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Aktorionen (der Name: Ἀκτορίωνε Μολίονε Il. XI 750, blos Μολίoνε 709, nur Ἀκτορίωνε XXIII 638; τέκνα Μολιόνας bei Ibyc. fr. 16, Μολίονες Pind. Ol. X 34; bei den späteren Mythographen [1218] Paroemiographen u. s. w. häufig Μολιονίδαι; bei Ovid. met. VIII 308 Actoridae pares). Unter A. versteht man seit Homer entweder die Molioniden Kteatos und Eurytos oder deren Söhne Amphimachos und Thalpios.
I. a) In der Episode vom Botengange des Patroklos Il. XI 670ff. erzählt Nestor seine Heldenthaten im Kampfe, den er als Knabe gegen die Epeer bestanden. Gegenseitige Verletzungen, bei denen das erste Unrecht auf Seiten der Epeer war, welche die Schwächung der Pylier durch Herakles benutzten, führten zu einem Angriff der Epeer auf Thryoessa, die pylische Grenzstadt an der Alpheiosfurt; unter ihnen waren die beiden Molionen, noch Knaben und wenig kundig des Waffenhandwerks (709f.). Durch Nestors Tapferkeit, der noch blutjung wider den Willen des Vaters dem pylischen Heerbann folgt, fliehen die Feinde, und Nestor hätte die A. M. getötet, wenn sie nicht ihr Vater Poseidon entrückt hätte (750ff.). Wenn schon der ganze Botengang der Kritik viel Anstösse gegeben hat, so sieht man im besonderen die Nestorerzählung als ein ehemals selbständiges Einschiebsel an, das bei der Redaction vielfach gelitten hat. A. Mommsen Philol. VIII (1853) 721ff. zeigt, dass das zum Wettlauf bestimmte Viergespann des Neleus, welches Augeias zurückbehielt, deutlich auf die olympischen Spiele weise, bei denen das Viergespann erst Ol. 25 (680 v. Chr.) eingeführt wurde, vgl. Christ Griech. Lit.-Gesch.² 43; berücksichtigt sei eine Dichtung von Herakles’ Kampf gegen Augeias und die M. (deren Alter der amyklaeische Thron beweist, s. u.); die Einfügung in die Ilias fiele also erst einige Zeit nach 680. Noch einmal kommt Nestor in friedlichem Wagenrennen bei den Leichenspielen des Amarynkeus zu Buprasion mit den A. zusammen, die ihn besiegen, weil sie zu zweien fahren (πλήθει πρόσθε βαλόντες, d. h. durch ihre Überzahl zwei gegen einen — zu künstlich Aristarch), der eine die Zügel, der andere die Peitsche regierend. Ob sie der Dichter mit δίδυμοι nur als Zwillinge bezeichnen oder ihnen eine besondere Bildung zuschreiben wollte, wie Aristarch Schol. Ven. A zu v. 638 nach Hesiod annimmt, bleibt unsicher, obwohl nur eine solche im Sinne der späteren Vorstellung die Zulassung der zwei auf einem Wagen rechtfertigen würde.
b) Nach Hesiod (fr. 2 Rz. u. Schol. Il. XI 638f.) waren die A. zusammengewachsen (διφυεῖς, δύο ἔχοντας σώματα .. καὶ συμπεφυκότας ἀλλήλοις). Ihr Vater war angeblich Aktor, in Wahrheit Poseidon, von der Molione. So wird der Doppelname A. M. erklärt, nach den Grammatikern in unhomerischer Weise (ἀπὸ μητρὸς γὰρ οὐδένα σημαίνει Ὅμηρος), während im Anhange der hesiodischen Theogonie 1002 Cheiron nach der Mutter Φιλυρίδης heisst. Noch mehr sucht Lübbert ind. lect. Bonn 1881/2, 9 (M. Wellmann de Istro Callimachio, Greifsw. 1886 p. 113, 107) aus Pindar für Hesiod zu gewinnen.
