.
13) Der gefeiertste Maler des Altertums, gebürtig aus Kolophon, aber auch Epheser und Koer wegen längeren Aufenthalts an diesen Orten genannt, Suid. Strab. XIV 642. Lukian. calumn. n. tem. cr. 2. Plin. n. h. XXXV 79. Ovid. a. a. III 401; Pont. IV 1, 29. Sohn des Pytheas, Bruder des Malers Ktesiochos, war er zuerst Schüler des Ephoros in Ephesos, begab sich aber später schon als namhafter Maler noch in die Schule des Pamphilos nach Sikyon, wo er mit Melanthios an einem Bilde des Aristratos arbeitete, Suid. Plut. Arat. 13. Plins n. h. XXXV 76. Genaue Angaben über den Beginn und das Ende seiner Laufbahn fehlen; doch ist sie im allgemeinen dadurch bestimmt, dass er das Bild des Philipp von Makedonien mehrmals malte und noch für die ersten Nachfolger Alexanders arbeitete. Die 112. Olympiade, welche Plin. n. h. XXXV 79 angiebt, mag demnach etwa die Mitte seiner Laufbahn bezeichnen. In einer bevorzugten Stellung am Hofe Alexanders war er doch auch an vielen anderen Orten thätig und seine Werke fanden sich namentlich in Städten an der kleinasiatischen Küste und auf dengegenüberliegenden Inseln. Zahlreich sind die Anekdoten, welche über ihn im Altertum umliefen; sie zeigen ihn als einen Mann, der sich seines Verdienstes wohl bewusst ist, dabei aber liebenswürdig und gegen andere anerkennend und nur gegen Überhebung, selbst seinem König gegenüber, streng, Plin. n. h. XXXV 80. 85. 88. 95. Valer. Max. VIII 12 ext. 3. Plut. de educ. 9. Aelian. v. h. II 3; h. a. IV 50. Athen. XIII 588 d. Clem. Alex. Protr. II 12. Hauptquelle über seine Werke ist Plinius (n. h. XXXV 91f.), dem sich die Nachrichten anderer Schriftsteller ergänzend anschliessen. Das berühmteste war die ,Aphrodite Anadyomene‘ (o. S. 2020, vgl. Benndorf Athen. Mitt. I 50f. Taf. II. III. Kalkmann Arch. Jahrb. I 250), in einer Reihe von Epigrammen und auch sonst von Dichtern und Schriftstellern hochgefeiert. Ursprünglich für den Tempel des Asklepios in Kos gemalt, kam sie unter Augustus nach Rom in den Tempel des Caesar, hatte aber schon zu Neros Zeit so gelitten, dass sie durch eine Copie des Dorotheos ersetzt werden musste, Strab. XIV 657. [2690] Plin. Sie war aus dem Meere aufsteigend dargestellt, bis an die Brust im Wasser, wie sie die Feuchtigkeit aus ihrem Haare ausdrückte. Das Motiv soll nach Athen. XIII 590 f die vor dem versammelten Volke bei Eleusis im Meere badende Phryne geliefert haben, während Plinius auch Pankaspe als Modell nennt. Eine zweite, auch in Kos befindliche Aphrodite, welche die erste noch überbieten sollte, blieb unvollendet, Plin. a. O. Cic. de offic. III 10; ad fam. I 9, 4. Von Götterbildern werden ausserdem angeführt: Artemis unter dem Chor opfernder Jungfrauen (oder vielmehr, da Plinius offenbar seine griechische Quelle missverstanden hat, nach Dilthey Rh. Mus. XXV 321f.: Artemis umgeben vom Reigen der schwärmenden Nymphen), eine bekleidete Charis in Smyrna (Paus. IX 35, 6), eine thronende Tyche (Stob. floril. 105, 60); von Heroen ein Herakles mit abgewendetem Gesicht (wohl im ‚verlorenen Profil‘, s. Helbig Unters. üb. d. campan. Wandm. 210; Wandgem. d. versch. Städte nr. 1052 Taf. XIII) im Tempel der Anna Perenna zu Rom (s. Preller-Jordan Röm. Mythol. I 344, 1), ein anderer nackter Heros, und Antaios (Plin.). Entsprechend der Kunstrichtung seiner Zeit malte A. auch allegorische Darstellungen und Personificationen: Bronte, Astrape und Keraunobolia (vgl. Philostr. imag. I 13, 1, sicher nicht die naturalistische Darstellung eines Gewitters, sondern wohl Nebenfiguren einer grösseren Composition), die Personification des Krieges (Plin., s. u.) und eine ausführliche, mit Unrecht von Blümner (Arch. Studien zu Lucian 41f.) ihm abgesprochene Darstellung der Diabole, in welcher ausser