.
Agonothetes (ἀγωνοθέτης), der Ordner des Wettkampfes; vgl. Pollux III 140 (poet. ἀγωνοθετήρ Kaibel IGI 502; Epigramm. Gr. 887). Das Wort ist im 5. Jhdt. schon durchaus geläufig (Thukyd. III 38. Sophokl. bei Pollux III 141. Xenoph. Anab. III 14), das Amt selbst natürlich so alt, wie die Sitte der Wettkämpfe (s. Agones); Odyssee VIII 258 erscheinen als Kampfordner bei den Phaeaken αἰσυμνῆται, Soph. El. 690 bei den delphischen Pythien βραβεῖς. Anderswo heissen sie ἀθλοθέται (s. d.), ἐπιμεληταί (ἐπιμεληταὶ τῆς πανηγύρεως Bull. hell. IX 430; vgl. Ἐφημ. ἀρχ. 1891, 90), πανηγυριάρχαι (CIG 2184f. 2758. 2944), in späterer Zeit wohl auch ξυστάρχαι (Arch. Ztg. XXXIV 93 nr. 148. CIG 2811b; vgl. u. ξυστάρχης). Die Befugnisse dieser Persönlichkeiten sind trotz dieser Verschiedenheit der Namen meist überall die gleichen; wir können daher die Bezeichnung A. im weiteren Sinne für alle Festleiter verwenden und deren Wirkungskreis unter diesem Schlagworte behandeln. Vollkommen willkürlich ist die (von Nikandros bei Hesychios und darnach von Andern aufgestellte) Behauptung, dass die Bezeichnung ἀ. auf musische Agone beschränkt sei, während dem Ordner der gymnischen Wettkämpfe der Name ἀθλοθέτης (s. d.) zukomme.
Wenn ein Einzelner aus eigenen Mitteln einen Agon veranstaltet, so ist er natürlich auch selbst A. im weitesten Sinne des Wortes, als Stifter, Leiter und in der Regel auch als Preisrichter des Wettkampfes. Bei den von Staatswegen veranstalteten Agonen bildet natürlich die Agonothesie ein Hoheitsrecht des betreffenden Staates (oder Staatenbundes), das er durch seine Stellvertreter ausüben lässt. Es können dann die Rechte und Pflichten des A. entweder einem der obersten Gemeindebeamten, oder aber einer für das bestimmte Fest eingesetzten Commission, deren Amt den Charakter einer ἀρχή oder einer blossen ἐπιμέλεια haben kann, übertragen werden. [871] So sind bei den delphischen Pythien die amphiktyonischen Vertreter auch die ἐπιμεληταί des Agons (Bürger Pylaeisch-delphische Amphiktyonie 162ff. Mommsen Delphica 166); in Athen leitet der erste Archon die Dionysien und Thargelien, der βασιλεύς die Lenaeen und Lampadedromieen, der Polemarch den ἀγὼν ἐπιτάφιος (Aristot. Ἀθην. πολ. 56ff.), in den Beschlüssen lokrischer Städte wird nach dem ‚A. der Lokrer‘ datiert (Gilbert Griech. Staatsaltert. II 44). Bei den mit dem Kaiserkult verbundenen Provincialagonen ist in der Regel der ‚Landtagspräsident‘ auch A. (Mommsen Röm. Gesch. V 318. Beurlier le culte impérial 129ff. 165). Einer besonderen Behörde, den Ἑλλανοδίκαι (s. d.), die auf vier Jahre bestellt sind (ἀ. nennt sie Herod. VI 127), ist die Leitung der elischen Olympien anvertraut; für die attischen Panathenaeen werden 10 ἀθλοθέται (s. d.) mit vierjähriger Amtsdauer durch das Los erwählt (Aristot. Ἀθην. πολ. 60). Für die jährlich wiederkehrenden Agone aber wird in weitaus den meisten Fällen ein Geschäftsträger oder ein mehrgliedriger Ausschuss eingesetzt (in der Regel wohl für die Dauer des ganzen Jahres). Mehrfach (besonders in Kleinasien seit der hellenistischen Zeit) ist das ehrenvolle Amt der Agonothesie mit einer bestimmten Priesterwürde, der des Festgottes oder der des Königs- bezw. Kaiserkultes gesetzlich oder gewohnheitsmässig verbunden, so in Teos und Elaia (ἱερεὺς τοῦ βασιλέως als ἀ., CIG 3068. 