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Achilleus (Ἀχιλλεύς, Ἀχιλεύς; aeol. Ἀχίλλευς, Et. M. s. βασιλεύς; lat. Achilles, Achilleus; etrusk. Achle).
Etymologie
a) Antike: ἄχος-λύειν, weil A. Arzt ist; ἄχος-Ἰλιεῦσιν, „Betrüber der Ilier“, schon bei Kallimachos; ἄχος-ἰάλλειν, „der Schmerzenbringer“; ἀ-χιλός, „ohne Pflanzenkost“ (s. u.); ἀ-χεῖλος, weil seine Lippen die Mutterbrust nicht kannten, oder weil ihm bei dem Feuerbade eine Lippe verbrannte. Et. M. Cramer Anecd. Oxon. IV 403, 25. Schol. Il. I 1. Eust. ad Il. 14, 18. Tzetz. Lyk. 178. Apd. III 13, 6.
b) Moderne Etymologien: Nach den einen Erklärern ist A. ein Wassergott, entweder als [222] „lippenloser“, die Ufer überschwemmender Strom, wie Forchhammer (Gründung Roms 6f.) will; oder weil im ersten Teil des Namens der Stamm aqua enthalten sei (Angermann Geographische Namen Altgriechenlands, Meissen 1883, 11); oder weil der Name urspr. Ἐχε-λαος „Steinhalter“ (oder „Volkshalter“) gelautet habe (Curtius Grundzüge 1873, 118). Fick Idg. Wörterbuch³ II 8 erklärt A. als „den dunkeln“. Nach der verbreitetsten Ansicht ist A. als Lichtgott im allgemeinen oder speciell als Gott der Sonne oder des Blitzes aufzufassen; so Weber Sitz. Ber. Akad. Berlin 1887, 903ff. H. E. Meyer Idg. Mythen. II Achilleis, Berlin 1887. W. Schwartz Jahrb. f. Philol. 1880, 299f. Mannhardt Ant. Wald- und Feldkulte 72 erklärt den Namen als Hypokorisma von Ἀχιλλόγονος „Schlangensohn“ (ahis-ἔχις-ἀχίλη), sofern die Schlange die hauptsächlichste der Verwandlungsformen der Thetis war. Dies ist nachgewiesen von A. Schneider Der troische Sagenkreis 77f., so dass Mannhardts Deutung des Namens A. wohl das richtige trifft. Vgl. auch Meineke Anal. Alexandr. 98f. v. Wilamowitz Hom. Unters. 18, 6.
Kultorte
In Thessalien ist ein Kult des A. nicht direct bezeugt, doch immerhin wahrscheinlich (K. O. Müller Aeginet. 162). Dafür spricht die jährliche Opfergesandtschaft nach Sigeion (Philostr. Her. 207f. K.) und das Bild des Heros auf Münzen des thessalischen Bundes (Brit. Mus. Cat. of Greek Coins. Thessaly to Aetolia 6, 68 u. 69). Vielleicht wurde er in Pharsalos, im Thetideion, verehrt. Pharsalos galt als seine Heimat. Schol. Il. XXIII 142. Schol. Plat. Sisyph. 387 C. Lucan. Phars. VI 350. Tzetz. Lyk. 1263, 175. Strab. IX 431; vgl. Paus. X 13, 5. Münzen von Larissa Kremaste (auch Pelasgia) zeigen ebenfalls den Kopf des A. Arch. Ztg. XXVII 100f. Brit. Mus. a. O. 33, 1; A. heisst Larissaeus: Verg. Aen. II 197. XI 404; vgl. Pind. arg. Pyth. 298 Böckh. Meineke Anal. Alex. 95. Vielleicht darf man auch die Bezeichnung Πελασγικὸς Τύφων (Lyk. Al. 177) so erklären; vgl. dagegen Tzetzes z. d. St. In Epirus wurde A. unter dem Namen Aspetos verehrt. Arist. ἐν Ὀπουντίων πολιτείᾳ b. Hesych. Plut. Pyrrh. 1. Ptol. Heph. 1. Der Name A. kam in Epirus auch sonst vor. Münzen des Pyrrhos, Brit. Mus. a. O. III, 7. Münze von Byllis in Illyrien, ebenfalls mit Kopf des A.(?), Brit. Mus. a. O. 64, 1. In der Nähe von Tanagra waren A. und anderen griechischen Helden von Poimandros τεμένη geweiht, Plut. quaest. Gr. 37; ebendaselbst wurden auch die Nereiden verehrt, Paus. II 1, 7, wo Tümpel Progr. Neustettin 1887, 11 ἐν τῇ Ποιμανδρίδι oder Ποιμανδρίᾳ statt hs. ποιμαίνισιν liest. Vgl. dagegen Fleischer bei Roscher Myth. Lexik. I 60, der von einem Heiligtum bei Korinth spricht. In Lakonien genoss A. göttliche Ehren, Anaxagoras in Schol. Ap. Rh. IV 814; besondere Kultstätten sind das Heiligtum in Brasiai, mit jährlicher Festfeier (Paus. III 24, 5) und eines an der Strasse von Sparta nach Arkadien, das nicht geöffnet werden durfte. Die Epheben opferten daselbst vor dem Wettkampf „im Platanistes“. Als [223] Gründer galt Prax, ein Nachkomme des Neoptolemos (Pans. III 20, 8; vgl. das lakonische Sprichwort οὐ παῖς Ἀχιλλέως ἀλλα' Ἀχιλλεὺς αὐτὸς εἶ, Plut. de am. et ad. discr. 5; Alc. 23). In Elis war dem A. auf einen Orakelspruch hin im Gymnasion ein leeres Grabmal errichtet worden, mit dem ein Trauerfest der elischen Frauen verbunden war. Paus. VI 23, 3. Rohde Psyche 153. 171, 4. Ähnlich war der Trauerdienst der Frauen in Kroton, wobei weder Schmuck noch kostbare Gewänder getragen werden durften. Lykophr. 856ff. In Tarent hatte A. einen besonderen Tempel; auch vielen anderen Heroen wurden Opfer dargebracht. Arist. mirab. 106. Wahrscheinlich wurde A. auch in Lokroi Epizeph. gefeiert. Schol. Plat. Phaidr. 243 A; vgl. Paus. III 19, 11f. Auf Astypalaia wurde A. als Gott verehrt, weil, wie Cicero sagt, seine Mutter eine Göttin war. Cic. de nat. deor. in 45. In Milet gab es ein Hereon des A. und eine nach ihm benannte Quelle. Ath. II 43 D (Aristobulos) u. Parth. Erot. 26 (Aristokritos περὶ Μιλήτου). Einen Kult des A., der Thetis und der Nereiden in Erythrai in Ionien kennen wir durch die Inschrift Dittenberger Syll. 370, 51. 76. Auf dem Cap Sigeion lag das Grab des A. und das Städtchen Achilleion, mit einem Tempel und Kultbild des A. A. wurde als Heros und als Gott verehrt, sowohl von den Landeseinwohnern wie von der thessalischen Opfergesandtschaft. Strab. XIII 596. Plin. V 125. Eust. Il. 666, 55. Serv. Aen. I 30. Philostr. Her. 208f. K Der Kult besteht in Anrufen des Heros, Opfern, dem Absingen thessalischer Hymnen; einmal wird auch ein Kampfspiel erwähnt. Philostr. Her. 210 K. Auf seinem Grabe erschien A. dem Homer (Westermann biogr. 30, 20. Schol. Plat. Phaidr. 243 A) und dem Apollonios von Tyana: Philostr. A. T. 135 K. In Byzanz errichtet Byzas an der Stelle des späteren Achilleusbades A. und Aias Altäre. Hes. Mil. orig. Const. 