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Amphitrite (Ἀμφιτρίτη, bei Hyg. fab. praef. Amphitrione).
Inhaltsverzeichnis
Name
Entwicklung der Vorstellung
Kult
Darstellungen
Neben Poseidon
Allein
Falsches und Fingiertes
Name. Die Bedeutung des Namens bleibt unsicher, solange die Erklärung des zweiten Teiles, den er mit Triton, Tritogeneia gemeinsam hat, nicht gelungen ist. Fälschlich mit τρίτος zusammengebracht, Plut. Is. Osir. 75. Schol. Od. III 91; von τρεῖν, Didym. p. 338 Schm.; von τρεῖν oder ρεῖν, Schol. Opp. Hal. I 2. Schwenck Etym.-myth. Andeut. 182 (ähnlich Welcker Griech. Götterl. I 311); von τρίζω, τρύζω, ‚die die Erde umrauschende Meeresflut‘, Preller-Plew I 467. Preller-Robert I 187; aus dem Sanskrit abgeleitet von J. Escher Triton u. s. Bekämpf. durch Herakles (Leipz. 1890) 9ff.
Entwickelung der Vorstellung. A., in der Ilias überhaupt nicht erwähnt, erscheint in der Odyssee als Meeresgöttin; ihr gehören die Wogen, die gegen die Felsen branden (III 90. XII 60; vgl. Eur. I. T. 424f.), und das Getier des Meeres wird von ihr gepflegt (V 422. XII 97). Aber die Vorstellung von ihr ist noch wenig [1964] ausgebildet; neben dem farblosen Beiwort κλυτός (V 422) erhält sie Beiwörter, die eigentlich weniger für eine göttliche Persönlichkeit als für die Meereswoge passen: κυανῶπις (XII 60), ἀγάστονος (XII 97, so auch im Hom. Hymn. auf d. del. Apoll. 94; von Quint. Smyrn. XIV 644 mit πολύστονος nachgeahmt); ob mit καλὴ ἁλοσύδνη (IV 404) A. gemeint ist, bleibt zweifelhaft; auch von irgend welcher Beziehung zu Poseidon ist noch nicht die Rede. In der hesiodischen Dichtung ist A. als Tochter des Nereus und der Doris in die Göttergenealogie eingereiht (Theog. 243 im Nereidenkatalog; 264 beruhigt sie mit Kymodoke und Kymatolege das Meer; im homerischen Nereidenkatalog Il. XVIII 39 fehlt sie noch); sie gilt bereits als Gemahlin des Poseidon und Mutter des Triton (Theog. 930). Auch später ist die Auffassung als Nereide die herrschende (Apollod. I 2, 7); im Hinblick auf ihre Schwestern nannte Sophokles (frg. 612) sie πολύκοινος (so die Erklärung von Hesych. s. πολύκοινος und Schol. Soph. Ant. 1; anders Welcker Gr. Götterl. II 681). Daneben galt sie aber in späterer Zeit auch als Okeanide (Apollod. I 2, 2. 4, 6; in den Okeanidenkatalogen bei Hes. Theog. 349. Hom. Hymn. Dem. 419. Hyg. fab. praef. fehlt ihr Name); der späte sog. Arionhymnos (PLG⁴ III 80) identificiert sie sogar mit der Okeanide Doris, indem er sie Mutter der Nereiden nennt. Als Tochter des Atlas scheint sie Eratosthenes Katast. 31 (p. 158 Rob.) zu fassen. Sie galt seit Hesiod allgemein als Gemahlin des Poseidon (χρυσαλακάτοιο πόσις Ἀμφιτρίτας Pind. Ol. VI 104f., vgl. Apollod. I 4, 6. Schol. Od. III 91. Hyg. fab. praef.); sie schirrt dem Poseidon das Gespann ab (Apoll. Rh. IV 1325); nach dem Gatten Ποσειδωνία genannt (Schol. Od. III 91); ihr θάλαμος ist das Meer (Soph. Kön. Oid. 195); mit Rhea und Themis wohnt sie der Entbindung der Leto bei (Hom. Hymn. Del. Apoll. 92ff., wo sie Welcker Gr. Götterl. II 681 als κουροτρόφος auffasst). Später wusste man auch zu erzählen, wie Poseidon sie zur Gattin gewann: a) sie entwich dem liebenden Verfolger und barg sich bei (ihrem Vater?) Atlas (wohl in der Tiefe des Meeres, vgl. Od. I 52f. Atlas, ὅς τε θαλάσσης πάσης βένθεα οἶδεν; sie flieht ins Haus ihres Grossvaters Okeanos bei Oppian. Hal. I 383ff., der Atlas nicht erwähnt); aber der Delphin fand sie auf, brachte sie zu Poseidon und ward dafür unter die Sterne versetzt (Eratosth. Katast. 31). b) Beim Tanze der Nereiden auf Naxos sieht Poseidon sie und raubt sie (Eustath. Od. III 91 p. 1458, 40. Schol. z. ders. Stelle. Achill. Tat. V 16, 5 = Erot. I 143 Herch.).
