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94) A. von Aphrodisias, Peripatetiker um die Wende des 2. und 3. Jhdts. n. Chr. Seine Zeit wird dadurch genauer bestimmt, dass er 198 oder wenig später nach Athen berufen wurde und zum Danke den beiden Augusti Septimius Severus und seinem Sohne Caracalla die Schrift περὶ εἱμαρμένης widmete, also spätestens 211. Seine Lehrer waren Aristokles von Messana, Herminos und Sosigenes. Er war der gelehrteste und verständigste Ausleger der aristotelischen Werke und wurde daher bisweilen kurzweg als ὁ ἐξηγητής bezeichnet. Seine Schriften bildeten eine reiche Fundgrube für die späteren Erklärer, in deren Citaten, namentlich denen des Simplikios, sich viel aus den verlorenen Commentaren erhalten hat. Selbst bei den Neuplatonikern stand er in Ansehen: Plotinos nahm ihn in seinen Kanon auf, und z. Β. Syrianos hat ihm grosse Stücke entlehnt. Und doch hat gerade dem mystischen Zuge der Zeit, der die Akademie mit sich riss, A.s nüchterner Verstand widerstanden. Überhaupt betrachtete er die zu behandelnden Probleme so gut wie gar nicht durch die Brille seines Zeitalters, und nur selten glaubt man bei ihm den Einfluss hervorragender Zeitgenossen, z. Β. den des Aristokles in den Erörterungen über den νοῦς, zu spüren. Wohl nahm er eine unauflösliche Einheit der Seelenkräfte an, leugnete die Unsterblichkeit der Seele und die Realität der Zeit u. a. m., aber trotz derartiger Abweichungen im einzelnen wollte er nur dem Schulstifter folgen und seine Lehren verteidigen, nicht aber eigene philosophische Lehrsätze aufstellen: und im ganzen hat er das auch getreulich ausgeführt, selbst in seinen selbständigen Abhandlungen. Seine philologisch sorgfältigen Angaben über den Text, die Abwägung der Möglichkeiten und die guten philosophiegeschichtlichen Belege seiner Commentare leisten noch heute für die Aristoteles-Erklärung gute Dienste. Sie wie die Abhandlungen enthalten auch manches Korn alter Gelehrsamkeit, das A. zu polemischen Zwecken einstreute, besonders stoische Sätze, so eingehend, wie man sie in den gewöhnlichen Compilationen nicht findet. Zu Ehren gebracht hat den A. neuerdings Brandis Die Ausleger des arist. Organons, Abh. Berl. Ak. 1833. Berl. 1835; vgl. auch Prantl Gesch. der Logik im Abendlande I 622ff. und besonders Zeller Philos. d. Griech. IV³ 789ff.
A.s Schriften sind meist im Anfange des 16. Jhdts. gedruckt und übersetzt; eine kritische Ausgabe ist in der Sammlung der Aristoteles-Kommentare der Berliner Akademie und dem zugehörigen Supplemente begonnen. Die erhaltenen Kommentare sind: zum 1. Buche der 1. Analytik [1454] (ed. Venet. 1520. Florent. 1521. Comm. II 1 Berlin 1883 von Wallies; lat. Feliciano interprete, Venet. 1542), zur Topik (ed. Venet. 1513. 1526. Comm. II 2, Berlin 1891 von Wallies; lat. Dorotheo interprete, Venet. 1524), zur Meteorologie (Venet. 1527; lat. Piccolominio interprete, Venet. 1540), zu περὶ αἰσθήσεως (Venet. 1527 und Paris 1875 von Thurot in Notices et extraits XXV 2; lat. Lucillo Philaletheo interpr., Venet. 1544), zu der Metaphysik, aber davon nur Buch 1–5 echt (lat. ed. Sepulveda, Rom 1527, vollständiger Paris 1536 u. s.; griech. ed. Brandis in Schol. Aristot., Berl. 1836. Bonitz Berl. 1847. Hayduck Comm. I, Berl. 1891 aus 2 Hss. des 13. Jhdts., die Bücher A a in doppelter Recension); die Geschichte der hs. Überlieferung lässt sich meist nicht klar übersehen, weil die Benutzer wohl viel nach ihrem Aristoteles und aus anderen Hss. geändert haben. Verloren sind die Commentare zu den Kategorien, zu περὶ ἑρμηνείας, zum 2. Buche der ersten und beiden (?) Büchern der zweiten Analytik, zu der Physik, περὶ οὐρανοῦ, περὶ γενέσεως καὶ φθορᾶς, περὶ ψυχῆς u. s. w., von denen aber einzelne noch in arabischen Übersetzungen erhalten sein sollen. Selbständige Schriften sind: 1 Buch περὶ ψυχῆς (lat. Oxon. 1481, Hieron. Donato interpr., Brixiae 1495; griech. Venet. 