.
5) Der lesbische Sänger. Hauptzeugnis (übersetzt von Gellius XVI 19 u. a.) Herodot I 23f. (im Anschluss an eine Novelle von der Schlauheit des Periander, die in den Sieben-Weisen-Roman gehört, vgl. die Parallele bei Diog. Laert. I 83. Schubert Könige von Lydien 47. 50): I. ἐτυράννευε δὲ ὁ Περίανδρος Κορίνθου· τῷ δὴ λέγουσι Κορίνθιοι, ὁμολογέουσι δέ σφι Λέσβοι (übernommen von Aelian. nat. an. II 6), ἐν τῷ βίῳ θῶμα μέγιστον παραστῆναι, Ἀρίονa, τὸν Μηθυμναῖον ἐπὶ δελφῖνος ἐξενειχθέντα ἐπὶ Ταίναρον, II. ἐόντα κιθαρῳδὸν τῶν τότε ἐόντων οὐδενὸς δεύτερον, καὶ διθύραμβον πρῶτον ἀνθρώπων τῶν ἡμεῖς ἴδμεν ποιήσαντά τε καὶ ὀνομάσαντα καὶ διδάξαντα ἐν Κορίνθῳ (übernommen von [Dio Chrys., d. h.] Favorin Corinth. XXXVI vol. II p. 293 Ddf.). III. τοῦτον τὸν Ἀρίονa λέγουσι τὸν πολλὸν τοῦ χρόνου διατρίβοντα παρὰ Περιάνδρῳ ἐπιθυμῆσαι πλῶσαι ἐς Ἰταλίην τε καὶ Σικελίην, ἐργασάμενον δὲ χρήματα μεγάλα θελῆσαι ὀπίσω ἐς Κόρινθον ἀπικέσθαι. ὁρμᾶσθαι μὲν νυν ἐκ Τάραντος ... μισθώσασθαι πλοῖον ἀνδρῶν Κορινθίων. Folgt der Anschlag und die Drohung der Schiffer und A.s letzte Bitte: ἐπειδή σφι οὕτω δοκέοι, περιϊδεῖν αὐτὸν ἐν τῇ σκευῇ πάσῃ στάντα ἀεῖσαι ... τὸν δὲ ἐνδύντα τε πᾶσαν τὴν σκευὴν καὶ λαβόντα τὴν κιθάρην, στάντα ἐν τοῖσι ἑδωλίοισι διεξελθεῖν νόμον τὸν ὄρθιον (die berühmte ,hohe Weise‘ Terpanders, vgl. Graf Rh. Mus. XLIII 512f.). Er stürzt sich herab, τὸν δὲ δελφῖνα λέγουσι ὑπολαβόντα ἐξενεῖκαι ἐπὶ Ταίναρον· ἀποβάντα δὲ αὐτὸν χωρέειν ἐς Κόρινθον; die Schiffer werden endlich in der bekannten Weise entlarvt. Ταῦτα μέν νυν Κορίνθιοι τε καὶ Λέσβιοι λέγουσι, καὶ Ἀρίονός ἐστι ἀνάθημα χάλκεον οὐ μέγα ἐπὶ Ταινάρῳ, ἐπὶ δελφῖνος ἐπεὼν ἄνθρωπος (übernommen von Favorin a. O. p. 294 Ἀρίων δέ, οὐ γὰρ Περίανδρος ... ποιησάμενος μίμημα χαλκοῦν οὐ μέγα ἀνέθηκεν κτλ.). Hinter den Λέσβιοι wird Hellanikos stecken, vgl. Schol. Aristoph. Av. 1403: Ἀντίπατρος καὶ Εὐφρόνιος ... φασι τοὺς κυκλίους χοροὺς στῆσαι πρῶτον Λασόν ..., οἱ δὲ ἀρχαιότεροι, Ἑλλάνικος (frg. 85, FHG I 57) καὶ Δικαίαρχος, Ἀρίονa τὸν Μηθυμναῖον, Δικαίαρχος μὲν ἐν τῷ περὶ μουσικῶν ἀγώνων (frg. 45, FHG II 249). Ἑλλάνικος δὲ ἐν τοῖς Καρνεονίκαις (so schreibt man jetzt mit Dübner und Müller in den Add., vulg. Κραναϊκοῖς, ein Titel, der zwar eine Beziehung auf die Insel vor Gythion, in der Nähe von Tainaron [Paus. III 22, 1], zuliesse, aber sonst nicht bezeugt und auch sachlich anstössig ist). Nun folgt Lucian in den ἐνάλιοι διάλογοι 8 (vgl. [837] ver. hist. II 15) einer Sonderversion, der zufolge A. nach langer, ruhm- und ertragreicher Thätigkeit bei Periander πλεύσας οἴκαδε ἐς τὴν Μήθυμναν ἐπιδείξασθαι τὸν πλοῦτον καὶ ἐπιβὰς πορθμείου τινὸς κακούργων ἀνδρῶν ... ἐπεὶ κατὰ μέσον τὸ Αἰγαῖον ἐγένοντο, ἐπιβουλεύουσιν αὐτῷ οἱ ναῦται· ὁ δὲ ... ἔφη ... ‚τὴν σκευὴν ἀναλαβόντα με καὶ ᾄσαντα θρῆνόν τινα ἐπ’ ἐμαυτῷ ἑκόντα ἐάσατε ῥῖψαι ἐμαυτόν.