Album (die vulgäre Form albus CIL VIII 2403. Novell. Maior. VII 18), eine mit Gips geweisste, hölzerne Tafel, auf der Bekanntmachungen von Behörden verschiedener Art behufs öffentlicher Aufstellung mit schwarzer Farbe verzeichnet wurden (vgl. Lex Acilia CIL I 198, 14: … in tabula, in albo, atramento scriptos…; Serv. Aen. I 377 … tabulam dealbatam; falsch ist die Notiz bei Theoph. Paraphr. inst. IV 6, 12 διὰ τὸ λευκοῖς γεγράφθαι γράμμασι). Ein besonders bekanntes Beispiel dieses Brauches stellen die annales maximi dar, d. h. die von dem Pontifex maximus von altersher verzeichnete und in seinem Hause aufgestellte Stadtchronik (Cic. de orat II 52. Serv. Aen. I 377. Macrob. Sat. III 2, 17. Cato bei Gell. II 28), ferner die Bekanntmachung der für das ius civile und das ganze öffentliche Leben so wichtigen fasti durch Cn. Flavius im J. 450 = 304 (Liv. IX 46: civile ius repositum in penetralibus pontificum evulgavit fastosque circa forum in albo proposuit. Cic. pro Mur. 11). Überhaupt aber gab es ja immerfort die mannigfaltigsten Veranlassungen für magistratische Edicte; insbesondere dienten sie dazu, Comitien, Senatssitzungen, Aushebungen, Volksfeste, Volkstrauer, öffentliche Verkäufe u. s.w. vorzubereiten. Und die schriftliche Aufstellung des öffentlichen Befehls (proponere, proscribere) hat sich zu Rom schon frühzeitig mit der Mündlichkeit verknüpft (Mommsen St.-R. I³ 206). Unentbehrlich war sie insbesondere bei den ständigen Edicten. Von hervorragender Wichtigkeit waren unter diesen die Bekanntmachungen, durch die die Magistrate bei ihrem Amtsantritt dem Publicum die Grundsätze ihrer künftigen Amtsführung darlegten, so besonders die formula census oder lex censui censendo dicta (Lex Iul. mun. CIL I 206 Z. 142ff. Liv. XXLX 15. IV 8, 4. XLIII 14, 5) und das edictum perpetuum der Praetoren und curulischen Aedilen.
Album praetoris bedeutet also a) ursprünglich die geweisste Holztafel, auf der, in schwarzer Schrift, mit roten Überschriften (vgl. z. B. Quint. XII 3, 11 si ad album ac rubricas transtulerunt. Paul. Dig. XLIII 1, 2, 3 (interdicta[WS 1] proponuntur sub rubrica unde vi) der Praetor seine Bekanntmachungen an die Bürger veröffentlichte. Dieselbe war vor dessen Tribunal, auf dem Forum, angeschlagen, und zwar so, dass sie bequem gelesen werden konnte (s. Lex repetund. Z. 65f. apud forum palam, ubi de plano recte legi possitur. Ulp. Dig. II 13, 1, 1; vgl. Krüger Gesch. d. Quellen und Litt. des röm. Rechts 39). Um sie gegen bösliche Beschädigung (si quis … dolo malo corruperit) zu schützen, verhiess ein praetorisches Edict ein eigenes Iudicium und eine Popularklage auf Geldstrafe (datur in eum quingentorum aureorum – ursprünglich quingentorum milium sestertium – iudicium, quod populare est Dig. II 1, [1333] 7. Paul. Sent I 13 a, 3, vgl. Cuiacius Observ. XXI 24. Bruns Ztschr. f. Rechtsgesch. III 343. Rudorff de iuris dict. edictum 31f. Lenel edictum perpetuum 46). b) Die Bezeichnung album praetoris ist dann übertragen worden auf das, was die Tafel enthielt, will sagen α) auf die Edicte des Praetors im eigentlichen, engeren, technischen Sinn, d. h. Ankündigungen dessen, was er thun oder nicht thun werde (z. Β. iudicium dabo, actionem non dabo, in integrum restituam, pacta conventa dabo u. a. m.) und β) die Formulare für die Rechtsmittel, die gemäss dem Ius civile zustehen, Process-, Interdicts-, Exceptionen- und Stipulationsformulare, d. h. Muster teils für Sprüche des Praetors (Interdicte), teils für Sprüche (Stipulationen) und im Privatprocess zu verwendende Urkunden der Parteien (formulae = iudicia = actiones und exceptiones). Auch letztere werden schon von den klassischen Juristen insbesondere in den Überschriften ihrer Commentare zu der iulianischen Redaction der Edicte und Formulare (libri ad edictum) unter der Bezeichnung edictum mitbegriffen (vgl. Wlassak Edict u. Klageform, Jena 1882, 15–21. Krüger a. a. O. 36ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 461ff. Bruns-Pernice in Holtzendorffs Encycl. d. Rechtswissensch.⁵ 131f.). Die Spruchformeln des alten Privatprocesses, die legis actiones, waren, wenn auch wahrscheinlich beim Tribunal des Praetors aufgestellt, doch niemals ein Bestandteil des praetorischen Albums (so Wlassak a. a. O. 117, dem Lenel a. a. O. 11. 112 und Karlowa a. a. Ο. Ι 462 beistimmen, während Bruns-Pernice a. a. O. 132 die Sache als zweifelhaft bezeichnen). Die von mehreren Gelehrten vertretene, von anderen verworfene Annahme einer räumlichen Trennung der Formulare von dem normativen Teil des Albums mit den Edicten hat neuerdings Wlassak als zutreffend erwiesen (Edict u. Klageform 25–32; vgl. Röm. Processgesetze II 6f., insbesondere Anm. 12).
