Antilochos (Ἀντίλοχος). 1) Sohn des Nestor, Königs von Pylos, und der Eurydike (Od. III 451) oder Anaxibia (Apollod. I 9, 9, 3. Dict. I 13), und zwar neben Thrasymedes der älteste (Paus. IV 31, 11), Vater des Paion (Paus. II 18, 8). Nach Hygin (fab. 252) wurde er am Ida ausgesetzt und von einer Hündin gesäugt; Xenophon (Venat. 1, 2) nennt ihn unter den Schülern des Cheiron. Als Freier der Helena (Apollod. III 10, 8, 1. Hyg. fab. 81. Dio Chrys. XI 327 R.) zog er mit Nestor und seinem Bruder Thrasymedes in den troianischen Krieg (nach Hyg. 97 mit 20 Schiffen). Philostratos (Her. 3, 2) hingegen lässt ihn erst im fünften Jahre der Belagerung gegen den Willen seines Vaters nach Troia kommen, wo ihm dieser, durch ein Orakel vor einem Aithiopen gewarnt, den Chalkon als beständigen Begleiter beigab (Asklepiades von Myrleia bei Eustath. Od. p. 1697, 54. Ptolem. Nov. Hist. I p. 184 W.). Der jugendlich schöne Held (Koluth. Rapt. Hel. 270. Tzetz. Antehom. 226; Posthom. 264. Philostr. Her. 3, 2; Im. II 7) wird von Homer als ein Liebling der Götter und Menschen geschildert. Zeus und Poseidon selbst haben ihn in der Kunst, die Rosse zu lenken, unterwiesen (Il. XXIII 306); vor allem aber zeichnet er sich durch Schnelligkeit aus (XV 570. XXIII 756; Od. IV 202). Obwohl der jüngste unter den griechischen Fürsten, [2430] ist er ein wackerer Kämpfer (Il. XV 570) und der eigentliche Anführer der Pylier in der Schlacht (XVII 704). Wird auch durch sein Eingreifen nirgends eine wichtige Entscheidung herbeigeführt, so verrichtet er doch eine grosse Reihe tapferer Thaten (IV 457ff. V 580ff. VI 32. XIII 396ff. XIV 513. XVI 317ff.). Dem verwundeten Hypsenor springt er hülfreich bei, tiefgekränkt durch Deiphobos höhnende Worte (XIII 418). Dagegen wird er selbst, nachdem er den Thoon getötet, durch seinen Ahnherrn Poseidon vor den feindlichen Speeren geschützt (XIII 545ff.). Als er, von Menelaos angespornt, den Melanippos erlegt hat, stürzt er, um sich seiner Rüstung zu bemächtigen, heran, wie ein Hund auf ein verwundetes Reh; nur wie ihm Hektor entgegentritt, weicht er scheu zurück (XV 568ff.). Da er von allen Griechen nach Patroklos dem Achilleus am nächsten steht (XXIII 556; Od. XXIV 78), so erhält er den Auftrag, ihm den Tod des Patroklos zu verkünden. Sprachlos vor Schmerz eilt er zu ihm und beweint mit ihm den toten Gefährten (XVII 652ff. 682ff. XVIII 2ff.). So erblickt auch später Odysseus in der Unterwelt die drei Freunde wieder vereint (Od. XI 468; vgl. Paus. X 30, 3), während sie nach Pausanias III 19, 13 auf der Insel Leuke zusammen weilen. Bei den Leichenspielen des Patroklos kommt A. im Wagenrennen durch tollkühne List dem Menelaos zuvor; da er aber sein Unrecht freimütig eingesteht, überlässt ihm dieser den zweiten Preis (Il. XXIII 418ff. 566ff.). Dagegen weiss er sich mit gutem Humor darüber zu trösten, dass er im Wettlauf dem Odysseus und dem lokrischen Aias unterlegen ist; doch fügt ihm Achilleus zum letzten Preis noch ein halbes Goldtalent hinzu (XXIII 755ff. 785ff.; vgl. auch Dict. III 19).