3070. Fränkel Inschr. v. Pergamon 246), in Lesbos (CIG 2184f.), Aphrodisias (CIG 2785), in zahlreichen Städten der Provinz Asia, in Pamphylien (ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν Bull. hell. VII 264, ebenso in Phrygien Amer. Journ. of arch. IV 11), bei den athenischen Panhellenia (ἱερεὺς θεοῦ Ἀδριανοῦ CIG 3832f.) u. ö. Bei manchen gymnischen Festen fallen dem Gymnasiarchen (s. d.), bei Ephebenagonen den Beamten der Knabenschulen, insbesondere dem Kosmeten (s. d.), die Befugnisse der A. ganz oder teilweise zu. Frauen können in ihrer Eigenschaft als Priesterinnen die Agonothesie bekleiden; vgl. CIG 1440. 1444 (Sparta). 3415 (Phokäa). 3508 (Thyateira; vgl. ἀρχηὶς τοῦ ἀγῶνος Ἐφημ. ἀρχ. 1892, 17). Natürlich sind auch bei dem Mädchenagon der elischen Heraeen die A. Frauen (Paus. V 16, 2). Selbst Epheben und Knaben erscheinen seit der hellenistischen Zeit als A., zunächst natürlich nur für die Agone des Gymnasiums; vgl. CIA II 1222 (aus dem 3. Jhdt. v. Chr.). Dumont Essai sur l’ephébie I 226ff. Homolle Bull. hell. XV 257. 279; wie sehr dieser Gebrauch in der Kaiserzeit überhandnahm, zeigen die athenischen Listen CIA III 1120ff.
Die erste Obliegenheit des A. ist die Sorge für den ordnungsmässigen Hergang der Wettkämpfe; er hat demgemäss auch die nötigen Vorbereitungen zu treffen, nimmt die Anmeldungen der Wettkämpfer entgegen, die er unter Umständen auch noch einer besondern Prüfung unterzieht. Wo keine anderen Epimeleten für die Pompe oder besondere Opferbehörden (s. Ἱεροποιοί) eingesetzt sind, ist er auch für schickliche und gottgefällige Durchführung des Festaufzuges und der damit verbundenen Opfer verantwortlich. Er hat die vom Staate für das Fest ausgeworfenen Gelder entweder selbst zu verwalten [872] oder doch deren entsprechende Verwendung mitzubestimmen und zu beaufsichtigen und muss über seine finanzielle Gebahrung Rechenschaft ablegen. An dem Festtag erscheint er bekränzt und im Feiergewand (πορφυρίς Luk. Anach. 3), mit einem Stab in der Hand, der ihn als Würdenträger und Ordner kennzeichnet; im Zuschauerraum hat er einen Ehrenplatz inne; einige reichverzierte Marmorsessel der panathenaeischen A. sind uns noch erhalten (Michaelis Parthenon 29f.). Der A. giebt das Zeichen zum Beginn des Kampfes, entscheidet die Streitfälle der Agonisten, verhängt unter Umständen Strafen, Züchtigung (Luk. Pisc. 33), Geldbussen, ja selbst die Ausschliessung vom Wettkampf (Plato Leg. XI 935 e; vgl. Agones). Auch Zuschauer die sich gegen Gesetz oder gute Sitte vergehen, können von ihm zur Verantwortung gezogen werden (Luk. Nigrin. 