Das Album der curulischen Aedilen wird in seiner äusseren Einrichtung dem praetorischen entsprochen haben (vgl. Krüger a. a. O. 38f.). Iulian hat die aedilicischen Edicte und Formulare den praetorischen als Anhang hinzugefügt (vgl. die Commentare von Ulpian und Paulus und Iustinian const. Omnem § 4). Den Alben der Praetoren, bezw. der curulischen Aedilen in Rom entsprechen ähnliche der Provincialstatthalter, bezw. der Provincialquaestoren, nur dass dieselben bei der vollen Verbindung von Justiz und Verwaltung in den Provinzen sich inhaltlich in der Regel über die ganze Provincialverwaltung, namentlich auch das Finanzwesen, erstreckten (Krüger a. a. O. 38f. Bruns-Pernice a. a. O. 132).
Es unterlagen ferner auch die Mitgliederverzeichnisse der verschiedenartigsten Körperschaften der öffentlichen Aufstellung in albo, so dass für diese am Ende – auch abgesehen von dem Material der Aufzeichnung und der Thatsache der öffentlichen Aufstellung – die Bezeichnung album κατ’ ἐξοχήν in Aufnahme kam. An erster Stelle ist von ihnen a) das album senatorium zu nennen. Während in der republicanischen Zeit die neu redigierte Senatsliste öffentlich von den Rostren verlesen wurde, wurde sie seit 745 = 9 alljährlich öffentlich ausgestellt (Dio Cass. [1334] LIII 3: τὰ ὀνόματα συμπάντων τῶν βουλευόντων εἰς λεύκωμα ἀναγράψας ἐξέθηκεν καὶ ἐξ ἐκείνου καὶ νῦν κατ’ ἔτος οὕτω ποιεῖται). Nun erst kam auch die Bezeichnung album senatorium in Geltung; vgl. Tac. ann. IV 4, 2. Cod. Th. XII 1, 48 (album curiae). Corippus de laudib. Iustini IV 142. Die jährliche Revision der Liste vollzogen die Kaiser, wobei sie die Entziehung des senatorischen Rechts (albo senatorio eradere Tac. ann. IV 42) bis auf Domitian nur als Censoren, von da ab unbedingt in Anspruch nahmen (Μοmmsen St.-R. III 881). Die Liste stellte die Reihenfolge bei der Umfrage (sententiam rogare) fest. Während in der Königszeit die Senatoren der gentes maiores denen der minores vorangingen, beide nach der festen Ordnung der dreissig Curien (Mommsen a. a. Ο. III 868), regelte sich in der Republik und in der Kaiserzeit die Reihenfolge nach den Amtsklassen und dem Amtsalter, so jedoch, dass, zum mindesten bis Sulla, in jeder Amtsklasse die Patricier vor den Plebejern ihren Platz hatten. Den Schluss bildeten bis auf Sulla (Mommsen a. a. O. 859) diejenigen Senatoren, welche nur durch magistratische Wahl der Körperschaft angehörten und von denen die plebejischen vom Vorschlagsrecht ausgeschlossen waren (Liv. XXIII 23, 5. Ulp. Dig. L 3, 1; vgl. Mommsen a. a. Ο. III 966ff.).
