Alkathoos (Ἀλκάθοος, bei den Prosaikern meist contrahiert Ἀλκάθους). 1) A. ist in Megara Eponymos der einen Akropolis, welche auf dem westlichen der beiden aneinanderstossenden Hügel der Stadt gelegen war und sicherlich später als die östliche, Καρία, gegründet wurde. Lolling in Müllers Handb. III 121. Er wurzelte fest im Kulte, wie sein ἡρῷον (s. u.) und die ihm gefeierten Spiele Ἀλκαθοῖα beweisen (dieser Name nur Schol. Pind. Nem. V 45f.; Ἀλκαθόου ἀγών Pind. Isthm. VII (VIII) 67ff.; bei der Nemeenstelle ist es nicht sicher, ob Pindar selbst gerade diese Spiele gemeint hat). Boeckh explic. ad Pindarum II 2, 176f. K. F. Hermann Gottesd. Alt.² § 52, 41. Er ist Sohn des Pelops, dessen Burg Phoibos selbst befestigt hat: Theognis 773f. Daran knüpfte sich die Sage von einem Steine (der Mauer oder eines Thurmes), welcher wie eine Lyra ertönte, sobald man nach ihm mit einem Steinchen warf, weil Apollo während des Baues dort seine Lyra niedergelegt hatte: so in verschiedenen Nachbildungen einer alexandrinischen Behandlung – nach Heyne und Meineke Parthenios, vgl. Rohde Griech. Roman 93f. – bei Ps.-Verg. Ciris 105ff. = Ov. met. VIII 14ff. Anth. Plan. IV 279. Paus I 42, 2 (dieser vielmehr nach Dieuchidas?). So können in der Dichtersprache Ἀλκαθόου ναετῆρες die Megarer (Kaibel epigr. Gr. 909 = CIG I 1080), Alcathoi moenia oder urbs, ja blos Alcathoë die Stadt Megara bezeichnen (Ovid. trist. I 10, 39. VII 443; met. VIII 7f.; ars am. II 421). Eine Fülle localer megarischer Traditionen bieten uns der Megarer Dieuchidas fr. 8 (FHG III 390) und Paus. I 41, 3—6. 42. 43, 4. 5 (dieser zum Teil wohl wenigstens indirect aus Dieuchidas, da wo er polemisiert aus einer ganz athenisch gefärbten Quelle, Atthis oder mythologischem Handbuch; vgl. Kalkmann Pausanias d. Perieget 152f., in einigem berichtigend Gurlitt Über Pausanias 99, zuletzt v. Wilamowitz Eurip. Herakl. I 294, 47). Der Sohn des Pelops, wegen Ermordung seines Bruders Chrysippos aus Elis flüchtig, kommt nach Megara. Dort tötet er einen Löwen, der das Land verheert und den Sohn des Königs Megareus, Euippos, zerrissen hatte. Die auf die Jagd ausgeschickten Mannen des Königs wollen ihm den Ruhm streitig machen, doch weist er sich durch die Zunge des Löwen, die er ausgeschnitten und im Ranzen verborgen hatte, aus und gewinnt als Preis die Hand der Königstochter und die Krone. Mit diesem Märchen erklärt Dieuchidas den Opferbrauch, dass der βασιλεύς von Megara (eponymer Beamter, Gilbert Gr. St.-Alt. II 71, 4) die Zunge des Opfertieres zuletzt auf den Altar legte, vgl. Lobeck Agl. I 685. Zum Dank für ihren Beistand baute A. den Göttern der Jagd Artemis Ἀγροτέρα und Apollon Ἀγραῖος einen Tempel. Auch sonst ist er Kultstifter: vor dem Mauerbau opfert er zuerst den θεοὶ Προδομεῖς (nicht Προδρομεῖς!) Paus. I 41, 1. Aber auch sein Glück hatte ein Ende: als er seinem Schutzgotte Apollon opferte, brachte ihm sein jüngerer Sohn die Botschaft, dass der ältere Sohn Ischepolis bei der kalydonischen Eberjagd umgekommen sei, und störte die Opferhandlung, [1511] indem er das Holz vom Altare warf. A. tötet den Frevler mit einem der Holzstücke und verliert so auch den zweiten Sohn (Paus. I 42, 6); von der Blutschuld sühnt ihn der Seher Polyeidos (I 43, 5). Innerhalb der Stadt zeigte man sein ἡρῷον, das später als Staatsarchiv diente, und in der Nähe die Gräber seiner Frauen Pyrgo und der Königstochter Euaichme, seiner als Jungfrau gestorbenen Tochter Iphinoë (verwandt mit der gleichfalls in Megara heimischen Iphigeneia, von den Mädchen vor der Hochzeit durch Spenden und Abschneiden der Haare geehrt; vgl. Eckermann Melampus und sein Geschlecht 163f. und die Hippolytossage) und an einem andern Orte das des Kallipolis. Seiner Abstammung nach würde A. als Pelopide zunächst, gleich den Atriden, der vordorischen Bevölkerung zuzurechnen sein; andererseits hat v. Wilamowitz Eurip. Herakl. I 293f. geltend gemacht, dass ihn sein Name (Ἀλκάθοος vgl. mit Ἀλκεΐδης, Ἀλκαῖος, Ἀλκεός, Ἀλκμήνη) und seine That, die Erlegung des kithaironischen Löwen, als einen megarischen Doppelgänger des boeotischen Herakles (der erst in Argos von der argivischen Hera den Namen erhielt) erscheinen lässt. Nach der dorischen Wanderung wurde er jedenfalls, unbeschadet seiner Stellung in der spät zurechtgemachten Königsliste (Paus.), der heroische Vertreter der megarischen Dorer. Der Mauerbau erinnert an Amphion (Preller Gr. Myth.³ II 33ff.), aber A. ist dabei nur passiv, wie Laomedon in Troia. Die ehemalige Herrschaft der Dorer von Megara über Salamis vertritt seine Tochter Periboia, von Telamon Mutter des Aias, der nach Paus. I 42, 4 sogar dem A. in der Königsherrschaft über Megara folgt und dort den Kult der Athena Αἰαντίς begründet. Vgl. Apd. III 12, 7. Xen. cyneg. 1, 9; bei Pind. Isthm. V (VI) 45. Soph. Ai. 569 heisst sie Eriboia, ebenso bei Diod. IV 72; bei andern Meliboia (Istros fr. 14). Als Salamis und damit auch Aias von Athen annectiert wurden, konnte man auch Periboia zur Athenerin machen; bei Istros a. a O. ist sie Frau des Theseus, bei Paus. I 42, 2 und 17, 3 wird sie mit nach Kreta geschickt, wo Minos und Theseus um sie streiten; wenn Diod. a. a. O. ihre Heimat geradezu Athen nennt, so besagt schon Xenophons ἐκ πόλεως τῆς μεγίστης dasselbe; so hätte Megara damals kein Athener genannt. Vgl. v. Wilamowitz Homer. Unters. 245. J. Toepffer Att. Geneal. 270f. L. Pallat de fabula Ariadnaea, Diss. Berl. 1891, 61. Eine andere Tochter des A., Automedusa, ist von Iphiklos Mutter des Iolaos, noch in einem, wenn auch fernen, Zusammenhange mit der Heraklessage, Apd. II 5, 11, 6.
[Hiller v. Gaertringen.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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