dieser Figur auch Agnoia und Hypolepsis, Phthonos, Epibule und Apate nebst Metanoia und Aletheia erschienen (Lukian. calumn. n. tem. cr. 4, vgl. Helbig Untersuch. üb. d. campan. Wandmalerei 216. R. Förster Jahrb. d. preuss. Kunstsammlungen VIII 29f.). Eine ähnliche Geistesrichtung offenbart sich vielfach in der dritten und zahlreichsten Gattung seiner Werke, den Porträts, welche meist nicht einfache Bildnisse waren, sondern durch verschiedene Nebenfiguren und Beiwerk symbolische und historische Darstellungen wurden. So ist unter den zahlreichen Bildnissen des Philipp und seines Sohnes das berühmteste dasjenige des Alexander, in welchem dieser gewissermassen als irdischer Zeus mit dem Blitz gebildet war, Plin. Cic. in Verr. IV 135. Plut. Alex. 4; de Alex. fort. II 2; Is. et Osir. 24. In zwei anderen Bildern war Alexander auf dem Triumphwagen und der gefesselte Kriegsdämon auf Waffen sitzend (vgl. Monum. d. Inst. III 10. 11), und Alexander nebst Nike und den Dioskuren dargestellt (vgl. Helbig Wandgem. nr. 940. 941), Plin. XXXV 27. 93, vgl. Verg. Aen. I 294f. nebst Servius. Auch für die Bildnisse der Genossen Alexanders waren meist bezeichnende Momente gewählt: Kleitos, der von einem Knappen den Helm fordert, um zu Ross in den Kampf zu eilen; Neoptolemos zu Ross gegen die Perser kämpfend; Antigonos (wegen seiner Einäugigkeit im Profil gemalt) zu Pferde sitzend und im Harnisch neben seinem Ross einherschreitend (vgl. die makedonischen Münzen im Catalogue of coins in the Brit. Mus., Maced. 76. 156f., Thess. Taf. 5, 11); endlich Megabyzi, sacerdotis [2691] Dianae Ephesiae, pompa (Plin.). Mit dem letzten Gemälde scheint das durch Herondas 4, 59f. ed. Bücheler bekannt gewordene im koischen (?) Asklepieion befindliche Tafelbild einige Ähnlichkeit gehabt zu haben. Es war ein Stieropfer (vgl. Plin. n. h. XXXV 126. 137): das Tier wurde von porträthaft charakterisierten Dienern zum Altar geführt und an diesem war ein nackter Knabe mit einer silbernen Feuerzange beschäftigt (vgl. Diels Arch. Jahrb. VI Anz. 190. R. Meister Festschrift f. Joh. Overbeck 109ff., dessen Deutung auf Isis, Harpokrates und den Apisstier mit Wärter und Wärterin wenig für sich hat). Nur kurz angeführt werden: Archelaos mit Frau und Tochter, Menander von Karien, der tragische Schauspieler Gorgosthenes, Habron (Plin.), ein Selbstporträt (Anth. Pal. IX 595); wogegen sich das Bildnis der Pankaspe eines besonderen Ruhmes erfreute, Plin. Aelian. v. h. XII 34. Lukian. imag. 7. (Über das nicht näher bestimmbare, nur von Petronius 83 erwähnte Bild einer μονόκνημος s. Studniczka Vermut. zur griech. Kunstgesch. 37f. und Blümner Arch. Ztg. XLII 133f. Nicht genauer charakterisiert sind endlich die von Plinius erwähnten Bilder von Sterbenden. In keinem dieser Werke (wohl durchweg Tafelgemälde) haben wir es mit umfassenden figurenreichen Compositionen, complicierten und vielbewegten Handlungen zu thun, und nirgends setzen die Gegenstände eine besondere Tiefe der poetischen Auffassung oder Erfindungsgabe oder auch nur eine fein motivierte psychologische Durchführung voraus. Auch wird ein hervorragendes Verdienst nach diesen Richtungen hin von den Alten dem A. nicht beigelegt. Der ganzen Zeitrichtung gemäss tritt bei ihm bereits mehr eine reflectierende, nach Begriffen scheidende Geistesthätigkeit hervor. Auch nicht in einer hervorragenden Berücksichtigung der räumlichen oder architektonischen Grundbedingungen der Composition lag das eigentümliche Verdienst seiner Werke. Denn er selbst erkannte dem Melanthios in der dispositio (Composition) den Vorrang zu, dem Asklepiodor in der symmetria und den mensurae, d. h. in der richtigen Behandlung der Abstände der verschiedenen Figuren oder Teile der Composition unter