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25) Von Rhodos, hervorragender Peripatetiker des 1. Jhdts. v. Chr., von dem eine neue Epoche der Schule, die philologische, sich herleiten lässt. Während nämlich wohl fünf Generationen hindurch das Studium der schwer verständlichen Werke des Aristoteles und seiner unmittelbaren Schüler sowie des Straton arg vernachlässigt worden war, sorgte er dafür, dass wenigstens innerhalb des Peripatos die Kenntnis des Schulstifters und seiner Meisterwerke wieder gepflegt und ein eindringendes Verständnis angebahnt wurde. Er ordnete die Schriften des Aristoteles und des Theophrast nach sachlichen Gesichtspunkten, und in ungefähr dieser Anordnung sind sowohl die Werke des Aristoteles uns erhalten, als auch die Theophrasts im Altertume überliefert worden und zum Teil auf uns gekommen. Darauf [2165] fusste später Ptolemaios, der 1000 Bücher des Aristoteles zählte; und ihrem Ursprunge nach werden vermutlich auch die drei erhaltenen Verzeichnisse der aristotelischen Schriften auf A. zurückgehen, im Gegensatze zu den alphabetisch geordneten Theophrasts bei Laertios Diogenes. Eine ausführliche Abhandlung über diese Ordnung und über die wesentlichen Schriften im einzelnen umfasste wenigstens fünf Bücher und hat ausser Angaben über die Anfangsworte und eventuell Titel, über Inhalt und Zweck und über die Echtheit vielleicht auch Auszüge und Inhaltsangaben und gewiss die βίοι enthalten; sogar die Testamente der Philosophen waren darin mitgeteilt. Weitere Ausführungen gab er in Monographien, wie z. B. eine Erklärung der Kategorien ausser kritischen Bemerkungen auch eine Paraphrase des Wortlautes enthielt. Eine Ausgabe der Werke des Aristoteles und des Theophrast wird von Porphyrios (vita Plot. 24) und von Plutarchos (Sulla 26) bezeugt; doch darf man nicht an eine Ausgabe sämtlicher Werke denken. Die Dialoge z. B. waren in aller Händen und brauchten daher nicht der Vergessenheit entrissen zu werden, während eine Sammlung von (ganz oder zum grössten Teile unechten) Briefen des Aristoteles erst von ihm ans Licht gezogen und in 20 Bücher eingeteilt wurde.

Ein ganz zufälliger Umstand scheint die äussere Veranlassung zu der umfassenden Arbeit des A. gegeben zu haben, die gänzlich unkritische Ausgabe aristotelischer Schriften durch einen Athener Apellikon (s. d.) und ähnlich verfehlte Buchhändlerspeculationen, die wieder durch den zufälligen Fund alter Hss. veranlasst waren und ausser A. auch den Grammatiker Tyrannion zu einer philologischen Bearbeitung reizten. Da nach Strabon (XIII 609) nur streng wissenschaftliche Schriften gefunden waren, und diese als meistens bisher unbekannt auf den Markt kamen, so darf man annehmen, dass A. auf diese sein Hauptaugenmerk gerichtet hat. Nach Plutarch konnte er dabei die Bearbeitung Tyrannions bereits benützen. Da nun einige der Hauptwerke des Aristoteles in den erhaltenen Pinakes oder öfters wenigstens in dem einen oder anderen fehlen, und da Theophrasts Metaphysik von A. in seiner Bibliographie nicht verzeichnet war, wie ein Scholion bezeugt, das aus der θεωρία τῶν Ἀριστοτέλους μετὰ τὰ φυσικά des Nikolaos von Damaskos ausgezogen ist, so dürfen wir vielleicht annehmen, dass A. die Werke deshalb nicht mit aufgeführt hat, weil er sie herausgegeben hatte, und dürfen seine Abhandlung als Ergänzung zu seiner Ausgabe betrachten. Einzeltitel, die in den Verzeichnissen vorkommen, wie περὶ τοῦ ποσαχῶς (= Arist. Met. V) oder ὑπὲρ τοῦ μὴ γεννᾶν, könnten neben und trotz der Ausgabe aufgenommen sein, obwohl A. gewöhnlich die Specialtitel (so περὶ φρυγανικῶν καὶ ποιωδῶν für περὶ φυτῶν ἱστορίας η) fortliess. Ob A. die Bezeichnung ‚Metaphysik‘ für die erste Philosophie erfunden hat, ist sehr fraglich, da er im einzelnen öfter Vorgänger hatte, deren einer z. B. die Kategorien πρὸ τῶν τόπων genannt (Schol. Arist. 81a aus Simpl. Kat.) und also dahin auch gestellt hatte; und bisweilen konnte er sich auf unmittelbare Schüler des Aristoteles berufen, z. B. auf Eudemos in der Physik. [2166] Sicher stammt die erhaltene Zusammenfassung der metaphysischen Schriften nicht von dem ersten Ordner her, schon wegen der Zählung Α α Β Γ u. s. w.

