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6) Akteinteilung des Dramas. Die ältesten Tragödien bestehen aus einem Complex von Chorliedern, die durch Zwischenreden der Schauspieler unterbrochen werden; die einzelnen Stücke einer Tetralogie bilden je ein Ganzes, dessen poetischer Inhalt nicht weiter in gesonderte Teile gegliedert ist. Ebensowenig kann in der altattischen (wesentlich chorischen) Komödie von Akteinteilung die Rede sein (vgl. Zielinski Gliederung der altattischen Komödie 1885). Erst die zu einem wirklichen δρᾶμα, einer Handlung, entwickelte τραγῳδία zerfällt naturgemäss in eine Reihe grösserer Abschnitte, actus; die dazwischentretenden Ruhepausen bezeichnen [336] einen Stillstand der Handlung oder einen zeitlichen Zwischenraum, der die einzelnen Geschehnisse trennt. Während dieser Geschehnisse sind natürlich die Schauspieler als die hauptsächlichen Träger der Handlung auf dem Schauplatze anwesend (ἐπεισόδια und ἔξοδος, dazu der πρόλογος), während der Ruhepausen aber nicht (abgesehen von wenigen Ausnahmen, meist aus älterer Zeit); dagegen bleibt der Chor auch während der letzteren in der Orchestra und verknüpft durch seine Gesänge die einzelnen Abschnitte äusserlich sowohl als innerlich; nur in den ganz vereinzelten Fällen, wo der Ort der Handlung in den verschiedenen Geschehnissen ein verschiedener ist, verlässt auch der Chor den Spielplatz. Je weniger der Chor an der Handlung selbst beteiligt ist, desto schärfer treten in den Momenten, wo er allein anwesend ist, die Unterbrechungen im Gange der Handlung hervor; die Stasima dienen dann nur noch dazu, die Pausen äusserlich zu verdecken und die Continuität des Spieles zu wahren; seit Euripides wird ihre Beziehung zu dem Gange des Stückes immer lockrer, ja sie wird mitunter völlig gelöst (ἐμβόλιμα, mit denen nach Aristot. Poet. 18 p. 1456a 28 Agathon den Anfang gemacht haben soll, s. unter Chor).
Eine ähnliche Entwicklung nahm die Komödie, in der die epeisodische Composition mehr und mehr zur Geltung kam, während der Verfall des Chorgesangs durch äussere Verhältnisse beschleunigt wurde. Schon im Plutos des Aristophanes tritt mehrfach an Stelle der Gesangspartieen blosser Tanz des Chors (in den Hss. mit χοροῦ bezeichnet); dies ist für die Komödien des 4. und 3. Jhdts. als Regel vorauszusetzen (Vit. Aristoph. p. XXVIII 75 D. Euanth. de com. p. 6, 3 R.), insoweit nicht durch den Gang des Dramas selbst ein Singchor erfordert ist. Diese Zwischentänze der χορευταὶ κωμικοί, die in ärmlicheren Verhältnissen wohl auch durch das Spiel eines Flötenbläsers ersetzt wurden, lassen ebenso wie die Zwischengesänge in der Tragödie die einzelnen Akte als vollkommen[WS 1] gesonderte Teile des Dramas auch äusserlich hervortreten.