14). Die A. fällen ferner dort, wo keine besonderen Richter eingesetzt sind (wie dies für eine Anzahl musischer Agone bezeugt ist), das Urteil über die Leistungen der Wettkämpfer, sie überreichen den Siegern die Kränze und Wertpreise; diese Seite ihrer Thätigkeit ist in den Augen der Menge die am meisten hervorstechende, daher A. im übertragenen Sinn häufig im Sinne eines ‚Spenders verdienten Lohnes‘ gebraucht wird. In dieser Eigenschaft hat der A. auch für die Durchführung der übrigen Ehren des Siegers, für die Aufstellung der Siegerlisten, der Votivstatuen u. s. w. zu sorgen. Endlich obliegt ihm, als dem Vertreter des Staates in der Festversammlung, an vielen Orten auch die Pflicht, Gemeindebeschlüsse, insbesondere Ehrendecrete, welchen die weiteste Öffentlichkeit gesichert werden soll, vor den versammelten Zuschauern verkünden zu lassen, die Kränze, welche von Staatswegen einzelnen Männern für verschiedenartige Verdienste zuerkannt worden sind, den also Geehrten zu übergeben, u. a. m. Bei der Durchführung seiner mannigfachen Obliegenheiten stehen den A. einerseits Polizeibeamte (ῥαβδοῦχοι, μαστιγοφόροι, ἀλύται) andererseits der vom Bläser unterstützte Herold (s. Κῆρυξ) zur Seite.
Als seit Beginn der hellenistischen Zeit die Staatskassen immer mehr verarmten, die Freude des Volkes an agonistischem Spiel sich aber stetig steigerte, trat an den A. immer dringender die Notwendigkeit heran, den Glanz des Festes aus eigenen Mitteln zu erhöhen. So gewinnt fortan seine Stellung einen wesentlich anderen Charakter. Der A. wird jetzt – man vergleiche die ähnliche Entwicklung der Gymnasiarchie – aus einem Verwaltungsorgan des Staates mehr zu einem Liturgen, oder richtiger (da diese Liturgie nicht auf gesetzlicher Grundlage ruht) zu einem Wohlthäter der Gemeinde. Zunächst haben wohl die A. durch eigene Zuschüsse die Staatspreise erhöht oder Preise für neue Kampfarten ausgesetzt; auch lag es nahe, dass sie die Siegerlisten und die geweihten Preisgegenstände auf eigene Kosten aufstellten; diese Auslagen erreichten beispielsweise für einen A. der athenischen Theseia, eines verhältnismässig unbedeutenden Festes, um die Mitte des 2. Jhdt. v. Chr. die Höhe von 2500 Drachmen (CIA II 444); vgl. Martin Cavaliers athén. 188f.; Rev. phil. X 33f. Bei den [873] musischen Festen übernimmt es späterhin der A. auch den Sold für die Künstler (Le Bas-Waddington 352f.) ganz oder teilweise selbst zu bestreiten, ja auch die Kosten für Opfer und Pompe trägt er ὑπὲρ τοῦ δήμου gelegentlich selbst (Le Bas-Waddington 253). Vielfach wird es dann – besonders in der Kaiserzeit – üblich, dass der A. die Zuschauer mit Süssigkeiten oder Geld beschenkt, Öl für Gymnasien und Bäder spendet, wohl gar die ganze Bürgerschaft am Festtage ausspeist und dergleichen mehr. Zum bleibenden Andenken an ihre Thätigkeit errichten die A. gelegentlich auch als „Weihgeschenke für den Festgott und die Gemeinde“ noch besondere Denkmäler, insbesondere Neubauten oder Zubauten, die mit dem Festwesen in Zusammenhang stehen, im Theater, in dem Stadion, der Palaestra u. s. w.; vgl. Le Bas-Waddington 269 (CIG 2861). Πρακτικὰ τῆς ἀρχαιολ. ἑταιρίας 1886, 53. Δελτ. ἀρχ. 1890, 80. Collitz Sammlung griech. Dialectinschr. I nr. 422 u. ö.