Dass A. umfassende textkritische Hülfsmittel herbeigeschafft oder ex ingenio Nennenswertes in der Textkritik geleistet habe, ist im allgemeinen wohl nicht anzunehmen; wenn er trotzdem textkritische Angaben gemacht hat, wie zu Kat. 1 a 2, die Worte ὁ δὲ λόγος τῆς οὐσίας ständen nicht in allen Exemplaren, so gehen derartige Bemerkungen vielleicht nur auf den Apparat Tyrannions zurück. Dagegen war er selbständig und scharfsinnig in der höheren Kritik, denn er verwarf den Anhang der Kategorien, die sog. Postpraedicamente, und die Schrift περὶ ἑρμηνείας. In anderen Dingen dagegen erwies er sich als Kind seiner Zeit, indem er namentlich die damals bereits allgemein übliche Scheidung von exoterischen und wissenschaftlichen Schulschriften ruhig annahm und durch seine Autorität befestigte; eine im übrigen inhaltslose Correspondenz zwischen Aristoteles und Alexandros, die die Publication der ‚Geheimlehre‘ behandelte (Gell. XX 5), hat A. in eines der Bücher 3–6 seiner Briefsammlung ohne Anstoss aufgenommen. Jedoch kann er, der das Zurückhalten der systematischen Werke gerade missbilligte, die Zweiteilung der Schriften und der Lehrthätigkeit des Aristoteles vor und nach Tische (vgl. Quint. III 1, 14), sowie die Annahme einer Geheimlehre nicht erfunden haben; vielmehr muss diese thörichte Behauptung schon sehr früh aufgekommen (man könnte an den Einfluss des pythagorisierenden Aristoxenos oder etwa an Aristons legendenhafte Schrift ,Lykon‘ denken) und geglaubt worden sein, denn die Ende des 3. Jhdts. bereits vorhandenen und von Aristophanes von Byzanz in seine 5. Trilogie aufgenommenen ps.-platonischen Briefe (312 D. 341 F. 363 B) haben dieselbe Anschauung bereits auf Platon übertragen; und die Akademie interpretierte diese Auffassung in Platons Timaios 28 C hinein (vgl. Cic. Tim. 2: indicare in vulgus nefas). Antiochos lehrte auch die Zweiteilung der aristotelischen Schriftstellerei (Cic. de fin. V 12; vgl. ad Att. IV 16, 2 und Varro [bei August. civ. dei VI 5] in dem spätestens 47 v. Chr. geschriebenen 14. oder 15. Buche rer. div.), wohl nach älterer Überlieferung.

Als Philosoph war A. Peripatetiker, scheute sich aber nicht, im einzelnen von Aristoteles abzuweichen, so in der Kategorienlehre und der Psychologie. Gerühmt wird seine wissenschaftliche Ehrlichkeit und stilistische Klarheit.

