.
3) Q. Asconius Pedianus, wahrscheinlich aus Patavium (Livius noster p. 68, 17 ; vgl. auch die Asconii auf paduanischen Inschriften CIL V 2820 [o. Nr. 1]. 2829 [u. Nr. 4 ]. 2848. 2899. 2937 und den ebendaher stammenden iuvenis Pedianus bei Sil. Ital. XII 212ff.), hervorragender Gelehrter der ersten Kaiserzeit, dessen Biographie Sueton in dem Abschnitte de historicis seiner Sammelschrift de viris inlustribus behandelte. Aus dieser Quelle notiert Hieron. chron. z. J. Abr. 2092 = 76 n. Chr. (Suet. rel. p. 92, 3 Reiff.): Quintus Asconius Pedianus scriptor historicus clarus habetur, qui LXXIII aetatis suae anno captus luminibus XII postea annis in summo omnium honore consenescit: da die erhaltene Schrift des A. am Anfange der Regierung des Nero abgefasst ist (s. u.) und ferner A. von dem im J. 17 n. Chr. verstorbenen Livius noch persönliche Mitteilungen wissenschaftlicher Art erhielt (Quintil. inst. I 7, 24: ,sibe‘ et ‚quase‘ scriptum in multorum libris est, sed an hoc voluerint auctores nescio; T. Livium ita his usum esse ex Pediano comperi, qui et ipse eum sequebatur), so kann das J. 76 nicht den Höhepunkt seines Wirkens bezeichnen, sondern entweder den Zeitpunkt des Erblindens (so Kiessling- Schoell praef. p. VIf.) oder, was noch wahrscheinlicher ist, das Todesjahr; das Leben des A. würde demnach entweder von 3–88 n. Chr. oder von 9 v. Chr. bis 76 n. Chr. fallen. Von seinen Lebensumständen ist nichts bekannt, nur wissen wir aus gelegentlichen Erwähnungen, dass er mit C. Asinius Gallus, dem Sohne des Asinius Pollio (Serv. ecl. 4, 11), und mit dem Consul Blaesus in persönlichem Verkehr stand. Von seinen Schriften beruht eine vita Sallustii nur auf dem nicht ganz zuverlässigen Zeugnisse des Ps.-Acro zu Hor. serm. I 2, 41; die bei Plin. n. h. VII 159 aus A. citierte Angabe über das aussergewöhnlich hohe Alter einer Summula stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus einem nach platonischem Vorbilde verfassten Symposion des A., über welches Suid. s. Ἀπίκιος Μάρκος (= Aelian. frg. 110, vol. II p. 240 Herch.) berichtet: im Hause des M. Apicius kommen der Consul des Jahres, Iunius Blaesus, ein Mann von 60 Jahren, der den A. als ungeladenen Gast mitbringt, ein 91jähriger ehemaliger Athlet Isidoros und andere bejahrte Männer zum Mahle zusammen und unterhalten [1525] sich über die Übungen der Palaestra und die Kunst sich lange am Leben und frisch zu erhalten (R. Hirzel Rh. Mus. XLIII 1888, 314ff.; Der Dialog II 44ff.); der Consul Iunius Blaesus (ὑπάτω δὲ ἤστην Ἰούνιος Βλαῖσος καὶ Λεύκιος Suid.) müsste eigentlich einen Anhalt zur Datierung des Gastmahls und vielleicht auch zur Bestimmung der Lebenszeit des A. geben, wenn nicht sicher eine Trübung der Überlieferung vorläge; denn weder Q. Iunius Blaesus cos. 10 n. Chr., noch dessen beide Söhne, die das Consulat vor dem J. 31 (der ältere, Q. Iunius Blaesus, vor 29, wahrscheinlich im J. 28, Borghesi Oeuvres I 357, falsch Kiessling-Schoell praef. p. VII n. 1) bekleideten, können zur Zeit ihres Consulates sechzigjährige Greise gewesen sein, und andre Iunii Blaesi kommen als Consuln der augustisch-tiberischen Zeit nicht in Betracht (das Vorstehende nach freundlichen Mitteilungen von