‘ Das geschieht; ein Delphin bringt ihn ἐς Ταίναρον und wird von Poseidon ob seiner φιλανθρωπία und φιλομουσία belobt. Die Vermutung liegt nah, dass diese zwischen Lesbos und Korinth (ohne den Umweg über Italien) spielende Fassung die lesbische ist. Von Tainaron oder Korinth aus mag Hellanikos den A. an den Karneen haben teilnehmen lassen. Die zweite Quelle Herodots (Κορίνθιοι) könnte mündliche Localüberlieferung sein; doch ist es schwerlich Zufall, dass die Gewährsmänner für die A.-Legende in Plutarchs Gastmahl Korinthier sind; ein novellistisches Volksbuch wird Herodot hier, wie öfter, zur Hand gewesen und auch von Plutarch benutzt sein: denn dass der Kern des plutarchischen Gastmahls auf alte Zeit zurückgeht, zeigt Theophr. bei Athen. XI 463 = frg. 120 p. 198 W. und die Analyse der einzelnen Novellen und Fabeln. Es ist eine wunderbare Geschichte, die eigentlich in einem Gedichte vorgetragen werden sollte, τοὺς νέους τούτους διθυράμβους ὑπερφθεγγόμενον, ‚mit volleren Tönen, als in den Dithyramben ihr Held anzuschlagen pflegt, der diese rauschende Gattung kürzlich bei uns erfunden hat‘ (nach Haupt und v. Wilamowitz Herm. XXV 223f.). Gorgos, der Bruder des Periander, ist nach Tainaron geschickt, um dem Poseidon ein Opfer darzubringen; in einer mondhellen Nacht, bei einer Pannychis am Meeresstrande, hat er den A., von einem Delphin getragen und von einer ganzen Delphinenschar umschwärmt, anlanden sehen. Die Katastrophe wird hier etwas anders erzählt. Der Steuermann hat ihn, wie Dionysos in dem homerischen Hymnus, vor dem Anschlage gewarnt; A. stimmt aus freien Stücken τῶν νόμων ... τὸν Πυθικὸν ὑπὲρ σωτηρίας αὑτοῦ καὶ τῆς νεὼς καὶ τῶν ἐμπλεόντων an, und zwar τινα θεῶν πελαγίων ἀνάκλησιν προανακρουσάμενος (= προοίμιον, ein Ausdruck, der in dem sonst wertlosen διήγημα des Nikolaos prog. II 7 p. 271 Walz θανάτου προοίμιον gebraucht wird); dann, just in dem Momente, wo die Sonne untergeht, wirft er sich ins Meer und wird von den sich ablösenden Delphinen nach Tainaron getragen. Die stimmungsvolle Schilderung der Fahrt ist ganz Eigentum des Plutarch (v. Wilamowitz Herm. XXV 224): das Abenteuer selbst wird er schon in seiner Quelle vorgefunden haben.
