61) A. von Athen, Sohn des Asklepiades (Suid.), berühmter Grammatiker des 2. Jhdts. v. Chr., daher oft mit dem Zusatz ὁ Ἀθηναῖος und ὁ γραμματικός erwähnt.
Inhaltsverzeichnis
I. Leben
II. Apollodoros’ Schriftstellerei
III. Die apollodorische Bibliothek
Nachträge und Berichtigungen
Anmerkungen (Wikisource)
I. Leben
I. Leben. Ausser Suidas besitzen wir zur näheren Zeitbestimmung des A. nur das indirecte Zeugnis des Ps.-Skymnos 19ff. Für den Versuch, Geographie in komischen Trimetern zu lehren, beruft sich dieser auf die ebenso abgefasste Chronographie eines berühmten ‚attischen Philologen‘ τῶν Ἀττικῶν τις γνησίων τε φιλολόγων, γεγονὼς ἀκουστὴς Διογένους τοῦ Στωικοῦ, συνεσχολακὼς δὲ πολὺν Ἀριστάρχῳ χρόνον, συνετάξατ’ ἀπὸ τῆς Τρωικῆς ἁλώσεως χρονογραφίαν στοιχοῦσαν ἄχρι τοῦ νῦν βίου. Diese Verse hat zuerst auf A. und seine Chronika schlagend richtig bezogen Th. Gale (Historiae poeticae scriptores ant. 43ff., Paris 1675), nicht Scipio Tettius in seinem ziemlich wertlosen Commentarius de Apollodoris vor der von Bened. Aegius aus Spoleto besorgten ersten Ausgabe von A.s Bibliothek, Rom 1555, wie G. F. Unger (Philol. XLI 602f. 607 u. s. w.) behauptet hat; denn Ps.-Skymnos wurde zuerst von D. Höschel 1600 unter dem Namen des Marcianus Heracleota herausgegeben und bei Tettius steht naturgemäss hiervon kein Wort. Zu Gales Vermutung ein Nachtrag. In Philodems Index der Akademiker (ed. Bücheler Greifsw. Ind. lect. 1869) col. 31 (aus A.s Chronika, Roeper Philol. Anz. II 26f. Gomperz S.-Ber. Akad. Wien CXXIII 1890 VI 84) heisst es von dem Rhodier Melanthios καὶ μὴν Μελάνθιον μὲν γινώσκεις ὅτι τραγῳδίᾳ μὲν ἦν πο[τ]’ ἐστεφανωμένο[ς] ἱκανό[ν] τ’ Ἀριστάρχῳ συνεσχολακὼς χρόν[ο]ν …; den letzten Vers hat Ps.-Skymnos auf A. selbst angewandt, ein Zeichen, wie sorgfältig er ihn gelesen hat. A. war also ein Schüler des Stoikers Diogenes von Seleukeia und des Grammatikers Aristarchos. Die Aufstellungen G. F. Ungers a. O. 602–651, aus einer unrichtigen Auffassung der Chronika hervorgegangen, sind abzuweisen. Da die Lehrtätigkeit des Diogenes zu Athen und sein Leben um 150 v. Chr. ihr Ende erreichten (Zeller Phil. d. Gr. III 1³ 44, 4), und A. als Athener schon frühe seinen Unterricht geniessen konnte, so wird man A.s Geburt etwa 180 oder etwas früher anzusetzen haben. Von Athen begab sich A. nach Alexandreia zu Aristarchos, wo er lange Zeit hindurch – daher verändert Ps.-Skymnos das ἱκανόν des A. in πολύν – nicht nur sein Schüler war, sondern auch an dessen wissenschaftlichen Arbeiten thätigen Anteil nahm. Zu dieser Auffassung berechtigt der Gebrauch des Verbums συσχολάζειν τινί = σχολάζειν μετά τινος. In letzterer Bedeutung, der Teilnahme an wissenschaftlicher Arbeit, findet es sich nicht selten in der chronographischen Litteratur (Unger a. O. 609, 10, wo eine Anzahl von Stellen). Die Organisation der wissenschaftlichen Arbeit in den grossen Philosophenschulen, der Akademie und dem Peripatos (Usener Preuss. Jahrb. LIII 1884, 1ff.), wird gewiss auf die Alexandriner vorbildlich gewirkt haben. Der rasche Aufschwung, den die grammatischen Studien in Alexandreia nahmen, die Registrierung, Sichtung und Verwertung des gesamten litterarischen Bestandes, die Fülle der Ausgaben und Commentare samt den darin niedergelegten oft sehr mühevollen Untersuchungen kann befriedigend nur durch [2856] die Annahme erklärt werden, dass ein umfassender Geist die Aufgaben stellte und die gelehrte Thätigkeit der Mitforscher leitete. Von diesem Gesichtspunkte aus müssen die Arbeiten A.s über den homerischen Schiffskatalog und über Sophron und Epicharm beurteilt werden. Mit diesem aus Ps.-Skymnos gewonnenen Resultat steht Suidas im Widerspruch; er nennt A. zwar auch Schüler des Aristarchos, zugleich aber auch des Panaitios. Panaitios Zeit ist von van Lynden (De Panaet. Rhod. 17) auf etwa 185–112 festgesetzt, von Zeller a. Ο. III 1³, 557 etwas später 180–110 gerückt worden. Die beiden Männer waren also ungefähr gleichaltrig; ausserdem übernahm Panaitios erst nach seiner Rückkehr von Rom und nach dem Tode des Antipatros die Leitung der stoischen Schule in Athen. Methodischer Weise muss man das Zeugnis des Suidas bei seiner bekannten Confusion in biographischen Dingen gegenüber Ps.-Skymnos verwerfen. Die Lösung des Widerspruches ist auf zweifachem Wege möglich, entweder (nach mündlicher Vermutung Useners) wird Panaitios als junger Mann dem Diogenes von Seleukeia in der Ausbildung der Schüler zur Seite gestanden haben, wie später dem Antipatros (Pap. Ercol. ed. Comparetti col. 60). So konnte A., ähnlich wie Mnesarchos (vgl. Pap. Ercol. col. 51 mit Cic. de or. I 45. Gomperz Jen. Litteraturz. 1875, 607) auch als Schüler des Panaitios gelten, und gut stimmt zu dieser Vermutung, dass Suidas s. Παναίτιος den Panaitios einen γνώριμος des Diogenes nennt. Panaitios muss schon frühe eine geachtete Stellung in Athen eingenommen haben, dies zeigt Pap. Ercol. col. 68, falls richtig auf ihn bezogen. Oder Suidas hat den Grammatiker A. mit dem stoischen Philosophen gleichen Namens und gleicher Vaterstadt, der thatsächlich Schüler des Panaitios war, verwechselt (Pap. Ercol. col. 53 und Comparetti z. col. 51. Zeller a. Ο. III 1³, 569, 1). Spätestens 146 v. Chr., als Ptolemaios Physkon die Gelehrten verjagte (Athen. IV 184 c), wird A. Alexandreia verlassen haben. Wir sehen ihn bald darauf in Beziehungen zu König Attalos II. Philadelphos von Pergamon 159–138, dem er seine mit dem J. 144 endenden Chronika (s. u.) widmete (Ps.-Skymn. 46ff.); ob er in Pergamon seinen Wohnsitz aufschlug, lässt sich nicht ausmachen. Den Rest seines Lebens hat er vermutlich in Athen verbracht, mindestens von 133 ab, dem Ende des pergamenischen Reiches, vielleicht in freundschaftlichem Verkehr mit dem dorthin zurückgekehrten Panaitios (Pap. Ercol. col. 69. Zeller a. Ο. III 1³, 47, 1). Wann er gestorben, ist ungewiss; denn aus der Thatsache, dass A.s Chronika später bis wenigstens 119 herabgeführt wurden, lässt sich nichts folgern. Dies konnte auch ein anderer, durch den Ruhm des Werkes bewogen, übernehmen (s. u.). Die Bemerkung des Suidas endlich ἤρξατο δὲ καὶ τῶν καλουμένων τραγιάμβων wird auf einer jetzt nicht mehr zu ermittelnden Verwechslung beruhen. Ältere Litteratur bei Fabricius Bibl. gr. IV 287 Harl. Heyne Apoll. I 385f.; ferner Müller FHG I, XXXVIIIff. Susemihl Gesch. d. gr. Litt. II 33ff.
[Münzel.]
II. Apollodoros’ Schriftstellerei
II. A.s Schriftstellerei erscheint zunächst als eine Fortsetzung und Ergänzung der Arbeiten, denen die alexandrinische Grammatikerschule der [2857] grossen Zeit ihre Kraft gewidmet hatte. An Eratosthenes Χρονογραφίαι schlossen sich an die Χρονικά (Diod. XIII 108, 5 Ἀ. ὁ τὴν χρονικὴν σύνταξιν πραγματευσάμενος. Gell. XVII 4, 5 Apollodori … in libro qui Chronica inscriptus est. Diog. Laert. I 37. 71. II 4. 7. 44. III 2. IV 45. 65. V 9. 58. VII 184. VIII 52. 58. 90. IX 25. 41. 61. X 13. 14. Phleg. macrob. 2. Luc. macrob. 22 ἐν Χρονικοῖς oder ἐν τοῖς Χρονικοῖς). Das Werk, in komischen Trimetern (Skymn. 33ff.; vgl. frg. 87. 96. 55. 63. 65) abgefasst, enthielt einen Abriss der Chronologie von der Zerstörung Troias 1184/3 v. Chr. (vgl. Diod. I 5, 1) bis zum 1040. Jahr danach, also 144/3 v. Chr., und war Attalos II. Philadelphos gewidmet (Skymn. 24. 45ff.). Plan und Anordnung sind zuerst klargelegt von Diels Rh. Mus. XXXI 1ff.; ferner vgl. noch C. Wachsmuth Eratosthenes Apollodor Sosibios, Leipz. Progr. 1892, der S. 19 die Einzellitteratur angiebt; die sehr unvollständige Sammlung Müllers ist ergänzt von Diels a. a. O. 4, 1 und Wachsmuth a. a. O. 18; von Müller sind fälschlich nicht unter den Χρονικά aufgeführt frg. 146. 148. 150, vielleicht auch 124. 126. 140. 143. Der Stoff war in vier Bücher geteilt (ἐν πρώτῃ Χρονικῶν Steph. Byz. s. Ἔλωρος. Μυοῦς. Χήσιον; ἐν δευτέρῳ Χρονικῶν Steph. Byz. s. Μεναί. Νόαι. Παρπάρων. Ὕκαρον. Φαβία. Χαιρώνεια; ἐν Χρονικῶν τρίτῃ Steph. Byz. s. Ἀμαξιτός. Ζάκανθα. Λήναιος. Λίγγος. Μέσμα. Diog. Laert. IV 23. 28; ἐν Χρονικῶν τετάρτῳ Steph. Byz. s. Ἀερία. Αἰδούσιοι. Ἀμήστρατος. Ἀρόερνοι. Ἀσσώριον. Δῶρος. Καινοί. Χαλκητόριον; ἐν Χρονικῶν ** Steph. Byz. s. Πάρθος), innerhalb deren folgende Zeitpunkte noch festzulegen sind: im zweiten die Gründung von Palike (Steph. Byz. s. Μεναί = frg. 50) 453/2 (Diod. XI 88, 6), die Schlacht gegen den Sikaner Duketios bei Noai (Steph. Byz. s. Νόαι = frg. 51) 451/0 (Diod. XI 91), die Schlacht bei Chaironeia (Steph. Byz. s. Χαιρώνεια = frg. 55) 338; im dritten der Tod des Akademikers Krates (Diog. Laert. IV 23) zwischen 270 und 241 und der Fall Sagunts (Steph. Byz. s. Ζάκανθα = frg. 58 a) 219, so dass Diels nicht ohne Wahrscheinlichkeit als Schlusspunkte der ersten drei Bücher das Ende der Perserkriege, Alexander, und das Ende des zweiten punischen Kriegs angenommen hat. Im einzelnen waren die Daten natürlich nicht streng chronologisch geordnet, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten zu grösseren Abschnitten zusammengefasst; eine ausführliche Beschreibung des Buches giebt jener unbekannte, von Holsten und Vossius ohne Grund mit Skymnos identificierte Gelehrte (v. 16–49), der im Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. im gleichen Versmass und mit eingestandener Nachahmung des berühmten apollodorischen Werks einen Abriss der Geographie zusammenstellte und Nikomedes III. von Bithynien widmete. Die construierenden Grunddaten des Systems, besonders den Ansatz der Zerstörung Troias, übernahm A. von Eratosthenes, dessen Werk von dem seinigen bald verdrängt zu sein scheint; auf diese Fundamente, nicht auf das specielle Datum der Gründung Roms, das Eratosthenes und A. nicht hatten, beziehen sich die vielfach missverstandenen Angaben bei Dionys. ant. I 74. Solin. I 27. Daten der politischen Geschichte sind nur in geringer [2858] Anzahl erhalten, besonders die ältere spartanische und die korinthische Königsliste, die ich an anderer Stelle ausführlich behandelt habe. Weitaus die meisten und wichtigsten Reste gehören der Philosophengeschichte an, wie denn z. B. Cicero das Werk hiefür als Nachschlagebuch nennt (ad Att. XII 23, 2) und Philodem es gegen die Stoiker, welche Zenons Kynismos verleugnen wollten, als Autorität anführt (Περὶ φιλοσόφων Vol. Herc. VIII 11 ἀλ[λὰ] τά γε πλε[ῖσ]τα τῆς [Σ]τοᾶς ἀξιολόγως τὴ[ν] αὔ[ξη]ν ἔλαβεν διὰ Ζήνων[ος] οἵ τε Στωικοὶ [π]άντε[ς] ὡς εἰπεῖν τὰ πρωτεῖα τῆς ἀγωγῆς ἀπονέμου[σιν αὐ]τῶι καὶ μετὰ τούτων [ὁ τὸν τρ]ό[π]ο[ν] καὶ τ[οὺς] χρόνους ἀ[να]γράψας Ἀπολλόδωρος). Zur Fixierung namentlich der älteren Philosophen und jedenfalls auch der Dichter und Historiker, deren Geburts- und Todesjahr so gut wie nie überliefert war, bediente sich A. der Methode, ein bekanntes Datum im Leben jener aufzusuchen und auf dieses die ἀκμή zu legen, d. h. nach ionisch-medicinischem Sprachgebrauch (vgl. z. B. Hippokr. epid. I 1 p. 602 L. 8 p. 644. 9 p. 656) das reife Mannesalter. Nach dem ionischen, also nicht der späteren pythagoreischen Litteratur angehörigen Bruchstück bei Diog. Laert. VIII 10 bestimmte die pythagoreische Zahlensystematik schon des 5. Jhdts. die ἀκμή auf das 40. Jahr (etwas anders urteilt jetzt Diels Arch. f. Gesch. d. Phil. III 466), und da die Biographie und die biographische Litteraturgeschichte aus dem Pythagoreismus hervorgegangen ist, spielt eine solche Epoche schon in Aristoxenos Pythagorasbiographie (frg. 4) eine Rolle; A. hat sie übernommen und einen nicht immer ganz unbedenklichen Gebrauch davon gemacht.