16. Eine Reihe von Kultstätten sind im Pontes gelegen; weitaus die berühmteste war die Insel Leuke, auch δρόμος Ἀχιλλέως genannt, vor der Mündung des Istros. In ihr glaubte man die „Insel der Seligen“ wiedergefunden zu haben, nach der A. entrückt worden war. Auf der Insel befand sich ein Tempel mit reichen Weihgeschenken; Priester werden nicht ausdrücklich erwähnt. Die Insel war unbewohnt. Verehrt wurde A. von den benachbarten Festlandsbewohnern (Quint. Sm. III 775f.), besonders aber von den Schiffern, die ihm ausser Opfern noch Gaben aller Art darboten. Übung in den Waffen und im Wettlauf bei Tage, frohes Gelage, Gesang und Musik bei Nacht war die Beschäftigung des Helden. Den Schutz suchenden Schiffern war er freundlich gesinnt, durch Erscheinung im Traume oder durch Zuruf wies er ihnen den Ankerplatz, ja man sah ihn wohl gar auf dem Schiffe selbst. Bei Nacht zu landen war verhängnisvoll, vor Abend musste jedermann die Insel verlassen. Von einem Besuche des Orestes auf Leuke berichtet Eust. Od. 1696, 45. Der erste sterbliche Besucher soll der Krotoniate Leonymos gewesen sein. Paus. III 19, 12. Den Lokrern half A. in einer Schlacht gegen die Krotoniaten. Schol. Plat. Phaidr. 243 A. Eine [224] phantastische Ausschmückung der Sage ist z. B. die Geschichte von den Meervögeln als Tempelwärtern (Pind. Nem. IV 49. Eur. Andr. 1260f. u. Schol.; Iph. Taur. 435f. Pans. III 19 11f. Strab. II 125. VII 306. Skyl. 69. Skymn. peripl. 791f. Ptol. III 10. Steph. Byz. s. Ἀχίλλειον. Arr. peripl. 21–23. Dion. Perieg. 541f. Phil. Her. 211f. K. Arist. mirab. 106). In Olbia hatte A. einen Tempel und Priesterschaft: Dio Chrys. XXXVI 439 fin. CIG II Einl. p. 87. Berühmter war jedoch die nahe vor der Manuring des Borysthenes liegende Insel Borysthenis oder Achillea. Sie trug einen Tempel. A. wurde dort als „Beherrscher des Pontos“ verehrt. Mit dieser Eigenschaft des A. bringt Fleischer a. O. 58 auch den Beinamen Prometheus (Ptol. Heph. 1) in Verbindung. Die Insel hiess auch Leuke oder „Insel der Seligen“ (CIG 2076 u. b. c. 2077. 2080. Dio Chrys. a. O. Plin. IV 93. Pomp. Mela II 98 Skyl. 69. Ptol. III 10, 17). Weiter nach der taurischen Chersonesos hin befand sich eine langgestreckte schmale Halbinsel, die „Rennbahn des A.“ (δρόμος Ἀχιλλέως). Den Namen leitete Pomp. Mela II 5 von einem Wettlauf des A. zu Ehren eines Sieges ab (s. u.), andere lassen ihn dort sich einfach üben oder sagen, dass er bis dorthin die Iphigeneia verfolgt habe, so Dion. Perieg. 307. Tzetz. Lyk. 1921 Hdt. IV 55. 76. Strab. VII 307. Plin. IV 83. Ptol. III 5, 72 Amm. Marc. XX 8. CIG 2096 b. c. d(?). Am östlichen Ufer des kimmerischen Bosporos lag der Ort Achilleion mit einem Tempel des A. Strab. VII 310. XI 494. Ptol. V 9, 5. Steph. Byz.; vgl. Eckhel DN II 2. Brit. Mus. a. O. The Tauric Chers. 2, 5. Möglicherweise bestand auch an andern Orten, die den Namen des A. tragen, ein Kult des Heros.
Bedeutung des A.
Die A. dargebrachte Verehrung ist durchaus Heroenkult, A. ist Heros, und wo er als Gott erscheint, ist er es erst geworden. Rohde Psyche 171f. Eine ursprünglich natursymbolische Bedeutung lässt sich für ihn nicht erweisen. A. ist vielmehr eine unmittelbar menschliche Gestalt der griechischen Sage, der gewaltige Sohn des Peleus, das Idealbild eines ritterlichen Helden. Mannhardt a. O. 73f. Löhr Arch.-epigr. Mitth. XIII 1890, 161.
Genealogie
Vater des A. ist Peleus, Sohn des Aiakos und Enkel des Zeus, Mutter nach der alten und verbreitetsten Sage die Nereide Thetis. Die Abstammung mütterlicherseits von Nereus wird in der Sage kaum irgendwie betont. Thetis als Tochter des Cheiron, A. also als dessen Enkel, werden von mehreren genannt. Schol Ap. Rh. I 558. Tzetz. chil. IV 994f. Vereinzelt heisst A. Sohn der Aktorstochter Philomela (Schol. Ap. Rh. a. O.) oder der Polymela, Polydora ist seine Schwester. Eust. Il. 321, 5. Il. XVI 175 u. Schol. Apd. III 13, 1. Tzetz. Lyk. 175; vgl. Apd. fr. Sabb. Rh. Mus. XLVI 185. Apd. III 13, 8 nennt auch Polymela eine Tochter des Peleus, also Schwester des A. Über die Söhne des A. Pyres-Pyrrhos-Neoptolemos und Oneiros, von Deidameia oder Iphigeneia s. u. Nach alten Erzählungen sollte A. ἀπὸ δρυὸς ἢ ἀπὸ πέτρης stammen. Schol. Leid. Il. XXII 126 (Herm. XIX 1884, 544); vgl. Il. XVI 34. Die [225] Nachricht von A., dem Sohne der Gaia, oder des Zeus und der Lamia, Ptol. Heph. 6, gehört ins Gebiet der mythologischen Fabeln: Hercher Jahrb. f. Philol. Suppl. I 267f. Von A. leiteten ihr Geschlecht ab die Könige von Epirus (Plut. Pyrrh. 1f.), Alexander d. Gr. mütterlicherseits (Curt. IV 6, 29), der Dichter Epicharmos nach Ptol. Heph. 1.
Geburt und Jugend
Wie Zeus und Poseidon um Thetis freien, weissagt diese, dass ihr Sohn noch stärker als der Vater sein werde; nun wird Peleus der Nereide Gatte. Pind. I. VIII 26f. Ap. Rh. IV 800f. Apd. III 13, 1; vgl. Mannhardt a. O. 72. Ort des Ringkampfes und der Hochzeit ist die Küste Sepias, das spätere eheliche Leben dachte man sich im Thetideion. Gräf Arch. Jahrb. I 1887, 197. Den neugeborenen A. tauchte Thetis des Nachts in Feuer, bei Tage salbte sie ihn mit Ambrosia, um ihn unsterblich zu machen. Von Peleus dabei überrascht, verlässt sie sein Haus und kehrt zu den Schwestern zurück. Apd. III 13, 6. Ap. Rh. IV 869f. und Schol. 816. Nach späterer Sage hatte Thetis schon sechs Kinder durch das Feuerbad getötet, als ihr Peleus das siebente, A., entriss, der davon den Namen Pyrisoos erhielt. Soph. in Schol. Aristoph. nub. 1068. Schol. Il. XVI 37. Lyk. 178f. Parallel ist die Sage, dass Thetis die Kinder in einen Kessel siedenden Wassers taucht, ὁ τὸν Αἰγίμιον ποιήσας ἐν δευτέρῳ Schol. Ap. Rh. a. O. Die jüngste Überlieferung berichtet, dass Thetis den Knaben in das Wasser der Styx tauchte, um ihn unverwundbar zu machen; Homer kennt die Unverwundbarkeit noch nicht. Stat. Ach. I 269f. Serv. Aen. VI 57. Qu. Sm. III 62. Schol. Hor. epod. XIII 12. Hyg. fab. 107. Fulg. Myth. III 7. Nur die eine Ferse wurde nicht benetzt; dort traf ihn der totbringende Pfeil. Dem Neugeborenen schenkt Thetis die Flügel der Thaumastochter Arke; daher der Beiname Podarkes. Ptol. Heph. 6.