E. Klebs); wenn also nicht A. in der Rahmenerzählung seines Symposion einen Anachronismus begangen hat, muss Suidas seine Darstellung entstellt wiedergegeben haben; nach einer ansprechenden Vermutung von E. Klebs war die Scenerie die, dass im Consulate des jüngeren Q. Iunius Blaesus (28 n. Ch.) dessen Vater, der Consul des J. 10, als sechzigjähriger Greis dem Gastmahle beiwohnte. Ein Buch contra obtrectatores Vergilii wird in der Vergilbiographie des Donat (Suet. rel. p. 66, 2 Reiff., vgl. p. 57, 5) citiert und mehrfach in den Vergilscholien benützt (die Stellen bei Kiessling-Schoell praef. p. VIIIf. und Kiessling Coniectaneorum spicilegium I, Ind. lect. Gryphisw. 1883, 5f.; dass auch der von Macrob. sat. V 2ff. ausgeschriebene Vergilcommentar den A. benützte, zeigt die Übereinstimmung von Macrob. sat. V 3, 16 mit Donat. v. Verg. p. 66, 7 Reiff., vgl. H. Linke Quaest. de Macrob. sat. fontibus, Diss. Vratisl. 1880, 43). Erhalten ist uns ein kleiner Bruchteil seines Commentars zu den Reden des Cicero (vgl. dazu Quintil. V 10, 9), verfasst zwischen 54 und 57 (nach dem Tode des Claudius und bei Lebzeiten des 57 gestorbenen C. Caecina Largus, wie aus p. 23, 25 possidet eam nunc Largus Caecina, qui consul fuit cum Claudio, hervorgeht, vgl. Kiessling-Schoell praef. p. X) und an seine noch in jugendlichem Alter stehenden (p. 38, 20) Söhne gerichtet. Dieser Commentar erstreckte sich vermutlich auf sämtliche Reden Ciceros, wenn wir auch aus Selbstcitaten des A. (zusammengestellt bei Kiessling-Schoell praef. p. XIVff.) und einer Erwähnung bei Gell. XV 28, 4 nur mindestens 16 Reden als von A. commentiert nachweisen können; die Anordnung der Reden war die chronologische (Kiessling-Schoell a. a. O.), wie sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch der von Tiro veranstalteten Gesamtausgabe der ciceronischen Reden zu Grunde lag (P. Hildebrandt De scholiis Ciceronis Bobiensibus 14f., vgl. Kiessling Coniect. spicil. I 6). Erhalten ist, in gestörter Reihenfolge der Reden und mit namhaften Lücken des Textes, der Commentar zu den fünf Reden in Pisonem, pro Scauro, pro Milone, pro Cornelio, in toga candida: die Erklärungsweise weicht von der grammatisch-rhetorischen Tendenz der meisten erhaltenen lateinischen Scholien wesentlich ab, sie ist eine ausschliesslich historische, auf Klarstellung der zeitgeschichtlichen Beziehungen und des [1526] antiquarischen Details gerichtete (vgl. namentlich Madvig De Q. Asconii Pediani comment. 58ff.). A. verfügt über eine ausgezeichnete Sachkenntnis und aussergewöhnliche Gewissenhaftigkeit (insbesondere constatiert er ausdrücklich, wo es ihm nicht mehr möglich war, eine authentische Auskunft zu erlangen, Kiessling-Schoell p. XI), er beherrscht nicht nur den gesamten schriftstellerischen Nachlass des Cicero selbst mit Einschluss nicht veröffentlichter Entwürfe (über die Nichtbenützung der Briefe an Atticus vgl. F. Buecheler Rh. Mus. XXXIV 1879, 352f. und neuerdings F. Leo Miscella Ciceroniana, Ind. lect. Gotting. 