Es liegt im Wesen chronologischer Werke, dass sie zur Weiterführung und Vervollständigung einladen, und A.s Chronik ist von diesem Schicksal nicht verschont geblieben. Nach dem unumstösslichen, von allen am schwersten wiegenden Zeugnis des sog. Skymnos (24) schloss A. sein Buch mit dem J. 144 ab. Nun führt aber Diogenes IV 65 den Tod des Karneades (Ol. 162, 4 = 129/8) daraus an, und man erschloss daher schon lange eine zweite Auflage der Chronik (vgl. Diels a. a. O. 5. Wachsmuth a. a. O. 20). Die Annahme schien eine überraschende Bestätigung zu finden, als in dem Index Academicorum Philodems (Vol. Herc. I² 162–197. Bücheler Ind. Greifsw. 1869/70) zuerst Roeper (in der Recension von Büchelers Ausgabe, Philolog. Anz. II 1870, 22ff.) und, von ihm angeregt, Gomperz (Jenaer Litteraturz. II 1875, 603f.; S.-Ber. Akad. Wien CXXIII 1890 VI Philodem und die aesthet. Schriften d. herkul. Bibl. 83ff.) zusammenhängende Reihen unversehrt erhaltener, nicht etwa in Prosa aufgelöster komischer Trimeter entdeckten, die dem Inhalt nach nur aus einer Chronik stammen konnten; da das letzte sicher zu fixierende Datum (col. XXVI = XXIX) der Tod des Akademikers Boethos von Marathon ist, 9 Jahre, nach unserer Ausdrucksweise, nach dem des Karneades, also 120/119, schien es sicher zu sein, dass A. nach 119 eine zweite Ausgabe der Chronik veranstaltete, oder, wie Zeller meinte (Philos. d. Gr. III 1³, 47), einen Nachtrag hinzufügte. Die Sache dürfte sich etwas anders verhalten. Die Reste des philodemischen Index lassen folgenden Thatbestand erkennen. [2859] Die gewöhnliche, keine Spur von Trimetern aufweisende Darstellung reicht bis col. XXVI Anfang, ihre letzten Worte beziehen sich auf Metrodor von Stratonikeia. Dann setzen, aber ohne dass der Anschluss erhalten wäre, auf derselben col. XXVI die Trimeter über Boethos von Marathon, den Zeitgenossen des Karneades, gestorben 120/19, ein. Col. XXVII – auch deren Anschluss an col. XXVI ist nicht erhalten – hat Trimeter, die sich nur auf Lakydes und seine Nachfolger, also auf eine erheblich frühere Zeit beziehen können; auf col. XXVIII – ohne Anschluss an col. XXVII – wird in Trimetern Eubulos von Ephesos, der Lehrer des Boethos von Marathon, abgehandelt, nach einer Lücke folgt auf dem Schluss von col. XXVIII und dem Anfang von col. XXIX das Stück über Boethos, das schon auf col. XXVI stand, noch einmal, darauf folgt col. XXX und col. XXXI, die weder unter sich noch an das vorhergehende anschliessen, Trimeter ebenfalls über unmittelbare Nachfolger und jüngere Zeitgenossen des Karneades; mit col. XXXI hören die Trimeter auf. Offenbar wollte Philodem die Lücke zwischen der früheren Vorlage, die mit den unmittelbaren Nachfolgern des Karneades aufhörte, und der späteren, die erst kurz vor Philon von Larisa einsetzte, ausfüllen. Er liess zunächst die Trimeter über Boethos abschreiben, darauf sollten die folgen, welche col. XXX und XXXI stehen, thatsächlich indessen schieben sich eine Reihe dazwischen von solchen, die in eine frühere Zeit gehören, und zwar in die Zeit vor 144, während jene Trimeter über Boethos, die zweimal abgeschrieben die Reihe der vor 144 gehörigen einrahmen, das erste Stück sind, das spätere Daten als 144 enthält. Erwägt man nun die auffallende Ausführlichkeit, mit der Boethos, Melanthios und die anderen jüngeren Zeitgenossen des Karneades geschildert werden, ferner dass noch im 1. Jhdt. die gangbare Ausgabe der Chronik mit 144 schloss, so liegt es viel näher, als an eine zweite Ausgabe an einen Nachtrag zu denken, den nicht A. selbst, sondern ein attischer Akademiker bald nach 120 dem Abschnitt über die neue Akademie anhing. Diesen Nachtrag wollte Philodem aufnehmen; entweder er selbst oder sein Schreiber haben sich aber eines anderen besonnen und das unmittelbar vorhergehende Stück des echten A. noch hinzugefügt. Auch der Vorlage des Diogenes war der Nachtrag mit Karneades Todesdatum bekannt; doch ist er, wie der sog. Skymnos zeigt, in die gewöhnlichen Exemplare nicht hineingekommen.
A. und Eratosthenes chronologische Tabellen fingen nach Diodors Zeugnis (I 5, 1) erst mit der Zerstörung Troias an. Trotzdem finden sich bei christlichen Schriftstellern mehrere Citate aus A.s Chronik, die in eine weit frühere Zeit zurückreichen. Auf die griechische Vorzeit beziehen sich frg. 72 (Clem. strom. I 105 p. 382 P. über die Apotheosen griechischer Heroen) und frg. 71 (Synk. 182, 4 über die Könige von Sikyon), auf die chaldaeische frg. 67 (Synk. 71, 3ff. Euseb. I 7, 21. 13, 11), eine ägyptische Königsliste (frg. 70), die Eratosthenes auf königlichen Befehl aus ägyptischen Urkunden übersetzt und A. aus Eratosthenes übernommen haben sollte, hat Synkellos (p. 171, 4ff. 180, 8ff. 190, 6ff. 195, 6ff. 204, [2860] 20ff. 233, 6ff. 278, 22ff.) erhalten, die letzten 53 allerdings, für die er nur A., nicht Eratosthenes als Gewährsmann (279, 9) anführt, weggelassen. Da alle Daten vor 1184/3 fallen und somit dem eratosthenisch-apollodorischen System widersprechen, da ferner die barbarischen Namen in Trimeter nicht hineingehen, ist das über jeden Zweifel erhaben, dass hier eine Täuschung vorliegt, aber schwerer zu entscheiden ist die Frage, wie alt die Fälschung ist und ob sie aus heidnischen oder aus jüdisch-christlichen Kreisen stammt. Die sikyonische Liste, die noch die runde Zahl 1000 erhalten hat, ist höchst wahrscheinlich die Vorlage für die Kastors gewesen, der die Summe wegen des Synchronismus zwischen Aigialeus und Ninos auf 995 herabsetzte, Näheres ist in der genannten Abhandlung zu finden. Die ägyptische Liste zerfällt in zwei Teile. Die 53 von Synkellos nicht genannten Könige, zusammen mit dem letzten genannten, Ἀμουθαρταῖος, entsprechen genau den 54 Königen, welche in dem eusebianischen Manetho die 20.–30. Dynastie zusammensetzen (v. Gutschmid Beitr. z. Gesch. d. alt. Orients 4f.). Die Recension des Africanus zählt 61, und zwar liegen die Differenzen in der 22. und 23. Dynastie: dort hat Africanus drei benannte und sechs namenlose Könige, Eusebios nur die drei benannten, hier lässt Eusebios den Ζήτ des Africanus aus. Die Übereinstimmung mit Eusebios ist kein ‚Armutszeugnis‘, sondern eine Empfehlung, da Eusebios als Chronologe dem von den Modernen seit Scaliger ungebührlich überschätzten Africanus weit überlegen war und stets die besseren und älteren Listen benutzte (eine von neuen Gesichtspunkten aus geführte Behandlung der manethonischen Frage wird als II. Teil der oben citierten Abhandlung demnächst von mir erscheinen). Die ersten 33 Nummern der Liste lassen sich nur teilweise bei Manetho nachweisen (eine bequeme Übersicht giebt C. Frick Rh. Mus. XXIX 266f., der im übrigen alles durcheinander wirft), und so viel ist auf alle Fälle klar, dass sie mit Manetho keinen directen Zusammenhang hat, auch nicht aus ihm reduciert ist. Nun geben freilich wieder Anlass zum Verdacht zwei Übereinstimmungen mit dem sog. Παλαιὸν χρονογραφεῖον (Synk. 95, 10ff.), einer nach Eusebios und vor Panodor entstandenen christlichen Fälschung des 4. Jhdts. (Boeckh Manetho und die Hundssternperiode 40ff. v. Gutschmid Kl. Schr. I 240ff. Unger Manetho 20ff.). Angeregt durch Eusebios, der aus Gründen der biblischen Zeitrechnung die manethonischen Dynastien erst von der 16. an in seinen Kanon aufnahm, reduciert dieser Chronologe die ersten 15 manethonischen Dynastien auf 15 γενεαί, d. h. auf 15 Einzelkönige, als deren Regierungszeit er 443 Jahre angiebt (Synk. 96, 2): das ist aber gerade so viel als die Summe der Regierungszahlen, welche die sog. eratosthenisch-apollodorische Liste ihren ersten 15 Königen giebt (Boeckh Manetho 43). Ferner wird die Gesamtzahl der ägyptischen Regierungen auf 113 berechnet, davon kommen nach dem überlieferten Text des Synkellos auf die Götterregierungen 1 + 12 + 8 = 21, also auf die menschlichen 92. Die eratosthenisch-apollodorische Liste aber zählt 38 + 53 = 91 Könige, und vermutlich ist die Übereinstimmung einst eine vollständige [2861] gewesen; denn von allen Reconstructionen der Tabellen des Παλαιὸν χρονογραφεῖον ist die von v. Gutschmid (Kl. Schr. I 240f.) vorgeschlagene die wahrscheinlichste, nach der eine Götterregierung ausgefallen und die Lücke bei der 29. tanitischen Dynastie nach den übrigen Quellen durch die Regierungszahl 7 zu ergänzen ist, und so kommen 91 menschliche Regierungen heraus. Indes folgt aus diesen Übereinstimmungen nur so viel, dass jener christliche Chronologe die apollodorische Liste zur Construction seines Schwindelsystems benutzte, nicht dass er sich diese Grundlage selbst erst zimmerte. Denn solche Grundlagen pflegen in jener Zeit in irgend einer Weise mit Manetho zusammenzuhängen, und das trifft, wie gesagt, auf die Liste nicht zu. Die ersten 15 Könige sind hier auch mit nichten aus den manethonischen ersten 15 Dynastien reduciert, sondern die Liste ist bis nr. 33, mit Manetho verglichen, eine Auswahl, die den manethonischen Dynastien I–XII entspricht, in ganz ähnlicher Weise wie auch ägyptische Listen erhalten sind, die weniger Namen geben als Manetho. Wie die manethonischen Reihen – ich lasse die Zahlen ganz beiseite – erst von der 18. Dynastie Anspruch darauf haben, als Überlieferung zu gelten, die früheren aber unsicher und unordentlich Überliefertes zusammenconstruieren, so beginnt in der apollodorischen Liste die zusammenhängende Folge erst an einem Punkt, der in die manethonische 19. Dynastie fällt. So sieht diese Liste doch sehr so aus, als sei sie die Übersetzung eines ägyptischen Königspapyrus, und jeder Zweifel muss schwinden, wenn man erwägt, dass die Übersetzungen der ägyptischen Namen ins Griechische trotz aller Irrtümer eine Sprachkenntnis verraten (vgl. z. B. Pietschmann Zeitschr. f. äg. Spr. XXXI), wie sie einem Christen des 4. Jhdts. unter keinen Umständen zugetraut werden kann. Gefälscht sind nur die grossen Namen A. und Eratosthenes, aber die Urkunde selbst ist echt und kann wenigstens aus alexandrinischer Zeit, noch aus dem 1. Jhdt. v. Chr. stammen, als die Ägyptomanie sehr im Schwange war. Wie das Document den christlichen Chronographen bekannt geworden ist, kann nur eine eingehende und von den modernen Vorurteilen freie Untersuchung lehren.
Das eben gewonnene Resultat wird vollauf bestätigt durch genaue Untersuchung des chaldaeischen Fragments (67). Synkellos (71, 3ff. πρὸς τούτοις καὶ Ἀπολλόδωρος ὁμοίως τούτοις τερατευόμενος οὕτω λέγει· ταῦτα μὲν ὁ Βηρωσσὸς ἱστόρησε πρῶτον γενέσθαι βασιλέα Ἄλωρον κτλ.) giebt dem Wortlaut nach aus A. ein Excerpt aus Berossos über die zehn chaldaeischen Urkönige, welche während der 432 000 Jahre vor der grossen Flut unter Xisuthros regiert haben sollen. Das Excerpt kann nur aus Eusebios stammen und steht auch in der armenischen Übersetzung (7, 21ff.), wird aber von ihm nicht A., sondern in der Überschrift und am Schluss (7, 11. 11, 3. 12) Alexander Polyhistor zugeteilt. Allerdings erscheint im Text ein sonderbares Citat des A., das Missverständnisse geradezu herausfordert. Nachdem Alexander Berossos Werk beschrieben und ausgeführt hat, dass er für die älteste Zeit nur die Namen, nicht die Thaten der Könige aufgeführt, auch am Schluss keine Tabellen gegeben [2862] hätte (vel nec memoratu dignum reputat quod exinde numerus regum disponatur), fährt er fort (7, 20): incipitque (natürlich Berossos) in hunc modum scribere: Apolodorus ait primum extitisse regem Alorum etc. Das ist so Unsinn, da Berossos nicht A. citiert haben kann, und v. Gutschmid (Euseb. ed. Schoene I 240) schlug daher vor, den griechischen Text des Eusebios so zu reconstruieren: ἄρχεται δ’ οὕτω γράφειν Ἀπολλόδωρος· πρῶτον λέγει – Berossos nämlich – γενέσθαι βασιλέα Ἄλωρον. Diese Vermutung würde Alexander imputieren, dass er Berossos hier nicht direct, sondern durch A.s Vermittlung excerpierte. Das ist schon an und für sich sehr unwahrscheinlich und geradezu unmöglich bei der Art, wie A. eingeführt wird; Alexander würde es nicht versäumt haben, sein sonderbares Verfahren ausführlicher zu rechtfertigen. Das Richtige ergiebt sich aus dem Citat 14, 11 quemadmodum et Apolodorus in volumine enarrat: im Text des Eusebios stand ἄρχεται δὲ γράφειν οὕτως, ⟨ὡσαύτως δὲ καὶ⟩ Ἀπολλόδωρος λέγει, und das hat den armenischen Übersetzer und Synkellos dazu verführt, A. zum Bürgen für die Excerpte aus Berossos zu stempeln. Das ist allerdings unzweifelhaft, dass das Citat nicht Eusebios, sondern Alexander selbst zuzuweisen ist. Eusebios pflegt solche Citate nicht so kurz in seine Excerpte einzuschalten und würde sich das höchstens erlauben, wo es sich um ein ganz bekanntes Werk handelt, was weder der echte noch der falsche A. zu seiner Zeit noch war: und dass er A. so wenig aus erster Hand kannte wie Berossos, gesteht er durch das Verzeichnis seiner Quellen I 265 offen und ehrlich ein. Dagegen hatte Alexander, als er das obscure Geschichtswerk des Berossos hervorzog, allerdings Grund, sich auf einen berühmten Namen als Parallelinstanz zu berufen. Somit ist der Schluss unausweichlich, dass noch vor Alexander Polyhistor, um 100 herum, die Chronik A.s eine prosaische Fortsetzung nach oben erhielt, die auch auf babylonische und ägyptische Geschichte einging und einheimische, durchaus nicht zu verachtende Quellen aufschloss, daneben auch arge pragmatische Schwindeleien über die Göttergeschichte in Curs setzte. Um zu zeigen, dass das in damaliger Zeit nichts Unerhörtes war, genügt es, auf Alexander selbst zu verweisen, der also das Aufstöbern von allen möglichen epichorischen Curiosa nicht erfunden, sondern gelernt hat; die Neubearbeitung der Chronik des Lyders Xanthos, die Dionysios Skytobrachion neben seinen euhemeristischen Fälschungen und Tollheiten unternahm, ist auch nur ein Ausfluss der gleichen orientalisierenden und, was sich stets zusammenfindet, aufklärerisch-rationalistischen Strömung, und so liesse sich noch manches andere anführen.
Für den grossen Beifall, den die poetische Form des chronologischen Handbuchs fand, ist der sog. Skymnos ein beredter Zeuge. Wie dieser, so hat auch noch ein anderer bald nach ihm ein geographisches Handbuch in apollodorischen Trimetern geschrieben und es geradezu unter dem Namen A. und dem Titel Γῆς περίοδος (so Strabon, Steph. Byz. citiert Περὶ γῆς) herausgegeben, so dass schon Strabon (XIV 677) getäuscht wurde. Echt ist es auf keinen Fall, da sonst die Vorrede des sog. Skymnos gegenstandslos werden würde, [2863] auch ist nicht zu übersehen, dass Strabon das Buch nur einmal obenhin erwähnt, es aber nie citiert. Benutzt ist es nur bei Stephanos, und zwar nur das zweite Buch (zu den Fragmenten bei Müller sind hinzuzufügen ausser frg. 109 a Steph. Byz. s. Δερβίκκαι. Μάκρωνες; dagegen gehören von den titellosen in die Geographie mit Sicherheit nur 130. 132. 138. 145).
Die eratosthenischen Forschungen über die Komödie dehnte A. auf die sikeliotische aus in den Büchern über Sophron (Schol. Aristoph. Vesp. 525 ἐν τῇ δ τῶν Περὶ Σώφρονος. Athen. VII 281 e ἐν τῷ τρίτῳ Περὶ Σώφρονος τῷ εἰς τοὺς Ἀνδρείους μίμους. III 89 a. VΙΙ 309 c. Diogenian. Schol. Il. V 516 Β ἐν τοῖς Περὶ Σώφρονος) und Epicharm (Phot. Suid. s. καρδιώττειν: ἐν ἕκτῳ Περὶ Ἐπιχάρμου, hierher gehört auch frg. 187 = Athen. XIV 648 d über den falschen Epicharm); Hand in Hand mit diesen Arbeiten gingen kritische Recensionen, sicher die Epicharms (Porphyr. vita Plotin. 24) und wahrscheinlich auch die Sophrons, da auf A.s Ausgabe die Einteilung in ἀνδρεῖοι und γυναικεῖοι μῖμοι zurückgehen dürfte. Wie ferner Aristophanes von Byzanz und sein Schüler Kallistratos (Athen. XIII 591 d), auch der Aristarcheer Ammonios (vgl. den Katalog Athen. XIII 583 d = 567 a) zur Sacherklärung der Komödie, für die sich gerade Aristophanes besonders interessierte (Porphyr. bei Euseb. praep. ev. X 3 p. 465 d), die Traditionen über die attischen Hetaeren zusammenstellten, so verfasste auch A. ein solches Buch (Athen. XIII 586 a = Harp. Φανοστράτη ἐν τῷ Περὶ τῶν Ἀθήνησιν ἑταιρίδων [ἑταιρῶν Harp.]. 591 c ἐν τῷ Περὶ ἑταιρῶν), das nebst den anderen gleichen Inhalts von einem atticistischen Grammatiker des 1. Jhdts. v. Chr. für eine Zusammenstellung der bei den Rednern vorkommenden Hetaeren excerpiert wurde; diese Zusammenstellung wiederum liegt vor bei Athen. XIII 585 f ff. und Harp. s. Ἄνθεια. Ἀντικύρα. Ἀφύαι. Γλυκέρα. Λαγίσκα. Ναίς. Νάννιον. Νεμεάς. Σινώπη. Φανοστράτη.
