20) A. Licinius Archias, griechischer Dichter, bekannt durch Ciceros Rede, war geboren zu Antiocheia, machte sehr jung eine Kunstreise durch Kleinasien, Griechenland und Unteritalien und kam von hier um 102 v. Chr. nach Rom, wo er sich als Hof- und Gelegenheitsdichter beliebt machte. Er besang dem Marius zu Ehren den kimbrischen Krieg, später die Kriegsthaten des L. Licinius Lucullus, seines Hauptgönners, im mithridatischen Krieg, in epischer Form. Durch des Lucullus Verwendung erhielt er 93 v. Chr. das Bürgerrecht von Heraclea in Lucanien und demzufolge durch die Lex Plautia Papiria indirect das römische. Letzteres wurde ihm im J. 62 v. Chr. von Gratius bestritten, von Cicero erfolgreich verteidigt. In Verbindung mit Cicero zeigt ihn ausser dieser Rede ad Attic. I 16, 15. Cicero rühmt an ihm die Fähigkeit der Improvisation unter mehrfacher Variierung desselben Themas (vgl. Quintilian X 7, 19 aus Cicero) und erwähnt (de divin. I 79) ein ekphrastisches Epigramm auf ein Kunstwerk. Da er dieselbe Fähigkeit ähnlich an dem Epigrammdichter Antipater von Sidon rühmt (de orat. III 194), so ist mit Haupt Opusc. III 409 und Th. Reinach De Archia poeta, Paris 1890 anzunehmen, dass mindestens diejenigen einem A. zugeschriebenen Epigramme der Anthologie, welche Paraphrasen zu Gedichten des Antipater oder seines Vorbildes, des Leonidas von Tarent, öfters in mehrfacher Behandlung desselben Stoffes, sind, dem Antiochener gehören, also VI 16. 179. 180. 181. 507. VII 68. 147. 164. 165. XVI 179 (vgl. Susemihl Litt.-Gesch. I 900); wahrscheinlich auch von den übrigen die Mehrzahl, doch ist eine klare Scheidung nicht möglich, da in der Anthologie noch erwähnt werden ein A. von Makedonien (VII 140), A. von Byzanz (VII 278), A. von Mytilene (VII 696. IX 19. 111. 339), endlich ein A. νεώτερος (IX 91. X 10). Da IX 91 in einer Philippusreihe [464] steht, so kannte Philippus nur einen früheren Epigrammatiker des Namens; ihm stellt er den jüngeren, ebenso wie dem Plato des Meleagerkranzes den Plato νεώτερος, entgegen. Jener ältere kann nur der Antiochener sein. Wenn auch für keine der Paraphrasen nach Antipater die Zugehörigkeit zum Meleagerkranz zwingend zu erweisen ist, weil der letzte Ordner der Anthologie stofflich gleichartige Gedichte zusammenstellt, so ist doch, weil von den zahlreichen Gedichten unter dem Namen des A. keines sonst in den sicheren Philippusreihen steht, äusserst wahrscheinlich, dass die Gedichte des Antiocheners unter den ἔρνεα πολλὰ νεόγραφα des Meleagerkranzes gestanden haben.
[Reitzenstein.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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