b) Album decurionum (CIL VIII 2403. Cod. Th. XII 1, 142. Nov. Maior. VII 18. Ulp. Dig. L 2, 10. L 3. Synes. epist. 92). Die öffentliche Aufstellung derselben ist bezeugt durch Modest. Dig. L 2, 10 (sola albi proscriptione) sowie indirect durch die erhaltenen alba des ordo von Canusium und des von Thamugadi CIL IX 338. VIII 2403. 17903. Die Redaction des Albums fand, wenigstens in der älteren Kaiserzeit, alle fünf Jahre statt und war, wie die lectio ordinis, nach der Lex Iul. munic. CIL I 206, 83ff. Sache des höchsten Magistrats der Municipalstädte, d. h. der Quinquennalen. Das Verfahren dabei war entweder durch die lex municipii oder coloniae speciell vorgeschrieben (vgl. Ulp. Dig. L 3, 1) oder es regelte sich nach folgenden Grundsätzen: An der Spitze des Albums standen die, qui dignitates principis iudicio consecuti sunt Ulp. Dig. L 3, 2, die patroni c(larissimi) v(iri) und patroni e(quites) R(omani) oder patroni v(iri) p(erfectissimi) der Alben von Canusium und Thamugadi CIL VIII 2403. Dann folgten nach Ulpian die, qui tantum municipalibus honoribus functi sunt, d. h. diejenigen, welche für den Sitz im Ordo qualificierende Gemeindeämter bekleidet hatten, nach ihren Amtsklassen und ihrem Amtsalter, in CIL IX 338 quinquennalicii, allecti inter quinq(uennalicios), duumviralicii, aedilicii, quaestoricii; VIII 2403 stehen noch zwei sacerdotales voran, weil von dem Landtag der Provinz, nicht von dem Ordo der Gemeinde gewählt, und es folgen dann die fungierenden weltlichen und geistlichen Behörden der Gemeinde, zuerst der curator, weil vom Kaiser ernannt, dann die zwei duoviri, dann die flamines perpetui, pontifices, augures und endlich die aediles und quaestores (in dem Canusiner Album sind dagegen die fungierenden Beamten am Schluss der honore functi verzeichnet). Auf sie folgten die gewesenen Beamten, von denen aber nur ein Teil der duumviralicii [1335] erhalten ist. Indes beweisen die etwa gleichzeitigen Fragmente anderer Alben des Ordo von Thamugadi (17903), dass auch in dieser Zeit die Zusammensetzung der africanischen Curien den Angaben Ulpians im wesentlichen entsprach. Die dritte Stelle nahmen nach Ulp. Dig. L 3, 1 die ein, qui nullo honore functi sunt, prout quisque eorum in ordinem venit, die pedani des Canusiner Albums, das ihnen übrigens noch 25 praetextati folgen lässt, d. i. Söhne der Decurionen, die, wie seit Augustus die Senatorensöhne in Rom, als Zuhörer in der Curie erscheinen durften (vgl. Suet. Aug. 38. Dio Cass. XXXIX 9. Stat. silv. IV 8, 59; vielleicht auch Pap. Dig. L 2, 6, 1). In den Alben von Thamugadi CIL VIII 2403 und 17903 werden die excusati, d. h. die von den munera der Decurionen befreiten (s. Ε. Kuhn Die städt. u. bürgerl. Verf. d. röm. Reichs I 69ff.) in verschiedener Weise (2403 I 33f. 17903 a 3. c 13. e 11. f 7) bezeichnet und von den non excusati unterschieden (vgl. Marquardt St.-V. I² 184ff. Mommsen Eph. epigr. III p. 79ff. Joh. Schmidt Rh. Mus. XLVII 116ff.).
c) Es ist wohl ein Zufall, wenn der Ausdruck album equitum oder die Erwähnung der öffentlichen Ausstellung der Ritterliste sich nirgends in den alten Quellen findet (s. Suet. Gai. 16: recitatio equitum, vgl. Mommsen St.-R. III 492ff.).