Nicht mit unbedingter Sicherheit lässt sich behaupten, dass von diesem A. auch ein gegen den Musikschriftsteller Aristokles polemisierendes Buch verfasst ist, aus dem Athenaios (XIV 636 f Ἀ. ἐν τῇ Πρὸς τὴν Ἀριστοκλέους Ἐπιστολὴν ἀντιγραφῇ) ein Bruchstück über Musikinstrumente anführt. Aristokles muss sein Werk Περὶ χορῶν allerdings nach Ptolemaios Physkon (146–117) verfasst haben (Athen. IV 174 d), also zu einer Zeit, in der A. schwerlich noch am Leben war; und vollends kann A. nicht gegen den rhodischen Grammatiker des 1. Jhdts. (Strab. XIV 655) geschrieben haben. Andererseits spricht das Fehlen eines Distinctivs dafür, dass der berühmte A. gemeint ist, und dass er sich für solche Dinge interessierte, beweist Strab. X 471; die Identification des rhodischen Grammatikers mit dem Musikschriftsteller ist keineswegs wahrscheinlich, und dieser kann seine Schriftstellerei sehr wohl schon unter Physkon und zu einer Zeit begonnen haben, in der A. noch lebte.
Das bedeutendste philologische Werk A.s war der in enger Verbindung mit Aristarchs Homerstudien stehende und aller Wahrscheinlichkeit nach Aristarch schon vorliegende Commentar zum Schiffskatalog. Das Werk war in 12 Bücher [2864] geteilt (Porphyr. bei Eust. 263, 37 Ἀ. ὁ Ἀθηναῖος ἐπραγματεύσατο τὰ περὶ τοῦ καταλόγου ἄριστα ἐν δώδεκα βιβλίοις. Steph. Byz. s. Ἄργουρα. Πλαταιαί. Ὠρωπός: ἐν πρώτῳ Νεών καταλόγου oder πρώτῳ τοῦ Καταλόγου; Strab. I 31 ἐν τῷ Περὶ νεῶν καταλόγου δευτέρῳ = VΙΙ 298 ἐν τῷ δευτέρῳ Περὶ νεῶν προοιμιαζόμενος; Athen. III 82 b ἐν ε Περὶ νεῶν καταλόγου; Steph. Byz. s. Κορώνη: ἑβδόμῳ τοῦ Καταλόγου. Steph. Byz. s. Λιταί: ἑβδόμῳ; Steph. Byz. s. Ὤλενος: ἐν τῇ ῆ τοῦ Νεῶν καταλόγου; Strab. XII 552 ἐν τῷ Τρωικῷ διακόσμῳ; Strab. IX 405. XIV 677 ἐν τοῖς Περὶ νεῶν. IX 416 οἱ τὰ Περὶ Νεῶν συγγράψαντες. Steph. Byz. s. Τένεδος. Schol. Dionys. Thrac. p. 786, 9 Bekker ἐν Νεῶν καταλόγῳ; fälschlich hat Müller frg. 1 [von Βωδώνη an]. 128. 129. 131. 133. 134. 135. 136. 139. 142. 144. 149 nicht unter die des Katalogs aufgenommen), und wenigstens so viel lässt sich noch erkennen, dass im ersten Buch A. auseinandersetzte, wie grossen tellurischen und politischen Veränderungen seit der homerischen Zeit Griechenland unterworfen gewesen war (vgl. Strab. IX 406 mit Steph. Byz. s. Πλαταιαί. Strab. VIII 370 mit Steph. Byz. s. Ἄργουρα), in der Vorrede des zweiten dagegen seine Grundsätze über die Behandlung der homerischen Geographie entwickelte (Strab. VII 298 = I 31 = I 43 = XII 553). A. schloss sich der von Platon in Opposition gegen den Einfluss der Dichter begründeten, von Aristoteles technisch entwickelten Ästhetik an, welche die alexandrinische Grammatik recipiert hatte, dass der Dichter nicht belehren, sondern ein künstlerisches Wohlgefallen erregen wolle (Eratosthenes bei Strab. I 15 ποιητὴν πάντα στοχάζεσθαι ψυχαγωγίας, οὐ διδασκαλίας) und zog, Eratosthenes folgend, für die homerische Geographie daraus den Schluss, dass Homer kein geographisches Orakel sei, sondern zwar die griechischen Landschaften und die Westküste Kleinasiens beschreibe wie ein Kenner und Augenzeuge, hier also eine exacte Interpretation verlange, alles weitere aber frei, nach des Dichters Recht und Pflicht erfinde, weshalb er denn auch scharf gegen Kallimachos Versuche, die Irrfahrten des Odysseus zu localisieren, protestierte (Strab. I 44 = VII 299). In der Behandlung des Einzelnen verrät er überall die strenge Schule Aristarchs, wenn er ihn auch hier und da berichtigt (die Stellen bei Niese Rh. Mus. XXXII 270f.). Für ihn, wie für Aristarch, ist Homer einer der nach Ionien ausgewanderten Athener (Strab. VIII 384. X 457; vgl. VIII 333. 383. IX 392), wonach er ihn auch in der Chronik fixiert hatte (frg. 74); mit Aristarch teilt er die engherzige, aber für die damalige Philologie allerdings methodische Beurteilung der νεώτεροι (Strab. VII 329. VIII 339. 356. 368. 371. 372. XIV 680; Polemik gegen Hesiod Strab. VIII 370 [vgl. frg. 49], gegen Alkaios Strab. IX 412 = 411, gegen Pindar VII 328. IX 411 [vgl. 407]. 412. XIV 655, gegen Euripides VIII 366. 377, gegen Arat X 478, gegen Kallimachos [s. ο.] IX 437. X 479; vgl. auch IX 404, vollständiger Steph. Byz. s. Τάναγρα), doch finden sich Spuren einer freieren Ansicht (vgl. Strab. IX 431); ein scharfer Ausfall gegen Zenodot steht Strab. IX 413 (vgl. IX 407 mit Aristonikos zu Il. V 708, Strab. IX 426 mit Aristonikos zu Il. II 532). Der gelehrte Grammatiker verrät sich [2865] in dem mit raren Citaten gespickten Excurs über apokopierte Bildungen Strab. VIII 364; auf sorgfältige Unterscheidung der Homonymen wird gedrungen (Strab. VIII 338. X 453; vgl. Niese a. a. O. 273), die Ethnika beobachtet (Steph. Byz. s. Λακεδαίμων. Τένεδος; vgl. Niese a. a. O.), der homerische Sprachgebrauch festgestellt (vgl. Strab. VII 329). A. hatte in den ionischen Historikern, auch in Ephoros Vorgänger, mit denen er sich auseinandersetzt (Polemik gegen Hekataios Strab. VIII 341, gegen Hellanikos IX 426. X 451, gegen Ephoros X 463 und Aristoteles [vgl. Demetrios VII 321. 322] X 461. 463), vor allem aber in dem grossen Werk des Demetrios von Skepsis, dem Τρωικὸς διάκοσμος, das er vielfach benutzt hat (Strab. VIII 339 παρ’ οὗ μεταφέρει τὰ πλεῖστα; vgl. I 45). So stammt das Citat aus Euripides Archelaos bei A. Strab. VIII 371 aus Demetrios Strab. V 221, und nicht anders steht es mit den Citaten aus Euphorion und dem Aitoler Alexander XIV 681, vgl. Demetrios XII 566; das Xanthoscitat findet sich nicht nur bei Demetrios XII 572, sondern schon bei Lysanias, Schol. Eur. Androm. 10; vgl. ferner A. Strab. IX 401 mit Demetrios Strab. VII 321; IX 413 ist mit οἱ δέ Demetrios Strab. I 59 gemeint, ebenso IX 436, vgl. Schol. Apoll. I 238; von den mehrfachen Etymologien von Κούρητες Strab. X 467 ist die eine sicher aus Demetrios X 473, die Lesart Zenodots Strab. XII 553 brauchte A. allerdings nicht aus Demetrios XII 543 zu entnehmen; im übrigen vgl. noch besonders Demetrios Polemik gegen Hellanikos, Strab. X 456. XIII 602. Aber A. benutzt selbständig, verwertet das von Demetrios zusammengetragene Material anders und bekämpft ihn, wo es nötig erscheint (vgl. Strab. VIII 339. 370 – ἄλλοι ist Demetrios –. X 456f. 463 vgl. mit VII 321. Schol. Genev. Il. XXI 319 vgl. mit Schol. Apoll. I 1123; das Citat des Maiandrios in dem Fragment aus Περὶ θεῶν bei Macrob. sat. I 17, 21 steckt in dem Excerpt aus Demetrios bei Strab. XIV 635, vgl. XII 552. XIII 626 = Steph. Byz. s. Ὕδη); da Demetrios, obgleich kein Krateteer strenger Observanz und unter aristarchischem Einfluss stehend, doch sehr selbständig aufgetreten war und dem Meister gerne opponiert hatte, ist das Buch A.s als die officielle Antwort der alexandrinischen Schule auf das μέγα βιβλίον des Localgelehrten von Skepsis anzusehen. Es ist für die Erklärung Homers auch jetzt noch von unschätzbarem Wert. A. legt in der Regel das Material vor, aus dem er seine Schlüsse zieht, und so richten auch Irrtümer, zu denen ihn die alexandrinische Doctrin verführte, wie die Hypothese des triphylischen Pylos, keinen Schaden an, sondern stützen nur die Erkenntnis des Richtigen; wie solide das Buch gearbeitet war, wird am besten durch einen Vergleich mit den tollen Phantasien des Krates klar, die A. selbst vornehm ignoriert zu haben scheint (nur VII 299 taucht ein Citat aus Zenon auf). Das Vorbild des Eratosthenes und der Gegenstand schützten ihn ausserdem vor der Gefahr, sich in scholastischer Weise nur in die Homerinterpretation zu verbohren, und so liefert er auch in der starken Verkürzung Strabons für die älteste griechische Geschichte vortreffliches, auf gründlicher Erudition beruhendes Material.
[2866] So wenig auch der orthodoxe Stoiker Strabon mit den wissenschaftlichen Grundsätzen A.s übereinstimmte, so war er doch – ein charakteristisches Zeichen für die wissenschaftliche Impotenz der stoischen Philologie – für die homerische Geographie lediglich auf ihn angewiesen, und diesem Zusammenwirken günstiger Umstände ist es zu verdanken, dass von A.s Commentar verhältnismässig sehr viel erhalten ist. Einer Lehrsschen Beobachtung folgend lieferte Niese 1877 (Apollodors Commentar zum Schiffskataloge als Quelle Strabons, Rh. Mus. XXXII 267–307) den Beweis, dass Strabon überall da, wo er homerische Geographie behandelt – und das ist der weitaus grösste Teil der Bücher VIII bis X –, A. folgt. Von den Argumenten sind die Übereinstimmung mit den erhaltenen Fragmenten und die Spuren aristarchischer Methode, auch die Unterscheidung der Homonymen durchschlagend, mit Vorsicht sind die Concordanzen mit Epaphroditos zu behandeln, falsch ist die Hypothese, dass alle Metonomasien aus A. seien (vgl. Strab. IX 397 mit 391 = A. bei Steph. Byz. s. Ἀκτή). Den Irrtum Nieses, dass Strabon Demetrios von Skepsis nur durch A.s Vermittlung benutzt hätte, berichtigte Gaede Demetrii Scepsii quae supersunt, Diss. Greifsw. 1880. Die exacte Reconstruction von A.s Werk ist ein dringendes Bedürfnis und sonderbarer Weise noch nicht in Angriff genommen; Schwierigkeiten macht freilich weniger die Scheidung von A. und Demetrios, als die zwischen A. und Artemidor, dem Autor der Periegese Strabons, da dieser A. benutzte und Strabon beide öfter in einander gearbeitet hat, doch lassen sich die Schwierigkeiten in den meisten Fällen überwinden. Dagegen hat Bethe (Untersuchungen zu Diodors Inselbuch, Herm. XXIV 402ff.) vergeblich versucht, A. als Quelle Diodors im V. Buch zu erweisen. Er stützt sich hauptsächlich auf Concordanzen zwischen den von Kreta handelnden Kapiteln (V 64–80) und Strabon. Aber die Übereinstimmungen, welche sich auf die Kureten und idaeischen Daktylen beziehen (Diod. V 64. 65 und Strab. X 472. 473, auch das Ephoroscitat bei Diodor V 64, 4 steckt in den οἱ μὲν ἐπιχωρίους τῆς Ἴδης bei Strab. X 473), laufen nicht auf A., sondern auf Demetrios von Skepsis zurück, dessen Sammlungen für diese Dinge eine allgemein beliebte Fundgrube waren, und gerade die sehr bestimmte Behauptung bei Diodor, dass die Kureten kretischen Ursprungs seien, kann nicht A. zugeschrieben werden, da dieser sie, Homer folgend, nicht nur in Kreta, sondern auch in Aitolien localisierte und sie überhaupt von einer Sitte herleitete, also in ihnen – übrigens mit Recht und auf Grund richtiger sprachlicher Observation – keinen bestimmten Volksstamm sah (Strab. X 463. 466f.); ferner steht bei Diod. V 70, 6 derselbe Irrtum über die Lage des kretischen Ida und des diktaeischen Berges, den A. (Strab. X 478) Arat vorwirft; die Polemik gegen Kallimachos ist, wie Bethe selbst zugiebt, Diod. V 76, 4 und Strab. X 479 durchaus verschieden. Wenn Strabon und Diodor in einigem über Minos und die Besiedelung Kretas übereinstimmen (Diod. V 78, 2 = Strab. X 476; Andron, den Strabon X 475 citiert, liegt auch Diod. V 80, 2 zu Grunde, ist aber verändert, vgl. 1 mit Steph. Byz. s. Δώριον), so hat das seine [2867] Ursache darin, dass A., wie er selbst sagt, für Kreta Sosikrates benutzte (Strab. X 475), und derselbe Sosikrates in der Compilation über Kreta steckte, die Diodor excerpierte nach seiner eigenen Angabe (V 80, 4 Δωσιάδῃ καὶ Σωσικράτει καὶ Λαοσθενίδᾳ), der den Glauben zu versagen kein plausibler Grund vorliegt. Schon ganz im allgemeinen betrachtet dürfte klar sein, dass die Beschreibung Kretas bei Diodor die Ruhmredigkeit kretischer Localantiquare des 3. und 2. Jhdts. verrät und von dem wissenschaftlichen, über solche Schnurrpfeifereien erhabenen Werk des Alexandriners weit abliegt. Die Beweise aber, welche Bethe für die Abhängigkeit von Diod. V 47–63. 81–83 von A. vorbringt, sind, wie er selbst eingesteht, so vage und wenig zwingend, dass sie ohne weiteres zusammenbrechen, wenn feststeht, dass die kretischen Kapitel mit A. nichts zu thun haben.