Die meisten späteren Darstellungen der A.-Sage sind von Herodot abhängig, so Strabon XIII 618. Plinius n. h. IX 28 (unter Berufung auf Herodot). Gellius XVI 19. Fronto p. 237 Nab. (im engsten Anschluss an Herodot). Favorin [Ps.-Dio XXXVI] Corinth. p. 293 Ddf. (bemerkenswertes Zusammentreffen mit Plutarch und Ovid in dem Bilde vom Schwanengesange. s. Crusius Rh. Mus. XLVII 70f.). Philostr. Im. I 18, 4. Paus. III 25, 7; die Rhetoren Hermogenes, Theon, Aphthonios u. a. Solin. XV 12. Probus zu Verg. Ecl. VIII 56. Tzetz. Chil. I 393ff. und manche [838] byzantinische Spätlinge. Ein hellenistischer Dichter (vgl. Oppian. hal. V 448. Bianor Anth. Pal. IX 308, die aber nur in aller Kürze die Rettung des A. erwähnen) muss die A.-Legende in den Kreis der καταστερισμοί hereingezogen haben: von ihm sind Serv. Ecl. VIII 55. Hygin. fab. 194 abgeleitet. Apollon selbst giebt im Traum dem Sänger den rettenden Gedanken ein (Serv. und Hygin.: ut . . decantaret et eis se traderet, qui ei praesidio venissent, vgl. Cic. Tusc. II 66 si cui naviganti quem praedones insequuntur deus quis dixerit, Eice te de navi; praesto est qui te excipiat, vel delphinus, ut Arionem etc., der eine ähnliche Fassung aus hellenistischer Quelle gekannt haben könnte). Der Delphin schnellt mit seiner Bürde aufs Land und stirbt dort, da ihn A. in der Eile in mare non propulit (Hygin.). Periander hört die Wundergeschichte und lässt den Delphin sepeliri et ei monumentum fieri (Hygin.). Die ungetreuen Schiffsleute melden dem König, A. sei drüben gestorben und begraben (Serv. Hygin.). Periander lässt sie crastino die ad delphini monimentum sich einstellen und ihre Aussage beschwören; als sie das thun (per delphini manes iurare), tritt A. aus dem Grabmal hervor. Periander lässt die Mörder ad delphini monimentum (Hygin.) cruci figi (Hygin. Serv.). Apollon aber versetzt den Delphin und die cithara (Serv.), oder den Delphin und A. selbst (Hygin.) unter die Sterne. Auch Ovid. Fast. II 91ff. schliesst mit einer Verstirnung des Delphins, hat aber die besondern Züge, durch die diese Version sich auszeichnet, nicht aufgenommen oder nicht gekannt. Die Verstirnung gehört der hellenistischen Poesie; ein μνημεῖον Δελφῖνος mag bei Korinth bestanden haben, wird aber ursprünglich auf die Melikerteslegende bezogen sein (Paus. II 1, 3).