d) Album iudicum (CIL IV 1492 c. 1493: ex albo iudex. Seneca de benef. III 7, 6: iudex ex turba selectorum, quem census in album et equestris hereditas misit. Suet. Claud. 16; Domit. 8. Plin. n. h. praef. 6). Die Aufstellung eines besonderen Verzeichnisses der Geschworenen ist wahrscheinlich erst durch die Lex Aurelia des J. 684 = 70 herbeigeführt worden, die deren Functionen an drei aus Senatoren, Rittern und Aerartribunen gewählte Decurien überwies (vgl. Mommsen St.-R. II 229f. III 533). Bis dahin waren die Senatoren- und die Ritterliste als allgemeine Geschworenenliste behandelt worden. Die Aufstellung jener Liste lag dem Praetor urbanus ob (Cic. pro Cluent. 43); unter dem Principat ging sie an den Kaiser über (Plin. n. h. XXIX 18. XXXIII 30. Suet. Aug. 27; Tib. 41; Claud. 15. Tac. ann. III 30; vgl. Mommsen a. a. O. III 536f.). Ausserdem stellen der Stadt- und Fremdenpraetor und die Quaestionenvorsteher für ihre Rechtspflege auf Grund jener kaiserlichen Urliste, und zwar wohl binnen zehn Tagen nach Antritt ihres Amtes (vgl. Cic. pro Cluent. 43), eine specielle Liste von Geschworenen auf, aber nur soweit ihre Rechtspflege legitime, d. h. volksgesetzlich geregelte Privat- und Strafprocesse betrifft, nicht für die amtsrechtlichen (iudicia quae imperio continentur, vgl. Gai. IV 103ff.). Der Fremdenpraetor ist demnach an die kaiserliche Liste nur dann gebunden, wenn ihm nach der Lex Iulia de iudiciis privatis von 737 = 17 durch prorogatio fori (Parteienvereinbarung) die Einleitung eines Verfahrens inter cives zufiel. Die Liste für die iudicia privata legitima wurde von beiden Praetoren zusammen aufgestellt (vgl. Gell. XIV 2, 1 a praetoribus lectus). Eine Liste für amtsrechtliche Processe in Rom könnte wohl neben der für legitime existiert haben, ist aber nicht bezeugt (ich folge Wlassak Röm. Processgesetze [1336] II 192–204, wo man alle Zeugnisse findet). Wie jene speciellen Listen, so wurde gewiss auch die allgemeine öffentlich aufgestellt, vgl. Lex Acil. repet. CIL I 198, 14: q[uei] … in eum annum lectei erunt, ea nomina omnia in tabula, in albo, atramento script[o]s … hab[eto] etc. und die oben für album iudicum angeführten Zeugnisse.
e) Alba der pontifices und überhaupt der Priestercollegien, d. i. chronologisch geordnete Verzeichnisse ihrer Mitglieder, s. CIL VI p. 441ff. 863; vgl. Mommsen Ztschr. f. Alt.-Wiss. 1845 nr. 65. Henzen Bull. d. Inst. 1849, 132f.
f) Album der auf die Getreideverteilung bezüglichen Professionen mit Namen der Profitenten und Datum, vgl. Lex Iulia mun. CIL I 206, 15ff.
g) Listen von Soldaten und Veteranen (dafür auch der Ausdruck laterculum), vgl. CIL VIII 2626: alb(um) vet(eranorum) und O. Kellermann vigilum Rom. latercula, Rom 1835.
h) Ein album profitentium citharoedorum, nämlich derer, die sich zur Beteiligung am agon Neroneus meldeten, wird erwähnt Suet. Nero 21.
i) Album collegii (CIL XIV 286: album sacratorum; 2112 II 14: magistri cenarum ex ordine albi facti). Auch die Genossenschaften pflegten wohl ihre Mitgliederverzeichnisse, zum mindesten in ihrer schola oder curia, öffentlich aufzustellen, damit nicht Eindringlinge die Vorteile der Mitgliedschaft usurpieren konnten. Solche Alben von Collegien ahmen in ihrer Form meist das Vorbild des album decurionum nach, insofern sie die Patrone, zuweilen unterschieden in senatores und equites Romani (CIL XIV 251), an die Spitze stellen, darauf die Beamten, bezw. gewesenen Beamten, nach ihrer Rangfolge und schliesslich die einfachen Mitglieder des Collegiums (plebs CIL XIV 250; plebei XIV 256; corporati XIV 246 u. a.), zuweilen in Centurien oder Decurien gesondert, folgen lassen. Ein ausführliches Verzeichnis solcher Alben giebt Liebenam Zur Gesch. und z. Organisat. d. röm. Vereinswesens 1890, 187ff.; wir begnügen uns, die wichtigsten hervorzuheben: CIL III 870. 6150. VI 1060. XI 1355 A. XIV 246. 250. 251. 256. 281. Bull. com. 1888, 469.
[Joh. Schmidt.]
Anmerkungen (Wikisource)
Vorlage: (interdicta)
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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