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2) Ἀστάρτη. So nannten die Griechen und Römer die Hauptgöttin von Tyrus (Philo Bybl. FHG III 569, 24. Menandr. Ephes. FHG IV 446) und Sidon (Lucian. de dea Syr. 4. Achill. Tat. I 1), welche eigentlich auf Inschriften dieser Städte (Sidon CISem. 3. 4, vgl. 8. 114. 115 und Jacob Sarug ZDMG XXIX 132; Tyrus, Clermont Ganneau Rec. archéol. orient. I 1888, 82), sowie im alten Testament עשתרת‎ (phoin. ʿaštoret) heisst. Durch die phoinikischen Colonisten wurde ihr Dienst weit über das Meer getragen (Kypros CISem. 11. 86, vgl. 46. 72 und CIA II 168; Malta CISem. 132; Sicilien 174; Sardinien 140; Karthago 255. 263. 250? C. R. Acad. Inscr. 7. Déc. 1894; vgl. IGI 2553 aus Britannien). Auch im alten Testament erscheint sie regelmässig als die fremde ,Göttin der Sidonier‘, wir sehen aber, dass ihr Kult zur Zeit der Richter (Richt. 2, 13. 10, 6. I Sam. 7, 3. 4. 12, 10) und allem Anschein nach schon früher (Ortsname Aštaroth-Karnaïm Gen. 14, 5, s. d., vgl. auch Steph. Byz. s. Φιλαδελφία) in Palaestina verbreitet war und von Salomon (I Kön. 11, 5. 33 II 23, 13) in Jerusalem gepflegt wurde. Auch im Lande der Philister hatte sie einen Tempel (I Sam. 31, 10, vgl. Stark Gaza 1852, 258). Auf der Stele des Königs Mesa von Moab (Smend u. Socin Die Stele d. K. Mesa 1886) wird sie mit dem einheimischen Gotte Kammoš verbunden (Aštor [Frau] des Kammoš, vgl Ed. Meyer ZDMG XXXI 733). Es steht also fest, dass A. an zahlreichen Orten der phoinikisch-kanaanitischen Länder verehrt wurde, aber dass sie allgemein anerkannt wurde, ist deshalb keineswegs bewiesen. Die unbestimmte Stelle von Plutarch (De Isid. et Osirid. 15, vgl. Cic. n. d. III 59) genügt nicht zum Beweis, dass die berühmte ,Herrin von Byblos‘ auch A. hiess. Denn einerseits wird dieselbe mit seinem semitischen Namen einfach Baʿalat-Gebal (CISem. 1, vgl. Philo Bybl. FHG III 569, 24 βααλτίς; Meliton bei Cureton Spicil. syr. p. 44 Balthi), von den Griechen nur Aphrodite oder Dione genannt, andrerseits ist die Sage des Adonis und seiner Liebe zu der Göttin der Gegend von Byblos eigentümlich. Im eigentlichen Syrien ist ebensowenig der Kult der A. zu finden. Beiläufige Notizen, wo sie syrisch genannt wird (Cic. n. d. III 59. Minuc. Fel. 6, 1. Tert. Apol. 24. Lydus de mens. III 35. IV 44) sind durch die schwankende Bedeutung des Wortes syrus zu erklären und kommen gegen die präcisen Zeugnisse, welche diese Göttin von der syrischen ausdrücklich unterscheiden (Luc. a. a. O., vgl. Lydus de mens. IV 44) nicht in Betracht. Sie beweisen höchstens, dass der Name der A. von den Griechen missbräuchlich auf andere semitische Gottheiten übertragen worden ist (z. B. Artemid. Oneir. I 9 mit Atargatis verwechselt). So hat selbst ein Palmyrener irgend eine locale Göttin griechisch als A. bezeichnet (IGI 972). Dass A. ursprünglich mit der aramaeischen Atar und Atargatis (s. d.) und mit der babylonischen Ištar in Zusammenhang steht, ist unzweifelhaft, aber deshalb von A. wie von einer grossen vorderasiatischen Göttin zu sprechen, ist ebenso unberechtigt wie alle Baʿalim als denselben Gott anzusehen. Denn jene sprachverwandten Namen wurden in [1778] den verschiedenen Kultstätten sehr verschieden aufgefasst und angebetet. Da niemand bis jetzt das verdienstvolle Werk unternommen hat, das reiche Material, das über diese ,Aphroditen‘ in den Schriftstellern, Inschriften und auf den Münzen vorliegt, zu sammeln und zu sichten, so werden wir uns hier in keine allgemeine Betrachtungen über die ,semitische Göttin‘ einlassen (vgl. Baltis, Dea syra), sondern uns begnügen, das wenige, das wir über die phoinikische A. erfahren, zusammenfassen. Sie wurde als eine Himmelsgöttin angesehen (Jerem. VII 18. XLIV 17ff.) und daher von den Griechen Aphrodite Οὐρανία genannt (Herod. V 6, 4 [wo Ἀστροάρχη eine Umbildung von A. ist], vgl. Aphrodite). Wenn Augustinus in Heptat. VII 16 (III 797 Migne) sagt lingua Punica Iuno Astarte vocatur, so ist auch hier an die Iuno Caelestis zu denken. Bald wurde A. mit dem Mond (Luc. Herod. a. a. O.), bald mit dem Planeten Venus identifiziert (Suid. u. Zonaras lex. s. v.; Lydus de mens. IV 44 deutet A. οἱονεὶ τὴν ἀστερίαν, vgl. Athen. IX 392 d. Myth. Vatic. I 17. II 37. III 8. Phil. Bybl. a. O. lässt sie einen Stern in Tyros widmen), was vielleicht einerseits auf ägyptischen andrerseits auf babylonischen Einfluss zurückzuführen ist (Ed. Meyer). Man erzählte, dass Zeus sie geliebt und unter der Form eines Stieres nach Kreta geführt hätte. Diese Sage, welche in Griechenland die Legende der Europa geworden ist (Preller Gr. Myth. II 116), wurde als solche im Altertum erkannt und im Tempel (Achill. Tat. a. O.), sowie auf den Münzen (Head HN 673, vgl. Luc. a. O.) von Sidon dargestellt. In Tyros gab das Andenken dieser Entführung bis in die Zeit des Malalas (Chron. p. 31 Dind.) zu einem Trauerfest (κακὴ ὀψινή Anlass. Auf den Münzen von Sidon wird A. auch oft mit der Mauerkrone als Schutzgöttin der Stadt (πολιοῦχον Lydus a. O.) abgebildet. Über Prostitutionen in den phoinikischen Tempeln der A., wie sie z. B. in Byblos zu finden sind, haben wir keine directe Zeugnisse (vgl. jedoch CISem. 86), aber da dieselben in gewissen Colonien vorhanden waren (Kypros, Eryx), ist es sehr zweifelhaft, ob der Dienst der Göttin im Mutterlande so rein war, wie man es behauptet hat.

A. Müller S.-Ber. Akad. Wien XXXVII (1861) 3ff. Movers Phoenizier I 601ff. Tiele-Collins Histoire comp. des relig. sem. 1882, 311ff. Ed. Meyer ZDMG XXXI, 730ff. und in Roschers Lexikon I 645. Scholz Götzendienst bei den Hebräern 1877, 259ff. Bäthgen Beitr. z. semit. Religionsgesch. 1888, 31ff.
[Cumont.]

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