Im griechischen Festland konnten wohl schon im 3. vorchristlichen Jhdt. Agone meistens nur mehr dann abgehalten werden, wenn sich ein wohlhabender Bürger bereit fand, als A. die Gesamtkosten des Festes zu übernehmen; ähnlich war es an den meisten Orten in der Kaiserzeit, abgesehen etwa von den mit den Provincialversammlungen verbundenen Festen (den κοινά) und von jenen Agonen, für welche durch Geschenke oder Legate ein bestimmtes Capital ausgeworfen worden war; aber auch hier wird der A. in der Regel noch weitere Beiträge aus Eigenem beigesteuert haben.
Andererseits steigern sich natürlich durch diese Geldleistungen auch die mit dem Amte des A. verbundenen Ehren; Lobdecrete und Statuen lohnten die Opferwilligkeit und schienen dem A. ruhmvolle Anerkennung auch für die Zukunft zu sichern. Schon in früherer Zeit konnte die Agonothesie bei den Nationalspielen das Ziel politischen Ehrgeizes bilden. Wie Philipp von Makedonien die Leitung der Pythien für sich in Anspruch genommen hatte (Diodor XVI 60. Demosth. V 22. IX 32), so führten später Philipp III., dann T. Quinctius Flamininus den Vorsitz der Nemeen (Liv. XXVII 31. XXXIV 41. Plut. Flam. 12; vgl. auch Plut. Arat. 28). In römischer Zeit haben gelegentlich auch die Kaiser selbst den Titel eines A. bei einem hervorragenden Fest sich beilegen lassen. Dem bürgerlichen Ehrgeiz erschien auch die Agonothesie der gewöhnlichen Staatsfeste eine lockende Auszeichnung.
Wir finden daher seit der hellenistischen Zeit das Amt und den Namen des A. auch bei jenen Festen, die ihrer gesetzlichen Regelung oder älterem Brauche nach von besonderen Beamten oder mehrgliedrigen Commissionen geleitet werden sollten; so hören wir seit dem 2. Jhdt. v. Chr. von A. der Panathenaeen (CIA II 422 Z. 9. Athen. Mitt. VIII 59 Z. 23. Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 223 nr. 3; ferner in der Kaiserzeit: CIA III 652. 672. 716. 70a; vgl. Luk. Nigr. 14), im 1. Jhdt. v. Chr. von einem ἀ. Δηλίων (Bull. hell. XV 279), in der Kaiserzeit von A. der delphischen Pythien (CIG 1121. 1717. Bull. hell. VI 450. XV 336 u. ö.; ἐπιμελητής Plut. Sympos. VII 5. II 4), der Nemeen (CIG 1112–1124. 1126. Le Bas-Foucart [874] 121), der Aktia (Bull. hell. I 294. Athen. Mitt. IX 263), der athenischen Panhellenia (CIG 3832f., vgl. CIA III 10: ἀντάρχων τοῦ ἱερωτάτου ἀγῶνος τοῦ Πανελληνίου) und Olympien (Ἐφημ. ἀρχ. 1883, 139) u. s. w.
