Aleiptes (ἀλείπτης). Schon sehr frühe, aber erst in nachhomerischer Zeit (Thuk. I 6. Krause I 407), kam bei den Griechen der Brauch auf, sich bei den gymnischen Übungen mit Öl einzureiben (ἀλείφειν, s. Gymnastik). Die erwachsenen Epheben besorgten dieses Geschäft selbst (ebenso wie das Reinigen des Körpers vom Staub, s. Ἀποξυόμενος, Στλεγγίς), auch salbten sie wohl einer den anderen (Luk. Anach. 1), oder bedienten sich der Hülfe des Gymnastes (s. d.) oder seines Gehülfen; vgl. die Bronzeciste Mus. Gregor. (B) I T. XXXVII 1 (Helbig Führer durch die römischen Antikensammlungen II S. 331), wo ein mit Faustriemen gerüsteter Athlet (der also keinen freien Gebrauch der Hände hat) von einem anderen Manne eingerieben wird, vermutlich in einer Pause zwischen zwei Übungen (Galen. de sanit. tuenda II 4). Man gelangte bald dazu, bestimmte Regeln darüber aufzustellen, wie die Einreibungen mit Öl am zweckmässigsten vorgenommen werden sollten; die hygienischen Vorteile, welche diese Art der Körperpflege (σωμασκεῖν) den Agonisten bot (Luk. Anach. 24), wurden ja allgemein anerkannt; über die Wichtigkeit, welche von den Ärzten den verschiedenen Arten der τρίψις und ἀνάτριψις beigemessen wurde, vgl. Aristot. Eth. Nicom. II 6, 7. III 10, 1. Plut. de sanit. praec. 15. Galen. de san. tuenda I 3. II 4. III 2. So ergab es sich natürlich, dass man nicht nur den Lehrer in der Palaistra (s. Paidotribes), der den Knaben mit den wichtigsten Kunstgriffen des ἀλείφειν vertraut machte (vgl. Schol. Pind. Ol. VIII 71; Nem. IV 108. 155. Grasberger Erziehung u. Unterricht I 267), sondern auch den Turnlehrer der Erwachsenen (s. Gymnastes) von einer seiner Hauptfunctionen als A. bezeichnete. In dieser Bedeutung begegnet [1361] uns der Name seit dem 4. Jhdt.; wenn Laert. Diog. VIII 12 schon den Athletenlehrer Pythagoras, der ungefähr ein Zeitgenosse des gleichnamigen Philosophen gewesen sein soll, als A. bezeichnet – exercitator heisst er bei Plin. n. h. XXIII 121 –, so steht er unter dem Einflusse des jüngeren Sprachgebrauches. Als officieller Berufsname auf Inschriften begegnet das Wort erst in römischer Zeit, zuerst, wie es scheint, Bull. hell. I 289 (ephesischer Grabstein des A. Cn. Cornelius Epaphroditus aus Korinth), vgl. CIA III 1434.
Der A., als der Lehrer (der trainer) der Athleten, kennt genau die körperliche Constitution seiner Schüler, weiss wie durch Einreiben und Massieren ihre Muskelentwicklung gefördert werden kann, schreibt die zweckmässige Diät vor (s. Ἀναγκοφαγία) und beaufsichtigt überhaupt die ganze Lebensführung der Athleten (Aristot. Eth. Nic. II 6, 7. Cic. ad fam. I 9. Plut. de adul. et am. 17. Arr. Epiktet. III 10, 1. 26, 22. 20, 1. Laert. Diog. VIII 12); er leitet auch ihre Übungen und bestimmt ihre Probekämpfe (Epiktet. Diss. I 24). Entsprechend der hervorragenden Bedeutung, welche die berufsmässige Athletik besass, war auch die Autorität des A. eine grosse, in erster Linie natürlich bei den Athleten selbst (Plut. Dio 1). In einer Inschrift von Sparta CIG 1383 wird ein A. geehrt πίστεως τῆς περὶ τοὺς ὑπ' αὐτῷ γενομένους ἀθλητὰς ἕνεκα und CIG 1384 ein anderer τῆς τε περὶ τὸ Λακωνικὸν ἦθος σεμνότητος καὶ τῆς ἐν τοῖς γυμνασίοις ἀρετῆς ἕνεκα. Dem entspricht es, wenn dem Siegesverzeichnisse eines Wettläufers (Wood Ephesos inscr. from the great theatre nr. 14. Inscr. in the Brit. Mus. III 2, 611) die Subscription ὑπὸ ἀλείπτην Γ Χ Κοσίνιον beigefügt ist, vgl. Paus. VI, 2, 8. 3, 6 (in den Inschriften CIG 1427. 2935 ist A. nur durch falsche Conjectur für das überlieferte ἄλειπτος – ein in der späteren Kaiserzeit häufig wiederkehrender Ehrentitel – eingesetzt worden).
Dem Geschmacke der jüngeren Atticisten galt A. nicht als entsprechende Bezeichnung des Turnlehrers (Poll. VII 17: ὁ δὲ ἀ. ἀδόκιμον; vgl. VII 17). Dazu mag der Umstand beigetragen haben, dass auch der Badeknecht, der die Badegäste einreiben und massieren musste, ἀ. unctor) genannt wurde. In diesem Sinne wird das Wort von den römischen Schriftstellern vorzugsweise verwendet (Iuv. VI 422. Krause I 235); auch der ἀ. παίδων Καίσαρος (CIA III 1434), ein Freigelassener des Augustus, könnte in diese Kategorie gehören, wenn er nicht etwa das höhere Amt eines hygienischen Beraters bekleidete (s. u.). In den Badehäusern giebt es auch ἀλείπτριαι (Poll. VII 17. Kock FCA II 119. 236. 543); als Darstellung einer solchen gilt das bei Ficoroni La bolla d’oro p. 45 abgebildete Wandgemälde der Via Appia (Daremberg et Saglio Dictionn. I 185 Fig. 223).
Die grosse Bedeutung, welche die Ärzte den Einreibungen für die Pflege der Gesunden wie der Kranken zuschrieben, führte dazu, dass eine Schule von Hygienikern diese Heilmethode in einseitiger Weise zum Mittelpunkt ihrer Kunst erhoben und als Panacee betrachteten. So wurde aus dem ἀ. ein ἰατραλείπτης, der insbesondere einen kräftigen, blühenden Habitus des Körpers [1362] herzustellen sich bemühte. Das System dieser iatraliptice überliefert Plinius (n. h. XXIX 4), der den Herodikos von Selymbria als dessen Urheber nennt; vgl. Medicin. Als Aliptensteine hat man in früherer Zeit häufig die Steinstempel bezeichnet, mit denen die römischen Augenärzte ihre Salben und Büchsen zu bezeichnen pflegten (Grotefend Die Stempel der römischen Augenärzte, Göttingen 1867. Héron de Villefosse et H. Thédenat Cachets d’oculistes romains, Paris 1882); vgl. Oculistenstempel.
Litteratur: Krause Gymnastik u. Agonistik der Hellenen I 225ff. Daremberg et Saglio Dictionn. I 185f.
[Reisch.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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