einander. Dagegen musste ihm eine wunderbare Fähigkeit, die Natur treu wiederzugeben und eine scharfe und schnelle Beobachtung und Auffassung des Charakteristischen eigen sein, wenn seine Bildnisse von Metoposkopen zum Wahrsagen benützt werden konnten (Herondas a. a. O. Plin. n. h. XXXV 88f.; vgl. Diels Arch. Jahrb. VIII Anz. 139). Dass er nach Modellen arbeitete, beweisen die Erzählungen, die ihn mit Lais, Phryne und Pankaspe in Verbindung bringen. Mit der natürlichen Anlage aber verband sich die gründlichste Ausbildung, ausgehend von einer stetig fortgesetzten Übung der Hand (nulla dies sine linea), so dass diese, schliesslich dem künstlerischen Willen völlig unterthan, dem Auge mit der grössten Freiheit und Sicherheit folgte (Plin. n. h. XXXV 81f.). Dass ferner mit der Übung der Hand das Studium der darzustellenden Formen in ihren verschiedensten Lagen und Verkürzungen verbunden war, zeigen z. B. die Bemerkungen über das abgewendete Gesicht seines Herakles und über die aus dem [2692] Bilde heraustretende Hand mit dem Blitze in dem Gemälde Alexanders. In noch höherem Grade indessen beruht sein Ruhm auf der Färbung und der Behandlung des im engeren Sinne Malerischen. Zwar ist er, auch wenn die Beschränkung auf vier Farben bei ihm nicht wörtlich zu verstehen ist (Plin. n. h. XXXV 50, vgl. Cic. Brut. 18), in der Anwendung der Farbenstoffe noch sparsam und einfach im Vergleiche mit einer späteren Zeit. Aber auch mit geringen Mitteln musste er durch geschickte Anwendung Grosses erreichen, wenn ihm Effekte gelingen sollten, wie sie zur Darstellung der Anadyomene oder der Sterbenden oder des Blitzes in der Hand Alexanders erforderlich waren. Hauptsächlich scheint er dies erreicht zu haben durch die ausgedehnte Anwendung einer Lasur (atramentum), Plin. n. h. XXXV 97 (wie es scheint, besonders Elfenbeinschwarz, vgl. § 42), sowie durch genaue Beobachtung der Glanzlichter und Reflexe (vgl. § 29), deren Darstellung nur durch eine vielfach verfeinerte Technik möglich wurde. Erinnern wir uns jetzt, dass A. sich noch als nicht mehr unerfahrener Künstler in die durch Gründlichkeit der Lehre ausgezeichnete sikyonische Schule begab, sowie dass er später selbst über seine Kunst schrieb (Plin. n. h. XXXV 79. 111), so kann es nicht zweifelhaft sein, dass er einen grossen Teil seiner Erfolge eben dieser Gründlichkeit seiner theoretischen und praktischen künstlerischen Durchbildung verdankte. Indessen erkannte doch A. selbst seinen höchsten Wert in einer Eigenschaft, ohne welche selbst das tiefste Wissen des echten Zaubers entbehren würde. In allem, sagte A., sei ihm Protogenes überlegen, nur einen Punkt habe er selbst vor ihm voraus, nämlich dass er verstehe, die Hand zur rechten Zeit von der Arbeit zurückzuziehen; und ferner: nur darin hätten ihn seine Zeitgenossen nicht erreicht, dass ihnen die ihm eigentümliche Charis fehle, Plin. n. h. XXXV 79. 80. Ingenio et gratia, quam in se ipse maxime iactat, Apelles est praestantissimus, Quintil. inst. XII 10, 6. Dieses angeborene Gefühl für Anmut, welche auch in der Vollendung das Mass zu wahren, die Mühe der Arbeit den Beschauer nicht empfinden zu lassen versteht und das Werk selbst als etwas frei Geschaffenes, nicht Gemachtes erscheinen lässt, ist es, was A. in ähnlicher Weise über seine Zeitgenossen erhob wie Raphael über die seinigen. Brunn Gesch. d. griech. Kstl. II 202f. Helbig Unters. üb. d. camp. Wandmal. 180. 181. 187 u. ö. G. Wustmann Apelles Leben und Werke, Leipzig 1870 (s. Blümner Jahrb. f. Philol. 1870, 785f.). L. v. Sybel Weltgesch. d. Kunst 272f. H. v. Rohden bei Baumeister Denkm. d. class. Altert. II 868f.
[O. Rossbach.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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