Nach dem Weggange der Mutter bringt Peleus den kleinen A. auf den Pelion zu Cheiron, wo er von Philyra und Chariklo, der Mutter und der Gattin des Kentauren, gepflegt wird. Paus. III 18, 12. Schol. Il. IX 486. Pind. Nem. III 43 und Schol. Ap. Rh. IV 813 und Schol. Seine Nahrung sind Eingeweide von Löwen und Ebern und Mark von Bären. Apd. III 13, 6. Stat. Ach. II 384; vgl. Philost. Her. 197 K Cheiron lehrt ihn Ehrfurcht vor Zeus und vor den Eltern, Gerechtigkeit und einfachen Sinn; er unterrichtet ihn im Jagen und Reiten und im Gebrauche der Waffen, ferner in der Heilkunde. Pind. Pyth. VI 23 f.; Nem. III 44f. Soph. b. Eust. Il. 877, 59. Eur. Iph. Aul. 919f. Phil. Her. 197f. K. Stat. Ach. I 166f. II 381f. Schol Il. XI 832. XVI 37. Sehr alt ist jedenfalls auch der Sagenzug von der Freude des A. an Saitenspiel und Gesang. Schol. Il. XVI 37. Philostr. Her. 197 K; vgl. 207f. 213. Darauf deutet auch der Name Ligyron, Apd. III 13, 6. Den einen verbrannten Knöchel des A. ersetzt Cheiron durch denjenigen des Giganten Damysos. Ptol. Heph. 6. Gespielen des A. bei Cheiron sind Asklepios (Eratosth. cat. 40. Schol. Il. XI 613) oder Protesilaos, Palamedes und Aias, Philostr. Her. 176 K. Sein Zusammentreffen mit Herakles wurde [226] in erotischem Sinne gedeutet (Ov. fast. V 381. Antisthenes fr. 5 W.; s. Robert Arch. Jahrb. V 1890, 233), ebenso das Verhältnis des Cheiron zu A. (Dio Chrys. Tro. 302 R. Dümmler Philol. L 1891, 294) und weiterhin die Freundschaft mit Patroklos, Hug ad Plat. Symp. 180A. Nach vollendeter Erziehung kehrt A. als erwachsener Jüngling zum Vater nach Phthia zurück.
Neben dieser Jugendgeschichte besteht eine zweite jüngere Version. A. wird im väterlichen Hause von der Mutter erzogen. Il. I 396 XVIII 57f. 436f. Beim Kriegsausbruch sendet Peleus seinen noch nicht erwachsenen Sohn zu Agamemnon unter Obhut des Phoink, der ihn in allem, was dem Krieger frommt, unterrichtet. Il. IX 438ff.
Daran schliesst sich nun eine weitere Ausgestaltung der Sage. Wie der Krieg ausbricht, bringt Thetis den neunjährigen A. nach Skyros und lässt ihn dort als Mädchen verkleidet unter den Töchtern des Lykomedes weilen (Apd. III 13, 8. Hyg. f. 96. Bion XV. Stat. Ach. I. Sen. Troad. 223. Peleus bringt ihn dorthin: Schol. Il. XIX 326. Die Sage war von Euripides in den Skyriern behandelt; Robert Bild und Lied 34). Als Namen, die A. auf Skyros führte, werden angeführt Pyrrha (Hyg. a. O.), Kerkesyra, Issa (Ptol. Heph. 1; vgl. Suet. Tib. 70). Der heimlichen Verbindung mit der Königstochter Deidameia entspringt Pyrrhos, später Neoptolemos genannt (Stat. Ach. I 42f. II 229 Sen. Troad. 350. Schol. Il. Hyg. Apd. a. O. Paus. III 13, 8. Serv. Fuld. Aen. II 477. Ursprünglich lautete der Name Pyres, Noack Iliupersis 81f.). Da nun aber nach dem Spruche des Kalchas Troia ohne A. nicht genommen werden kann, so gehen Odysseus, Phoinix und Nestor (Schol. Il. a. O.) oder Odysseus und Diomedes (Stat. Ach. II in. Philostr. iun. im. 1) als Gesandte des Heeres zu Peleus, von diesem abgewiesen, nach dem von Kalchas angegebenen Verstecke. Vor dem Palaste in Skyros legen sie allerlei Ware für Frauen und daneben Waffen aus, und A. greift nach den letztern; oder er verrät sich, wie Odysseus die Kriegstrompete bläst. Nach der Erkennung folgt A. den Gesandten. Apd. III 13, 8. Ov. met. XIII 162f. und die angeführten Stellen. Diese Sage spricht den Kyprien zu Bethe Theban. Heldenlieder 81. Über ihre Entstehung und Ausbildung vgl. Löhr a. O. 163f. Verständnislose Vermischung der zwei alten Sagenversionen ist es, wenn Spätere den A. durch Thetis zu Cheiron bringen lassen (Orph. Arg. 387f.), oder wenn ihn Thetis von Cheiron weg nach Skyros führt, Stat. Ach. I 189f.
Erste Thaten des A.
Paus. III 24, 10 berichtet, dass A. bei Tyndareos um Helena freite, wobei er den Las tötete; Las ist der Oikist des Platzes, der von dem Fluche des A. den Namen Ἀράϊνον hat. Diese und die folgenden Sagen setzen A. als erwachsen vor dem Beginn des troischen Krieges voraus, knüpfen also an die von uns an erster Stelle behandelte Jugendgeschichte an. Plut. Thes. 34 erwähnt aus dem 13. Buche des Istros die Überlieferung, dass Alexandros, der in Thessalien Paris hiess, von [227] A. und Patroklos am Spercheios besiegt worden sei. Wegen der Weigerung des Poimandros von Tanagra gegen Ilion zu ziehen, belagert A. das tanagraeische Dorf Stephon, raubt Stratonike, die Mutter des Poimandros, und tötet Akestor, des Ephippos Sohn. Ephippos bittet den A. für seinen Vater Poimandros, der wegen unfreiwilliger Tötung des Leukippos bei Elephenor in Chalkis entsühnt werden soll, um freien Durchzug durch das Achaeerlager. Der Dank für Gewährung der Bitte ist die Gründung des Heiligtums. Plut. qu. Gr. 37. Euphorion b. Eust. Il. 266, 20. A. erobert Skyros, weil Lykomedes den Gastfreund des Peleus, Theseus, getötet hat. Nach dem Siege erfolgt die Versöhnung der Gegner, A. erhält die Deidameia zur Gattin. Als sich das Heer in Aulis sammelt, bringt ihn Thetis nach Phthia zurück, schenkt ihm prächtige Waffen und begleitet ihn ins Lager, wo das Heer Mutter und Sohn verehrt. Philostr. Her. 198 K. Nach Schol. Il. IX 668 züchtigt A. auf einem Zuge von Aulis aus die von Peleus abgefallenen Doloper auf Skyros.
Auszug aus Phthia
Nestor und Odysseus fordern A. in Phthia persönlich zum Kriege auf und treffen in des Peleus Hause auch Patroklos und seinen Vater. Menoitios ermahnt den Sohn, dem A. ein treuer Freund und Berater zu sein, Il. XI 769f.; A. aber verspricht, den Patroklos unversehrt zurückzubringen, Il. XVIII 324f. A. wird auch hier als erwachsener Jüngling vorausgesetzt. Phoinix und Patroklos in ihrem Verhältnis zu A. gehören zwei verschiedenen Sagenversionen an. Vor dem Auszuge gelobt Peleus dem Flussgotte Spercheios das Haar des Sohnes, falls dieser glücklich wiederkehre. Il. XXIII 142f. und Schol. A. befehligt die 50 Schiffe der Myrmidonen, Il. II 681. XVI 168f. Eur. Iph. Aul. 235f.; nach Apd. Ep. Vat. XVII 1; fr. Sabb. 168 ist er Befehlshaber der ganzen Flotte; als l5jaähriger nach Arist. rhet. II 22. Dict. I Schol. Od. III 106.