Seinen Tod durch Memnon, den Sohn der Eos, kennt bereits die Odyssee (III 111. IV 188), ausführlich dargestellt war er in der Aithiopis (Procl. Chrest. Tab. Iliaca. Apollod. ep. 5, 3 ed. Wagn.). Auf dieser Quelle beruht jedenfalls die ergreifende Schilderung Pindars (Pyth. VI 28ff.), wie A., von dem schwerbedrängten Nestor zu Hülfe gerufen, sich dem Memnon entgegenwirft und mit seinem Leben die Rettung des Vaters erkauft (Welcker Ep. Cykl. II 174). Abweichend Quint. Smyrn. II 244ff.; vgl. ausserdem Tzetz. Posthom. 260ff. Philostr. Im. II 7. Hyg. fab. 112. Dict. IV 6. Dio Chrys. XI 352 R., nach welchem er den Memnon tötlich verwundet. Der Schmerz über seinen Tod und Nestors Bitten treiben den Achilleus in den auch für ihn verhängnisvollen Kampf mit Memnon, dem er sich bis dahin fern gehalten hatte (Aithiopis bei Procl. Quint. Smyrn. II 388ff. III 10). Tiefbetrauert von Nestor und dem ganzen Heere (Soph. Phil. 424f. Tryphiod. 18. Tzetz. Posthom. 280f. Quint. II 261. III 2ff. V 605. Philostr. Im. II 7. Hor. Od. II 9, 13f.) blieb A. für das ganze Altertum ein berühmtes Beispiel aufopfernder Kindesliebe (Pind. a. a. O. Xenoph. Ven. 1, 14 φιλοπάτωρ. Aristot. Pepl. 11. Auson. Epitaph. 7). Nach Hygin fab. 113 hat ihn Hektor getötet; Dares (34) lässt ihn durch Paris im Heiligtum des thymbraeischen Apollo zugleich mit Achilleus fallen, der durch Hekabes hinterlistige Veranstaltung dahin gelockt worden war. Mit Achilleus und Patroklos zusammen ruht er [2431] in dem berühmten Grabhügel am Vorgebirge Sigeion (Od. XXIV 72ff. Tzetz. Posthom. 464; zu Lykophr. 273), wo die Einwohner von Ilion auch ihm Totenopfer darbrachten (Strab. XIII 596).
Die Darstellungen des A. in der Kunst beziehen sich, abgesehen von dem Pausanias IV 31, 11 erwähnten Gemälde des Omphalion, welches ihn neben Nestor und Thrasymedes als Herrscher von Messene darstellte, ausnahmslos auf sein Freundschaftsverhältnis zu Achilleus. Wir finden ihn gegenwärtig beim Auszug des Achilleus auf der Vase des Epigenes (Ann. d. Inst. 1850 tav. H. J). Ein ähnliches, rotfiguriges Bild des Oltos (Berlin nr. 2264 Furtw., Overbeck Gall. Taf. 18, 2), auf dem A. neben Phoinix den Wagen besteigt, vor welchem stehend Achilleus dem Nestor die Hand reicht, stellte vielleicht des A. Auszug zum Kampfe mit Memnon dar (bisher als freiere Darstellung der Meldung vom Tode des Patroklos an Achilleus oder als Auszug dieses Helden gedeutet, Overbeck S. 428f. Furtwängler Kat. 539). Ferner ist A. gegenwärtig bei der Auslieferung der Leiche Hektors auf dem rotfigurigen Bilde bei Overbeck Taf. 20, 2 (wo der Maler aus Versehen Amphilochos statt A. beigeschrieben hat). Der entscheidende Kampf zwischen Achilleus und Memnon findet auf mehreren Vasenbildern über der Leiche des A. statt (Overbeck 515ff. Berlin nr. 1797 Furtw.). Als Fortschaffung seiner Leiche wird die Darstellung einer etruskischen Aschenkiste gedeutet (Overbeck Taf. 22, 12 S. 530), ebenso von Gerhard eine tyrrhenische Amphora (A. V. III Taf. 208). Die Totenklage des Achilleus um A. hatte ein von Philostratos (Im. II 7) geschildertes Gemälde zum Gegenstand, und auf Polygnots Unterweltsbilde finden wir, wie erwähnt, die beiden Freunde mit Agamemnon, Protesilaos und Patroklos vereinigt (auf einer schwarzfigurigen Darstellung des Frevels des Aias an Kassandra steht neben Aias ein als Ἀνθίλοχος bezeichneter nackter Knabe, Berlin nr. 1698, Overbeck Taf. 26, 16).
[Wagner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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