Das interessanteste neue Material bietet Aelian nat. an. II 15. Dass die Delphine φιλῳδοί τε καὶ φίλαυλοι sind, beweist Aelian ἔκ τε τοῦ ἀγάλματος τοῦ ἐπὶ Ταινάρῳ καὶ τοῦ ἐπ’ αὐτῲ ἐπιγράμματος ... / ἀθανάτων πομπαῖσιν Ἀρίονα Κυκλέος υἱὸν / ἐκ Σικελοῦ πελάγους σῶσεν ὄχημα τόδε. ὕμνον δὲ χαριστήριον τῷ Ποσειδῶνι ... ὁ Ἀρίων ἔγραψε. Dieser Hymnus, der die gewöhnliche Form der Legende voraussetzt, wird dann im Wortlaut mitgeteilt (PLG III 79); es ist ein geschickt arrangiertes, aber ziemlich conventionell gehaltenes, nicht gerade bedeutendes Machwerk (O. Müller Gr. L. I 370), aus vorattischer Zeit kann es, schon des Dialekts wegen, nicht stammen; Boeckh (Abh. Akad. Berl. 1836, 74, vgl. Welcker Kl. Schr. I 95) meinte, ein Nomendichter, vielleicht noch der guten Zeit der Lyrik, habe die Worte in einem grösseren Gedichte dem A. in den Mund gelegt und Aelian habe sie dann missverständlich für ein Gedicht des A. selbst gehalten. Daran, dass Aelian selbst die Verse gemacht habe (Lehrs Pop. Aufs. 204, ähnlich Volkmann Plut. 199), ist nicht zu denken, vgl. Bergk PLG III 80 Anm.; die sehr freie Technik weist die Verse aber in die jungattische Zeit (Bergk a. O. und Gr. Litt. II 240); Rossbach Specielle Metrik 582 vermutet Phrynis als Verfasser; dafür ist die Arbeit aber doch wohl zu ärmlich. Auch das Epigramm ist keine Fälschung des Aelian; ob es wirklich auf dem berühmten Weihgeschenk gestanden hat, bleibt natürlich [839] zweifelhaft (anders Preger Inscr. Gr. metr. nr. 187 p. 147f.). Doch ist ein Seitenstück dazu wirklich gefunden worden auf dem mit Tainaron eng verbundenen Thera; Boeckh hat die Felseninschrift in der Hauptsache überzeugend ergänzt Κυκλείδας Κ]υκλῆος ἀδε[λφ]ει[ῷ Ἀρίω]νι τὸν δελφὶς [σῶσε μνημόσυνον τέλεσεν (Kaibel Epigr. Gr. 1086 p. 490). Man sieht, von dem taenarischen Poseidonheiligtum (Wide Lakon. Kulte 34f.) ist die A.-Sage mit nach Thera hinübergenommen worden. Dass die Epigramme nicht mehr Gewähr haben, als die Καδμήϊα γράμματα bei Herodot V 59 und so viele ähnliche von einer pia fraus geschaffenen Urkunden (z. B. das in Thespiai entdeckte Hesiodepigramm, Ἡσίοδος Δίου u. s. w., Bull. hell. XIV 546 = IGS I add. 4240), braucht heute nicht mehr bewiesen zu werden.