Die Stellung des A. und seine genauere Lebenszeit steht nicht genau fest. Als zehnten oder elften Diadochen ἀπὸ τοῦ Ἀριστοτέλους bezeichnen ihn späte Commentatoren, während Cicero ihn nie erwähnt, vielmehr im J. 44 v. Chr. Kratippos als den Lehrer der peripatetischen Philosophie in Athen nennt (de off. I 1; vgl. Trebonius in Cic. ep. XII 16). Wie wenig aber die spätere Zeit über die Succession wusste, ergiebt sich aus der stark interpolierten Reihe der elf Nachfolger des Aristoteles (von Theophrast bis Kritolaos) in der Vita Menagii. Darnach ist es sogar zweifelhaft, ob die Diadoche des A. überhaupt auf guter, alter Überlieferung beruht, und ebenso, ob A. in [2167] Athen und nicht vielmehr in Rom den Nachlass des Aristoteles und Theophrast behandelt hat, wo Boethos von Sidon ihn hörte (Amm. zu Ar. Kat. 8 a Ald.). Nun hat Usener S.-Ber. Bair. Akad. 1892, 636ff. nachgewiesen, dass Cicero 55 v. Chr. das 3. Buch der aristotelischen Rhetorik noch nicht kannte, obwohl er (de or. II 160) die rhetorischen Schriften des Aristoteles gelesen zu haben behauptete, sondern dass er erst 46 eine Kenntnis davon verrät, und folgert daraus, dass Tyrannion nach dem im Februar 46 erfolgten Tode des Faustus Sulla dieses und andere Bücher aus der Bibliothek des Apellikon mitgeteilt habe. Wenn man darauf hin A.s Hauptarbeit zu datieren wagen darf, von der Strabons Quelle (XIII 609) noch nichts wusste, so würde sie um 40 v. Chr. oder noch später zu setzen sein, und die eventuelle Übernahme der Schulleitung in Athen könnte erst in den dreissiger Jahren erfolgt sein, vielleicht nach dem Tode des Kratippos; die Blüte des Boethos von Sidon fiele dann in die Zeit des Augustus.

Litteratur: Brandis Abh. Ak. Berl. 1833, 273ff. Madvig im VII. Excurs zu Cic. de fin. Zumpt Abh. Akad. Berl. 1843, 69ff. Rose, Heitz und, diese benutzend, Zeller Philos. d. Griech. III³ 50ff. IV³ 620ff. Littig Diss. de A., München 1890. Susemihl Litt.-Gesch. d. Alex. II 301ff. 689ff. Usener Gött. Gel. Anz. 1892, 1014.

Zwei Werke sind unter dem Namen des A. überliefert, aber beide unecht. Die Schrift περὶ παθῶν (herausgegeben in zwei Heidelberger Dissertationen, der erste Teil von Kreuttner, Heidelberg 1884, der zweite Teil [eine Bearbeitung von Ps.-Aristoteles περὶ ἀρετῶν καὶ κακιῶν] von Schuchhardt, Darmstadt 1883) wurde eine Zeit lang dem Andronikos Kallistu (15. Jhdt.) zugewiesen; aber diese Vermutung ist dadurch erledigt, dass Schuchhardt eine Hs. des 10. Jhdts. (Coisl. Graec. 120) hervorgezogen hat. Die Schrift ist vielmehr die Compilation eines Eklektikers der römischen Kaiserzeit. Vgl. Apelt Jahrb. f. Phil. 1885, 513ff. Rösener Progr. Schweidnitz 1890. Zweitens ging eine Paraphrase der nikomachischen Ethik entweder unter A.s Namen oder dem des Heliodoros von Prusa, ist aber von L. Cohn Berl. philol. Wchschr. 1889 Sp. 1419 als eine Fälschung des Konstantinos Palaiokappa (16. Jhdt.) nachgewiesen worden.
[Gercke.]

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