1892, 3ff.) und die darstellenden Geschichtswerke (Livius, Sallust, Fenestella u. a.), sondern hat auch die Acta der in Betracht kommenden Zeit aufs sorgfältigste durchgearbeitet und ausgebeutet (s. namentlich p. 39, 3f.) und vielfach auch kleinere Erzeugnisse der zeitgenössischen Litteratur, namentlich Reden der Gegner und Parteigänger Ciceros, herangezogen (über die Quellen sorgfältige Untersuchung von C. Lichtenfeldt De Q. Asconii Pediani fontibus ac fide, Breslau 1888 = Bresl. philol. Abh. II 4). Überliefert ist der Commentar in den Abschriften einer von F. Poggio 1416 in St. Gallen gefundenen, von der Zeit hart mitgenommenen Hs. (wahrscheinlich des 9. Jhdts.), und zwar zwei directen Abschriften, von Sozomenos von Pistoja (jetzt in Pistoja; vgl. A. Kiessling De Asconii codice Pistoriensi, Ind. lect. Gryphisw. 1873) und von Bartolomeo von Montepulciano (jetzt cod. Laurent. 54, 5), während die dritte, von Poggio selbst herrührende Abschrift erst aus den von ihr abgeleiteten Hss., unter denen ein Leidensis und der Laur. 54, 4 obenan stehen, reconstruiert werden muss (Kiessling-Schoell Praef. p. XXIff.); vgl. Th. Stangl Rh. Mus. XXXIX 1884, 568ff.), falls nicht etwa die Originalabschrift des Poggio in einer noch nicht genügend bekannten Madrider Hs. (vgl. Löwe-Hartel Bibl. patr. latin. Hisp. I 418f. 454f.) vorliegt. Die Abschrift des Poggio, die nach seinem eigenen Geständnisse flüchtig gemacht und dann, wie deutlich erkennbar ist, von ihm mit Geist und Scharfsinn, aber vielfach willkürlich, überarbeitet wurde, hat die Grundlage für die Editio princeps (Venedig 1477) und durch diese für alle folgenden Ausgaben (insbesondere F. Hotoman, Lugd. Bat. 1551. Baiter in Orellis Cic. V 2 p. 1–95) gebildet, bis durch die Ausgabe von A. Kiessling und R. Schoell (Berolini 1875) ein völlig neues Fundament geschaffen wurde; hier ist auch die ältere Litteratur vollständig aufgeführt und verarbeitet; Erwähnung verdient aus ihr nur die bahnbrechende Abhandlung von J. N. Madvig De Q. Asconii Pediani et aliorum veterum interpretum in Ciceronis orationes commentariis, Hauniae 1828. Im Sangallensis und dessen Abschriften (Collationen des Pistoriensis und des Leidensis bei Kiessling-Schoell a. a. O. p. 85ff.; vgl. Stangl a. a. O.) ist an den Commentar des A. des verwandten Stoffes wegen ein namenloser Commentar zu einem Teile der Verrinen (divin. in Caec., Verrin. Act. I, Act. II or. I und II bis § 35) angeschlossen, den man der Nachbarschaft halber früher ebenfalls für ein Werk des A. hielt und jetzt als Pseudo-Asconius zu citieren pflegt (Text bei Baiter a. a. [1527] O. 97ff.): er ist vorwiegend grammatischen Inhalts und stammt etwa aus dem 5. Jhdt., mit A. hat er nichts zu thun. Dagegen zeigen die Bobienser Scholien zu einigen Reden des Cicero (bei Baiter a. a. O. 228ff.) in ihren historischen Notizen manche Verwandtschaft mit A., so dass ihr Entdecker, A. Mai, sie zuerst für Teile seines Commentars hielt; das wurde dann durch die Auffindung der Bobienser Scholien zur Miloniana, die sich als von denen des A. verschieden erwiesen, widerlegt, doch bestehen sicher Zusammenhänge, mag nun der Bobienser Scholiast den A. direct (so Schilling De scholiis Bobiensibus, Diss. Lips. 1892) oder durch Vermittlung eines späteren historischen Commentars (P. Hildebrandt a. a. O. 55ff.) benützt haben.
[Wissowa.]
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