Ich gebe nun zum Schluss ein Verzeichnis der Stellen Strabons, welche ich nach eingehender Untersuchung A. zuweisen zu müssen glaube. Im ersten Buch sind aus ihm nur die schon angeführten Citate. Über das siebente lässt sich infolge seiner Verstümmelung nicht sicher urteilen, doch dürften aus A. genommen sein ausser 3, 6 und 7, 10 (von οἴονται – Σελλήεντος; Anfang und Schluss sind aus Demetrios), wo ausdrückliche Citate vorliegen, 7, 11. 12. frg. 1. 2. 14 (ὧν καὶ ὁ Εὔρωπος – ποιητής, vgl. IX 441, und der Schluss von ἐπὶ μὲν δὴ ταῖς ἐκβολαῖς an, vgl. IX 442; dasselbe gilt von frg. 15. 16); dagegen werden frg. 20 Schl. 21 Anfang = frg. 23. frg. 21 Schl. = frg. 24. frg. 38–40. frg. 50. 51. 57. 58 besser Demetrios (vgl. frg. 35. 57) zugewiesen. Vom achten Buche an beginnen mit dem Eingehen auf die homerische Geographie (vgl. 332 τὰ μὲν οὖν τῶν ἄλλων εὐδιαίτητά ἐστι, τὰ δ’ Ὁμήρου σκέψεως δεῖται κριτικῆς ποιητικῶς τε λέγοντος καὶ οὐ τὰ νῦν, ἀλλὰ τὰ ἀρχαῖα, ὧν ὁ χρόνος ἠμαύρωκε τὰ πολλά) auch die grossen Excerpte aus A.: 1, 2 (vgl. XIV 653) gehört in die Einleitung. Von nun an dürfte es sich empfehlen, dem Schiffskatalog zu folgen. Aus A. ist zunächst die Vorgeschichte IX 2, 3 (vgl. 392. 411) und 2, 16–20, ein Abschnitt aus dem ersten Buch, wie oben nachgewiesen ist; der Commentar A.s setzt ein 2, 10–12, wie man an dem Rückschreiten der Periegese sieht; vorher ist aus ihm das Sätzchen Αὐλίς – Ταναγραίων, vgl. VII 298. Sodann gehören ihm 2, 22–24, in 25 alles ausser ὁ δὲ Ἑλικών – οὐ πολλῇ χώρᾳ (vgl. IX 413. X 471), 26–29, 30 von ἔκειτο an, 31 mit Ausnahme von ἐνταῦθα – μάχῃ, 32–36, 13. 14 (⟨σκεπτέον δ’ ἂν ε⟩ἴη – δὲ νῦν scheint ein Zusatz aus Demetrios zu sein), 40–42. Die Fuge zwischen Artemidors Periegese und dem phokischen Katalog liegt 3, 13 bei οὐδ’ αἱ Ἀβαὶ δέ, wo das Excerpt aus A. anfängt und bis 15 καὶ Ἐλάτεια fortläuft, auch 16 ist aus A. Zum lokrischen Katalog gehören 4, 2, wie viel in 4, wage ich nicht zu entscheiden, sicher aber 5. 6. 7 – ἑτέρων ὄντων, höchst wahrscheinlich auch 8 mit Ausnahme des letzten Satzes und 9. Der euboeische Katalog umfasst X 1, 3 (ausser dem Einschiebsel καὶ ηὔξησαν – Φιλιστίδην). 4. 5 (den Anfang natürlich ausgenommen). 6 (ausser ἐν δὲ τῇ – παραπλησίως). 7. 8 ohne den letzten Satz. 9 von ἔστι δὲ καί an (ins erste Buch zu setzen). [2868] 10 ohne den Schluss, der aus Demetrios zu sein scheint (vgl. VIII 339). 12. 13. 15. Vom attischen Katalog sind erhalten ein kurzes Citat IX 1, 3 (vgl. Steph. Byz. s. Ἀκτή) und die für den Athener charakteristischen Beweise (5–7. 10. 11), dass Megara und Salamis von Rechts wegen zu Attika gehören; wahrscheinlich auch die Archaeologie von Salamis in 9 und das Philochoroscitat 20. In der Beschreibung der Argolis schaltet Strabon im Anfang nur ein paar Stücke aus A. in den Periplus ein, so das Citat VIII 6, 1 über das homonyme Epidauros, in 2 die Angabe der Distanz zwischen Argos und Mykene (vgl. 372) und die Polemik gegen die νεώτεροι am Schluss; mit 5 beginnt der Commentar und umfasst 6 (nur der Schluss von ἄλλοι an ist aus Demetrios zugesetzt). 7 (von πλάσμα an). 9. 10 (nur der kleine Satz ἐν ᾧ τὰ Πολυκλείτου – Φειδίου λειπόμενα ist eingeschoben). 11–13. 14 (mit Ausnahme von πρόκειται δὲ – ἑαυτὸν τοῦ ζῆν). 15 bis καὶ μάλιστα διὰ τὴν ἐπιφάνειαν. 16 (– οἱ ὑπ’ αὐτόν und dann wieder von ἡ δὲ χώρα an bis zu dem Ephoroscitat am Schluss). 17. 19 (– ἐνταῦθα δὲ καὶ ἡ Νεμέα). 20 (– τοῖς τὰ κλεῖθρα ἔχουσι). 24 (– κεῖται δ’ ὁ Φλειοῦς). 25 (– ἀνῳκίσθαι δ’ αὐτήν). 7, 1 (– ἀπὸ μὲν οὖν Τεισαμενοῦ). 2. 4. 5 (ausser Ῥωμαῖοι – μέτριον, δέδεκται δ’ – ἐνταῦθα und dem Schlussatz). Aus dem lakonischen Katalog sind genommen VIII 5, 3. 5 von Ἀχαιοὺς γὰρ – Ἀχαΐαν καλουμένην. 6. 7 (– εἰσὶ δὲ λατομίαι). 8. 4, 1–3 (– ἐνταῦθα). 4 (von μεταξὺ δὲ an). 5 (ἣν ἔφαμεν – κεκλῆσθαι verweist auf das Citat des Demetrios VIII 339). 6. 10 – λαβεῖν ἡγεμόνα. Besondere Schwierigkeiten macht die Ausscheidung des pylischen d. h. nach A. des triphylischen Katalogs. Zunächst steht durch die Vergleichung des Anfangs von VIII 3, 12 mit 20 und 21 fest, dass hier A. noch nicht einsetzt, und dass Artemidors Küstenbeschreibung vorliegt, zeigt die Übereinstimmung über die Eurotasmündung mit VIII 5, 2, wo der Ursprung aus Artemidor durch das Citat Steph. Byz. s. Ψαμαθοῦς feststeht. Der Periplus läuft aber fugenlos fort bis 16 Anfang; mit den Worten μεταξὺ δὲ τοῦ Λεπρέου springt die Beschreibung zurück, und da hier zugleich die eigentliche Homerinterpretation einsetzt, beginnt zweifellos das Excerpt aus A., um sich bis 23 Schluss fortzusetzen; das aus Demetrios (vgl. XII 542) eingeschaltete Sätzchen 17 δοκοῦσι – ἡ γραφή ist um so leichter auszuscheiden, als unmittelbar vorher A.s Ansicht steht. Innerhalb des aus Artemidor excerpierten Stücks steht allerdings in 14 der apollodorische Ansatz von Pylos (vgl. VIII 336. 361, auch Schol. Pind. Pyth. VI 35); aber das dürfte darauf beruhen, dass Artemidor hier A. folgte, denn nach Pylos ist die folgende Beschreibung, die gar nicht nach A. aussieht, orientiert. Ob 12 Schluss (vgl. Athen. VIII 346 b) und 15 Schluss von Strabon oder schon von Artemidor aus Demetrios genommen sind, will ich nicht entscheiden; Quelle des Ganzen ist Demetrios sicher nicht, da er mit Recht Pylos nach Messenien verlegte (VIII 339); keinenfalls dürfen die Concordanzen zwischen 16. 19 und Paus. V 5. 6 irre machen; sie beweisen nur, dass Pausanias Gewährsmann A. verarbeitet hat. Dass dessen Periegese keine Küstenbeschreibung und nicht aus Artemidor ist, sollte auf den ersten Blick klar [2869] sein, und der Ἐφέσιος ἀνήρ V 5, 9 ist nicht ein Geograph, sondern ein Grammatiker, ich glaube Zenodot (vgl. A. bei Strabon VIII 3, 21). Strab. VIII 3, 24–29 liegt dann wieder ein langes Excerpt aus A. vor; auch hier muss ein kleines Stück, 25 Schluss von αὐτοῦ δέ που an, als aus Demetrios stammend, ausgeschaltet werden, das Strabon um so eher zusetzen konnte, als unmittelbar vorher A. gegen Demetrios – denn der wird mit ἔνιοι gemeint sein – polemisiert. Aus A. sind auch 30 von κατὰ μὲν γὰρ τὰ Τρωικά an (vgl. Schol. Il. XI 700 T). 31. 32. Im arkadischen Katalog hatte es A. offenbar viel Gelehrsamkeit gekostet, die homerischen Orte nachzuweisen, weshalb denn auch Strabon hier auf das Excerpieren verzichtet hat, vgl. VIII 8, 2 Schluss. Um so mehr hat er aus dem eleischen Katalog erhalten: nach der kurzen Bemerkung über Il. XV 518, die in die artemidorische Periegese VIII 3, 4 eingelegt ist, und dem von Gaede (a. a. O. 4ff.) nachgewiesenen Bruchstück des Demetrios VIII 3, 5 beginnt Strabon zunächst 6 eine Gegenüberstellung von A. und Demetrios, folgt aber dann 7–11 ausschliesslich A.; nur die apollodorische Argumentation über Epeer und Eleer (vgl. X 459 τῆς Ἠλείας καὶ τῶν Ἐπειῶν) hat er dadurch verwirrt, dass er 8 aus Demetrios den Satz τὸ δὲ Βουπράσιον – καὶ τοῦτο (über die richtige Lesung vgl. v. Wilamowitz bei Gaede 49) und den ganzen Schluss von ἦν δ’ ὡς ἔοικε an eingeschoben hat; dass der ganze Abschnitt nicht aus Demetrios ist, zeigt die Differenz 10 Schluss über Ἀλεισίου κολώνη (Il. XI 757), das A. als Stadt, Demetrios (Schol. Il. XI 751) als Grab des Aleisios fasst. Ein Anhang zum elischen Katalog ist die Ausführung über die Echinaden X 2, 19, die zum kephallenisch-akarnanischen überleitet. Hier hat Strabon Demetrios und A. ineinander gearbeitet: aus jenem (vgl. die Lesung Νήριτος Od. XXIV 377 mit I 59) sind X 2, 8. 9. 10 – Σάμον ἐκάλεσεν. 13 – ἐφ’ ἡμῶν δέ. 14 (vgl. Σάμη als Name der Insel), aus diesem 10 von dem Citat an. 11 (der Schluss zielt gegen Demetrios). 17. 20. 24; 16 stehen beide nebeneinander. 12 hängt mit I 28. 34 zusammen und ist aus einem Stoiker entlehnt, ich vermute Poseidonios. Der aitolische Katalog A.s ist excerpiert in X 2, 3–6. 21 vom Citat an (die Differenz mit Artemidor beruht darauf, dass Artemidor Pleuron und Kalydon östlich vom Euenos ansetzte, Strabon hat den Fehler nicht gemerkt und darf nicht corrigiert werden). 22. 3, 1 (ohne den Schluss, denn der verweist auf Demetrios VIII 340. X 453; aber A. hatte die gleiche Ansicht, vgl. X 454), das Citat in 4 und 6–18. Der kretische Katalog ist benützt X 4, 3 bis zu dem Citat Artemidors, 6–9 bis ὑπὲρ τῆς Κρήτης (ob das Ephoroscitat 8 Strabon oder A. zuzuweisen ist, lässt sich nicht sagen). 11–15, der rhodische XIV 6–8. 10 (das Timaioscitat ist eingelegt), aus dem der Sporaden ist nur X 5, 19 bis zum Citat des Demetrios erhalten. Um so reichlicher sind die Auszüge aus dem thessalischen Katalog: IX 5, 5–7. 8 (mit Ausnahme von Φίλιππος – εἴπομεν und des Citats aus Artemidor). 9–12. 14 von καταλέγει an – κατὰ δὲ τὸν Ἀντρῶνα. 15 (mit Ausnahme des Citats aus Artemidor). 16 (ohne ἣν κατέσκαψε – μετατροπῆς und den Schluss von ὕστερον δέ an). 17. 18 (ohne das von φησὶ δ’ – Φθίην δ’ ἐξικόμην [2870] reichende Citat des Demetrios). 19. 20 (ohne den Schluss). 21. 22 (– ὑπὸ Εὐμήλῳ). 23. Dagegen ist von dem troischen Katalog nur noch sehr wenig vorhanden, nichts mehr als die Citate XII 552f. XIV 661. 677f.; hier zog Strabon Demetrios vor, dessen ganze Art ihm sympathischer war.
An die durch Strabon gebotene Grundlage lassen sich dann die – recht zahlreichen – Reste A.s, welche bei Stephanos und in den Homerscholien umherliegen, ohne Mühe anschliessen. Vermittelt sind diese – von Aristonikos natürlich abgesehen – in den weitaus meisten Fällen durch Epaphroditos (vgl. Steph. Byz. s. Βῆσσα. Θίσβη. Δουλίχιον und Strab. X 459; er versteckt sich auch s. Δύμη in dem Citat Ἀ. ἢ ὁ τὰ τούτου ἐπιτεμόμενος, denn dass es sich um den Katalog handelt, beweist die Parallelstelle Strab. VIII 388), der übrigens A. nicht sclavisch folgte, sondern z. B. Pylos nach Messenien (vgl. Steph. Byz. s. Αἰπύ. Ἀμφιγένεια. Θρύον. Κυπαρισσήεις und die Kureten nach Akarnanien (vgl. Steph. Byz. s. Κουρής) verlegte. Übrigens citiert auch Herodian A. (zu Il. II 592), wie er überhaupt zu den Autoritäten der aristarchischen Schultradition gehört. Gelegentlich versteckt sich ein Citat unter der Corruptel Ἀπολλώνιος wie Schol. Od. XIX 177 (vgl. Strab. X 476. Etym. m. 768, 25. Apoll. soph. 155, 4; im Scholion ist für Εὔβοιαν zu lesen Βοῖον).
Eine weite, das Überkommene überschauende Gelehrsamkeit thut sich in den Resten A.s auf, die zu durchmustern darum nicht minder instructiv ist, weil er jedenfalls vieles schon gesammelt vorfand. Von Epikern werden citiert Hesiod Strab. VII 299. IX 404 (vgl. Steph. Byz. s. Ὑρία). 414 (vgl. arg. Pind. Ol. 14). 424 (dazu gehört Schol. Il. II 522). 393. VIII 370 (6 und 7, vgl. frg. 49). 385. 364. 342. X 442; Antimachos IX 409. VIII 364. 345 = 387. 349 (vgl. Steph. Byz. s. Ἀμφιγένεια); nur für eine sprachliche Erscheinung Empedokles VIII 364; von Lyrikern Archilochos (VIII 370. X 457 = XII 549), Tyrtaios (VIII 366. 362 mit litterarhistorischem Excurs), Ion (VIII 364 für Sprachliches), Alkman (VII 299. X 446. 460), Stesichoros (VIII 347, wichtig, weil aus der Form des Citats sich ergiebt, dass die Rhadina, wie übrigens auch Kalyke und Daphnis, nicht von Stesichoros ist. 356), Alkaios IX 411. 412. Schol. Genev. Il. XXI 319 (dass das Fragment in den Katalog gehört, beweist die Parallelstelle des Demetrios Schol. Apoll. I 1123), Simonides IX 441, Pindar VII 328 (10 und 11). IX 404. 411. 412. 413. X 469. IX 431; von Tragikern Aischylos VII 299. X 447. IX 393. VIII 387. X 470, Sophokles IX 392. VIII 370. 364. 356. X 458. 470. IX 433, Euripides IX 404 (vgl. Steph. Byz. s. Ὑρία). VIII 371 (aus Demetrios, vgl. V 221). 377. 366. 356. X 469; von Komikern Epicharm VIII 364 für Sprachliches; von Alexandrinern Philetas und Simias für Sprachliches VIII 364, Arat VIII 387. 364. X 478, Rhianos IX 443 (= Schol. Apoll. III 1090), Kallimachos I 44. VII 299. VIII 347. X 479. IX 438, Euphronios VIII 382, Euphorion VIII 364. XIV 681 (aus Demetrios, ebenso wie das Citat des Aitolers Alexander, vgl. XII 566). Schol. Genev. Il. XXI 319, erwähnt wird Mnasalkas VIII 412. Die Historiker kommen selbstverständlich oft vor: Thukydides VIII 333. IX 423. VIII 370 (dagegen polemisiert Demetrios XIV 661). X 462, Ephoros [2871] IX 415 (vgl. Schol. Il. IX 581). X 462. 463. 467 (vgl. 480). 479. XIV 678, Kallisthenes VIII 362, Theopomp VII 299. IX 424. VIII 373. X 445. IX 440, die Milesier Dionysios, Bekker An. Gr. 783, 6, und Hekataios a. a. O. VIII 372 (vgl. frg. 359). 341. XII 553 (aus Zenodot vgl. 543), Pherekydes VIII 349 (vgl. Herodian. zu Il. II 592), Hellanikos IX 426. X 451, Andron IX 392. X 475 = IX 437 (aus Sosikrates, vgl. Diodor. V 80, 2), Aristoteles VII 299. VIII 373. 374. 345. X 445. 447. 461 (aus Demetrios, vgl. VII 322). 463 (ebenso), Staphylos X 475, und dann die stattliche Reihe der Localantiquare, die Atthidographen IX 392, Androtion ebenda (vgl. Schol. Il. XIII 685), Philochoros VII 328. IX 404. 392. 397. VIII 362, die Thessaler Suidas und Kineas VII 329, Archemachos von Euboia X 465, Theagenes VIII 375 = Schol. Pind. Nem. 3, 21, Kleitophon VIII 384 = Schol. Il. XX 404, Echepylidas VIII 359 (Steph. Byz. s. Σφακτηρία). 341 (Steph. Byz. s. Ὕρμινα), Menelaos VIII 341 (Steph. Byz. s. Ὕρμινα), Sosikrates X 474 (aus ihm ist jedenfalls sehr viel im kretischen Katalog, dafür sprechen schon die auffallend häufigen und doch in keinen Periplus passenden Distanzangaben). Historische Notizen aus Herakleides (VIII 384. X 479, vgl. Porphyr. zu Il. II 649) oder Theophrast (X 479) zu nehmen war nichts Besonderes, aber A. beutete auch so vergessene Bücher wie das des alten Anaximander aus (Bekker An. Gr. 783, 6 vgl. Diog. II 2). Von Geographen wird Eudoxos citiert IX 413, Eratosthenes ausser den schon angeführten Stellen VIII 371 (vgl. 389). 384; die Romane des Teiers Hekataios und des Euhemeros werden VII 299 durchaus zutreffend beurteilt. Von Grammatikercitaten mache ich aufmerksam auf die regelmässig übersehenen des Sotades (VIII 345) und des Asklepiades (Et. M. s. Ἀσπληδών, vgl. Steph. Byz. Strab. IX 415), unter dem natürlich nicht der Myrleaner, sondern der Alexandriner (Schol. Aristoph. Nub. 37) zu verstehen ist.