Fahrt nach Mysien
Nach den Kyprien gelangen die Griechen auf dem ersten Zuge nach Teuthranien und verwüsten das Land in der Meinung, es sei Troia. Nun rückt der König Telephos zum Entsatze heran, am Kaïkos entbrennt eine heftige Schlacht, die fliehenden Griechen werden bis zu den Schiffen zurückgeworfen, nur A. und Patroklos halten noch stand. Vor A. wendet sich Telephos zur Flucht, verstrickt sich aber, weil er sich den Groll des Dionysos zugezogen, in eine Weinrebe und wird von A. am Schenkel verwundet (Prokl. Kypr. 18f. K. Apd. a. O. Schol. Il. I 59. Lyk. 206f. und Schol. Pind. Ol. IX 70f. und Schol.; I. IV 42. VII 49f. Sen. Troad. 215f. Dict. II 1f.; vgl. Bethe a. O. 34. Persönliches Eingreifen des Dionysos in den Kampf zeigt der pergamenische Telephosfries, Robert Arch. Jahrb. II 1887, 249). Nach der pergamenischen Localsage erfolgte die Landung der Griechen in Mysien nicht aus Unkenntnis, sondern mit Vorbedacht, Phil. Her. 156 K.; dagegen gehört die Geschichte von dem Schild des Telephos bei Phil. Her. 159 K. nicht der alten Sage an. Robert a. O. 257. Telephos erhält das Orakel ὁ τρώσας καὶ ἰάσεται, er begiebt sich nach Griechenland und findet [228] dort Heilung durch Rost oder durch Eisenspäne von der Lanze des A. (Plin. XXV 42. XXXIV 152), und zwar in Thessalien (Schol. Ar. nub. 919) oder in Mykenai (Eur. Tel. fr. 723) oder in Argos. Prokl. und Apd. a. O. Hyg. f. 101. Suidas s. Τήλεφος. Eust. Il. 46, 39. Ov. met. XII 112. Prop. II 1, 65. Dass die Heilung schon in Mysien erfolgt sei, wobei A. zum Lohn schnellfüssige Pferde erhält, berichtet Qu. Sm. IV 172f.; vor Troia verlegt den Vorgang Phil. Her. 159 K. Auf der Rückfahrt von Mysien zerstreut ein Sturm die Flotte, A. landet auf Skyros und erobert die Insel. Kleine Ilias fr. 4 K. (Schol. Il. XIX 326). Prokl. Kypr. a. O.; vgl. Il. IX 668. Über die chronologischen Fragen, die sich an die verschiedenen Berichte über das skyrische Abenteuer des A. knüpfen, s. Thrämer Pergamos 145. 148. Bethe a. O. 34. 81 bezweifelt, dass die eben besprochene Sage in den Kyprien gestanden habe.
Aulis. Iphigeneia
Nach 8jähriger Zwischenzeit sammeln sich die Griechen zum zweiten Mai in Aulis. Telephos weist ihnen den Weg nach Troia. Apd. Ep. Vat. XVII 5 f. Hyg. f. 101; vgl. Dict. II 5. Widrige Winde hindern die Flotte an der Ausfahrt. Nach Kalchas Spruch muss die schönste der Tochter des Agamemnon der Artemis geopfert werden. Der König lässt Iphigeneia durch Odysseus und Talthybios (Prokl. Kypr. Apd. a. O.) oder Odysseus und Diomedes (Hyg. f. 98) holen, weil er sie dem A. zum Lohne für die Heerfolge versprochen habe. Schon vor dem Altare stehend, wird sie von der Göttin zu den Tauriern entrückt. Bei Euripides (Iph. Aul.) wird A. von der die Iphigeneia begleitenden Klytaimnestra von dem mit seinem Namen getriebenen Spiel unterrichtet; er will das Mädchen schützen, wird aber vom Heere mit Steinigung bedroht, bis sich endlich Iphigeneia freiwillig darbietet; vgl. Soph. Iph. fr. 284. Nach Dict. I 20f. holt Odysseus die Iphigeneia auf Grund eines gefälschten Briefes des Agamemnon; A. widersetzt sich der Opferung und übergiebt dann die Jungfrau dem gerade anwesenden Skythenkönig; vgl. Ribbeck Röm. Trag. 99f. Nach Duris (Schol. Il. XIX 328) bringt A. die Iphigeneia nach Skyros, wo er mit ihr den Neoptolemos zeugt, der dann der Deidameia zur Pflege übergeben wird. Iphigeneia als Mutter des Neoptolemos auch bei Lyk. 183. 324, s. v. Wilamowitz Herm. XVIII 1883, 250.
Tenedos
Nach der Landung auf Tenedos veranstaltet Agamemnon ein grosses Mahl; A. wird zu spät eingeladen und entzweit sich darob mit dem obersten Heerführer. Prokl. Kypr. 19 K. Arist. rhet. II 24. Vol. Herc. Oxon. I 51. Soph. Ἀχαιῶν σύλλογος fr. 139–153. Welcker Gr. Trag. I 110f. 232f. Ribbeck a. O. 620. Tenes, der Prokleia und des Kyknos oder des Apollon Sohn, König von Tenedos, wird von A. getötet, entweder wie er die Landung der Griechen hindern will (Apd. Ep. Vat. XVII 9f. Paus. X 14, 4), oder als er die von A. verfolgte Schwester Hemithea zu schützen sucht (Plut. qu. Gr. 28; vgl. Schol. Lyk. 232f.). Mit Tenes wurde auch dessen Vater Kyknos von A. getötet. Die Tötung des Apollonsohnes Tenes soll nach der Weissagung der Thetis A. selbst den Tod durch Apollon [229] herbeiführen. Deshalb tötet A. seinen Diener Mnemon, der ihm von der Mutter zur Warnung beigegeben, seiner Pflicht vergessen hatte. Im Heiligtume des Tenes durfte der Name des A. nicht ausgesprochen werden. Diod. V 83, 5. Die ganze Sage stammt aus tragischer oder noch späterer Poesie. Wentzel Neue phil. Rdsch. 1891, 358.
Die ersten Ereignisse vor Troia
Der erste, der von den Schiffen ans Land springt, wird dabei den Tod finden, so hatte Thetis den Sohn gewarnt. Das Schicksal trifft den Protesilaos. Apd. Ep. Vat. XVII 15; fr. Sabb. 168. Prokl. Kypr. 19 K. Zuletzt springt A. ans Land; an der Stelle des Niedersprungs sprudelt sofort eine Quelle hervor; der Ort heisst davon Ἀχιλλέως πήδημα. Lyk. 245f. und Schol. Schol. Eur. Andr. 1139. A. drängt die Feinde zurück und tötet den Kyknos, des Poseidon Sohn, durch einen Steinwurf, worauf die Troer fliehen (Prokl. a. O. Apd. fr. Sabb. 169. Pind. Ol. II 90; I. IV 39. Sen. Ag. 215; Troad. 183. Qu. Sm. IV 468f. 153; etwas abweichend Dict. II 12. Über die Beziehung zum Kyknoskampfe des Herakles s. v. Wilamowitz Eurip. Herakl. I 318. II 73. Die Unverwundbarkeit des Kyknos findet sich zuerst erwähnt Arist. rhet. II 22; vgl. Palaiph. incred. 12. Ov. met. XII 64f. Tzetz. Lyk. 232. Welcker a. O. I 113f.). Nun ziehen die Griechen die Schiffe ans Land (Prokl. Kypr. 20 K.) und richten das Lager ein. Dann verwüsten sie die Umgegend und es folgen, da die Troer sich nicht hervorwagen (Il. V 789), allerlei kleinere Unternehmungen. A. lauert dem Troilos im Heiligtume des thymbraeischen Apollon auf, wie er seine Schwester Polyxena zu Pferde zum Brunnen begleitet. Während der Priamossohn die Rosse tummelt, wird er von A. getötet, oder er fällt erst auf der Flucht nach der Stadt. Polyxena entkommt. Apd. fr. Sabb. 169. Prokl. Kypr. 20 K. Schol. Il. XXIV 257 (Sophokles). Eustath. Il. 1348, 22. Die Figur der Polyxena keimen wir für diese Scene nur aus den Monumenten. Robert Bild und Lied 16. Späterhin hat sich die Sage verzweigt. Nach der einen Version findet Troilos den Tod in der Schlacht. Verg. Aen. I 474f. Qu. Sm. IV 155. 479f. Sen. Ag. 748. Statt des noch nicht ganz erwachsenen Jünglings, als welcher Troilos sonst durchweg erscheint, finden wir ihn als bärtigen Mann bei Tzetz. Lyk. 307. Dares 23. Nach Dict. IV 9 wird Troilos gefangen und aus Rache gegen Priamos von A. getötet. Nach einer andern Version ist A. von Liebe zu dem schönen Knaben ergriffen und verfolgt ihn bis zu dem Heiligtum, wo er ihn tötet, oder wo Troilos in As. Umarmungen den Tod findet. Lyk. 307f. und Schol.; vgl. Serv. Aen. a. O. Dio Chrys. XI 338 R. Hor. carm. II 9, 16. Welcker a. O. I 124f. Die Troilosepisode wird verschieden in den Gang der Ereignisse eingereiht: Proklos lässt sie der Einnahme von Pedasos folgen. Nach einer andern Version, die vielleicht auf die kleine Ilias zurückgeht, folgt der Tod des Troilos dem des Hektor. Plaut. Bacch. 954. Tzetz. Posthom. 384; ferner Tzetz. Lyk. 307. Dares 33, wo eine enge Beziehung zu dem Falle des Memnon angegeben wird. Kiessling ind. Schol. Gryph. 1878, 16. Robert a. O. 125f. Da [230] Troilos als ein Sohn des Apollon gilt (Apd. III 12, 5), muss A. nun seinerseits durch Apollon fallen.