Ihre Kinder sind, ausser dem schon bei Hesiod genannten Triton (auch Apollod. I 4, 6. Hyg. fab. praef.), Rhode, die Gemahlin des Helios (Apollod. I 4, 6; nach Asklepiad. Schol. Pind. Ol. VII 24 ist Rhodos, in dieser Namensform, Tochter des Helios und der A.; andere Genealogien der Rhodos s. Pind. a. a. O. mit Schol.), und Benthesikyme (Apollod. III 15, 4, 1). Dass sie sich selbst verwandeln könne, wie andere Meergottheiten, wird nicht erzählt; wohl aber hat sie die Macht, andere zu verwandeln: Skylla (s. d.) aus Eifersucht (Tzetz. Lyk. 45. 650), die Alkyonides (s. d.) aus Mitleid (Apostol. II 20). [1965] Dem Poseidonsohn Theseus schenkt sie nach attischer Sage, als er den Vater auf dem Meeresgrunde aufsucht, einen goldenen Kranz, Paus. I 17, 3 (aus Hellanikos? Wellmann De Istro Callim. 94). Hyg. Astr. II 5 (aus Hegesianax, vgl. Robert Eratosth. 221f.; Hygin nennt neben A. auch Thetis als Geberin des Kranzes; der Kranz diente nach attischer Sage durch sein Leuchten zur Rettung des Theseus aus dem Labyrinth; vgl. im ganzen über die Sage Robert Arch. Anz. 1889, 142).
Römische Dichter seit augusteischer Zeit und spätere griechische Dichter (Oppian, Dionys. Perieg., beide wahrscheinlich nach alexandrinischen Vorbildern) brauchen A. einfach für θάλασσα (reiche Stellensammlung bei Haupt Opusc. II 74; ähnlich auch Nereus gebraucht, Ovid. met. I 187f.).
Kult. Nie allein, stets mit Poseidon zusammen verehrt: in Tenos, Philoch. frg. 185 (FHG I 414f.). Strab. X 487. CIG II 2329. 2331. 2332. 2334; Syros, Ross Inscr. II 107; Mykonos, Ross Inscr. 135; im isthmischen Poseidontempel stand ihr ἄγαλμα im Pronaos, Paus. II 1, 7; der Bericht von Menschenopfern, die ihr κατὰ χρησμόν auf Lesbos dargebracht seien (Plut. symp. VII sap. 20; de soll. an. 36, 9. Athen. XI 315) ist unglaubwürdig. Opfer an A., Poseidon und die Nereiden von Seeleuten dargebracht, Arrian. Kyneg. 34; Spende an die Musen, Poseidon und A. am Schluss des Gastmahls der Weisen bei Plutarch; neben Poseidon im Schwur der Latier und Olontier auf Kreta (CIG II 2554, 180) und im Buleuteneid in Syrakus (CIG III 5367b 11).
Darstellungen. Zusammenstellung einer Reihe hierhergehöriger Denkmäler: Overbeck Kunstmyth. Poseidon 350ff.
A. Neben Poseidon: I. in Darstellungen, die sich nur auf ihr persönliches Verhältnis zu Poseidon beziehen: Kultgruppe des Telesias von Athen in Tenos, Philoch. frg. 185 (FHG I 414f.); Korinth. Pinakes, Berlin 474–537. 787. 788. 801, teils stehend (z. B. Antike Denkm. I 7, 17, 19), teils zu Wagen (I 7, 1. 4. 10. 13), auch ihr Sohn Triton dabei (I 7, 4) oder Hermes (I 7, 25). Im Gespräch mit Poseidon: rf. Stamnos Castellani, Bull. d. Inst. 1865, 216; späte unterital. Schale, Élite III 25. Dem sitzenden Poseidon einschenkend: rf. Stamnos, Würzburg III 335. Zu Wagen: spät-sf. Amphora, Berlin 1862; dabei Triton: Gemme, Berlin (Tölken III 2, 174), Overbeck Kunstm. Poseid. Gemmentaf. III 2. Müller-Wieseler D. a. K. II 85. Liebesverfolgung: rf. Vasen, Élite III 19. 22. 21. Heydemann Griech. Vasenb. I 2. Vom Delphin dem Poseidon zugetragen, rf. Amphora freien Stils, Petersburg 2164 (Ant. du Bosph. Cimm. pl. 61, 3. 4). Mit Poseidon und Amymone gruppiert, rf. (att.?) Aryballos schönen Stils, Élite III 27.
II. Auf Wagen, umgeben von Meerwesen: Goldelfenbeingruppe, von Herodes Atticus im isthmischen Poseidontempel geweiht, Paus. II 1, 8. Mosaik von Constantine im Louvre, Overbeck Kunstmyth. Atlas Taf. XIII 2. Hochzeitszug: Relieffries der Münchener Glyptothek, Ber. d. Sächs. Ges. VI Taf. 3–8. Overbeck Kunstmyth. Atlas XIII 16; Mosaik aus Pompeii, Giorn. d. Scavi XII tav. 1. Overbeck Atlas XIII 13.