Wenn auch in erster Linie Realphilologe, ist A. doch den formalen Problemen nicht aus dem Wege gegangen und hat die glossographisch-etymologischen Studien des Aristophanes fortgesetzt; dass er dessen etymologisches Princip übernahm, bezeugt Varro de l. l. VI 2. Von Titeln in dieser Richtung sind überliefert Ἐτυμολογίαι oder Ἐτυμολογούμενα (Athen. II 63 d ἐν β Ἐτυμολογιῶν. XI 483 a ἐν τῷ Περὶ ἐτυμολογιῶν. XIV 663 a aus Dorotheos von Askalon ὁ Ἀθηναῖος Ἀ. ἐν τῷ πρώτῳ τῶν Ἐτυμολογουμένων), eine wahrscheinlich nach sachlichen Rubriken geordnete Sammlung von Etymologien, aus der u. a. durch Soranus (vgl. Et. M. 541, 23. Orion 129, 13) Vermittlung eine Reihe von Artikeln über die Namen der Körperteile erhalten sind (frg. 208. 216. 218. 220. 222. 223. 224. 225), Γλῶσσαι (Herodian zu Il. I 244 Ἀ. ἐν Γλώσσαις; Athen. XIV 646 c Ἀ. δ’ ὁ Ἀθηναῖος καὶ Θεόδωρος δ’ ἐν Ἀττικαῖς γλώσσαις bezieht sich der Titel nur auf Theodoros, vgl. 677 b. 678 d) und mit diesem wohl identisch Λέξεις. Denn Schol. Apoll. I 1089 ist für Ἀπολλώνιος ἐν ταῖς Λέξεσι ἀποδέδωκεν ἄφλαστον τὸ ἀκροστόλιον zu schreiben Ἀπολλόδωρος, wie die Vergleichung des Lex. Seguer. p. 471, 19 erhaltenen Scholions zu Il. XV 717 (vgl. Schol. Townl., in starker Verkürzung geben dasselbe Schol. Ven. [2872] A = Apoll. Soph. 49, 6 = Schol. Lykophr. 291 = Et. M. 177, 42 = Suid. = Hesych.) ἄφλαστα τὰ ἀκροστόλια Ἀπολλόδωρος lehrt: die gleiche Corruptel findet sich Schol. Od. XIX 177 (s. ο.). V 253. XII 22 (vgl. Eust.). Unverständlich ist das verdorbene Citat Schol. Nikand. Alex. 393 καὶ Ἀ. ἐν τοῖς Ὁμήρου οὕτως εἶπεν ‚στρόμβον δ’ ὣς ἔσσευεν (Il. XIV 413)‘, auch die Parallelstellen Schol. Lykophr. 250. Theokr. 9, 25. Sext. adv. mus. 24 geben keine Aufklärung; doch halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass A. einen Band ‚homerische Aufsätze‘ geschrieben hat. Dagegen ist Athen. XI 501 a der Titel Ἀ. ὁ Ἀθηναῖος ἐν τῷ Περὶ τοῦ κρατῆρος ῥησειδίῳ (ῥησειδίου cod.) richtig überliefert: wie sich aus den alten σκόλια und γρῖφοι beim Gelage in den Philosophenschulen die philosophischen ῥήσεις, unter den alexandrinischen Dichtern die παίγνια verschiedener Art herausbildeten, so gaben sich die Gelehrten des Museions in Alexandrien grammatische Fragen auf und setzten ihren Stolz in Antworten von sublimierter Gelehrsamkeit (vgl. Porphyr. zu Il. IX 682); besonders gern wurden homerische Aporien behandelt. Das ῥησείδιον A.s war ein grammatisches παίγνιον, ein gelehrter Scherz, den er den Fachmännern vorsetzte, in der Form einer beim Symposion gehaltenen Rede; das Diminutiv ist gewählt, um das παίγνιον zu charakterisieren.
Was bis jetzt von gelehrten Arbeiten A.s aufgeführt ist, hält sich durchweg in den Grenzen der alexandrinischen Schule und lässt philosophischen Einfluss nur indirect verspüren. Denn A.s etymologische Studien schliessen sich nicht an die Stoa, sondern an Aristophanes von Byzanz an, und die richtige Parallele zu der metrischen Chronik sind nicht die Hymnen des Kleanthes, sondern Hellanikos Καρνεονῖκαι (Athen. XIV 635 f ὡς Ἑλλάνικος ἱστορεῖ ἔν τε τοῖς ἐμμέτροις Καρνεονίκαις κἀν τοῖς καταλογάδην). A. ist darum noch kein Philosoph, weil er in seiner Jugend philosophische Vorlesungen hörte; das that damals jeder gebildete junge Mann und besonders ein attischer Ephebe. Er ging zu Diogenes von Seleukeia, weil nach Arkesilaos und vor Karneades und Kritolaos die anderen Schulen – die epikureische Gemeinde war nichts für den Gelehrten – über keine bedeutenden Lehrkräfte verfügten. Das starke reale Interesse und die Vielseitigkeit mögen ja mit eine Folge davon sein, dass philosophische Bildung den Philologen dazu trieben, auf das Ganze zu gehen und seine wissenschaftliche Forschung mit der Weltanschauung des Philosophen in Parallele zu stellen: aber dann hat auch nicht Diogenes, sondern der Schüler der Antidogmatiker Ariston und Arkesilaos, Eratosthenes, A. die Wege gewiesen. Unmöglich aber ist, dass Panaitios ihn beeinflusste; A. war ein ausgereifter, fertiger Mann, als die rhodisch-römische Epoche der Stoa begann, und nach meinem Dafürhalten hat Suidas eine ähnliche Notiz, wie sie im Ind. stoic. (Rivista di filologia III 539 col. 69) erhalten ist, in ihr Gegenteil verkehrt. Dagegen ist das grösste Werk A.s etwas ganz Neues und kann allerdings dazu verführen, ihn unter die Stoiker einzureihen, die 24 Bücher Περὶ θεῶν (Philodem. de piet. p. 64. Phot. cod. 161). Zu den von Heyne gesammelten Fragmenten, die Müller nur abgedruckt und mit sehr wenigen [2873] Nachträgen (FHG IV 649) vermehrt hat, ist freilich eine stattliche Anzahl hinzuzufügen (Schol. Gen. Il. XXI 447 zur Ergänzung von Schol. ABD. Schol. Gen. Il. XXI 472; Od. III 444. VIII 344. Schol. Pind. Nem. 10, 114. Schol. Eur. Hipp. 73; Alc. 1; Rhes. 36. 346, manche Fragmente sind von Heyne nur unvollständig gegeben wie 13. 14. 17, oder in schlechter Fassung wie 26. 27, wo A.s eigentliche Meinung Schol. Aristoph. Av. 1354; Ran. 798 steht); durch R. Münzel (Quaestiones mythographae, Bonn 1883; De Apollodori Περὶ θεῶν libris, Bonn 1883) und G. Wentzel (De grammaticis Graecis quaestiones selectae I. Ἐπικλήσεις cap. VII 40ff.) sind erhebliche Stücke auf ihn zurückgeführt, und zwar mit solcher Sicherheit, dass die neugefundenen Genfer Homerscholien Münzels Behandlung von Macrob. sat. I 17 glänzend bestätigt haben. Die Untersuchungen lassen sich weiter führen; besonders Cornutus bietet noch manches, vgl. z. B. frg. 4 mit Corn. p. 6, 3. Clem. protr. 29 p. 25 (frg. 13, aber A. fängt ein gutes Stück vor dem Citat schon an) mit p. 41, 6ff., frg. 10 mit p. 74, 21ff. Heraclit. all. Hom. 73 p. 144 M.; ferner hat Theon A. nicht nur in Schol. Apoll. III 549, sondern auch in Schol. Lyc. 87 hineingebracht, vgl. noch Et. M. 664, 52. Das Werk ist viel benützt, und noch in später Zeit, nicht nur von dem sehr gelehrten Porphyrios, sondern auch von Iamblich, Sopater hat es excerpiert: und trotz alledem ist es sehr schwer, sich ein Bild davon zu machen, wie A. die hellenische Religion dargestellt hatte. Hält man sich an Cornutus und Iamblichos, so sieht es allenfalls so aus, als hätte A. ein gelehrtes Handbuch der physischen Theologie geschrieben; denn ein Stoiker ist der Gelehrte noch nicht, der in Apollon und Artemis Sonne und Mond, in Demeter die Erde, in Poseidon das Wasser erblickt. Das sind Ansichten, die seit dem 4. Jhdt. Gemeingut der Gebildeten waren; davon hielten sich nur die Religiosität Platons (Soph. 265 c) und die Irreligiosität Epikurs fern. Aber jene haben aus A.s Gelehrsamkeit sich das herausgesucht, was ihnen in ihre Systeme passte, und A. hat mit nichten die alexandrinische Philologie in den Dienst der ‚Angleichungen‘ (συνοικειώσεις), wie sie Chrysipp und Diogenes mit dogmatischer Rücksichtslosigkeit zurecht schmiedeten, gestellt. Das bezeugt ausdrücklich Philodem a. a. Ο. εἰ καὶ μάχεταί που τοῖς συνοικειοῦσιν, οὐ – und bestätigen die Fragmente. So polemisiert frg. 39 gegen eine gar zu astronomische Ausdeutung, die Philochoros (frg. 170) einem harmlosen Opferkuchen hatte angedeihen lassen, so wird Strab. X 458 die physische Erklärung eines Mythus nur referiert und frg. 41 kann die Deutung, weil nur auf den römischen Kalender passend, nicht apollodorisch sein, so wenig wie frg. 1 die jeder Interpretation Hohn sprechende Etymologie von Δωδωναῖε Πελασγικέ. Nie haben die Stoiker so fein verfolgt, dass ein Gott verschiedene Seiten vereinigt, wie A. den Ἀπόλλων Νόμιος mit dem Apollon, der im Anfang der Ilias die Tiere der Achaeer tötet, zusammenbringt und den erderschütternden Poseidon mit dem, der die troischen Mauern baut (vgl. Schol. Il. XXI 447 Gen., wo Ἀσφάλιον καὶ Θεμελιοῦχον, αὐτὸς δὲ zu lesen ist, und ABD. Macrob. sat. I 17, 43ff., wo der apollodorische Ursprung durch Vergleichung [2874] von 45 mit Strab. IX 426 feststeht. Heraclit. alleg. Hom. 7ff.), und das Bild des Gottes, der von der Ferne wirkt (Schol. Gen. Il. XXI 472, wo für τρίκης nicht τριβῆς, sondern ῥιπῆς zu lesen ist, Heraclit. a. a. O. p. 13 M.), der Leben den Menschen sendet und Tod, ist ungleich wärmer und leuchtender gezeichnet, als es die stoische Speculation je fertig gebracht hat. Der historische Forscher, der Fortsetzer des Eratosthenes und des Peripatos, verrät sich, wenn er die Anschauung widerlegt, als hätte auf den attischen κύρβεις ein urkundliches Ritual gestanden (vgl. Schol. Apoll. IV 280 mit Et. M. 547, 45. Suid. s. κύρβεις), oder aus der Komödie richtigere Schlüsse zieht als sein Meister (Schol. Aristoph. Ran. 798), der alexandrinische Grammatiker in der feinen Interpretation der Dichter (vgl. frg. 10, Sophokles frg. 480 und die homerischen εἴδωλα), in der beständigen Rücksicht auf Homer (Heraclit. alleg. 7. Clem. protr. 29 p. 25. frg. 6 vgl. mit Apoll. soph. 41, 11. Ariston. zu Il. XIII 444), in der vorsichtigen Benützung der Etymologie, die nicht wie bei den Stoikern ein gefoltertes Orakel, sondern ein Wegweiser, eine παρέμφασις (frg. 10) ist. Vielleicht am besten zeigt A.s Art der theologische Excurs des Schiffskatalogs Strab. X 466ff. Zuerst wird aus Homer die Bedeutung von Κούρητες festgestellt, dann die Arten der Feste in Kategorien gebracht, ähnlich wie Aristoteles sich seinen Stoff zurechtzulegen pflegt, und nun, wiederum in einer aristotelischen Ausführungen sehr nahe stehenden Weise, die Wirkungen der Festesfreude, des Enthusiasmus, des Geheimdienstes, der Musik untersucht. So ist der Kreis gefunden, in den die Einzelerscheinungen hineinfallen, und kann dazu geschritten werden, sie im einzelnen vorzuführen. Das ist nicht stoische Systematik, sondern wissenschaftliche Beobachtung des religiösen Lebens; und ähnliches zeigt fast jedes grössere Fragment, vgl. besonders frg. 10 und 30. Gewiss hat A. auf die stoische Theologie Rücksicht genommen, hat sich auch wohl hier und da von ihr verführen lassen: das ändert daran nichts, dass er sich ein ganz anderes Ziel gesteckt hatte, und es ist und bleibt eine historische Unmöglichkeit, dass ein alexandrinischer Philolog ersten Ranges und aus der besten Zeit sich mit dem grössten Werke seines Lebens zum stoischen Dogmatiker und Theologen erniedrigt hätte. Das in seiner Zeit und überhaupt im Altertum einzig dastehende Werk ist ein Symptom des wiedererwachenden religiösen Bewusstseins, das von der rationalistischen Aufklärung und der irreligiösen Theologie der Stoa in die niederen Volksschichten zurückgejagt war und dort lange geschlummert hatte. Wie immer, ist Platons Einfluss auch hier anzunehmen (vgl. Strab. X 468), nur dass A. weit absteht von den ps.-platonischen pythagorisierenden Richtungen, die in Alexandrien neben der strengen Wissenschaft im Dunkel sich rührten und an der Peripherie des alexandrinischen Lebens bei Aristobul und Genossen hervorbrechen. Sodann ist A. Athener, ein Sohn der Stadt, in der die hellenische Religiosität ihre feinsten Blüten in Poesie und Philosophie getrieben, wo sie am längsten gedauert hat; und es mögen wohl die unauslöschlichen Eindrücke der Jugend gewesen sein, die den Mann am Abend seines Lebens dazu trieben, seinen Geist [2875] und sein Wissen in der Götter Dienst zu stellen. Das Buch konnte nur ein wissenschaftliches werden, nicht eine Predigt, und es war nur zu verstehen für die geistig Hochstehenden, die eine Sehnsucht danach fühlen, das religiöse Leben des Volkes nachzuempfinden, ohne von der Höhe ihrer geistigen Anschauung und der mühsam errungenen Freiheit hinabzusteigen. Die Wellen der religiösen Bewegung gingen bald höher, als der Osten in steigendem Masse seine Einflüsse geltend machte und mit dem Verfall der griechischen Wissenschaft der sog. Platonismus und das Pythagoreertum in die gebildeten Kreise der nicht mehr griechischen, sondern griechisch-römischen Welt eindrang, und für die kommende Zeit war die Religionsgeschichte A.s zu vornehm, zu hochschwebend. So wurde dem Werk, das keine geistig gleichstehenden Leser mehr fand, die Seele ausgeblasen, und es blieb nur die gelehrte Materie, ein Steinbruch, aus dem sich die stoischen und platonischen Theologen ebenso versorgten wie die grammatischen Commentarienschreiber. Aber die Geschichte muss A. wenigstens das wieder verschaffen, was ihm gebührt, den Ruhm, neben Aristophanes und Eratosthenes der grösste griechische Philologe gewesen zu sein; ist er in seinem sonstigen Thun ein ebenbürtiger Schüler dieser Meister, der seine Wissenschaft vor Formalismus schützte und das anerkannte Schulhaupt Aristarch günstig beeinflusste – wo sie zusammentreffen, wird A., nicht Aristarch die Priorität zustehen –, so ist die Geschichte der hellenischen Religion ein Werk, das ihm, seinem Denken und seinem Herzen als eigenstes Eigentum gehört und dessen Verlust am schwersten zu verschmerzen ist.