Nach Apd. fr. Sabb. 169 folgt die Gefangennahme des Lykaon durch A. bei Nacht unter den Mauern der Stadt. Lykaon wird durch Patroklos oder durch A. selbst nach Lemnos verkauft, der Iasonide Euenos löst ihn mit einem silbernen Krater sidonischer Arbeit aus, den dann A. in den Leichenspielen für Patroklos als Preis aussetzt. Elf Tage freut sich Lykaon der Freiheit; am zwölften ereilt ihn das Geschick von der Hand des A., der ihn trotz seiner Bitten niedersticht. Il. XXI 35f. XXIII 740f. Prokl. Kypr. 20 K., etwas abweichend Dict. IV 9. Dares 23. Qu. Sm. IV 382 giebt als Lösegeschenk zwei silberne Mischgefässe, eine Arbeit des Hephaistos, an. Andere Söhne des Priamos nimmt A. gefangen und verkauft sie, Il. XXIV 751f.; Frauen aus Troia und anderen Städten hatte er mit Patroklos zusammen erbeutet. Il. XVIII 28. 339f.
Ebenfalls in die erste Zeit des Aufenthaltes vor Ilion, nach Prokl. a. O. ganz in den Anfang desselben, gehört die durch Aphrodite und Thetis vermittelte Begegnung des A. mit der Helena. Entweder sah sie A. zuerst im Traume und nachher durch das Entgegenkommen der Troer auf der Mauer; oder Thetis führte sie A. im Traume zu, nachdem sie sich bei der Stadt gesehen hatten. Schol. Il. III 140. Tzetz. Lyk. 143. 171.
Eroberungszüge des A.
Da die Troer sich zurückhalten und kein entscheidender Schlag gegen sie geführt werden kann, verlieren die Achaeer die Geduld und wollen heimkehren. A. bringt sie von dem Vorhaben ab und unternimmt Raubzüge. Zuerst erbeutet er die Rinder des Aineias am Ida, wobei der Priamossohn Mestor (Il. XXIV 257) und Andere getötet werden. Apd. a. O. Prokl. a. O. Lyk. 529. Qu. Sm. IV 181f. Die Priamossöhne Isos und Antiphos lässt er gegen Lösegeld wieder frei. Il. XI 101f. Aineias flieht nach Lyrnesos, von A. verfolgt, der die Stadt einnimmt und zerstört; Aineias entkommt. Il. XX 188f. Ausser anderen Sklavinnen erbeutet er auch die Hippodameia (oder Briseis, s. u.) und die Astynome. Lyrnesos heisst des Mynes oder (Dict. II 17) des Eetion Stadt. Il. II 690. XIX 60. 296. XX 92. Schol. I 392. Eust. Il. 77, 34. Hesych. Bethe Herm. XXIV 1889, 427. Während der Belagerung von Lyrnesos wird Palamedes von Agamemnon zurückgerufen und dann getötet, weil Odysseus dem Oberbefehlshaber eingeredet hat, A. strebe mit Hülfe seines Freundes Palamedes nach der Herrschaft. Dies ist für A. die Ursache des Grolls und des Fernbleibens vom Kampfe. Bei der Verteilung der Beute bricht Streit zwischen ihm und Agamemnon aus, den Odysseus, der A. der Verräterei bezichtigt, jagt er fort. Den toten Freund begraben A. und Aias auf aeolischem Gebiet. Phil. Her. 180ff. K. Tzetz. Antehom. 365 und Fragm. Uffenbach 681 stellen Palamedes als Verführer dar. Woher die Sage stammt, wissen wir nicht; vor Philostratos ist sie nicht belegt. In den sonstigen Berichten über den Tod des Palamedes erscheint A. nicht; dagegen erinnert allerdings die Geschichte von dem angeblichen Verrate des Palamedes an den Vertrag, [231] den A. mit Priamos um den Preis der Polyxena abschliessen wollte.
Nach Lyrnesos nennen Proklos, Apollodor, auch Homer Pedasos. Nach einer Sage wird die Stadt, die damals Monenia hiess, von der in Liebe zu A. entbrannten Pedasa an A. verraten. Il. VI 35 u. Schol. (Hesiod und Demetrios). XX 92. XXI 87. Eust. Il. 623, 29.
In Thebe am Plakos tötet A. den König Eetion, verbrennt ihn mit den Waffen und errichtet ihm ein Grabdenkmal. Die sieben Söhne finden bei ihren Herden den Tod. Die Königin führte er gefangen fort, löst sie aber später wieder aus. Nach Schol. Il. I 18 erbeutete A. in Thebe die Chryseis. Il. I 366. VI 396ff. XVI 152 und Schol. 467.
Die Eroberung von Lyrnesos, Pedasos, Thebe am Plakos ist nur ein Teil des grossen Eroberungszuges, dessen sich A. Il. IX 328 rühmt und in dessen Verlauf er zwölf Städte zur See und elf zu Lande eroberte. Nach der Art der Aufzählung derselben bei Apd. fr. Sabb. 169 vermutet Wagner Rh. Mus. XLVI 1891, 402 eine Reihe von einzelnen Kriegszügen. Angeführt werden: „Lesbos und Phokaia; Kolophon, Smyrna, Klazomenai und Kyme; Aigialos und Tenos (Tieion?); Adramyttion (vgl. Strab. XIII 613) und Side; Endion, Linaion, Kolone; Theben am Plakos und Lyrnesos; Andros (Antandros?) und viele andere.“ Eust. Il. 322, 25 erwähnt von den elf Städten, die A. zu Lande eroberte: Lyrnesos, Pedasos, Thebe, Zeleia, Adrasteia, Pitya, Perkote, Arisbe, Abydos (vgl. Phil. Her. 108 K.); Schol. Il. I 328 nennt dazu noch Sestos. Ausserdem ist noch zu erwähnen Skyros, wo A. die Iphis erbeutete (Il. IX 668, doch wohl die Insel; vgl. dagegen das Schol. a. O.).
Auf Tenedos gewinnt A. die Hekamede (Il. XI 625); auf Lesbos im dortigen Chryse, wohin die Ὀδυσσέως πρεσβεία, I 430f. geht (vgl. Tümpel Philol. XLIX 1890, 91) die Eponyme Chryseis und sechs andere Mädchen, IX 128f. = 270f.; in Brisa (v. Wi1amowitz Hom. Unt. 411) die Briseis. Die späteren Gesänge II 689. XIX 245 und mit ihnen Aristarchos scheiden Briseis als Lyrnesierin (Hippodameia) vom Festlande aus den Lesbierinnen aus; ebenso XI 366f. die Chryseis als Thebanerin (s. d. Art.). A. eroberte ferner vielleicht Eresos, dessen Münzen den Kopf des Hermes zeigen. Diomedeia ist die Tochter des Hermeslieblings Phorbas. IX 664 und Schol. Durch Verrat der Peisidike gewinnt A. Methymna; im Besitze der Stadt lässt er das Mädchen steinigen. Parth. Erot. 21. Arisba wird von A. erobert nach Serv. Aen. IX 264; vgl. Heyne z. d. St. gegen die Beziehung auf das festländische Arisba, das von Methymna aus gegründet ward, also wiederum das jüngere ist. Dazu kommen noch Pyrrha (so Dict. II 16 statt Skyros; vgl. Tümpel Jahrb. f. Philol. CXXXVII 1888, 829f.) und Hierapolis = Hiera-Ira. Weiteres s. u. d. Art. Lesbides. In Beziehung zu Lesbos steht auch das Abenteuer mit Trambelos, den A. in Lesbos oder auf seinem Zuge nach Milet wegen seiner Liebesverfolgung der Lesbierin Apriate tötet. Nachdem A. erfahren, dass Trambelos ein Sohn des Telamon, also ein Verwandter, sei, begräbt er ihn unter Wehklagen. Schol. Lyk. [232] 467. Aristobulos b. Ath. II 43 D. Eust. Il. 343, 6. Aristokritoa περὶ Μιλήτου b. Parth. Erot. 26 B.
