ART

7) Bischof von Mailand. Geboren zu Trier als Sohn eines Praefectus praetorio Galliarum, verlor er früh den Vater und wurde in Rom erzogen. Mit aller Bildung seiner Zeit ausgerüstet, trat er in die Beamtenlaufbahn ein. Seine Carrière war glänzend; schon ca. 370 machte ihn der italische Praefectus praetorio Probus zum Statthalter von Liguria und Aemilia mit dem Sitze in Mailand. Hier erwarb er sich beim Volke solche Gunst, dass man nach dem Tode des arianischen Bischofs Auxentius in stürmischer Weise den A. als Nachfolger forderte, trotzdem er, der langsam seit dem Jünglingsalter dem Christentum nähergetreten war, noch nicht einmal die Taufe empfangen hatte. Zögernd gab er nach; vom December 374 hat er bis zu seinem Tode, 4. April 397, das Bischofsamt in Mailand verwaltet. Er ist ein Kirchenfürst im edelsten Sinne gewesen, eine der einflussreichsten Persönlichkeiten im Reich, und seiner Macht bewusst, aber frei von Kleinlichkeit und Selbstsucht hat [1813] er von ihr Gebrauch gemacht nur im Interesse der Kirche, dann aber auch unerschütterlich und ohne Rücksicht auf die Gunst der Grossen. Dem Heidentum ist er so schroff wie der Ketzerei – Arianer, Jovinian, Priscillian – entgegengetreten; als die Kaiserinmutter Iustina nach 383 wieder den von Gratian unter dem Einfluss des A. verdrängten Arianismus beförderte, verweigerte ihr A. schliesslich mit Erfolg die Auslieferung auch nur einer mailändischen Kirche an die Häretiker, andererseits schützte den Usurpator Maximus und den oströmischen Kaiser Theodosius auch ihre Orthodoxie nicht vor dem ernstesten öffentlichen Tadel des A., als sie unchristlich gehandelt hatten.

In der Beurteilung des A. als Schriftstellers ist nicht zu vergessen, dass das Grosse an ihm der Charakter, die ganze Persönlichkeit ist, darum das Bedeutendste die Schriftwerke, in denen diese besonders kräftig hervortritt, seine (91) Briefe und seine sermones, namentlich Gelegenheitsreden wie die von 379 auf den Tod seines Bruders bezüglichen de excessu Satyri l. II und 392 und 395 de obitu Valentiniani und de obitu Theodosii: Tact, Wärme und Ernst zeichnen ihn aus; sein Pathos liebt rednerische Fülle, auch wohl rhetorische Kunst, ohne doch hohler Pbrasenhaftigkeit je zu verfallen; dabei greift er mit praktischem Sinn überall ins Leben hinein, zeichnet die Menschen und die Zustände wie sie sind, so dass wir ihm vor Allen eine detaillierte Kenntnis der damaligen Verhältnisse in der italischen Kirche und Welt verdanken.