III. Die apollodorische Bibliothek
III. Die apollodorische Bibliothek. Unter dem Namen A.s ist ein mythographisches Buch, Βιβλιοθήκη betitelt, auf uns gekommen. Photios (cod. 186) war es unter demselben Titel bekannt, doch ist es von den Byzantinern nicht viel gelesen, und vor dem Untergang gerettet nur durch einen Gelehrten; denn von einem solchen ist das von R. Wagner ermittelte Original aller noch vorhandenen Abschriften, der cod. Paris. 2722 bomb. saec. XIV, höchst wahrscheinlich geschrieben. Von dieser Hs. sind nur noch siebenzehn Blätter, etwas über die Hälfte, erhalten; für die fehlenden Partien treten die Copien aus der Renaissance ein (vgl. über sie R. Wagner Mythogr. Graeci I p. XI), die aber auch unvollständig sind, da schon vor saec. XV im Archetypus der Schluss des Ganzen und ein Stück von dem γένος Ἀσωποῦ verloren gegangen war. Einen leidlichen Ersatz sowie eine sehr erwünschte Controlle des vielfach verdorbenen Textes liefern zwei Auszüge, die erst in jüngster Zeit aufgefunden sind, die vaticanische und die sabbaitische Epitome. Jene wurde von R. Wagner 1885 im cod. Vatic. 950 saec. XIV entdeckt und 1891 unter dem Titel Epitoma Vaticana herausgegeben, leider mit einem wenig gelungenen, Curae mythographae betitelten Anhang beschwert, was um so lästiger ist, als diese Ausgabe durch die neue Gesamtausgabe (s. u.) auch jetzt noch nicht entbehrlich geworden ist. Die Epitome rührt von niemand anders als von Isaak Tzetzes her, wie daraus hervorgeht, dass gelegentlich der echte Text A.s nach den Lykophronscholien interpoliert [2876] ist: vgl. II 61 mit Schol. Lykophr. 33, epit. 6, 4 mit Schol. Lykophr. 427 (das wesentliche ist, dass Kalchas gar nicht antwortet; im übrigen ist der sabbaitische Text nach Tzetzes so zu emendieren κἀπὶ τούτοις [καὶ τούτους cod.] ἄρρενα ⟨ἕνα, δέκα δὲ⟩ ὅλους, da ἄρρενας ὅλους sprachlicher und sachlicher Unsinn ist). Etwas später als der Auszug des Tzetzes wurde ein mindestens ebenso reichhaltiger, diesen vielfach ergänzender von Papadopulos-Kerameus in einer Hs. des jerusalemer Klosters des h. Sabbas gefunden und Rh. Mus. XLVI (1891) 161ff. publiciert, besprochen wurde dieser Zuwachs von R. Wagner Rh. Mus. XLVI 378ff.; die nicht sehr sorgfältige Abschrift des griechischen Gelehrten ist berichtigt von H. Achelis[WS 1] (Rh. Mus. XLVI 617ff.) und dem Finder selbst (Ἀνάλεκτα Ἱεροσολυμικῆς σταχυλογίας, Petersburg 1891, mir unbekannt). Auch hier ist die Originalpublication bis jetzt noch unentbehrlich. Neben diesen Auszügen sind als Hülfsmittel der recensio heranzuziehen Tzetzes Commentar zu Lykophron, auf den besonders v. Wilamowitz hingewiesen hat, der Interpolator Zenobii und die Scholien zu Platon, sowie ein paar zu Sophokles: dagegen sind die ἱστορίαι der Homerscholien nicht Excerpte aus A., sondern aus einem A. sehr nahe stehenden, aber reicheren Buche, und die auf später Interpolation beruhenden Subscriptionen in Schol. Il. I 42. 126. 195. II 103. 494 – man beachte, dass sie nur in den ersten beiden Büchern vorkommen – dürfen nicht täuschen; vgl. Jahrb. f. Philol. Suppl. XII 458. Photios und unsere Hss. kennen keine Einteilung in Bücher, mit Recht, da der Verfasser selbst nur nach Kapiteln hat teilen wollen. Die herkömmliche, leider immer noch festgehaltene Dreiteilung der Ausgaben stammt von Aegius; dass schon in byzantinischer Zeit ein solcher Versuch gemacht ist, zeigen die erwähnten Subscriptionen (Schol. Il. I 195 ἐν πρώτῳ = I 20. Schol. Il. II 103 ἐν δευτέρῳ = II 5. Schol. Il. I 42 ἐν β = II 10. Schol. Il. II 494 ἐν τῷ γ = III 21).
Die Bibliothek wurde zuerst herausgegeben von B. Aegius 1555, mit zahlreichen Zusätzen aus anderen Quellen, da es lediglich ein praktisches und brauchbares Compendium der historia fabularis sein sollte. Der Text der Editio princeps pflanzte sich von einem Herausgeber zum anderen fort (vgl. Heyne p. XLV), bis Heyne um seiner mythologischen Vorlesungen und Forschungen willen die erste kritische Ausgabe veranstaltete (Göttingen 1783, zweite Aufl. 1803). So ungenügend das Material war, das Heyne aus dem Nachlass G. van Swindens durch Ruhnkens Vermittlung erhalten hatte, so ist doch das Buch eine sehr bedeutende Leistung. Da der Commentar des trefflichen Bachet de Meziriac leider nie erschienen ist, sind Heynes Observationes der erste und einzige Versuch, die Parallelüberlieferung zu sammeln, geblieben und noch immer, trotz ihrer vom Verfasser eingestandenen Unvollständigkeit, für viele ein mythographisches Orakel. Nach Heyne haben C. Müller (FHG I) durch Heranziehung des Parisinus 2722, Hercher (Berlin 1874) durch seine Emendationen um den Text sich verdient gemacht, dieser hat allerdigs auch durch übermässige Streichungen vielen Schaden gestiftet. Bekker ist nur nominis [2877] causa zu erwähnen. Eine, freilich nicht genügende, recensio hat vor Kurzem R. Wagner (Mythographi Graeci vol. I) herausgegeben; vgl. meine Recension in der Berl. philol. Wochenschr.
Das Buch giebt eine knappe Erzählung des griechischen Sagenstoffs in der Ordnung, dass zuerst die Theogonie abgehandelt wird (I 1–44 ἀλλὰ περὶ μὲν τούτων μέχρι τοῦ δεῦρο ἡμῖν λελέχθω), dann die Heldensage in genealogischer Ordnung folgt, und zwar werden zuerst die Sagen vom Geschlecht des Deukalion erzählt (I 45–147), dann die von dem des Inachos (II 1 ἐπειδὴ δὲ τὸ τοῦ Δευκαλίωνος διεξεληλύθαμεν γένος, ἐχομένως λέγωμεν τὶ Ἰνάχειον), das sich in das des Belos (II 11–180) und des Agenor (III 1 ἐπεὶ δὲ τὸ Ἰνάχειον διερχόμενοι γένος τοὺς ἀπὸ Βήλου μέχρι τῶν Ἡρακλειδῶν δεδηλώκαμεν, ἐχομένως λέγωμεν καὶ τὰ περὶ Ἀγήνορος) zerlegt, daran schliessen sich die Sagen von Pelasgos und seinen Nachkommen (III 96 ἐπανάγωμεν δὲ νῦν πάλιν ἐπὶ τὸν Πελασγόν [vgl. II 2]–109), von den Töchtern des Atlas (III 110–155) und des Asopos (III 156–176, der Schluss fehlt), von Kekrops und seinen Nachfolgern (III 177–epit. 1, 24), von den Tantaliden (epit. 2), die überleiten und auslaufen in den homerischen Sagenkreis (epit. 3–7, 40): die Odysseussage bildete nach Photios den Schluss.
Nach dem Zeugnis Heynes – Wagner giebt nichts darüber an – ist der hsl. Titel Ἀπολλοδώρου Ἀθηναίου γραμματικοῦ Βιβλιοθήκη. Danach sollte es als ein Werk des oben geschilderten A., des Aristarcheers, erscheinen und wurde auch lange dafür gehalten, obgleich man schon früh auf die Schwierigkeiten einer solchen Annahme aufmerksam wurde, bis Robert in der 1873 erschienenen Dissertation De Apollodori bibliotheca den Beweis lieferte, dass der Athener A. der Verfasser nicht gewesen sein könne: klaffende Widersprüche mit den Bruchstücken von Περὶ θεῶν – vgl. besonders I 14ff. mit Schol. Rhes. 346 –, das vor 61 v. Chr. unmögliche Citat der Chronik Kastors II 5, zahlreiche Verstösse gegen die alexandrinisch-aristarchische Doctrin, die buntscheckige, dichterische Anklänge mit spätem Sprachgut sorglos mischende Diction sind die unwiderleglichen negativen Argumente, denen sich als positives zugesellt der Zusammenhang der Schrift mit den ilischen Tafeln, Hygins Fabeln, den ἱστορίαι der Homerscholien, eben mit der Litteratur, die man sich gewöhnt hat als die der mythographischen Handbücher zu bezeichnen: über das Einzelne vgl. meinen Aufsatz De scholiis Homericis ad historiam fabularem pertinentibus (Jahrb. f. Phil. Suppl. XII) und Bethe Quaestiones Diodoreae mythographae, Diss. Gött. 1889. Diese Litteratur ist eine compilatorische, die nur mit Überkommenem wirtschaftet und die Überlieferung nicht bereichert oder wissenschaftlich ordnet, sondern excerpiert und verdünnt; die einzelnen Producte haben zwar individuelle Eigentümlichkeiten, die aber nur auf der Auswahl des Excerpierten beruhen, und keiner ihrer Verfasser hat selbständige Studien gemacht: die Wagnerschen Curae mythographae, welche bald von dem Handbuch reden, bald mit der Hypothese operieren, dass der Verfasser der Bibliothek noch Asklepiades oder Philostephanos im Original benutzt hätte, verraten [2878] eben dadurch, wie durch die naiven Reconstructionen sophokleischer Tragödien und kyklischer Epen, dass sie die unreife Arbeit eines über die Entwicklung der Mythographie ungenügend orientierten Anfängers sind. Alle derartigen Versuche, dem Verfasser der Bibliothek selbständige Quellenstudien zuzuschreiben, beruhen auf dem Glauben, dass die ἱστορίαι der Homerscholien wegen der Subscriptionen für wirkliche Excerpte aus den citierten Schriftstellern zu halten seien, während sie thatsächlich aus einem der Bibliothek nah verwandten Buch stammen und die Subscriptionen nur an den Schluss gesetzte Citate sind, die ebenso gut sich auf eine einzelne Variante, wie auf einen Teil der Erzählung beziehen können und nur in günstigen Ausnahmefällen, wenn der Compilator gerade die ganze Erzählung aus einem Autor genommen und diesen genannt hatte, ohne nennenswerten Fehler das ganze Excerpt umfassen. Selbst von dem Werk des Pherekydes, das am ersten für eine directe Quelle der Bibliothek gelten könnte und vielfach auch gegolten hat, steht es völlig fest, dass es nur indirect benutzt ist; vgl. die sehr gründliche und gewissenhafte Behandlung dieser Frage bei Luetke Pherecydea (Diss. Gotting. 1893) 32ff. Aus all diesem ergiebt sich der Satz, dass es nicht zulässig ist, ein einzelnes Product dieser mythographischen Litteratur zu isolieren und darauf hin Hypothesen zu entwerfen, sondern dass stets die gesamte mythographische Überlieferung als ein untrennbares Ganzes[WS 2] genommen und behandelt werden muss. In diesem Sinne hat Bethe Recht, wenn er ein mythographisches Handbuch als Urquelle ansetzt: was freilich nicht zu der Hoffnung verführen darf, als wenn sich dies Handbuch reconstruieren liesse. Gewiss ist die grosse Übereinstimmung unserer mythographischen Quellen nur so zu erklären, dass von Anfang an die Hauptmasse des Stoffs den Späteren übermittelt ist, dass eine bestimmte Schule die Methode, wie die Nacherzählung aus den verschiedenen Quellen zusammenzusetzen sei, ausgebildet hat, dass ferner das gelehrte Material, die Zusammenstellung der Varianten, im wesentlichen von Anfang an gesammelt vorlag und im Lauf der Zeit nur vermindert, nicht oder wenigstens nur unerheblich vermehrt wurde: aber eben die Anfänge sind nicht ganz einfach gewesen, und es müssen mehrere Bücher, nicht nur eins, die Originale der erhaltenen Compilationen gewesen sein.
Die Frage also, wann und aus welchen Quellen die Bibliothek zusammengestellt ist, verwandelt sich von selbst in die nach dem Alter und der Anlage der mythographischen Compilationen überhaupt. Ein bestimmter terminus ante quem ist dadurch gegeben, dass Diodors viertes Buch zum grössten Teil aus einer solchen Compilation genommen sein muss, und dieser Termin rückt durch die Beobachtung noch etwas weiter hinauf, dass auch das ἐγκώμιον Ἡρακλέους des Matris, aus dem Diodor mindestens IV 8–16 entlehnt hat, das Material aus solchen Compilationen bezogen hat. Die Anlage ist die, dass für die Haupterzählung massgebende Dichterstellen oder auch Partien aus Mythographen zu Grunde gelegt werden. So ist Diodor IV 64ff. die Oedipussage nach dem Prolog von Euripides Phoenissen erzählt, der [2879] auch bibl. III 48. 49 (– ἡ δὲ ἀνελοῦσα ὑποβάλλεται) zu Grunde liegt, so in der Bibliothek und bei Hygin die Argonautenfahrt nach Apollonios, die Theogonie zum grössten Teil wenigstens nach Hesiods Theogonie, Schol. Il. XIV 323 ist der Hauptsache nach eine Paraphrase des Scut. Herc. 1ff. u. s. w.. Massgebend ist nur die ἀκολουθία τῶν πραγμάτων, nichts anderes, so dass Contamination nicht nur möglich, sondern ganz gewöhnlich ist. Epit. 6, 30 erzählt nach Euripides Helena, setzt aber statt Theoklymenos Proteus ein, um Homers willen; epit. 5, 14 ist die Darstellung der Andromachesage aus dem euripideischen Stück und einem Motiv aus der Hermione des Sophokles (Schol. Od. IV 4) zusammengeflickt, III 79 liegt in der Hauptsache Euripides zu Grunde, wie Plut. Thes. 29 beweist, aber der Ἐλέου βωμός ist eingesetzt, eingesetzt auch das Begraben in Theben und zwar aus Isokrates IV 58, nach dem wörtlichen Anklang zu schliessen. I 45 ist aufzulösen in Aeschyl. Prom. 1–8. 94. Hesiod. op. 50–52; theog. 523–525. Diodor IV 62 und Schol. Od. XI 321 geben zuerst den Prolog des zweiten Hippolyt wieder, um dann in den ersten oder in romanhafte Umbildungen des ersten einzulenken; in der Bibliothek epit. 1, 18. 19 fehlen um dieser Contamination willen die für den ersten Hippolyt charakteristischen Motive, Theseus Rückkehr aus dem Hades und Athen als Schauplatz der Handlung. In anderen Fällen, namentlich da, wo eine vom Epos unabhängige tragische Behandlung der Sage für alle Zeiten durchgeschlagen hatte, wie z. B. Sophokles Antigone und Oedipus auf Kolonos, Euripides Bakchen, taurische Iphigenie, Medea, wird zwar nach der Tragödie erzählt, gelegentlich, besonders bei Hygin (s. u.), mit Beibehaltung vielen Details, aber nie so, dass von einer ὑπόθεσις im technisch-peripatetischen Sinne, d. h. von einer den dramatischen Aufbau des Stücks klar wiedergebenden Inhaltsangabe die Rede sein kann; derartiges lag den Mythographen von Anfang an ganz fern, und Werke wie die des Dikaiarch und Hieronymos haben auf diese Sagenerzähler keinen Einfluss ausgeübt, oder höchstens den, dass ein gelehrtes Citat aus ihnen übernommen ist. Andererseits ist es gar nicht selten, dass einzelne Züge sich in die Erzählung hinein verlieren, wie Eur. Bacch. 26ff. = bibl. III 27 (vgl. die Subscriptio von Schol. Il. XIV 325), wie ein Schol. Pind. Isthm. 3, 92 aufbewahrtes sophokleisches Motiv in Hyg. fab. 84, wie ein Vers aus dem Prolog von Sophokles Meleager in Schol. Il. IX 534; Dinge, die nur zu leicht zu den thörichtesten Schlüssen verführt haben. Denn es ist unbedingt festzuhalten, dass die mythographische Überlieferung günstigsten Falles nur den Einfluss einer Tragödie auf die Sage widerspiegelt, aber von der Tragödie selbst, von dem Gang des Stückes, all den Dingen, die für die Reconstruction in erster Linie wichtig sind, keine Vorstellung geben will und kann. Es folgt ohne weiteres, dass für das Epos dies noch viel weniger der Fall ist: wissenschaftliche Inhaltsangaben von Tragödien hat es gegeben als Fortsetzungen der aristotelischen Poetik, die aber mit der Mythographie nichts zu thun haben: den Inhalt der kyklischen Epen, denen von der peripatetisch-alexandrinischen [2880] Kritik die epische Ökonomie abgesprochen wurde, mit wissenschaftlicher Exactheit wiederzugeben, dafür musste sich jeder alexandrinische Grammatiker mit Recht für zu gut halten.