Welche von diesen meist heroisierten Städten zu den „sieben Lesbierinnen“ gehören, die Agamemnon dem A. zurückbot, ist nicht sicher. Die Siebenzahl ist von der achilleischen (nordachaeischen) Zwölfzahl eroberter Inselstädte zu trennen und gehört dem (südachaeischen) Agamemnon, der in der messenischen Makaria eine Heptapolis beherrschte (IX 150f.), die er bei der gleichen Gelegenheit, um A. zu versöhnen, zugleich mit den sieben Lesbierinnen zurückbot. Man darf aus der Entsprechung der peloponnesischen und der lesbischen Siebenzahl nicht folgern, dass auch A., der Eroberer und Empfänger, den Doriern ebenso altvertraut gewesen sei, wie Agamemnon. K. O. Müller Aeginetica 162. Enmann Kypros und der Aphroditecult 42. Die Vereinigung beider Concurrenten, Agamemnon und A., vollzog sich erst auf Lesbos.
Auch der Kreis der zwölf zur See und der elf zu Lande eroberten Städte lässt sich nicht genau bestimmen. Offenbar liegen hier zwei verschiedene, in sich geschlossene Gruppen vor, in der zweiten fehlt Troia als von A. nicht miteroberte Stadt. Die Doppelaufzählung ist Dittographie, die zweite Gruppe ist eine Spiegelung der ersten, entstanden nach der Besiedelung des Festlandes, die von Lesbos, der Metropole Aeoliens, aus erfolgte. Der Kern der Ilias: Chryseis, Briseis, Agamemnon, Zorn des A. war rein lesbisch-tenedisch, ehe er den festländischen Verhältnissen angepasst wurde. Gegen Lemnos und die benachbarten Inseln zog A. wegen seiner Verwandtschaft mit Iason nicht. Strab. I 45.
Anschliessend an die Eroberung von Lesbos scheint es in späterer Zeit eine Tradition über einen Skythenzug des A. gegeben zu haben. Malalas IV 125b.c sagt, dass A. nach dem Pontos gezogen sei und Pomp. Mela II 5 spricht von einer Siegesfeier des A. auf dem „Dromos“. Nach Dict. II 16 dagegen stellte sich der Skythenkönig mit Geschenken im Griechenlager ein. Tümpel Jahrb. f. Philol. CXXXVII 1888, 829f.
Bei der Verteilung der Beute erhält A. die Diomede, Il. IX 665. Dict. II 19; oder er behält die Hippodameia widerrechtlich zurück, Tzetz. Antehom. 350. Fragm. Uffenbach. 679; oder er bittet sich von der ganzen reichen Beute nur ein Mädchen aus. Phil. Her. 200 K. Als Hauptehrengeschenk aber für A. giebt Homer überall die Briseis an, und sie hat sich Zeus zum Werkzeug ausersehen, A. dem Griechenheere zu entfremden. Prokl. Kypr. 20 K. Il. I 366. VI 414. IX 128. 328. XI 625. Od. III 105.
Die Ereignisse der Ilias
Apollon zürnt über den Raub seiner Priesterin Chryseis und schickt eine Pest ins Lager der Griechen. Auf Heras Geheiss beruft A. eine Versammlung des Heeres – es ist das zehnte Jahr des Krieges und der zehnte Tag der Seuche – und Kalchas verkündet die Ursache der Seuche. Zornig willigt Agamemnon in die Rückgabe des Mädchens, verlangt aber dafür ein anderes Ehrengeschenk. A. widerspricht dem; da droht Agamemnon ihm die Briseis wegzunehmen und mutet ihm zu, sich selbst bei der Ruckführung der Chryseis zu beteiligen. Nun aber überschüttet ihn A. mit [233] wilden Schmähreden und droht in die Heimat zurückzufahren, und wie ihn der König trotzig gehen heisst, will er sich mit dem Schwerte auf ihn losstürzen. Athena hält A. auf Heras Geheiss zurück und verspricht dreifachen Ersatz; auf weiteres Zureden des Nestor und Agamemnon giebt A. nach; er zieht sich in sein Zelt zurück, um von nun an dem Kampfe fern zu bleiben und lässt, unter Beteuerung des ihm zugefügten Unrechts, die Briseis durch Patroklos den Herolden übergeben. A. klagt sein Leid der Thetis, und die Mutter verspricht, Zeus für die Rachewünsche des Sohnes (Sieg für die Troer, Niederlage für die Achaeer) zu gewinnen. Am zwölften Tage, denn Zeus war bei den Aithiopen, bringt Thetis ihre Bitte vor, und Zeus willigt, obwohl nur ungern, ein. Thetis bringt ihrem Sonne die Kunde. Il. I; vgl. Brandt Jahrb. f. Philol. CXXXI 1885, 659f.
Nach den unglücklichen Kämpfen, die durch den trügerischen, Sieg verheissenden Traum des Agamemnon herbeigeführt sind (II in.) wird beschlossen, eine Gesandtschaft an A. zu schicken; Phoinix, Aias des Telamon Sohn und Odysseus, samt den zwei Herolden Odios und Eurybates werden dazu bestimmt. Agamemnon verspricht zur Sühne reiche Gaben und grosse Auszeichnungen, ja er will A. eine seiner drei Tochter zur Gattin geben und eine Siebenzahl messeniscber Städte zum Geschenk. Die Gesandten finden A. auf der prächtigen Leier spielend, die er in der Stadt des Eetion erbeutet (Diod. V 49, 4); sie werden freundlich empfangen, aber trotz aller Überredungskunst lässt sich A. nicht zur Wiederaufnahme des Kampfes bewegen. Erst wenn die Troer die Schiffe in Brand gesteckt haben, will er wieder eingreifen; ja zum Schlusse droht er zum zweiten Male die Rückkehr anzutreten: morgen schon, wenns sein muss! Il. IX; vgl. Robert Bild und Lied 132ff.
Am folgenden Tage sieht A. vom Hinterdeck seines Schiffes dem Kampfe zu. Wie er den Nestor mit dem verwundeten Machaon ins Lager kommen sieht, sendet A. den Patroklos, um nach dem Namen des Verwundeten zu fragen. Nestor bittet den Patroklos alles zu thun, um A. umzustimmen oder doch von ihm die Erlaubnis zu bekommen, in seiner Rüstung den Achaeern beistehen zu dürfen. XI 596f. Die Feinde dringen ins Lager und zünden die Schiffe an, da erhält Patroklos von A. die Rüstung; A. feuert die Myrmidonen persönlich zum Kampfe an und opfert vor ihrem Auszug dem Zeus von Dodona. Patroklos treibt die Troer von den Schiffen zurück, verfolgt sie dann aber, entgegen dem Befehle des A., bis unter die Mauern Troias, wo ihn Hektor tötet und ihm die Rüstung, die einst Hephaistos dem Peleus zur Hochzeit geschenkt, abnimmt. Il. XVI. XV 63f. Antilochos bringt dem vor dem Zelte sitzenden A., den schon eine trübe Ahnung beschlichen, die Trauerbotschaft. A. bricht in laute Klagen aus, Thetis kommt mit dem ganzen Gefolge der Nereiden und verspricht ihm auf den folgenden Tag eine neue Rüstung von der Hand des Hephaistos. Das Kampfgetummel naht sich den Mauern; kaum sind Meriones und Menelaos im Verein mit den beiden Aias noch im stande, den Leichnam des Patroklos zu schützen. Da lässt Hera [234] den A. durch Iris auffordern, an den Graben zu eilen und durch sein Erscheinen die Feinde zu schrecken. Athena legt ihm die Aigis um die Schultern und ums Haupt eine goldene Wolke flammenden Feuers, und wie A. seine gewaltige Stimme erhebt, fliehen die Troer. A. klagt um den toten Freund und gelobt, ihn nicht eher zu bestatten, als bis er die Waffen und das Haupt des Hektor zur Stelle gebracht und zwölf troische Jünglinge an seinem Scheiterhaufen geschlachtet habe. Il. XVIII.