Die Anzahl der Akte eines Stückes ist gegeben durch die gewissermassen im Wesen des Dramas selbst begründete Gliederung des Stoffes in Vorbereitung (Exposition, πρότασις), Verwicklung (Spannung, ἐπίτασις), Lösung (Umschlag, καταστροφή); daraus ergiebt sich durch weitere Unterabteilung eine Fünfzahl der Abschnitte, die sowohl für die jüngere Tragödie (in welcher der Chor noch beibehalten wird) wie für die Komödie üblich gewesen zu sein scheint; vgl. Apul. Flor. III 16 (von einer Komödie des Philemon): cumque iam in tertio actu, quod genus in comoedia fieri amat, iucundiores affectus moveret; Donat praef. Ad. p. 7 R.: quinque actus choris divisos a Graecis poetis. Während Aristoteles in seinen Bemerkungen über die ἐπεισόδια (Poet. 4 p. 1449a. 9 p. 1451b. 17 p. 1455b) noch keine festen Regeln über die Gliederung aufstellt, haben die Theoretiker der alexandrinischen Zeit, anknüpfend an die Gewohnheit der zeitgenössischen Dramatiker, diesbezügliche Normen festgesetzt, vielleicht schon in der bei Horaz gegebenen Formulierung, ad [337] Pison. 189: neve minor neu sit quinto productior actu fabula. Junggriechische Bezeichnungen für actus sind (abgesehen von dem nicht völlig entsprechenden ἐπεισόδιον) πρᾶγμα (Poll. IV 108), σκηνή (Andron. π. κωμῳδ. X s. Bergk GLG III 144, 478), μέρος (Antonin. Comm. XII 36). Die römischen Dramatiker eigneten sich auch bezüglich der Aktteilung die seit dem 3. Jhdt. in Griechenland üblichen Gebräuche an und trennten die Abschnitte der Handlung durch Chorgesänge (in der Tragödie; auch im Rudens des Plautus 290f.) oder durch Zwischenspiel auf der Flöte (Plaut. Pseud. 573), mitunter wohl auch durch andere Einlagen (Rede des Choragus Plaut. Curc. 462). Da die massgebende handschriftliche Überlieferung des Plautus und Terentius eine Akteinteilung nicht kennt, so können wir die Aktschlüsse in ihren Komödien nur aus dem Verlaufe der Handlung selbst erschliessen – Scenenwechsel kommt hier nicht vor –, wie dies auch schon die römischen Forscher, Varro an der Spitze, zu thun versuchten; vgl. Donat. arg. Andr. p. 7, 11 R.: est attente animadvertendum, ubi et quando scena vacua sit ab omnibus personis, ut in ea chorus vel tibicen obaudiri possint; quod cum viderimus, ibi actum esse finitum debemus agnoscere. Offenbar haben die Dichter vielfach den Schauspieldirectoren Freiheit für die Aktteilung gelassen, wie es ja vorkam, dass man ein Stück ohne Unterbrechung durchspielte, um zu verhindern, dass das Publicum auseinanderlaufe (Donat. praef. Ad. p. 7, 1 R. Euanth. de com. p. 6, 3 R.). Soviel wir heute noch feststellen können, hat Plautus weder seinen Akten gleichmässigen Umfang gegeben, noch die Fünfzahl regelmässig durchgeführt, die sonst der römischen Kunsttheorie als Norm gilt (Donat Hec. p. 12, 16 R.: divisa est, ut ceterae, quinque actibus legitimis; vgl. ausser Hor. ad Pis. 189 noch Varro R. R. I 26. II 5, 2. III 17, 1; die Dreiteilung hat im Auge Cicero ad Quint. fratr. I 1, 46). Seit dem Ende des 2. vorchr. Jhdts. wurde in Italien der Theatervorhang (aulaeum, s. d.) üblich, doch ist es fraglich, ob dieser auch bei unveränderter Decoration am Schlusse jedes Aktes, oder erst am Ende des Stückes (vgl. Hor. ad Pison. 154) hinaufgezogen wurde. Natürlich blieb die Sitte der Aktteilung auch später in Kraft, solange überhaupt wirkliche Dramen zur Aufführung kamen; vgl. M. Antonin. Comm. XII 36 vom κωμῳδός: τὰ πέντε μέρη Epiktet. Diss. I 24, 17: περὶ τρίτον ἢ τέταρτον μέρος.
Litteratur: Bergk Griech. Litt.-Gesch. III 144. IV 125. 180. Spengel Die Akteinteilung der Komödien des Plautus, München 1877 (vgl. S.-Ber. Akad. München 1883, 257). Ribbeck Gesch. d. röm. Dichtung I 107f. 195.
[Reisch.]
Anmerkungen (Wikisource)
Vorlage: volkommen
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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