Von seinen Abhandlungen über einzelne Fragen christlicher Sittlichkeit gilt ziemlich das Gleiche; sie sind auch im Tone von den Predigten kaum unterschieden. Höchst wertvoll für die Rechtsgeschichte sind die wohl zu seinen frühesten Arbeiten gehörenden Aufsätze de Nabuthe Iezraelita wider die Habgier und de Tobia gegen den Wucher; der Vertretung der asketischen Ideale dienen de virginibus l. II, de virginitate, de viduis, de fuga saeculi, de institutione virginis ad Eusebium, exhortatio virginitatis. Auch de Elia et iciunio ist gleichartig. Minder gelungen sind die grösseren Werke, obwohl er hier seine klassische Bildung und das Studium griechischer Väter sehr stark mit heranzieht. Man begreift da die boshafte Erklärung des Hieronymus de vir. ill. 124, er enthalte sich eines Urteils über den Schriftsteller A., ne in alterutram partem aut adulatio in me reprehendatur aut veritas. Zum Gelehrten passt A. nicht; wo er es doch sein will, wird er fühlbar abhängig von seinen Vorlagen, und etwas Einheitliches bringt er nicht zu stande. Seine exegetischen Arbeiten sind trotz des darauf verwandten Fleisses keine angenehme Lectüre, breit, schwülstig und in der Allegoristik ungeheuerlich ausschweifend, am peinlichsten die expositio evangelii secundum Lucam vom J. 386/7, wenig besser die in längeren Zeitabständen verfertigten enarrationes oder expositiones von Psalmen (zu Ps. 43 sein letztes Werk), die 6 B. Hexaemeron (über Genesis 1), de paradiso, de Cain et Abel l. II, de Noe et arca, die 7 B. de patriarchis, vgl. noch de interpellatione Iob et David l. IV und Apologia prophetae David. Die 3 Bücher de officiis ministrorum (von ca. 387) stehen unter den systematischen Schriften des [1814] A. obenan, eine Pastoralethik in genauester Anlehnung an Ciceros Werk de officiis. Es ist als Ganzes verfehlt, im einzelnen reich an feinen Bemerkungen. Für den ihm ergebenen Kaiser Gratian schrieb er 378–380 die 5 B. de fide, eine Art Glaubenslehre, 381 die 3 B. de spiritu sancto, auch de incarnationis dominicae sacramento ist in dieser Zeit und mit dem Blick auf arianisierende Irrlehre entstanden. Hier ist die totale Abhängigkeit von Basileios das Bemerkenswerteste. Die 2 B. de poenitentia vertreten den katholischen Standpunkt gegenüber dem Novatianismus. De mysteriis ist eine nicht ungeschickte Belehrung für Neugetaufte.

Einige von den Schriften des A. sind verloren gegangen, z. B. eine expositio Esaiae prophetae und ein liber de sacramento regenerationis (de philosophia), die von Augustin bezeugt werden, auch viele Briefe. Dafür ist ihm vieles – zum Teil nur durch Irrtum Späterer – untergeschoben, vor allem der sog. Ambrosiaster (s. den Art.) und 6 B. de sacramentis. Unsicher ist sein Verhältnis zu der merkwürdigen juristischen Abhandlung de lege Dei oder Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, die Rudorff in den Abh. Akad. Berl. 1869, 265-296 mit Bestimmtheit auf A. zurückführen wollte. Vor 438 ist sie jedenfalls geschrieben (neueste Ausgabe mit wertvollen Anmerkungen von Th. Mommsen in Bd. III der Collectio librorum iuris anteiustiniani 1890, vgl. Wellhausen in Theol. Lit. Z. 1891, 70f.). Schon im 6. Jhdt. (Cassiodor inst. divin. lit. 17) wurde von einigen dem A. die lateinische Übersetzung (besser Bearbeitung) von Josephus’ Büchern über den jüdischen Krieg, der sog. Hegesippus zugeschrieben. S. darüber die Artikel Josephos und Hegesippus.

Am berühmtesten haben den Namen des A. wohl seine Bemühungen um Verschönerung des Gottesdienstes gemacht. Welchen Anteil er aber an der mailändischen Liturgie hat, liegt völlig im dunkeln. Dass er der Vater des lateinischen Kirchenliedes ist, steht fest. A. selber und Augustin reden von Hymnen des A. Aber von den zahlreichen hymni Ambrosiani sind zweifellos echt nur 4, darunter aeterne rerum conditor und veni redemptor gentium. Andere möchten die Zahl der ‚echten‘ Hymnen auf 12 oder 18 erhöhen (Biraghi Inni sinceri e carmi di S. Ambrogio, 1862).

Unter den zahllosen Ausgaben der Opera S. Ambrosii ist die beste die der Mauriner in 2 Bänden, Paris 1686–90; nachgedruckt bei Migne Patrol. lat. t. XIV–XVII. Die neueste Edition der Ballerini in Mailand 1875ff. (5 Bände) benützt zwar einige neue Hss. und ist glänzend ausgestattet, aber weder an Akribie noch gar an kritischem Scharfsinn reichen die modernen Editoren heran an du Frisch und le Nourry. Vgl. Vita S. Ambrosii von Paulinus (s. d.), von neueren Böhringer Die Kirche Christi und ihre Zeugen² Bd. X und Förster Ambrosius v. Mailand 1884. Zur litterarischen Kritik das Beste M. Ihm Studia Ambrosiana 1889, zur dogmengeschichtlichen Würdigung: Ad. Harnack Lehrbuch der Dogmengesch. Bd. III s. Index.
[Jülicher.]

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