An die Erzählung selbst wurden die Varianten angefügt, bald kürzer, bald zu neuer Erzählung auswachsend, bald wiederum zu einem Nest von Citaten zusammengehäuft: dies ist das gelehrte Element der Compilationen, um dessen willen sie auch von angesehenen Grammatikern, wie Theon z. B., nachgeschlagen und benutzt wurden. Zur Aufreihung der verschiedenen κεφάλαια der Erzählung dient die Genealogie.
Es ist nicht geradezu falsch, aber doch schief, wenn man in diesen Productionen Schulbücher erblickt. Gewiss hat ein Schulmeister, wie z. B. der Vater des Statius, wenn er die Dichter lesen liess, solcher Bücher nicht entraten können; aber – und darauf kommt es an – sie sind nicht für Schulzwecke geschrieben. Roberts Meinung (De A. bibl. 35ff.), dass z. B. Bibl. I 101 eine durch paedagogische Gründe veranlasste Correctur der Schol. Od. XI 289 erzählten Geschichte vorliege, traut diesen Litteratoren eine Pruderie zu, die ihnen im Grunde ihre ganze Schriftstellerei hätte verleiden müssen, und dass sie vor sehr kräftigen Werken und Worten sich nicht ängstigten, dafür ist III 188 ein vollgültiger Beweis; ich möchte die Fassung der Bibliothek I 101 für die ältere halten, die noch die Spur des Aberglaubens bewahrt, während diese im Schol. Od. XI 289 zu einem pragmatischen Motiv verroht ist. Nicht der Schule, sondern der allgemeinen Bildung dienen die mythographischen Compilationen, der allgemeinen Bildung, die in der griechisch-römischen Epoche vom 1. Jhdt. v. Chr. an von jedem verlangte, dass er die Sage als das Object der Poesie kannte, damit des Dichters Kunst gewürdigt werde: für die Poeten von Calvus und Catull an und für ihr Publicum waren solche Bücher unentbehrlich. Und doch sind des Parthenios für Cornelius Gallus verfasste Ἐρωτικὰ παθήματα nicht das eigentliche Prototyp der Gattung, sondern nur ein Seitenschössling: denn die Gattung ist älter als das Auftreten der cantores Euphorionis. Sie konnte nur entstehen aus dem Kreis der gelehrten Grammatik heraus, aber nicht in deren klassischer Zeit, als sie vornehm die reine Wissenschaft und eine exclusive Poesie pflegte, sondern als nach der Sprengung des Museions von Alexandrien die wandernden Gelehrten gezwungen waren, sich den Bedürfnissen eines weiteren Publicums anzupassen; sie ist ein Product jener Popularisierung und extensiven Ausbreitung der Grammatik, die der Wende des 2. und 1. Jhdts. eigentümlich ist, und ihre älteren Formen verraten noch, dass sie begonnen hat und entstanden ist als gelehrte Unterhaltungslectüre. Seit der Sophistik hat die Verarbeitung der Sage zu pragmatisierenden Romanen, deren ältestes für uns erkennbares Beispiel die Werke des Herodoros von Herakleia sind, beständig den Beifall des grossen Publicums gefunden; nur traten in hellenistischer Zeit das geographische Element, wie bei Euhemeros, hinzu, und die ξένη ἱστορία, deren Bedeutung für die mythographische Tradition meist unterschätzt wird. Ihr Reiz beruht auf der künstlichen und raffinierten [2881] Weiterentwicklung von Motiven, welche die fortgeschrittene Tragödie, besonders die des Euripides, in die Sage hineingebracht hatte; die Sage wird so mehr und mehr ihrer Seele beraubt, aber das litterarisch gebildete Publicum durch die neuen Verflechtungen, die überraschenden Ausführungen von ursprünglich nur leicht hingeworfenen Einfällen, ja die directen Umkehrungen der Sage in sensationeller Weise unterhalten. Die Träger dieser Bewegung sind ursprünglich das ausgeartete Drama, die nacheuripideische Tragödie, die Parodie der mittleren Komödie und die Phlyakographen; gefälschte Autornamen, durch die das Nachgedichtete zum Original der grossen Meisterwerke gestempelt wird, machen unter Umständen die Sache noch pikanter. In Alexandrien wurde dies Treiben fortgesetzt: hierhin gehören die mythographisch-geographischen Romane des Mnaseas von Patara, und als bestes Beispiel das von Diodor im 3. und 4. Buch excerpierte Werk des Dionysios Skytobrachion mit seinem Pragmatismus, seinen falschen Titeln, mit dem Anschluss an die nacheuripideische Tragödie (vgl. meine Ausführungen De Dionysio Scytobrachione 5ff., die ich auch gegen den Widerspruch von Bethe Quaest. Diodor. 16 aufrecht erhalte); besonders zu beachten ist, dass zwischen den grossen Sagengruppen ein kyklischer Zusammenhang hergestellt wird, wie z. B. die Argonautensage durch die Einfügung der Hesioneepisode mit der troischen verkuppelt wird. War das Werk auch ein Roman, so war der Roman doch von einem Gelehrten und mit Benutzung gelehrten Materials gemacht, und es brauchte nur das gelehrte Material selbst vorgelegt zu werden, so entstanden Bücher, wie die des Lysimachos, die den pragmatischen Roman mit einer Fülle von Citaten verzieren und die ganze ξένη ἱστορία auskramen. Zu dieser Gruppe dürften auch Satyros (ὁ τοὺς ἀρχαίους μύθους συναγαγών Dionys. Hal. ant. I 68) und C. Iulius Theopompos, der Knidier (τῷ συναγαγόντι τοὺς μύθους Plut. Caes. 48), gehören; in der ersten Kaiserzeit bemächtigt sich die Rhetorik der Gattung, wie das Beispiel Konons (Dio 18 p. 480) zeigt. Hier flossen die Quellen für die gelehrten Citate der mythographischen Compilationen; nur darf man nicht mit Radtke De Lysimacho Alexandrino (Diss. Strassb. 1893) alles auf den einen Lysimachos zurückführen.
Andererseits verrät der Umstand, dass Diodor grosse Stücke aus dem Roman des Skytobrachion in sein Geschichtswerk aufnahm, dass diese Litteratur nicht nur als Roman, sondern auch als Geschichte angesehen wurde: die Grenze zwischen beiden ist ja auch in der griechischen Litteratur immer eine fliessende gewesen. In eben der Zeit, in der A.s Chronik eine Fortsetzung nach oben erhielt, und die orientalische und mythische Zeitrechnung hinzugefügt wurde, war auch das Bedürfnis lebendig, ein Compendium der Geschichte von Anfang an, das nicht erst mit dem troischen Krieg und der Heraklidenwanderung begann, zu lesen und zu benützen, ebendasselbe Bedürfnis, das schon Anaximenes von Lampsakos dazu getrieben hatte, im Gegensatz zu Ephoros seine Weltgeschichte mit der Theogonie zu beginnen (Diod. XV 89). Dem grossen Publicum war die Sage Geschichte, nur mit dem Unterschied, dass [2882] die Quellen wegen der Willkür der Dichter stärker von einander abwichen: darum war es auch nötig, die Varianten anzumerken. Diodor, dem die sichere Geschichte mit dem Beginn der apollodorischen Zeittafel einsetzt, erklärt trotzdem in der Vorrede des IV. Buches, dass er auf die ‚Archaeologie‘ nicht verzichten wolle, und schreibt deshalb ein mythographisches Compendium aus. Weil diese ursprünglich Geschichtsbücher sein wollten, waren sie pragmatisch gehalten, wie das älteste uns bekannte, eben das, welches Diodor benützte, verrät: die ilischen Tafeln enthalten Sage und Geschichte; ferner sind die auf diesen Tafeln und in der Bibliothek vorkommenden chronologischen Vermerke, die Benützung der Χρονικά Kastors (II 5), der unleugbare Zusammenhang der genealogischen Reihen mit den Tabellen der Chronographen sichere Anzeichen der Tendenz und des Zwecks, den die Verfasser der ersten mythographischen Compendien verfolgten. Und die Bibliothek ist nicht mit dem Namen des Verfassers von Περὶ θεῶν versehen – Mythologie und Theologie werden von den Alten nicht verwechselt – sondern des Chronologen, der das berühmteste Handbuch der Geschichte geschrieben hatte.
Die Quellen dieser ‚Archaeologie‘ waren im wesentlichen die Dichter. Es ist charakteristisch für das Umbiegen der Entwicklung, dass die Localsagen und die Localantiquare aufhörten, die Lieblingsbeschäftigung der Grammatiker zu sein, dass man wieder anfing, sozusagen eine Universalgeschichte der sagenhaften Zeit ins Auge zu fassen, welche die grosse poetische Tradition in bequemer und ‚zeitgemässer‘ Form dem bildungsbedürftigen Publicum vermittelte. Ein solches Buch muss der Κύκλος des Dionysios gewesen sein – zu κύκλος im Sinne von Sagenkreis vgl. Cauer Delect. 65 = Le Bas III 82 κύκλον ἱστορημένον ὑπὲρ Κρήτας καὶ τῶν ἐν Κρήτᾳ γεγονότων θεῶν καὶ ἡρώων –, der das Epos berichtigend und ausmalend (vgl. Schol. Eur. Hek. 123 mit Schol. Tro. 31. Paus. X 25, 8) nacherzählte, so noch den Zusammenhang mit dem mythographischen Roman bewahrend; instructiv ist auch die Nacherzählung der Oedipodie durch Peisandros (Schol. Eur. Phoen. 1760), wo die Erhaltung und Vermehrung des Details den Eindruck des Romans macht und machen soll. Um einen romanhaften lebendigen Ton in die Erzählung zu bringen, nicht um genau zu referieren, übernimmt Hygin so viel Detail aus den Tragödien, denn er beschränkt sich nicht auf das im Original Gebotene, sondern vermehrt es fortwährend, wie die Vergleichung der noch vorhandenen Stücke mit den entsprechenden fabulae jeden lehren kann; daneben stehen dann directe ξέναι ἱστορίαι, wie z. B. in fab. 67, die ein aus Sophokles König Oedipus und Euripides Phoenissen keck und frech zusammengedichteter Roman ist. Die Bibliothek hat wenig derartiges, ein Zeichen ihrer jungen Entstehung: die mythographische Compendienlitteratur hat sich aus dem Zusammenhang mit dem mythographischen Roman mehr und mehr gelöst und mit dem Sinken der Gelehrsamkeit trat auch das Interesse an der ξένη ἱστορία gegen das Bedürfnis, die gültigen Sagenversionen rasch zu übersehen, zurück. Daneben macht sich aber auch litterarhistorische Gelehrsamkeit geltend. Dionysios, der Kyklograph, hat sich über epische [2883] Quellen des Euripides ausgesprochen, vgl. Schol. Eur. Or. 995, muss also ein kritisches Raisonnement mit der Erzählung verbunden haben. Die merkwürdigste Verbindung von Gelehrsamkeit und Erzählung ist der von Proklos excerpierte Ἐπικὸς κύκλος, den mit dem Kyklographen Dionysios in Verbindung zu bringen sehr verführerisch ist, und da dieser ‚epische Cyclus‘ mit der Bibliothek, wie deren neugefundenen Teile zeigen, in engen Beziehungen steht, die Erklärung dieser Beziehungen gerade jetzt eine brennende und vielumstrittene (Bethe Proklos und der epische Cyclus, Herm. XXVI 593ff. Wentzel Neue philol. Rundschau 1891, 354ff. – mir unbekannt –. Wagner Proklos u. Apollodoros, Jahrb. f. Philol. CXLV 241ff.) Frage ist, so muss wenigstens das Wichtigste darüber gesagt werden.
Κύκλος steht hier in demselben Sinne wie in der oben citierten Inschrift κύκλος ἱστορημένος, für den Kreis der μυθικὴ ἱστορία, und der Kreis heisst episch, weil er ein κύκλος ὑπὸ τῶν ἐποποιῶν ἱστορημένος ist: das Adjectiv bezeichnet die Quelle, aus der die Erzählung der Sagenzeit geschöpft ist, so dass z. B. Τραγῳδούμενα einen erläuternden Gegensatz bilden würde. Der Begriff ‚Cyclus‘ ist hier ein mythographischer und nicht mit dem κύκλος direct zu verbinden, der in den Kunstausdrücken der alexandrinischen Ästhetik und Kritik κυκλικοί und κυκλικῶς steckt und nach der ohne Zweifel authentischen Interpretation des Horaz A. P. 133 der vilis patulusque orbis des Gewöhnlichen ist: der ‚kyklische‘ Dichter (vgl. Kallim. epigr. 23) ist der, welcher aus dem überlieferten Stoff kein ἕν macht und der traditionellen poetischen Diction keine ἐνέργεια zu geben versteht, und das kritische Adjectiv stellt sich am ersten zu ἐγκύκλιος παιδεία. Da Homer der Kanon ist, mit dem die peripatetisch-alexandrinische Kritik misst, so wird allerdings κυκλικῶς = ψευδομηρικῶς, und die Thatsache, dass die ‚kyklischen‘ Epiker nicht wie Homer einen einheitlichen Stoff, sondern ganze Sagenkreise abhandelten und eben deshalb von Aristoteles und seinen alexandrinischen Nachfolgern getadelt werden, bringt es dazu, dass zwischen κύκλος Sagenkreis und κυκλικὸς ποιητής eine Berührung sich ergiebt (v. Wilamowitz Philolog. Unters. VII 328ff.), die aber accidentiell sein dürfte. Keinenfalls ist es richtig, einen epischen Cyclus der Mythographen und einen der alexandrinischen Kritiker zu construieren: diese kennen nur Kykliker und meinen die Form, jene nur einen Kyklos und verstehen den Stoff.
Der ‚epische Cyclus‘ umfasst die ganze Vorzeit: er will erzählen, was von der Hochzeit des Uranos und der Ge bis zum Ende des Odysseus geschehen ist, von da an beginnt die eigentliche Geschichte; er vereinigt also Theogonie und Heldensage. Für die einzelnen Abschnitte sind einzelne Epen die Quelle: Phot. 239 p. 319 a 21 Proklos in der Chrestomathie διαλαμβάνει περὶ τοῦ λεγομένου ἐπικοῦ κύκλου ὃς ἄρχεται μὲν ἐκ τῆς Οὐρανοῦ καὶ Γῆς μυθολογουμένης μίξεως …, διαπορεύεται δὲ τά τε ἄλλως περὶ θεῶν τοῖς Ἕλλησι μυθολογούμενα (d. i. die heidnische Theogonie) καὶ εἴ πού τι καὶ πρὸς ἱστορίαν ἐξαληθίζεται (die Heldensage). καὶ περατοῦται ὁ ἐπικὸς κύκλος ἐκ διαφόρων ποιητῶν συμπληρούμενος μέχρι τῆς ἀποβάσεως [2884] Ὀδυσσέως τῆς εἰς Ἰθάκην ἐν ᾗ ὑπὸ τοῦ παιδὸς Τηλεγόνου ἀγνοοῦντος κτείνεται. Der Verfasser des epischen Cyclus steht noch innerhalb der alexandrinischen Tradition; denn er begründet sein Unternehmen, das die Lectüre der Epen überflüssig machen soll, mit dem abschätzigen Urteil, das auch die alexandrinische Kritik über alle nichthomerischen Epen fällte: nur weil sich eine fortlaufende Erzählung aus ihnen herstellen lasse, hätten sie Wert: λέγει δὲ ὡς τοῦ ἐπικοῦ κύκλου τὰ ποιήματα διασῴζεται καὶ σπουδάζεται τοῖς πολλοῖς οὐχ οὕτω διὰ τὴν ἀρετὴν ὡς διὰ τὴν ἀκολουθίαν τῶν ἐν αὐτῷ πραγμάτων. Gelehrt ist es auch, dass die Quelle der Erzählung für den einzelnen Abschnitt angegeben wird und zu dem Epentitel litterargeschichtliche Bemerkungen hinzutreten. Auch die ilische Tafel Α giebt kurz die Epen an, genauer waren auf Κ² die zu Grunde gelegten Epen (vgl. ὑποθήσομεν Θηβαΐδα) beschrieben; und dies Zusammentreffen in der Anlage beweist, dass der epische Cyclus, wie es auch nur natürlich ist, in verschiedenen Recensionen vorlag. Das für die ganze Anlage massgebende Original muss älter sein als der Roman des Dionysios Skytobrachion, in dem der epische Cyclus sensationell nachgefälscht ist: er enthält ja, wie dieser, die ganze Vorzeit von den theogonischen Mythen an bis zu den Τρωικά, er bringt alles in einen fortlaufenden Zusammenhang, er giebt die Epen an, welche als Quellen gedient haben: nur sind Erzählung sowohl als Titel erschwindelt. Ein solcher Schwindel ist erst verständlich als Nachahmung von etwas Echtem, und dies Echte ist ein richtiger, unverkennbarer Ἐπικὸς κύκλος. Etwa der des Kyklographen Dionysios?
