. 4–6, vgl. Robert S. 218ff.
[Wernicke.]
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