[1966] III. In Götterversammlung. Relief am amyklaeischen Thron, Paus. III 19, 3; Statuengruppe von Glaukos unter den Weihgeschenken des Mikythos zu Olympia (mit Hestia), Paus. V 26, 2; Relief im Pal. Albani, Matz-Duhn 3494. Zoëga B. R. I 1; Vasen: sf. Amphora, Orvieto, Ann. d. Inst. 1877, 125; sf. Amphora, Petersburg 87; rf. Schale des Sosias, Berlin 2278, abg. Antike Denkm. I 9, 10 (neben Hestia; wie die Göttin neben Poseidon zu benennen ist, bleibt ungewiss; vgl. Heydemann Rh. Mus. XXXVI 466f. Robert Comm. Momms. 149ff. Furtwängler im Katalog); rf. Hydria des Euthymides im Louvre, Pottier Gaz. arch. 1888, 175. Klein Lieblingsinschr. 65. Beim Göttergelage: rf. Schale, Brit. Mus., Mon. d. Inst. V 49. Overbeck Atlas XIII 8. Beim Göttergericht über Hellas und Asia: Fries des Niketempels, vgl. Gerhard Ann. d. Inst. 1840, 64. Sauer Aus der Anomia 104. Im Götterzug zu Peleus Hochzeit: Françoisvase, Wiener Vorlegebl. 1888, Taf. II; sf. Hydria, Florenz 1808, Heydemann Mitth. a. d. Antikens. 88. Bei Athenageburt: Relief von Gitiadas am Tempel der Athena Chalkioikos in Sparta, Paus. III 17, 3; sf. att. Amphoren, Berlin 1704 (Mon. d. Inst. IX 55) und Campana IV—VII 1081 (Mon. d. Inst. VI 56). Bei Aphroditegeburt: Relief am Bathron des olympischen Zeus von Pheidias, Paus. V 11, 8; pompeian. Wandgemälde, Bull. d. Inst. 1883, 151f.
IV. Mythen (A. teils selbst beteiligt, teils zuschauend): im Gigantenkampf am pergamenischen Altarfries, linke Treppenwange, zwischen Triton und Poseidon einer-, Nereus und Doris andererseits, vgl. O. Puchstein Sitzungsber. Akad. Berl. 1889, 324. Theseus auf dem Meeresgrund empfangend: rf. Schale des Euphronios (Poseidon fehlt), Louvre, Wiener Vorlegebl. V 1; rf. Krater aus Girgenti, Cab. d. Médailles, Mon. d. Inst. I 52. Milliet Vases peints du Cab. d. Méd. pl. 58–61; rf. Krater in Bologna, Mus. ital. III 1. Mon. d. Inst. Suppl. 21, ähnlich wahrscheinlich auch das Gemälde des Mikon im Theseustempel zu Athen, Paus. I 17, 3. Beim Götterstreit um Athen: im Westgiebel des Parthenon als Lenkerin des Poseidonzweigespannes, vgl. Overbeck Ber. Sächs. Ges. 1880, 42. 168. Robert Herm. XVI 60ff.; rf. Hydria, Petersburg, Wiener Vorlegebl. VII 9 (entfliehend). Beim Kampf des Triton mit Herakles: sf. Hydria, Louvre, Canino Notice 1845, 7. Wernicke Lieblingsnamen 25; sf. Hydria, Durand 303 = Beugnot 32. Bei Triptolemos’ Entsendung, rf. Kotyle des Hieron, Brit. Mus., Wiener Vorlegebl. A 7. Beim Tode des Talos, rf. Krater, Samml. Jatta, Wiener Vorlegebl. IV 5.
B. Allein. Korinth. Pinakes, Berlin 821–830. 898; auf Meerungeheuern reitend, Reliefs: Samml. Hertz, Arch. Ztg. IX 115*. Bull. d. Inst. 1882, 73; Statue im Pronaos des isthmischen Poseidontempels, Paus. II 1, 7.
C. Falsches und Fingiertes. Beim Tod des Athamas und der Ino, fingiertes Relief, Kallistr. Ekphr. 14. Über einige mit Unrecht auf A. bezogene Darstellungen vgl. Overbeck Kunstmyth. Poseidon 367f. Ausserdem die Deutung zweifelhaft: Vasen, Élite III 20. 23. 24. Petersburg 1531; Kopf Turin, Dütschke IV 122. Auch die [1967] Deutung einer Figur der Gigantenvase aus Melos auf A. (Mayer Gig. u. Tit. 358) ist wenig wahrscheinlich. Fälschlich auf A. bezogen: Élite III 15 (= Overbeck Atlas XI 25); rf. Stamnos, Würzburg 324 (Gerhard Auserl. Vas. III 182); Nereidenstatue, Venedig, Clarac 746, 1802; Wandgemälde, Helbig 1092.
[Wernicke.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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