Mit Tagesanbruch überbringt Thetis dem Sohne die neue Rüstung; vgl. Robert Bild und Lied 141. Nach einem vereinzelten Bericht gab Cheiron der Göttin für ihren Sohn ein Linderungsmittel für dessen Gram mit. Paus. V 19, 9 (Kypseloskasten). Auf des A. Bitten schützt sie den Leichnam des Patroklos durch Ambrosia gegen Verwesung. Nun beruft K. eine Versammlung der Achaeer und entsagt hier feierlich seinem Grolle; Agamemnon geht freudig darauf ein und bietet reiche Sühngeschenke. Doch A. will gleich in den Kampf stürmen. Aber auf des Odysseus Vorschlag, dem das Heer zustimmt, werden nun wirklich die Geschenke gebracht, u. a. sieben Lesbierinnen und dazu noch die eine, um die A. grollte, Briseis. Das Heer begiebt sich zum Mahle; A., der nichts geniessen will, bevor er den Patroklos gerächt, wird von Athena mit Nektar und Ambrosia gestärkt. Nochmals folgen Klagen um Patroklos; dann rüstet sich das Heer. A. erscheint auf dem von Automedon geleiteten Wagen und feuert mit furchtbarer Stimme seine unsterblichen Rosse Balios und Xanthos, einst dem Peleus von Poseidon geschenkt, an, ihn unversehrt durch das Kampfgewühl zu tragen. Da antwortet Xanthos, dass sie ihn heute noch retten werden, dass aber der Tag des Todes nicht mehr fern sei. Il. XIX.
Nach einer Götterversammlung, in der Zeus den andern Göttern die Erlaubnis giebt, nach ihrer Neigung dem einen oder dem andern Teile beizustehen, beginnt der grosse Entscheidungskampf, den Zeus mit dem Donner begleitet, während Poseidon Gewässer und Berge erregt. Zunächst zwar halten sich die Götter noch fern. A. sucht unter den weichenden Troern den Hektor. Da stellt sich ihm auf Antreiben des Apollon Aineias entgegen, aber dessen Speer prallt am Schilde des A. ab, während A. den des Aineias durchbohrt. Apollon hüllt den Peliden in eine Wolke, bis er seinen Schützling aus den Reihen der Kämpfer zurück geführt hat. A. tötet hierauf den Iphition vom Gygaeischen See, den Demoleon, den Hippodamas, den Priamiden Polydoros. Wie Hektor seines Bruders Fall vernimmt, stellt er sich A. entgegen, doch Athena lenkt den Speer von diesem ab, während Apollon den Hektor in Nebel hüllt, A. lässt von dem vergeblichen Kampfe ab und erlegt weiterhin den Dryops, den Philetoriden Demuchos, Laogonos und Dardanos, des Bias Söhne, Tros, des Alastor Sohn, den Mulios, Echeklos, Deukalion, Rhigmos, des Peireos Sohn, aus Thrakien und dessen Wagenlenker Areithoos. Il. XX. Am Skamander teilen sich die Feinde, die einen fliehen nach der Stadt, andere suchen durch [235] den Fluss zu entkommen. Da lässt A. die Lanze am Ufer zurück und springt nur mit dem Schwerte bewaffnet in den Fluss: Jammer erhebt sich, und das Wasser rötet sich vom Blute. Zwölf Troerjünglinge nimmt er lebend gefangen und übergiebt sie den Gefährten; dann stürzt er sich wieder ins Getümmel. Den ihm begegnenden Lykaon macht er trotz seiner Bitten nieder (s. o.). Auch Asteropaios, der Sohn des Pelegon und Enkel des Flussgottes Axios, erliegt seinen Streichen; A. höhnt ihn noch im Tode. Von den Paionern fallen durch A. Thersilochos, Mydon, Astypylos, Mnesos, Thrasios, Ainios, Ophelestes. Über die dem Asteropaios zugefügte Schmach erzürnt, wendet sich nun der Flussgott Skamandros gegen A.; er schützt die Troer, die sich im Wasser bergen, bedrängt den Peliden hart und verfolgt ihn mit seinen Wogen weit über die Ebene hin. Da fleht A. zu Zeus um Rettung, da ihm doch bestimmt sei, nicht hier, sondern unter den Mauern Troias den Tod zu finden. Poseidon und Athena sprechen ihm Mut ein; aber bei dem erneuten Angriff auf Skamandros ruft dieser den Simoeis zu Hülfe. Nun greift Hera ein: Hephaistos entfacht auf der Ebene einen gewaltigen Brand, und ein Sturmwind trägt die glühende Lohe gegen die Fluten, die sich wieder in ihr Bett zurückziehen, brodelnd wie das Wasser in einem Kessel. A. ist gerettet. A. kommt der Stadt immer näher, und die Griechen würden sie erobert haben, wenn nicht Apollon den Antenoriden Agenor gesandt hätte, der den A. am Knie verwundet, seinerseits aber vor einem wütenden Angriff seines Gegners durch den Gott gerettet wird, der sich selbst, in Gestalt seines Schützlings, durch A. verfolgen lässt. Il. XXI. Doch bald klärt er ihn über sein nutzloses Beginnen auf. Hektor allein von allen Troern steht noch vor der Mauer und dem skaeischen Thor; wie aber A. naht, ergreift jener die Flucht. Dreimal jagt ihn A. rings um die Stadt, und jedesmal schneidet er ihm den Zugang zum Thore ab. Wie sie zum vierten Male zu den zwei Quellen und dem Feigenbaum gelangen, legt Zeus die Lose der beiden Helden auf die Wage. Die Schale des Hektor sinkt, und Athena bringt A. die frohe Botschaft; dem Hektor aber naht sie in der Gestalt des Deiphobos und heisst ihn standhalten Hektor verspricht dem A., seinen Leichnam den Griechen zurückzugeben, wenn A. sich zu gleichem verpflichte; doch dieser weist den Vorschlag zurück. Athena steht A. im Kampfe bei, und Hektor empfangt die tötliche Wunde am Halse. Dem Sterbenden, der ihn an sein eigenes nahes Ende durch Paris und Apollon erinnert, schlägt A. nochmals die Bitte um Rückgabe des Leichnams ab. Dann nimmt er ihm die Rüstung ab, durchbohrt die Füsse, zieht Riemen hindurch bindet die Leiche an seinen Streitwagen und schleift sie nach dem Lager. Il. XXII.
Im Lager angelangt entlässt A. das Heer, nur die Myrmidonen hält er noch beisammen. Dreimal fahren sie unter Wehklagen um den Leichnam des Patroklos. Auch Thetis beteiligt sich an der Klage. Den Hektor aber lässt A. im Staube neben der aufgebahrten Leiche des [236] Patroklos liegen. Dann folgt das Leichenmahl. Den A. führen die Achaeerfürsten zu Agamemnon; sie suchen ihn zu bereden, sich von Staub und Blut zu reinigen, doch er lehnt es ab, bevor er nicht Patroklos bestattet habe. Gleich früh am nächsten Morgen sollen alle Vorbereitungen getroffen werden. Vielleicht bezieht sich auf dieses Mahl der Achaeerfürsten das Lied des Demodokos, Od. VIII 75 f. und Schol. A. und Odysseus geraten in Streit; da freut sich Agamemnon, denn ihm ist in Delphi geweissagt: wenn die Besten streiten, wird Troia fallen. Nach dem Mahle sitzt A. klagend mit den Myrmidonen am Ufer des Meeres; hier übermannt ihn der Schlaf. Da erscheint ihm Patroklos und bittet um schleunige Bestattung, weil ihm die Schatten den Eingang zur Unterwelt verwehren. Ihrer beider Asche soll in der gleichen Urne einst geborgen werden. Am nächsten Morgen bringt ein langer Zug zu Wagen und zu Fuss die Leiche zu der Stelle des Scheiterhaufens. A. weiht dem Freunde das Haupthaar, da ihm ja doch nicht vergönnt ist, die Heimat und den Vater Peleus wieder zu sehen. Dann geht das Volk zu den Schiffen zurück; nur wenige bleiben, errichten den Scheiterhaufen und legen den Leichnam und die Opfergaben darauf. A. schlachtet die zwölf Troerjünglinge und fleht zu Boreas und Zephyros, die Flamme anzufachen. Die ganze Nacht hindurch giesst er Trankspenden. Am Morgen wird die Flamme mit Wein gelöscht und die Asche in eine goldene Schale gesammelt; darauf ein schicklicher Grabhügel errichtet. Zu Ehren des Toten werden Kampfspiele abgehalten, zu denen A. die Preise aussetzt. Während des Wagenrennens muss A. einen Streit zwischen Idomeneus und dem lokrischen Aias schlichten, später einen durch Antilochos hervorgerufenen. Den fünften übrig gebliebenen Preis giebt er dem Nestor als Andenken an Patroklos. Il. XXIII; vgl. Rohde Psyche 14f.