c) Von den Lyrikern lässt Ibykos den Herakles selbst (κτάνον) erzählen, wie er die auf weissen Rossen dahinsprengenden Jünglinge, Söhne der Moliona, mit einem Leibe und gleich hohen Köpfen, in einem silbernen Ei geboren, getötet habe (fr. 16, PLG⁴ III 242), in bewusster Erinnerung [1219] an die Dioskuren, denen aber doch schwerlich, wie A. Schultz (Die Aktorionensage 4) meint, alles abgeborgt ist; nach O. Kern De Orphei Epimenidis Pherecydis theogoniis, Berlin 1888, 12. 13 gebührt vielmehr für das silberne Ei unserer Sage der Vorrang. Den Herakles, der bei Ibykos nur vermutet wird, preist Pind. Ol. X 26–34. Die übermütigen M. hatten das tirynthische Heer in Elis vernichtet, darauf lauert ihnen Herakles an der Strasse unterhalb Kleonai auf und tötet sie; nun erst kann er die Burg des Augeias brechen und den olympischen Agon stiften.
d) Eine von der hesiodischen abweichende Schilderung der M. gab Pherekydes (fr. 86), wenn man mit Wellmann a. a. O. der Unterschrift des Schol. Ven. A Il. XI 709 traut. Darnach hatte jeder der (von einander getrennten) Brüder 2 Köpfe, 4 Hände und 4 Füsse. Das αἴτιον für den Flussnamen Βαδύ bei Dyme, an dem sich der fliehende Herakles, endlich der Verfolger ledig, gelabt, bei Schol. Plat. Phaed. 89 c sieht mit seiner alexandrinischen Färbung mehr nach Istros (fr. 46) oder Komarchos aus, als nach dem ebenda genannten Pherekydes. Die Flucht des Herakles vor den M., die vorher von den Stymphaliden bewirtet waren (Herakles, den diese Mädchen abgewiesen hatten, tötet sie aus Rache), und den Hinterhalt von Kleonai erzählt Mnaseas von Patara in sehr rationalistischer Form (fr. 8. 9, FHG III 151).
e) Die späteren Mythographen und Scholiasten zu Homer bieten zum Teil schon benutzte genealogische Verknüpfungen: Paus. V 1, 10, offenbar auf Thessalien weisend, von Aktor (Sohn des Phorbas, Sohnes des Lapithas und der Hyrmine, Tochter des Epeios) und der Moline (Molione); dazu stimmt Eust. Il. II 620f., wo die Heimat des Phorbas Olenos ist; kürzer Apd. II 7, 2, 2–4, der des eigentlichen Vaters Poseidon gedenkt. Confus hat excerpiert Diod. IV 33, der Eurytos zum Sohne des Augeias macht, Kteatos weglässt: E. Bethe quaest. Diodor. mythogr., Diss. Goetting. 1887, 72. Am ausführlichsten erzählt Paus. V 1, 10–2, 5, wie Augeias, den beleidigten Herakles fürchtend, die Hülfe des Amarynkeus und Aktor mit dessen Söhnen gewinnt und so lange siegreich ist, bis Herakles die als θεωροί zu den Isthmien gehenden A. bei Kleonai tötet. Molione strebt unermüdlich, ihre Söhne zu rächen; schliesslich erreicht sie, dass sich die Eleier von den Isthmien für alle Zeit fern halten. Dass der Brauch so und nicht anders zu erklären sei, zeige das Epigramm auf der Statue des Olympioniken Timon. Plut. de Pyth. orac. 13 giebt umgekehrt der von Pausanias verworfenen Begründung den Vorzug, aber die Quelle beider wird dieselbe sein, nach Wellmann a. a. O. 112ff. Istros, wogegen Kalkmann Pausanias der Perieget 84; am nächsten liegt doch der στηλοκόπας Polemon. Apd. a. a. O. begründet die Niederlage mit einer Krankheit des Herakles. Ovid. met. VIII 308 lässt die A. auch an der kalydonischen Eberjagd teilnehmen.
f) Zwei Sprichworte werden durch die Sage von den A. erklärt: πρὸς δύο οὐδ’ ὁ Ἡρακλῆς: Echephyl(l)idas bei Schol. Plat. Phaed. 89 c, der zum Schluss Pherekydes, Komarchos und Istros Ἡλιακά citiert, und οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς οἱ Μολιονίδαι, [1220] gleichbedeutend mit οὐδὲν Ὀρέστης πρὸς ἡμᾶς καὶ Πυλάδης, d. h. die gefeiertsten Freundespaare sind gegen uns gar nichts: Apost. XIII 54 (Paroem. Gr. II 590 Leutsch).