Auch in dieser späteren Zeit wurde der A. in der Regel durch Wahl (meist wohl erst, nachdem er sich freiwillig zur Übernahme des Amtes erboten hatte) und nur für ein bestimmtes Fest bestellt; vgl. Menadier Qua condicione Ephesii usi sint inde ab Asia in formam provinciae redacta (Berlin 1880) 93; nur selten geschieht es, dass er alle Agone einer Stadt (CIG 1121–1124. 1378; vgl. ξυστάρχης), ganz vereinzelt, dass er die Agone mehrerer Städte (CIG 2007) leitet. Die Agonothesie kann (wie auch schon in der früheren Epoche) mehrmals bekleidet werden, es giebt aber jetzt auch lebenslängliche A. (ἀ. διὰ βίου, CIG 2801. 4270. 4380 e.f.g.h u. ö.), ja in den angesehenen Familien einer Stadt ging mit dem Reichtum auch das Amt des A. gewissermassen erblich vom Vater auf den Sohn über; vgl. CIG 1123: τὸν ἐκ πάππων ἀ. Ἐφημ. ἀρχ. 1892, 23: ἀ. διὰ γένους. Davon ist zu unterscheiden der ἀ. δι’ αἰῶνος (auch ἀ. αἰώνιος CIG 1392), d. i. der Leiter jener Spiele, welche durch ein Legat auf ewige Zeiten eingerichtet sind (CIG 2785. Bull. hell. IX 339 nr. 22 u. ö.); vgl. Liermann Dissertat. philol. Halenses XI 59. 126. Eine strenge Umgrenzung der Obliegenheiten des A. ist natürlich für die Kaiserzeit nicht möglich; wesentliche Punkte waren ja dem guten Willen der A. anheimgestellt; nicht selten teilen sich zwei, drei oder noch mehr A. in die Veranstaltung des Agons; vgl. CIG 1424. 2698b. 2936. 2883b. Le Bas-Foucart 194c. Arch. Ztg. XXXVII 132f. u. ö. Auch finden wir an manchen Orten neben dem A. noch andere Würdenträger an der Ordnung der Agone beteiligt, so ἀθλοθέται (s. d.) in Sparta (CIG 1424. Le Bas-Foucart 194c), einen πανηγυριάρχης in Lesbos (sein Amt ist mit dem des ἀ. in einer Person vereinigt CIG 2184ff. Collitz Dialectinschr. I 241ff.), einen ἀλυτάρχης (s. d.) an den Olympien zu Tralles u. ä. m. Weitere Einzelheiten werden bei den einzelnen Festen und Festorten zur Sprache kommen; im allgemeinen vgl. Bussemaker und Saglio bei Daremberg et Saglio Dictionn. I 148f.
Eine besondere Betrachtung erfordert die Agonothesie der städtischen Dionysien zu Athen. In älterer Zeit war der erste Archon der alleinige Ordner dieses Festes; wäre daneben noch ein besonderer Commissär in Amt gewesen, so könnte die Überlieferung – z. B. gelegentlich der in Demosthenes Midiana geschilderten Händel – darüber nicht schweigen; die Agonothesie des Nikanor aber im J. 319 (Plut. Phok. 31) wird nicht auf ein dionysisches Fest bezogen werden können (Unger S.-Ber. Akad. München 1878 I 422. Köhler Athen. Mitt. IV 322). Die älteste Erwähnung eines besonderen A. für die chorischen und scenischen Spiele der grossen Dionysien begegnet in den Inschriften CIA II 1289. 1290 aus dem J. Ol. 118, 2 = 307/6; fortan finden wir auf allen Aufschriften der Weihgeschenke, welche gelegentlich der dionysischen Siege aufgestellt wurden, den Namen eines ἀ. genannt und überall [875] sehen wir damit die Formel verbunden: ὁ δῆμος ἐχορήγει. Dass diese ‚Choregie des Demos‘ und das Amt eines ἀ. eng zusammengehörige, auf gesetzlicher Grundlage verknüpfte Einrichtungen sind, kann um so weniger zweifelhaft sein, als sich seit der Zeit, in welcher jene Inschriften auftreten, keine von einzelnen Bürgern geleistete Choregien mehr nachweisen lassen. Die jüngsten Weihinschriften solcher Bürgerchoregen (CIA II 1246. 1247) stammen aus dem J. Ol. 115, 1 = 320/19; da die χορηγία in Inschriften wie CIA II 422 Z. 27. Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 223 nr. 3 nur in übertragener allgemeiner Bedeutung verstanden werden darf, so muss als letzte Erwähnung der choregischen Liturgie jene in dem Decrete CIA II 302 aus dem J. 293/2 gelten, wo neben der (zweimaligen) Agonothesie des damals wohl schon hochbetagten Philippides auch Choregien und Liturgien genannt werden, die offenbar in frühere Zeit fallen. Man wird demnach die Errichtung der dionysischen Agonothesie, die im J. 320/19 noch nicht, aber im J. 307/6 sicher bereits bestand, näher an das letztere Jahr heranrücken müssen und sie nicht (mit U[nger] Philol. Anzeiger 1886, 544) mit den politischen Umgestaltungen des J. 320/19 verbinden dürfen. Vielmehr bleibt Köhlers Vermutung (Athen. Mitt. III 240) die wahrscheinlichste, dass Demetrios von Phaleron, der auch sonst im Betrieb der athenischen Agone manches geändert hat (vgl. Athen. XIV 620b), diese Neuordnung der dionysischen Feste durchgeführt hat, vielleicht im J. 309/8 = Ol. 117, 4, als er in pomphafter Weise die Dionysien feierte (Duris FHG II 475 bei Athen. XII 542e).
