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4) Actus rerum heisst „Geschäftsbetrieb“ insbesondere bei Schriftstellern der Kaiserepoche der Betrieb der Gerichtsgeschäfte in Rom (Plin. ep. IX 25, 3. Suet. Aug. 32; Claud. 15). Nach dem Vorgang der neueren Gelehrten ist A. r. hier als Stichwort benützt für die Lehre von der Geschäftszeit der stadtrömischen Gerichte, wofür Sen. ep. II 6, 1 dies rerum agendarum (vgl. Ovid. fast. 165–168), Plin. ep. IV 29, 1. Gai. II 279 cum res aguntur, Iuv. XVI 42f. qui lites inchoet annus, Serv. Aen. II 102 annus litium (vgl. Keller-Wach Röm. Civilproc. § 45 N. 518) setzen. A. r. im modernen Sinn ist auch bei Sueton (Claud. 23; Nero 17) nicht nachweisbar. Zur Zeit, wo die Gerichte thätig sind, macht den Gegensatz die Zeit der res prolatae bei Cic. Mur. 28. Sen. brev. 7, 8; doch wird dieses Wort (ebenso rerum prolatio) häufig gebraucht, um überhaupt den Stillstand der öffentlichen Geschäfte (nicht gerade der gerichtlichen) anzuzeigen (s. die Stellen bei O. E. Hartmann Ordo I 181, 6). Ursprung und Bedeutung des A. r. (= Zeit des A. r.) sind wenig aufgeklärt. Sicher besteht kein Zusammenhang (Bethmann-Hollweg Civilproc. d. gem. Rechts II 169, 13) mit dem alten System der dies fasti und nefasti (Mommsen CIL I p. 366f.), welches nur für legitime Jurisdictionsacte der Beamten massgebend war, während der A. r. (in der Kaiserzeit) hauptsächlich auf die Geschäfte der (nur in Strafsachen unter magistratischer Leitung stehenden) Geschworenen hinweist (Plin. Suet. a. O.). Indes war nach Gai. II 279 (vgl. Ulp. Dig. IV 6, 26, 7. XLIV 3, 1) während der rerum prolatio auch die Jurisdiction des Stadtpraetors irgendwie beschränkt (keineswegs durch längere Zeit völlig eingestellt; s. Mommsen St.-R. I 664f. 668. 673. II 194f. III 1063f.). Andererseits bezog sich die Gebundenheit an die Zeit des A. r. weder auf die Rechtspflege der kaiserlichen Beamten, der Consuln und der jüngeren Praetoren, die keine Geschworenen ernannten (Gai. a. O.), noch auf die Judication sämtlicher Schwurgerichte. Ausgenommen waren die recuperatorischen (Mommsen CIL I p. 64, Belege bei Karlowa Röm. Civilproc. z. Z. d. Legisactionen 230, 1. Hartmann Ordo I § 24 N. 43–45) [333] und wohl alle (Gai. IV 105) Fremdenprocesse, endlich selbst legitime Privatprocesse unter Bürgern, wenn der Geschworene nicht (vgl. Wlassak Röm. Processgesetze II 192–209. 361) aus dem album iudicum berufen wurde (über den Zusammenhang der iudices im Album und des A. r. s. Suet. Aug. 32; Claud. 15; Galba 14). Übrigens konnten wie die Parteien (Ulp. Dig. II 12, 6 aus der L. Iulia iudic. privat.) so gewiss auch die Listenrichter auf die ihnen zeitweise zustehende Befreiung Verzicht leisten (wegen des Zwanges zur Judication cum res aguntur s. Plin. ep. IV 19). Demnach gehörten die legitimen Bürgerprocesse zwar der Regel nach zum A. r. (daraus erklärt Theoph. Paraphr. Inst. III 12, pr. den Namen: δικαστήρια ordinaria; vgl. Hartmann Ordo I 2–7. 387. Bekker Aktionen II 200, 40. Keller-Wach Civilpr. § 2 N. 9), doch gab es Ausnahmen (Theoph.: δικαστήρια extraordinaria) sowohl in Privat- wie in Strafsachen (Cic. pro Cael. 1. Hartmann Ordo I 126, 14). Sehr lückenhaft ist unsere Kenntnis der Monate und Tage des A. r. Gesetzlich festgestellt sind sie – in umfassender Weise wohl zum ersten Mal (Huschke R. Jahr 388f.) – durch die beiden stadtrömischen Gerichtsordnungen (leges Iuliae) des Augustus von 737 = 17 (Wlassak R. Processgesetze I 174. 175. 184f.), und zwar im ganzen übereinstimmend für die legitimen Privat- und Strafprocesse. In republicanischer Zeit fielen die Sitzungen der Schwurgerichte an den Festtagen (feriae publicae p. R., Hartmann Ordo I 60, 18. 19) und Spieltagen (Cic. A. pr. in Verr. 31; Verr. II 130; vgl. Bethmann-Hollweg a. O. II 170, 18; Verzeichnisse der Fest- und Spieltage im CIL I p. 375. 377) aus, wo auch die Jurisdiction ruhte (Hartmann a. O. I 60. 127f.), ferner zur Zeit der Ernte (vgl. Plaut. Capt. 78–87) und Weinlese (Suet. Caes. 40; vgl. aber Mommsen Chronol.² 70 N. 99). Ob noch ausserdem grössere Unterbrechungen des A. r. als regelmässige Erscheinung anzunehmen seien, das ist mindestens zweifelhaft. Erwiesen ist weder Mommsens „Process-“ oder „Gerichtsjahr“ (Rechtsfrage zwischen Caesar u. Senat 21–23; CIL I p. 64; St.