g) Von Pindar an sind alle darin einig, dass die A. in Kleonai fielen: Mnaseas, Apd. Diod. Paus. Schol. Plat l. l. Ael. v. h. IV 5 erwähnt den Heldentod von 560 Kleonaeern (Leidensgenosse derselben ist ihr Nachbar Dameon, Sohn des Eponymen von Phlius, nach der einen Erklärung des Taraxippos im Hippodrom von Olympia unter einer runden Erhebung, die einem Altar oder Grabe gleich, mit seinem Rosse bestattet, Paus. VI 20, 16) im Kampfe gegen die M., von Herakles dankbar anerkannt, doch bezieht sich das nur auf die Isthmien. Paus. II 15, 1 erwähnt in der Beschreibung von Kleonai ein μνῆμα des Eurytos und Kteatos; nach Diod. a. a. O. erhob sich am Orte der Frevelthat ein ἱερόν des Herakles, von dem noch Reste vorhanden sein sollen. E. Curtius Peloponnesos II 511. 588, 70. Es ist wie in Tenos, wo einerseits Herakles Phylenheros, andererseits ein Grab der von ihm umgebrachten Boreaden war. Im engen Bergthal von Kleonai hat sich der Kultus (wenn auch nur als Heroen) erhalten, während in Elis nur die Sage das Andenken an die epeischen Helden bewahrt hat. Sage und Dichtung haben den einzig übrig gebliebenen Kult respektiert.
Eine Übersicht über die sehr verschiedenen Deutungen der Sage und eine eigene Deutung giebt A. Schultz Die A.-sage in ihrer Verflechtung mit anderen Sagen dargestellt, Gymn. Progr. Hirschberg 1881. Ibykos verstand sie als wesensgleich mit den Dioskuren; die weissen Rosse passen viel besser zu diesen als zu dem zusammengewachsenen Brüderpaar, sind aber bei beiden sekundär (v. Wilamowitz, s. u.). Welcker dagegen spottet über diese Zusammenstellung und deutet die M. auf die beiden Mühlsteine (Alte Denkm. II 230; Kl. Schr. II S. CII–CXIII) oder auf die Verkörperung eines Gedankens „Einigkeit macht stark“ (Griech. Götterl. I 424) und auch Schultz findet sich mit Ibykos sehr rasch ab; aber andere, wie H. D. Müller Myth. d. griech. Stämme I 212ff. M. Mayer Giganten und Titanen 1887, 142f. O. Kern de theogoniis a. a. O. und vor allem U. v. Wilamowitz Eur. Herakl. II 58 zu v. 30 (vgl. I 207, 16) nehmen Ibykos zum Ausgangspunkt. Nach Wilamowitz sind die A. eines jener von der nordischen Bevölkerung verehrten göttlichen Zwillingspaare; „man dachte sie sich Rettung in höchster Not bringend zu Wasser und zu Lande als θεοὶ σωτῆρες. Zur Veranschaulichung ihres Wesens bildete sich daher eine Geschichte, wie sie einer hülflosen Person in letzter Stunde unverhofft zum Heile erschienen waren. Im Anschluss an die Geschichte individualisieren sich die Gestalten, und so unterschied man die Tyndariden in Sparta (und Aetolien), die Apharetiden in Messenien, die Molioniden in Elis, Antiopesöhne in Boeotien; in Argos und Athen hat sich der alte Name Ἄνακες, die Herren, erhalten.“ Der Name Ἀκτορίωνε, dessen Form patronymisch scheint, entspricht auch ganz dem Plural Ἄνακες, denn ἄκτωρ heisst appelativisch der Führer (s. oben S. 1216). Und Μολίονε kann man mit den alten Grammatikern (Eust. Il. XI [1221] 749 und so fast alle Neueren) als die beiden göttlichen Kämpfer der Epeer auffassen (vgl. Bücheler Rhein. Mus. XL Suppl. 