Über die Obliegenheiten der dionysischen A. geben ausser den Aufschriften der dionysischen Weihgeschenke CIA II 1264. 1265. 1269. 1271. 1289–1295. 1297. 1299 (vgl. 1193. 1357. Reisch De musicis Graec. certaminibus 84f. Brinck Dissertat. philol. Halenses VII 145f.) einige Volksbeschlüsse näheren Aufschluss; vgl. Köhler Athen. Mitt. III 232ff. und dazu Thumser De civium Attic. muneribus 87, 5f.; Ztschr. f. österr. Gymn. 1886, 253. Brinck a. a. O. 95f. Fränkel bei Boeckh Staatshaush.³ II 111* Anm. 765. A. Müller Griech. Bühnenaltert. 339. Reisch Griech. Weihgeschenke 65f. Bodensteiner in Comment. philologae (München 1891) 79f. Demnach ist das Amt des A. keine ἀρχή, wie das der panathenaeischen Athlotheten, sondern eine ἐπιμέλεια (CIA II 307. 379); es ist zunächst wohl auf die grossen Dionysien beschränkt, doch hören wir einmal (CIA II 307. Dittenberger Syll. 381), dass der A. auch ‚andere Agone‘ geleitet hat (über den Demeteragon CIA II 314 s. u.); möglich wäre, dass in der ersten Zeit der A. auch für die Lenaien, die Dionysien in Salamis und im Piraeus (Aristot. Ἀθην. πολ. 54, 8), vielleicht auch für die Thargelien zu sorgen gehabt hätte; doch sind an allen diesen Festen Agone seit dem Ende des 4. Jhdts. nicht mehr nachweisbar. Mit den Eleusinien aber und den grossen Panathenaeen hatte der A. der Dionysien wohl nichts zu schaffen, insoweit nicht zufällig seiner Person auch die als selbständiges Amt geschaffene Agonothesie jener Feste (s. d.) übertragen worden war. Der dionysische A. ist ein vom Volke jährlich [876] gewählter Geschäftsträger der Gemeinde und legt als solcher am Schlusse des Jahres Rechenschaft über seine Verwaltung ab. Er hat aber nicht nur, wie andere A., für die regelmässige und würdige Durchführung der ‚Proagone‘ (s. d.) und Agone, für rechtzeitige und correcte Ausrichtung der Opfer (vgl. Dionysia) und für die Aufstellung der Weihgeschenke (Ἀθήναιον VII 93) zu sorgen, sondern er muss – und das ist der eigentliche Kern seiner Verpflichtungen – als Vertreter des Demos, welcher der rechtlichen Fiction nach die Choregie für alle chorischen und scenischen Agone der Dionysien übernommen hat, allen jenen geschäftlichen Verpflichtungen sich unterziehen, welche früher den einzelnen Bürgerchoregen oblagen, also auch die entsprechenden Vorbereitungen für alle Gattungen des Agons treffen. Indem er so thatsächlich zum Festordner wurde, musste ihm auch eine Reihe von Geschäften, die früher der Archon besorgte, übertragen werden, so dass ihm auch der Titel eines A. nicht vorenthalten werden konnte. Die notwendigen Geldmittel wird wenigstens anfangs der Staat seinem A. (ebenso wie den panathenaeischen Athlotheten) zur Verfügung gestellt haben; die Kosten der dionysischen Agone allein werden Ende des 4. Jhdts. kaum weniger als 15–20 Talente betragen haben, ein