-R. II³ 208; vgl. Rudorff Abh. d. Berl. Akad. 1861, 430f. 435–438. Huschke Jahr 41–43) vom 1. März bis zum letzten August (arg. L. repet. Z. 7–9, CIL I p. 58, wo jedoch die Ergänzungen durchaus unsicher sind; s. Ubbelohde bei Hartmann Ordo I 571–585 und Mommsen selbst St.-R. I³ 611, 2), noch die Ansicht von O. E. Hartmann (Ordo I 179–365), der den Ursprung des A. r. in die älteste Zeit versetzt, den uralten Bestand einer nur periodisch zusammentretenden „Gerichtsversammlung“ (zuerst von Recuperatoren – wegen considium bei Plaut. Cas. 966, vgl. Studemund Herm. I 287) annimmt und den A. r. auch auf die Volksversammlungen und Senatssitzungen bezieht. Von Augustus berichtet Sueton (32), dass er den Geschworenen der 4 Decurien den November und December freigab, von Claudius (23), dass er die Ferien zwischen dem Winter- und Sommersemester beseitigte, von Galba (14), dass er die Ferien noch mehr verkürzte. Daneben ist die Fortdauer der Fest- und Spieltags- (Suet. Aug. 32. Macrob. Sat. I 10, 4), der Ernte- [334] und Weinleseferien (vor Marc Aurel: Stat. Silv. IV 4, 37–45. Plin. ep. VIII 21, 2; später Minuc. Fel. 2, 3) bezeugt. Der übermässigen Einschränkung des A. r. durch die beständige Vermehrung der Fest- und Spieltage traten die Kaiser wiederholt entgegen (Mommsen CIL I p. 377f.), dem Beispiel des Augustus folgend (Suet. Aug. 32). Ganz neu geordnet ist anscheinend die Gerichtszeit von Marc Aurel (Hist. Aug. M. Aur. 10). Er bestimmte (vielleicht durch dieselbe oratio [S. C], welche Ulp. Dig. II 12, 1, pr. II 12, 2. n 12, 7 erwähnt) 230 Tage im Jahr für die Gerichtsgeschäfte. Vermutlich sollten diese dies iudiciarii (Gegensatz: dies feriati, feriae) wie für die Jurisdiction aller Beamten so auch für die Judication der Geschworenen dienen. Derselbe Kaiser hat nach dem Zeugnis Ulpians (Dig. a. O.) die Ernte- und Weinleseferien (auch der extra ordinem, d. h. ohne Geschworene cognoscierenden Gerichtsbeamten, oder gar dieser in erster Linie) eingehend geregelt und ein Verzeichnis der dringlichen Rechtssachen aufgestellt, die omni tempore zu erledigen waren. Im Laufe des 3. Jhdts. n. Chr. hört dann die Thätigkeit der Geschworenen, zuerst in Strafsachen, später auch in Privatsachen auf. Damit ist die Geschichte der A. r. zu Ende. Nur anhangsweise sei noch Folgendes bemerkt. In der christlichen Zeit erleidet der Gerichtskalender wesentliche Veränderungen. Schon Constantin (Cod. Th. II 8, 1 v. J. 321) verbot gerichtliche und andere Geschäfte am Sonntag. Dass aber die heidnischen Festtage sich noch lange erhielten, zeigen die Fasti des Philocalus v. 354 (CIL I p. 332–354). Zur Herrschaft gelangte der christliche Festkalender erst unter Theodosius I. (Cod. Theod. II 8, 2, dazu Gothofredus = C. Th. II 8, 19 Haenel) im J. 389. Die Regel lautet jetzt: omnes dies esse iuridicos. Gothofred berechnet für diese Zeit ungefähr 240 Gerichtstage. Wegen der Ernte und Weinlese war je ein Monat freigegeben; vgl. auch Syr.-röm. Rechtsbuch (Bruns-Sachau) L § 75 Abs. 2 S. 22, dazu S. 238f.). Für das Iustinianische Recht ist die aus der Theodosischen Constitution entstandene, durch Zusätze erweiterte c. 7 (Krüger 6) C. Iust. III 12 (III 12, 2 der älteren Ausg. ist unecht) massgebend (Hartmann Ordo I 150–154. Bethmann-Hollweg Civilprocess III 191–193).

Litteratur: Zimmern Geschichte d. röm. Privatrechts III 389f. Puchta Institutionen I § 158. 183 a. E. Keller-Wach Röm. Civilproc.⁶ § 1 N. 9. § 3 (S. 16–18). Rudorff Röm. Rechtsgesch. II 62–65 und in Abh. d. Berl. Akad. 1865, 336f. Walter Gesch. d. röm. R.³ II § 701. Bethmann-Hollweg Röm. Civilpr. II 61. 169–174. Huschke Ztschr. f. Rechtsgesch. VI 328; Röm. Jahr 41–44. 338–354. 359. Kuntze Cursus d. Röm. R.² 217f. Karlowa R. Civilpr. z. Zeit d. Legisact. 252–258. O. E. Hartmann-Ubbelohde Ordo Iudiciorum I 1–9. 179–469. 561–585, dazu Lotmar Krit. Vierteljahrsschr. f. Gesetzgebung XXVIII 313–341. Baron Gesch. d. R. Rechts 367. Padelletti-Cogliolo Storia d. diritto rom.² 584. Schulin Gesch. d. R. Rechts 512f. 548. 593.
[M. Wlassak.]

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