Anio (alter Nom. Anien; in den Casus obliqui meist Anienis, -eni, poetische Nebenform Anienus, Nom. bei Stat. silv. I 3, 70; Voc. Aniene Prop. IV 7, 86. Stat. silv. I 3, 2; vgl. Georges Lexikon der lat. Wortformen S. 49; die Griechen haben Ἀνιήν -ῆνος, Ἀνιηνός, Ἀνίης -ητος, Ἄνιος, Ἀν(ν)ίων), Nebenfluss des Tiber in Latium, entspringt im Sabinergebirge, 95 Km. von Rom, [2212] 1100 m. ü M., am Monte Cantaro, unweit Filettino (in monte Trebanorum Plin. n. h. III 109; supra Trebam Augustam Front. de aqu. 93; irrtümlich bringt Strabon V 235 seine Quellen mit dem Lacus Fucinus in Verbindung). Er drängt sich in wildem Laufe westlich bis Subiaco, wo er in ältester Zeit einen See oder eine Reihe von Seen gebildet zu haben scheint (daher der Name der Ansiedelung Sublaqueum), die in der Kaiserzeit durch künstliche Dammbauten wiederhergestellt wurden. Bei Roviano wendet er scharf nach Südwesten, empfängt bald darauf von rechts den Bach Digentia (Licenza) und bildet bei Tivoli die berühmten Cascaden: sein Niveau vor Tibur beträgt 243, am Fusse der Stadt nur noch 47 m. Im Altertum scheinen sich die Wassermassen hauptsächlich in einem Bette, dem der Cascata grande, unmittelbar unterhalb der Stadt und des sogen. Tempio della Sibilla, ergossen zu haben: der Fälle gedenken u. a. Strab. V 238. Dion. Hal. V 37. Horat. carm. I 7, 13. Propert. III 16, 4. Stat. silv. I 3, 73. 5, 25. Bei Hochwasser richtete der A. häufig Schaden an, so dass im Mittelalter und neuerer Zeit oft Vorkehrungen dagegen durch teilweise Ableitung u. s. w. getroffen wurden. Die furchtbare Flut von 1826 gab dann Veranlassung zu gründlicher Abhülfe durch Anlegung des ,Traforo Gregoriano‘, welcher die grössere Hälfte des A. oberhalb der Stadt durch einen in den Monte Catillo gebrochenen doppelten Stollen abführt, und dadurch den antiken Lauf des Flusses gründlich verändert hat (vgl. darüber Fea Considerazioni storiche fisiche idrauliche etc., Rom 1827, mit guten Plänen u. s. w. Massimo Relazione del traforo del monte Catillo, Rom 1838. Sante Viola Cronaca delle vicende del fiume Aniene, Roma 1835f.). Von dem praeceps Anio des Horaz geben, mehr als der jetzige Zustand, die älteren Veduten (besonders Piranesi ca. 1760 und Rossini ca. 1820) eine Vorstellung. Unterhalb von Tibur wurde nach Strab. V 235. 238. Plin. III 54 der A. schiffbar; zum Transport von Baumaterial ist er auch (z. B. im 16. Jhdt. für St. Peter) vorübergehend benützt worden. Die kalkigen Ablagerungen des A. bilden in der Ebene unterhalb Tivoli den trefflichen lapis Tiburtinus (Travertin). Der A. mündet nach einem Laufe von 118 Km. bei Antemnae in den Tiber. Sein Flussgebiet umfasst 1426 □ Km., der geringste Abfluss wird auf 20, der höchste auf 480 Kbm. pro Secunde angegeben. Vgl. über den A. Lanciani Acque 138ff. Nissen Ital. Landeskunde 314.
[Hülsen.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Antikes Griechenland
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