1534), περὶ εἱμαρμένης καὶ τοῦ ἐφ’ ἡμῖν πρὸς τοὺς αὐτοκράτορας (lat. in Themistii opp. Ang. Politiano interpr., Basel 1520, griech. Venet. 1534 u. ö., von Orelli, Turici 1824), ἠθικῶν προβλημάτων ᾱ und die sog. φυσικῶν σχολι(κ)ῶν ἀποριῶν καὶ λύσεων βιβλία γ, diese zusammen vulgo 4 Bücher naturales quaestiones (ed. Venet. 1536 und Monachii 1842 von Spengel; lat. mit de fato Hieron. et J. Bapt. Bagolino interpr., Venet. 1541, mit de anima Herveto interprete, Basil. 1548); eine ähnliche Sammlung ist der Schrift περὶ ψυχῆς als 2. Buch angehängt; endlich περὶ μίξεως (Venet. 1527 und von Ideler in Arist. Meteor. II; ex lat. vers. Jac. Schegkii, Tubing. 1540), richtiger περὶ κράσεως καὶ αὐξήσεως genannt: alle ed. Bruns Suppl. II, Berlin 1887 und 1892; die letzte Schrift ist nur in jüngeren Hss., die übrigen sind erhalten durch Codex Marcianus 258 saec. X. Aber von A.s Hand stammen nur die Schriften über das Schicksal, die Mischung und die Seele (Buch 1), sowie einzelne Stücke der Sammlungen her, die erst später innerhalb der Schule zusammengestellt sind. Eine relative zeitliche Abfolge von vielen der echten Werke festzustellen ermöglichen mehrfache Selbstcitate. Verloren sind Abhandlungen περὶ δαιμόνων, gegen den Epikureer Zenobios und Colleghefte (?) über Logik (σχόλια λογικά). Die modernen Gelehrten haben Athetesen auch verschiedener Commentare vorgenommen, die nicht immer begründet sind. Eine Überarbeitung nahm Bonitz für die späteren Bücher der Metaphysik (ediert von Bonitz und Hayduck) an, aber nach Vorgang Roses hat Freudenthal (die durch Averroes erhaltenen Fragmente A.s zur Metaphysik des Aristoteles, Abh. Akad. Berl. 1884, Berlin 1885) bewiesen, dass wenigstens Buch 12 eine Fälschung ist, und wahrscheinlich gemacht, dass der ganze Complex von Buch 6 ab mit Benutzung der Scholien Syrians an Stelle des bereits verlorenen echten Commentars gesetzt ist; [1455] als der, etwa im 6. Jhdt. lebende, Verfasser wird in der Überschrift zu Buch Ε und von Ps.-Philoponos Michael von Ephesos genannt. Von dem Commentare zur Topik sind nur die vier ersten Bücher vollständig und rein erhalten, die letzten vier im Auszuge und in einigen Hss. stark interpoliert (vgl. Brandis Abh. Akad. Berl. 1833, 297 und Wallies Die griech. Ausleger der aristotel. Topik, Progr. Berlin 1891). Übereinstimmend hält man ferner für unecht: Commentare zu den σοφιοτικοὶ ἔλεγχοι (Venet. 1520; Dorotheo interpr., Venet. 1541), nach hsl. Angabe von Michael Ephesios, und zu Buch 2 der zweiten Analytik (nur lat. ed. Andrea Gratiolo Tusc. interpr., Venet. 1568); ferner die Schrift περὶ πυρετῶν (Georgio Valla interpr. in Symphor. Campegii de cl. med. script. und Venet. 1498; griech. ed. Schina 1821 im Mus. crit. Cantabr., Passow, Breslau 1822, und Ideler Phys. et med. Gr. min., Berol. 1841, I 81ff.), endlich ἰατρικὰ ἀπορήματα καὶ φυσικὰ προβλήματα (lat. G. Valla interpr., Venet. 1488. Politiano interprete, Basil. 1520; griech. Venet. 1498 in Arist. opp. T. IV, von Ideler a. a. Ο. Ι 3ff.; Fortsetzung προβλήματα ἀνέκδοτα ed. Bussemaker, Paris 1857 in Arist. Bd. IV und Usener A. Aphr. quae feruntur probl. über ΙII et IV, Berol. 1859). Bestimmend für diese Athetesen ist der Inhalt gewesen; die Sprache ist noch so gut wie nicht untersucht, doch vgl. Thurot a. a. Ο. 422–449. Auch in quellenkritischer Hinsicht hat man erst eben begonnen, A.s Schriften durchzuarbeiten; vgl. zu de fato Gercke Chrysippea, Jahrb. f. Philol. Suppl. XIV 691ff.
[Gercke.]
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