Es erhebt sich nun die Frage: in welcher Weise sind von dem oder den Verfassern eines ‚epischen Cyclus‘ die Epen nacherzählt? Für ihre Beantwortung steht nur ein beschränktes Material zu Gebote, weil ausser der sehr kurzen Beschreibung bei Photios die Excerpte im Venetus A der Ilias und anderen Hss. (vgl. Jahn-Michaelis Griech. Bilderchroniken 93ff.) nur den auf den homerischen Sagenkreis sich beziehenden Teil des Cyclus, also seinen Schluss, wiedergeben, eine Beschränkung, die in frühbyzantinischer Zeit vorgenommen sein muss: denn auf ihr beruht die total falsche Definition der Kykliker im Scholion zu Clem. protr. p. 26 P.: κυκλικοὶ δὲ λέγονται ποιηταὶ οἱ τὰ κύκλῳ τῆς Ἰλιάδος ἢ τὰ πρῶτα ἢ τὰ μεταγενέστερα ἐξ αὐτῶν τῶν Ὁμηρικῶν συγγράψαντες, in welcher der Anklang an den aristarchischen Begriff der νεώτεροι über den späten Ursprung nicht täuschen darf. Die Vorstellung nun, als seien in guter alexandrinischer Zeit wissenschaftlich genaue Excerpte aus den Epen angefertigt, ist, wie schon gesagt, unhistorisch und unmöglich: sie ist eine Folge des Missbrauchs, der von den Epen und Tragödien reconstruierenden Philologen und Archaeologen lange Zeit mit dem unglücklichen Wort ὑπόθεσις getrieben ist, und des, wie es scheint, unausrottbaren Fehlers, Inhaltsangabe und Nacherzählung für dasselbe zu halten. Der epische Cyclus will kein Bild von den Epen geben – die Gedichte selbst und sonderlich ihre Ökonomie taugten ja nichts –, sondern die ἀκολουθία τῶν πραγμάτων, eine fortlaufende Erzählung. Wenn er sich gelegentlich [2885] so eng an die Originale anschloss, dass er eingelegte Erzählungen auch als Einlagen brachte, wie bei der Nacherzählung der Kyprien, so geschieht das nicht um der Genauigkeit des Referats willen, sondern weil die Geschichten so am bequemsten untergebracht wurden und die Einlage die Lebendigkeit der Darstellung erhöhte. Andererseits spielt ein gewisses gelehrtes Interesse mit. Wie der Kyklograph Dionysios die Erzählung unterbrach durch Vergleiche zwischen epischen und tragischen Versionen, so muss, wenn nicht alles täuscht, der epische Cyclus gerade an den Stellen, wo durch den Wechsel der Hauptquelle eine Fuge entstand, so erzählt haben, dass die Fuge noch sichtbar war, dass Discrepanzen und Doppelversionen hervortraten und wenigstens in den ursprünglichen, noch nicht verkürzten Recensionen auch besprochen wurden. Nur so vermag ich es zu erklären, dass am Schluss des nach der Αἰθιοπίς erzählten Abschnitts einfach die Aufnahme des hölzernen Pferdes in die Mauern und die Freude der Troer, im Anfang des folgenden dieselben Dinge noch einmal, aber mit viel mehr Einzelheiten berichtet werden. Ebenso verhalten sich der vielberufene Schluss der Ἰλίου πέρσις und die Νόστοι zu einander. Die Ἰλίου πέρσις schliesst mit dem Frevel des Aias und der Rache der Athena; in den Νόστοι ist diese ausführlicher, mit starker Heranziehung der Odyssee erzählt. In der Fuge sind ausserdem noch einige Dinge aus für uns nicht mehr nachweisbaren Quellen untergebracht, die nicht fehlen durften; man hüte sich, durch übereilte Umstellungen den für die Beurteilung des Ganzen sehr wichtigen Thatbestand zu verwischen.
Der Anschluss an das als Quelle genannte Epos ist nur ein im grossen und ganzen genauer; weder der Gesamtumfang, noch die einzelnen Züge dürfen aus den Excerpten in die Reconstruction ohne weiteres herübergenommen werden. Vor allen Dingen ist die homerische Tradition in weitem Umfang hineingearbeitet, und zwar oft in einer Weise, die eine mythographische, Motive, Namen und Zusammenhänge einsetzende Weiterbildung verrät – als Musterbeispiel diene der Abschnitt Κύπρια bei Proklos vgl. mit Herod. II 116 und Il. VI 289ff. –, also eine ähnliche Behandlung des Originals, wie sie für den Κύκλος des Dionysios ermittelt ist: und wie dort, so ist auch hier, selbst wenn der dionysische und der epische Cyclus nicht im Grunde identisch sein sollten, der Zusammenhang des Cyclus mit dem mythographischen Roman anzunehmen.
Der ἐπικὸς κύκλος ist in die Handbücher übergegangen, das lehrt die Bibliothek. Auch das von Photios in seiner Hs. vorgefundene Epigramm bewahrt die Erinnerung daran:
Αἰῶνος ⟨σ⟩πείρημα ἀφυσσάμενος ἀπ’ ἐμεῖο
παιδείης, μύθους γνῶθι παλαιγενέας·
μηδ’ ἐς Ὁμηρείην σελίδ’ ἔμβλεπε μηδ’ ἐλεγείην,
μὴ τραγικὴν μοῦσαν μηδὲ μελογραφίην,
μὴ κυκλίων ζήτει πολύθρουν στίχον· εἰς ἐμὲ δ’ ἀθρῶν
εὑρήσεις ἐν ἐμοὶ πάνθ’ ὅσα κόσμος ἔχει.
Denn αἰῶνος σπείρημα ist der κύκλος ἱστορικός, den der gebildete Mensch kennen muss (παιδείης): die ἐγκύκλιος παιδεία spielt mit hinein. Nur will die Bibliothek nicht nur die Epen, sondern die [2886] ganze poetische Litteratur ersetzen; der Begriff, Universalgeschichte der Vorzeit, tritt sehr scharf hervor. Thatsächlich sind denn auch, wo die Vergleichung möglich ist, nicht nur zahlreiche Varianten, Nacherzählungen von Tragödien und Teilen von Tragödien u. a. m. eingedrungen, sondern die originale Gestalt des epischen Cyclus ist ganz verwischt, namentlich die Fugen überstrichen und die ἀκολουθία τῶν πραγμάτων rücksichtslos durchgeführt. Die Excerpte des ‚epischen Cyclus‘ aus der Bibliothek zu ergänzen und darauf Reconstructionen zu bauen, ist unmethodisches Spiel, keine wissenschaftliche Forschung.
Leider ist noch nicht auszumachen, wie weit die mythographischen Compilationen durch die verloren gegangenen Teile des epischen Cyclus beeinflusst sind. Sehr wichtig ist das Zusammentreffen seines Anfangs mit dem der Bibliothek: beide beginnen, gegen Hesiod, mit der Ehe des Uranos und der Ge, und beide stellen, gegen Hesiod, die Hekatoncheiren vor die Kyklopen. Der Schlüssel zur Lösung dürfte in den Heraklessagen stecken: hier ist die Übereinstimmung zwischen den Compilationen die grösste und führt also am nächsten an das Original hinan: aber hier liegt auch das tiefste Dunkel über den epischen Behandlungen des Stoffes.
Ein dringendes Bedürfnis ist eine exacte kritische Ausgabe der Bibliothek mit vollständigem Abdruck der mythographischen Parallelüberlieferung wie der Dichterstellen, die sich auch für uns noch als Original der Erzählung nachweisen lassen, mit anderen Worten eine streng wissenschaftlich concipierte, praktisch und übersichtlich ausgeführte Lösung der Aufgabe, die sich schon vor 100 Jahren der wackere Heyne klar, verständig und bescheiden gestellt hatte.
[Schwartz.]
Nachträge und Berichtigungen
S. 2855 zum Art. Apollodoros Nr. 61:
(Apollodor) περὶ γῆς.
Strab. XIV 677 sagt in einer Polemik gegen A. περὶ νεῶν: ὁ δὲ καὶ χωρογραφίαν ἐξέδωκεν ἐν κωμικῷ μέτρῳ γῆς περίοδον ἐπιγράψας. Von dieser Schrift sind bei Steph. Byz., der als Titel περὶ γῆς angibt, etwa 18 Fragmente erhalten (FHG I 450f. IV 649. FGrH II B 1118f.); darunter 4 mit wörtlicher Anführung iambischer Verse, sämtlich aus dem II. Buch (bei Steph. Byz. s. Ταυρόεις … Ἀπολλόδωρος ἐν πρώτῳ γεωγραφουμένων liegt Korruptel vor). Von den A.-Fragmenten ungewisser Stellung, die Jacoby FGrH II B 1116 aufführt – in der Müllerschen Sammlung (auch bei Pareti, s. u.) sind dem Werk περὶ γῆς eine Anzahl titelloser Bruchstücke zugewiesen, die vielmehr in den Kommentar zum Schiffskatalog oder in die Chronik gehören –, ist zunächst wohl Steph. Byz. s. Ὀρβῖται (frg. 295) dem Zitat zufolge der geographischen Schrift zuzurechnen; ebenso Αὐτομάλακα (frg. 292) und Δαμαῖοι (frg. 293), vielleicht auch Ὤρικος (frg. 300) und einiges andere. Ferner hat man mit großer Wahrscheinlichkeit Steph. Byz. s. Δερβίκκαι (frg. 311) hierher bezogen, wo Ἀπολλώνιος statt Ἀπολλόδωρος zitiert ist (Schwartz o. Bd. I S. 2863. Meineke Steph. Byz. index S. 726). Endlich läßt sich zur Ergänzung von frg. 110 (317) bei Steph. Byz. s. Γαυγάμηλα ein aus sieben Trimetern bestehendes Stück von περὶ γῆς gewinnen aus Strab. XVI 737, der über Gaugamela handelnd auch die Chorographie des A. benutzt hat (Atenstädt Rh. Mus. LXXXII 126ff.). Wie bemerkt, zitiert Steph. Byz. nur das II. Buch. Dasselbe muß die gesamte, alle drei Erdteile umfassende Periegese vom Paropamisos im Osten bis zum Ebro und den Pyrenäen im Westen enthalten haben; über den Inhalt des I. Buches, dessen Existenz Jacoby FGrH II D 800 überhaupt bestreitet, ist man nur auf Vermutungen angewiesen. Nach frg. 119 (321) bei Steph. Byz. s. Ὑλλεῖς verlief die Beschreibung der östlichen Adriaküste in der Richtung von Süd nach Nord; man hat daraus geschlossen, daß die Periegese nicht mit Europa, sondern mit Asien begonnen hat. Die Annahme, daß als Quelle für dieselbe Eratosthenes gedient habe, hat sich in einer ganzen Reihe von Einzelfällen bestätigt (Atenstädt 115ff.).
Die Unechtheit des Werkes hat Diels Rh. Mus. XXXI 9ff., die Hypothesen Müllers FHG I p. XLIV. V p. L über das Verhältnis der περίοδος γῆς zur Chronik bekämpfend, schlagend damit [9] bewiesen, daß der sogenannte Skymnos – schon Müller hatte das als auffällig bezeichnet – als Vorbild für seine iambische Periegese, deren Abfassung von Müller GGM I p. LXXVIIf. um 90 v. Chr. angesetzt wird, die Chronik des A. nennt und nicht die geographische Schrift. Diese muß also nach Ps.-Skymnos verfaßt sein als das Werk eines Fälschers, der A. formell nachgeahmt und den gefeierten Namen vorgesetzt hat – fraglich ist, ob er, wie Jacoby vermutet, inhaltlich eine Ergänzung zur Chronik nach der geographischen Seite hin hat geben wollen –, so daß schon Strabon getäuscht wurde. Wenn man in den oben angeführten Worten desselben XIV 677 eine Randglosse hat sehen wollen, so daß die Fälschung in spätere Zeit rücken würde (Jacoby Philol. Unters. XVI 24, 28), und wenn man weiter als verdächtigen Umstand gegen die Echtheit der Schrift geltend gemacht hat, daß Strabon dieselbe nicht benutzt (Schwartz 2863), so ist beides hinfällig geworden durch den Nachweis, daß dies XVI 737 tatsächlich der Fall ist. Der Dielsschen Beweisführung gegenüber kann das jedoch nicht ins Gewicht fallen. Während Schwartz 2862. Jacoby Philol. Unters. XVI 24. 70. Susemihl II 36 sich dem Urteil von Diels angeschlossen haben, sind Unger Philol. XLI 606ff. und besonders Niese Herm. XLIV 161ff. und Pareti Atti della R. Accad. delle Scienze di Torino XLV (1910) 299ff. (vgl. dazu Klotz Berl. Phil. W. XXXI 865ff. Hoefer Woch. f. kl. Philol. XXVII 865ff.) für die Echtheit eingetreten. Niese meint, daß Ps.-Skymnos das Apollodorische Werk περὶ γῆς zwar gekannt, aber absichtlich ignoriert habe, um seine Abhängigkeit von demselben zu verhüllen; seine Periegese sei nämlich ‚vielleicht nicht viel mehr als eine verkürzte und etwas veränderte Wiedergabe A.’‘; das werde bestätigt durch auffällige Konkordanzen zwischen A. περὶ γῆς und Ps.-Skymnos – es handelt sich vornehmlich um frg. 119 (321. 322) bei Steph. Byz. s. Ὑλλεῖς ~ Ps.-Skymn. 391. 405ff. Gegen Nieses Ansicht haben Hoefer Rh. Mus. LXV 121ff., Pareti und Jacoby [10] mit Recht Widerspruch erhoben. Ps.-Skymnos müßte dann ein raffinierter und zugleich dummer Betrüger seinem gefeierten Führer gegenüber gewesen sein. Die Übereinstimmung aber zwischen A. περὶ γῆς und Ps.-Skymnos beruht nach der von Unger, dann von Hoefer, Pareti und Klotz vertretenen Ansicht nicht auf Abhängigkeit des einen vom andern – nach Diels und Jacoby hat der sog. Apollodor den Ps.-Skymnos benutzt –, sondern auf Benutzung einer gemeinsamen Quelle. Als diese hatte schon Unger Eratosthenes bezeichnet. Bei frg. 119 hat der Verfasser von περὶ γῆς allerdings höchstwahrscheinlich aus Eratosthenes geschöpft, der Timaios gefolgt ist (Ps.-Skymnos 412), und wenn bei Ps.-Skymnos Theopomp vorliegt, so hat sich vielleicht Timaios an diesen angeschlossen, so daß sich die Übereinstimmung erklären könnte. – Pareti will die aus dem Schweigen des Ps.-Skymnos sich ergebende Schwierigkeit damit lösen, daß er dessen Werk früher, zwischen den J. 130 und 110 v. Chr., abgefaßt sein läßt (Saggi di storia antica offerti a G. Beloch, Rom 1910, 133ff. Vgl. dazu Klotz Berl. Phil. W. XXXII 196ff.). Seine Argumente sind indes nicht beweiskräftig genug; insbesondere ist die Müllersche Annahme, daß der bithynische König Nikomedes, dem der Dichter sein Werk gewidmet hat, wegen der Verse 55ff. unmöglich Nikomedes II. Epiphanes sein könne, schwerlich erschüttert. Es wird sich eher um Nikomedes III. Euergetes (vgl. Reinach Rev. Numism. 1897, 241ff.) handeln, dessen Regierungszeit leider nicht genau feststeht (mindestens von 108 bis etwa 94 v. Chr.). Jacoby Philol. Unters. XVI 15, 15 setzt die Abfassung der Geographie des Ps.-Skymnos um das J. 100 an. Wenn man sie noch einige Jahre hinaufrückte, etwa bis 110, dem Schlußjahr des von Pareti angegebenen Zeitraums, müßte A. im Alter von 70 Jahren die Chorographie verfaßt haben. So hat Jacoby FGrH II D 799 gewiß recht, wenn er die verzweifelten Rettungsversuche entschieden ablehnt. Vgl. noch meine Ausführungen Rh. Mus. LXXXII 130ff.
[Atenstädt.]
61) A. von Athen, Grammatiker im 2. Jh. v. Chr. S VI.
[Hans Gärtner.]
Anmerkungen (Wikisource)
Mitgeteilt von Hermann Diels: Apollodori fragmentorum Sabbaiticorum supplementum. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 46 (1891), S. 617f. DFG/Rheinisches Museum (PDF)
Vorlage: Ganze
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