14). Es sind zwei alte ἐπικλήσεις, deren Bedeutung schon Homer vergessen hat, welche die Späteren in einer zum Teil an das Mutterrecht (worüber s. Toepffer Att. Genealogie 190ff.) anklingenden Weise erklären. Vgl. H. D. Müller a. a. O. 212f. Die Namen Kteatos und Eurytos (von εὐρύς wie Ὤκυτος von ὠκύς nach Plew Jahrb. f. Philol. CVII 1873, 197ff.) passen für reiche und mächtige Herrscher, sonst besagen sie nichts. Ihre Bildung mit einem Leibe, zwei Köpfen und vier Gliedmassen (Hes. u. Ibyk. ursprünglicher als Pherek.) erinnert an Geryoneus (Schultz a. O. 16), aber auch an das uralte rohe spartanische Kultbild der Dioskuren aus zwei parallelen Balken, die durch zwei Querbalken verbunden waren (Plut. frat. am. 1. H. D. Müller a. a. O.). Sie sind Söhne des Poseidon, der im westlichen Peloponnes und in den Genealogieen der Aioliden eine so grosse Rolle spielt; als θεωροί zu den Isthmien, welche Poseidon galten, ziehen sie aus und werden ermordet, wie Ibykos, der sie besungen. Wie die Epeer den Dorern und ihren aetolischen Bundesgenossen, so unterliegen die A. Herakles. Aber der Krieg gegen Nestor, diese formell schwache, aber durch ihre Localfrage so überaus interessante Erzählung? Sie ist nach 680, nach dem sog. ersten messenischen Kriege entstanden. Nestor, der nachmalige König des triphylischen Pylos, dessen Burg Lolling in dem Γυφτόκαστρο (wie das Volk sagt) von Kallidona gesehen hat (Baedeker Griechenland² 327), schlägt die Epeer oder Eleer. Und gerade in der ersten Hälfte des 7. Jhdts. waren die Pisaten dauernd siegreich gegen die Eleer; Ol. 30 = 660 gewannen sie Olympia wieder, das ihnen die Eleer vorher entrissen hatten, wie Augeias das Viergespann dem Neleus (Busolt Gr. Gesch. Ι 163; das genaue Jahr ist bestritten). Es ist ein Stück Zeitgeschichte in der einzigen damals dort verfügbaren Form der epischen Heldensage. Die A. spielen darin eine kümmerliche Rolle, sie sind aus dem älteren Sagenbestand beibehalten, aber aetolische Eleer geworden. Zu erinnern ist daran, dass auch die messenischen Kriege ihren mythischen Ausdruck gefunden haben (v. Wilamowitz Isyllos 77).
Von Darstellungen in der bildenden Kunst ist gesichert einzig die am amyklaeischen Thron, wie Herakles die Söhne des Aktor tötet, Paus. III 18, 8. Schultz a. a. O. Furtwängler bei Roscher Myth. Lex. I 2206.
II. Im Schiffskatalog Il. II 620f. werden Amphimachos und Thalpios, Söhne des Kteatos und des Eurytos, die Aktorionen (Ἀκτορίωνε nach Ven. A, die meisten Hss. Ἀκτορίωνες) als Führer einer der vier Abteilungen der Eleer zu zehn Schiffen genannt. Amphimachos, Sohn des Aktorionen Kteatos (Κτεάτου υἷ’ Ἀκτορίωνος, dies das Ältere und Correctere) fällt nach XIII 185 durch Hektor; Poseidon zürnt sehr wegen des Falles seines Enkels (207). Spätere kannten ihre Mütter, Therionike (Mutter des Amphimachos) und Theraiphone, beides Töchter des Dexamenos von Olenos, eine sehr nach Aetolien bezw. Thessalien weisende, an die kentaurenmordenden Lapithen erinnernde Genealogie, Paus. V 3, 3. 4. Im Anschluss [1222] an Homer werden sie sonst erwähnt Eust. Il. II 620f. (ganz verderbt Hyg. fab. 97). Apd. bibl. frg. Sabb. Rh. Mus. XLVI 167 Z. 26; ebenda 166 Z. 1 als Freier der Helena.
[Hiller v. Gaertringen.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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