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Arnobius. 1) Africaner, unter Diocletian angesehener Lehrer der Rhetorik zu Sicca Veneria. Zu seinen Schülern gehörte nach Hieronymus (vir. ill. 80 und epist. LXX 5 ad Magnum) auch Lactantius. Im Chronicon ad a. 379 hat Hieronymus freilich erst zum 21. Jahre Constantins notiert, dass A., in Africa berühmter Leiter einer Rhetorenschule und Heide, plötzlich durch Träume zum Glauben geführt worden sei und, um das Misstrauen des Bischofs gegen den bisher so heftigen Feind der Kirche zu heben, adversum pristinam religionem luculentissimos libros veröffentlicht habe. Aber es handelt sich um einen Nachtrag zu Eusebius Chronik, mit dem Hieronymus seine Fortsetzung einleitet; mag A. immerhin 326 noch gelebt und gelehrt haben, seine Streitschrift ist vor den Toleranzedicten von 311ff. geschrieben; wie mir scheint, etwa um 305 (IV 36 setzt doch wohl die Edicte Diocletians voraus), nach S. Brandt (S.-Ber. Akad. Wien CXX 1890 v 15. 19) um 295, aber auf die Angabe II 71, dass seit Roms Gründung 1050 Jahre aut non multum ab his minus verflossen seien, darf man bei einem so flüchtigen Agitationsredner, der in chronologischen Dingen nicht minder Dilettant war wie in der Archaeologie, nicht viel geben. Das einzige von ihm erhaltene Werk führt in der einzigen Hs., dem Paris. nr. 1661 saec. IX, den Titel adversus nationes, bei Hieronymus adversus gentes. Der Verfasser hat es in 7 Bücher verteilt, nur irrtümlich hat die Hs. als achtes die Apologie des Minucius Felix angefügt, wie sie überhaupt den Text sehr mangelhaft überliefert. Der Apparat der allein brauchbaren Ausgabe von Reifferscheid in Corpus script. eccl. lat. Vindob. IV 1875 zeigt, wie viel selbst der besonnenste Herausgeber hier durch Conjecturen nachhelfen muss. Diese seine Hülflosigkeit und die Menge von antiquarischem Material haben dem A. früh ein besonderes Interesse der Philologen zugezogen, dies Interesse äusserte sich meistens in Lobeserhebungen. Richtiger ist das Urteil des alten Hieronymus (ep. ad Paulin. LVIII 10): A. inaequalis est et nimius, absque operis sui partitione confusus. Ganz abgesehen von den zahlreichen Spuren der Africitas ist der Stil zuchtlos und affectiert, überladen mit rhetorischen Figuren und breit, die Gedankenfolge aller Ordnung entbehrend. Man hat so sehr den Eindruck einer in höchster Eile hingeworfenen Arbeit, dass man das Geschichtchen des Hieronymus über ihre Entstehung beinahe glauben möchte. Buch I und II, in gewissem Sinne auch VI und VII, dienen der Verteidigung des Christentums gegen die Vorwürfe und falschen Beschuldigungen der Gegner, das Übrige enthält heftige Anklagen gegen den Polytheismus und gegen die Versuche der Philosophie, die Mythen durch Allegorisierung erträglicher zu machen. So oft sich A. hier mit unverstandener Weisheit putzt, und so bedenkliche Missgriffe er macht in Anschuldigung wie Beweisführung, bringt [1207] er doch auch infolge der Benutzung besserer Quellen, z. B. des Clemens Alexandrinus manches Wertvolle, vgl. Kettner Cornelius Labeo, e. Beitrag z. Quellenkritik d. Arnob., Schulpforta 1877. W. Kahl Philol. Suppl. V 719ff. Al. Röhricht De Clemente Alex. Arnobii in irridendo gentilium cultu deorum auctore, 1893; die Seelenlehre des Arnobius nach ihren Quellen u. ihrer Entstehung untersucht, 1893. Seine christliche Einsicht ist beispiellos dürftig, die Bibel kennt er so gut wie gar nicht, über die Daemonen, über das Göttliche in Christus, über die Entstehung der Seele (vgl. Francke Die Psychologie u. Erkenntnislehre d. Arn., Diss. Lpzg. 1878) trägt er seltsame Anschauungen vor, und so sehen wir seine Werke ohne Verwunderung in der ep. Gelasii de libris recipiendis et non recipiendis c. 8 zu den apokryphen und verwerflichen Büchern gerechnet werden; ‚gemessen an dem Lehrbegriff des 4. Jhdts. ist A. heterodox fast auf jedem Blatte‘ (Harnack Dogmengesch. I² 671, 2), aber als Theologen hätte man ihn nie behandeln sollen. Was seine geschichtliche Bedeutung ausmacht, ist sein philosophischer Standpunkt, der – fast ein Wunder in der Kirche um 300 – dem Platonismus feindlich, eine Mischung namentlich von Empirismus und Skepticismus darstellt, und die Motive, die ihn zum ‚Glauben‘ gebracht haben, nämlich nicht religiöse Bedürfnisse, sondern verständig-kritische Erwägungen. Und vor allem ist A. der beste Zeuge für die Thatsache, wie unendlich wenig von dem Inhalt christlicher Weltanschauung um 300 festgelegt und für alle verbindlich war; was gleichzeitige Christen wie A. und Methodius von Olympus mit einander gemein haben, lässt sich in 2 Zeilen zusammenfassen. Vgl. Ad. Ebert Allg. Gesch. d. Litt. d. Mittelalters i. Abendlande I² 1889, 64–72.
[Jülicher.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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