Der Kern der bisher erörterten Überlieferungen ist die Geschichte von der wunderbaren Rettung des frommen Sängers durch den Meergott und seine Boten, die Delphine. S. O. Müller Dor. II² 361, 4 (danach in der Litt.-Gesch.). Welcker Kl. Schr. I 91ff. Lehrs Pop. Aufs. 201ff. Sie ist nach einem alten und weitverbreiteten Legendentypus gebildet (vgl. A. Marx Märchen von den dankbaren Tieren, Anfang); es ist schwerlich zufällig, dass an den Punkten, an die A. geführt wird, auch sonst solche Delphinensagen nachweisbar sind: 1) Lesbos: Enalos und seine Geliebte von Delphinen gerettet, Plut. conv. VII sap. 19 u. s w., s. K. Tümpel Bem. z. gr. Religionsgesch. 1886, 16. Marx a. a. O. 7ff. 2) Korinth: Melikertes, Plut. a. a. O. 19. Lucian. dial. mar. 8 u. s. w. 3) Thera: Pind. Pyth. IV 17. 4) Tarent und Tainaron: Taras, der Sohn des Poseidon, als Delphinreiter auf Münzen u. a., s. Studniczka Kyrene 176ff. O. Müller sah in der Tarassage das Prototyp unserer Legende; die tarentinische Colonie sei von Tainaron nach Italien geschifft, das habe der Mythus dargestellt, indem er Taras auf dem Delphin dahinreiten liess; A. habe dieselbe Fahrt in umgekehrter Richtung gemacht, also sei wohl die alte Sage mit Rücksicht auf die Musikliebe der Delphine auf ihn übertragen. Doch stellten wir oben fest, dass es eine Fassung der Legende gab, in der A. Italien gar nicht berührt; die verwandten lesbischen und korinthischen Überlieferungen würden die Entstehung der Legende kaum weniger gut begreiflich machen. Das Weihgeschenk wird ursprünglich einen Gott dargestellt haben und umgedeutet sein. Auf den Ausweg, dass es ,ein tarentinischer Seefahrer A. aufgestellt habe‘, hätte man nach Welcker und O. Müller nicht mehr kommen sollen (so Sittl Gr. Litt. I 316). Als Mythus haben die Erzählung übrigens schon die Alten angesehen (Strab. a. O. Clem. Alex. Protr. 1); eine ‚allegorische‘ Deutung (der Delphin = ein Schiff u. s. w.) bei Doxopater Rhet. Gr. II 331 Walz.
Von den eben behandelten Überlieferungen pflegt die landläufige Litteraturgeschichte den Suidasartikel ganz zu trennen: I. Ἀ. Μηθυμναῖος λυρικός, Κυκλέως υἱός, γέγονε κατὰ τὴν λη’ ὀλυμπιάδα· τινὲς δὲ καὶ μαθητὴν Ἀλκμᾶνος ἱστόρησαν αὐτόν. II. ἔγραψε δὲ ᾄσματα, προοίμια εἰς ἔπη ‚β‘. III. λέγεται καὶ 1. τραγικοῦ τρόπου εὑρετὴς γενέσθαι [840] 2. καὶ πρῶτος χορὸν στῆσαι ⟨κύκλιον⟩ 3. καὶ διθύραμβον ᾆσαι καὶ ὀνομάσαι τὸ ᾀδόμενον ὑπὸ τοῦ χοροῦ 4. καὶ Σατύρους εἰσεγενεγκεῖν ἔμμετρα λέγοντας. Verwandten Charakters sind die Notizen bei Eusebios-Hieronymos und Aristoteles in Proklos chrestom. Phot. bibl. p. 320 Bekk. (Aristokles nach V. Rose Ar. Pseudepigr. 620): εὑρεθῆναι δὲ τὸν διθύραμβον Πίνδαρος ἐν Κορίνθῳ λέγει (s. Ol. XIII 26 mit Schol. = frg. 85 B.)· τὸν δὲ ἀρξάμενον τῆς ᾠδῆς Ἀριστοτέλης (schr. Ἀριστοκλῆς) Ἀρίωνά φησιν εἶναι, ὃς πρῶτος τὸν κύκλιον ἤγαγε χορόν. Auf diese Notizen hin weist man dem A. eine bedeutende Stellung in der Geschichte der Lyrik an (am ausführlichsten Flach 342–351). Aber der chronologische Ansatz (I) hält sich einfach an die ἀκμή des Periander (Rohde Rh. Mus. XXXIII 201), beruht also auf der oben besprochenen Legende; zum Schüler Alkmans wird A. als sein Nachfolger auf peloponnesischem Boden. Der Vater Κυκλεύς (I) ist ziemlich allgemein als durchsichtige allegorische Figur (mit Bezug auf die χοροὶ κύκλιοι) anerkannt; aus den Epigrammen von Tainaron und Thera geht hervor, dass auch er zu der um die