Aufwand, den man nicht leicht einem einzelnen Manne aufbürden konnte. Gerade die Schwierigkeit, opferwillige Liturgen zu finden, hatte ja die Abänderung der alten Einrichtung notwendig gemacht, wie ja auch sonst in der 2. Hälfte des 4. Jhdts. die athenische Gemeinde sich mehrfach veranlasst sah, die Festkosten aus den öffentlichen Kassen zu bestreiten (Pseudo-Plut. Vit. X orat. Lyc. 13. Aristot. Ἀθην. πολ. 56, 4), da die Opferwilligkeit der Bürger erlahmte. Andererseits war die Ehre, die Agonothesie der grossen Dionysien zu führen, bedeutend genug, um von dem A. auch materielle Opfer zu erwarten. Hier wie anderwärts (s. o.) musste also allmählich die Agonothesie thatsächlich aus einer blossen ἐπιμέλεια zu einer Liturgie werden, indem die A. dem Beitrag des Staates, mit welchem den Ansprüchen der Festgäste nicht genügt werden konnte, immer grössere Summen aus eigenen Mitteln hinzufügten. Dass auch hier die A. sich zunächst bemühten, die Preise glänzender zu gestalten, lassen die bedeutenden Massverhältnisse der von ihnen aufgestellten Dreifüsse erraten; nach dem Vorgang der Choregen errichteten sie nicht selten für die Dreifüsse sowohl, wie für die gelegentlich der scenischen Agone gestifteten Weihgeschenke ganze Baudenkmäler; vgl. Reisch Griech. Weihgeschenke 65. 83f. 118f.; Athen. Mitt. XIII 385f. Ein A. aus dem Ende des 3. Jhdts. hat während seines Amtsjahres 7 Talente aus Eigenem aufgewendet (CIA II 379. Dittenberger Syll. 180). Der Dichter Philippides hat als A. (Ol. 123, 3 = 286/5) Geld unter die Bürger verteilen lassen und einen ἐπίθετον ἀγῶνα der Demeter und Kore zu Ehren veranstaltet (CIA II 314. Dittenberger 143. Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 68ff.). In späterer Zeit war der Staat wohl meist gar nicht mehr in der Lage, einen Beitrag zu leisten; der Agon konnte nur abgehalten werden, wenn ein Mitglied der reichsten [877] Bürgerfamilien bereit war, sich zum A. wählen zu lassen; nachweisbar unterblieben ja schon im 3. Jhdt. nicht selten die dionysischen Wettkämpfe (wenigstens die scenischen) völlig; vgl. CIA II 975. Ἐφημ. ἀρχ. 1884, 137 Z. 31. Dionysische A. werden zuletzt erwähnt in der Inschrift Ἀθήναιον VII 93 (aus der Zeit nach 229; vgl. Köhler Athen. Mitt. III 233), vielleicht auch noch in den fragmentierten Eingangszeilen des Decretes Ἐφημ. ἀρχ. 1890, 223 nr. 3 aus dem Archontat des Archon (um 160; vgl. Bull. hell. XIII 420); allgemeine Erwähnungen der Agonothesie, wie CIA II 421. 641, können nicht in Betracht kommen. In der Kaiserzeit erscheint wiederum der Archon als ἀγωνοθέτης Διονυσίων neben einem Choregen CIA III 78 (zwischen 90 und 100); Philopappos übernahm als A. auch die Choregie für alle Phylen (Plut. Qu. conviv. I 10; vgl. Aristid. Or. sacr. II p. 331). S. Choregie.
[Reisch.]
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