Legende gelagerten Überlieferungsmasse gehörte. Die ᾄσματα und προοίμια entsprechen den letzten Gesängen des Dichters (ein προοίμιον und ein νόμος nach Plutarch). Die bestimmte stichometrische Angabe wird nicht mehr Gewähr haben, als die verwandten Notizen bei den Freunden des A., den sieben Weisen; das berüchtigte Buch des Argivers Lobon mag dafür die Quelle sein (Hiller Rh. Mus. XXXIII 518), zumal es auffällig genug ist, dass Aelian von A. just ein Epigramm und ein melisches Gedicht überliefert, ganz wie Diogenes Laertius für die sieben Weisen. Die Notizen über die Thätigkeit des A. als Dichter oder vielmehr χοροδιδάσκαλος (III) entsprechen zum Teil den einleitenden Bemerkungen des Herodot (o. Sp. 836, 27ff.), zum Teil gehen sie (III 1. 2. 4) darüber hinaus. Haben wir hier authentische, auf urkundlichem Boden stehende Nachrichten zu erkennen? Sehr bedenklich muss uns folgendes stimmen: 1) alle sonstigen Überlieferungen von A. fügen sich in den Rahmen der Periandergeschichte, 2) von dem gepriesenen Dichter ist kein Wort erhalten, 3) der Name selbst kommt in guter Zeit ebenso wenig vor, wie manche andere Namen des Siebenweisenromans und verwandter pseudo-geschichtlicher Überlieferungen (z. B. Lesches, Chersias, Neiloxenos u. s. w.); er kann als ‚redender Name‘ für den Preissänger aufgefasst werden (vgl. Κυκλεύς u. a.). Die überschüssigen Notizen bei Suidas III werden aus derselben Quelle abgeleitet sein, wie die übrigen, d. h. aus einer, noch bei Plutarch nachklingenden Schilderung von Dithyrambenaufführungen am Hofe des Periander. Die hellenistischen Gelehrten, die Lasos zum historischen Begründer des Dithyrambos machten und A. ignorierten (o. Sp. 836, 55ff.), haben A. für eine ungeschichtliche Persönlichkeit gehalten, wie Strabon. Wir werden ihnen Recht geben müssen. Damit sind aber die Notizen über die Aufführung chorischer Dithyramben in Korinth noch nicht entwertet: in diesen romanhaften Überlieferungen pflegt der allgemeine Hintergrund geschichtlich echt zu sein. Nun beziehen sich die Bemerkungen unter III offenbar allesamt auf den Dithyrambus. Der τραγικὸς [841] τρόπος (III 1) entspricht der Satyrmaske der Sänger (III 4); und der διθύραμβος selbst ist die Urform der τραγῳδία, wie Aristoteles, wahrscheinlich eben auf Grund solcher Nachrichten, in der Poetik gelehrt hat. Weiteren Rückhalt bekommen jene Notizen durch das vielbesprochene Zeugnis des Herodot (V 67) über die τραγικοὶ χοροί zu Ehren des Adrast in Sikyon; hier werden also in der Nachbarstadt Korinths für sehr frühe Zeit ähnliche dionysische Tänze vorausgesetzt, und zwar im Dienste des Heroenkultes. Wie sich das aus dem vorherrschend chthonischen Charakter dieser Dionysoskulte heraus erklären lässt, ist angedeutet in den preussischen Jahrbüchern LXXIV 394. Auch die weitere Geschichte des Dithyrambus bestätigt, dass die chorische Form des Dionysosliedes vor allem und zuerst im Norden der Peloponnes durchgebildet wurde. Wenn die (vielleicht lesbische) Tradition diese Entwicklung einem Methymnaeer gut schrieb, so stützte sie sich auf den alten Ruf der ,lesbischen Sänger‘ (s. Art. Aristokleidas Nr. 5 und Alkaios Bd. I S. 1503), vergass aber, dass die Lesbier vor allem den Sologesang pflegten, und dass die Delphinlegende selbst den A. lediglich als Kitharoeden feierte.
[Crusius.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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