Nach Beendigung der Leichenspiele beginnt A. wieder die Klagen um Patroklos. Am nächsten und den folgenden Morgen schleift er die Leiche des Hektor dreimal um den Grabhügel des Freundes, Apollon aber schützt den Leib des troischen Helden vor aller Beschädigung. Die Götter erbarmen sich seiner: Zeus lässt durch Thetis dem A. den Groll der Götter über die Misshandlung mitteilen, die Iris schickt er zu Priamos, damit dieser mit reichen Geschenken den Toten bei A. auslöse. Von Hermes geführt gelangt der Troerfürst ins Griechenlager. Im Zelte trifft er A. mit Automedon und Alkimos, er umfasst des Helden Kniee und bittet flehentlich um seinen Sohn. Da übermannt den A. die Erinnerung an seinen eigenen alten Vater und er bricht in Klagen aus; dann aber fasst er den Greis bei der Hand und richtet ihn auf. Die Lösegeschenke werden vom Wagen geholt Hektors Leiche wird, nachdem sie gewaschen und gesalbt worden, herbeigebracht. Doch erst am Morgen soll sie Priamos sehen; jetzt setzen sie sich zum Mahle. Es wird ein elftägiger Waffenstillstand für die Bestattung des Hektor verabredet und durch Handschlag bekräftigt, dann begiebt sich alles zur Ruhe. A. schläft bei der Briseis. Noch in der Nacht führt Hermes [237] den Priamos aus dem Achaeerlager. Il. XXIV. Die Μυρμιδόνες, Νηρείδες, Φρύγες ἢ Ἕκτορος des Aischylos enthielten die Ereignisse vom Kampfe bei den Schiffen bis zur Auslösung der Leiche des Hektor; im dritten Stücke wurde sie gewogen, ein Zug, der vom Dichter nach Il. XXII 351 gebildet ist. Den gleichen Zeitraum behandelten Accius in der Epinausimache und Ennius in den Hectoris lutra; vgl. Wecklein S.-Ber. Akad. München 1891, 327ff.
Penthesileia
An die Erzählung der Ilias schliesst sich diejenige der Aithiopis. Den Troern erscheint als Bundesgenossin die Amazone Penthesileia. Nachdem sie viele getötet, wird sie von A. erlegt. Prokl. Aith. 33 K. und fr. 1. Apd. Ep. Vat. XIX 1; fr. Sabb. 171. Er bewundert die Schönheit der toten Feindin. Deswegen schmäht ihn Thersites, wirft ihm unkeusche Liebe zu Penthesileia vor, ja er soll sogar nach einigen der Leiche ein Auge ausgeschlagen haben. A. streckt ihn mit einem Faustschlage nieder. Qu. Sm. I 475f. Lyk. 999f. und Schol. Schol. Il. II 220. Schol. Soph. Phil. 445. Über den Tod seines Verwandten ergrimmt, wirft Diomedes die Leiche der Penthesileia in den Skamander. Tzetz. zu Lyk. a. O.; Posthom. 116; ähnlich Dict. IV 3. Aus dem von Thersites gegen A. erhobenen Vorwurf machen Spätere eine Thatsache. Nonn. Dionys. XXXV 28. Liban. Melet. 28 p. 967. 50 p. 1026–1028. Von der Liebe des A. zur lebenden Penthesileia und einem Sohne Kaystros spricht Serv. Aen. XI 661; vgl. Rohde Der griech. Roman 42. 102. Nach Ptol. Heph. 1 und Eust. Od. 1696, 51 wird A. von Penthesileia getötet (etwa weil sie den Podarkes erlegt? Qu. Sm. I 233f. 815), lebt dann durch die Bitten der Thetis an Zeus wieder auf und tötet Penthesileia, worauf er zum Hades zurückkehrt. Nach Eust. Od. 1697, 55 tötet A. ausser der Amazone auch den Begleiter Chalkon, der ihr aus Liebe im Kampf zu Hülfe kam. Philostratos (Her. 215f. K.) erzählt von der Vernichtung des Amazonenheeres auf Leuke, wohin es gekommen war, um das Heiligtum des A. zu plündern. Nach der Tötung des Thersites (über den Ἀχιλλεὺς Θερσιτοκτόνος des Chairemon vgl. Welcker a. O. III 1086) und infolge des daraus entstandenen Zwistes fährt A. nach Lesbos, opfert dem Apollon, der Artemis und der Leto und wird durch Odysseus vom Morde gereinigt.
Memnon
Nun kommt Memnon, der Sohn der Eos, in der von Hephaistos gefertigten Rüstung den Troern zu Hülfe. Thetis sagt ihrem Sohne die nun folgenden Ereignisse voraus. Antilochos wird von Memnon getötet, dann tötet A. den Memnon. Für diesen erlangt Eos von Zeus Unsterblichkeit. Der Tod des Memnon wird erwähnt Pind. Ol. II 91; Nem. III 62f.; Isthm. IV 40f. VII 54 und Schol. Diod. IV 75, 4. Philostr. im. I 7. Nach Pind. Nem. VI 56f. und Schol. besiegte A. den Memnon im Fusskampfe; Quelle ist die kleine Ilias; s. Schröder Herm. XX 1885, 444. Bei Aischylos (Schol. Il. VIII 70. XXII 209. Plut. de aud. poet. 2) wägt Zeus die Lose der beiden auf der Wage, während die beiden Mütter um das Leben ihrer Söhne flehen. Qu. Sm. II [238] 388f. behandelt den Kampf am ausführlichsten. Nach ihm teilen sich sogar die Götter in zwei feindliche Parteien; schon hat A. eine Wunde empfangen, da neigt sich die Schicksalswage in der Hand der Eris, und es gelingt dem Peliden dem Gegner das Schwert in die Brust zu stossen. Etwas abweichend Dict. IV 6 und Tzetz. Posthom. 33. Memnon und Psychostasie des Aesch. fr. 123f. 273f. Aithiopes oder Memnon des Soph. fr. 25f. Dem Antilochos, seinem liebsten Freunde nach Patroklos (Il. XXIII 536), verbrennt A. Haupt und Rüstung des Memnon und veranstaltet ihm zu Ehren Leichenspiele. Phil. Her. 168 K. Die Memnonepisode ist wahrscheinlich erst verhältnismässig spät in den troischen Sagenkreis eingedrungen; sie setzt die hauptsächlichsten Teile der Ilias voraus. Robert Bild und Lied 119.
Tod des A.
Durch den Tod des Antilochos aufs tiefste betroffen, treibt A. nach dem Falle des Memnon die fliehenden Troer vor sich her bis vor die Thore der Stadt. Vor dem skaeischen Thore fällt er, von Paris und Apollon in die Ferse getroffen. Prokl. Aith. 33 K. Apd. Ep. Vat. XX 1; fr. Sabb. 171. Tab. Iliaca; vgl. Robert Bild und Lied 126f. Die Proklosstelle ist nach Schol. Aristoph. equ. 1056 für die kleine Ilias in Anspruch zu nehmen. Bethe a. O. 34. Der Tod durch Paris und Apollon ist A. geweissagt von seinem Pferde Xanthos (Il. XIX 416f.) Hektor (XXII 359) und damit stimmen überein Verg. Aen. VI 57 und Ov. met. XII 600. XIII 500, wo Apollon den Pfeil des Paris lenkt. Die ältere Version dagegen (Bethe a. O. 124) berichtet, dass Apollon von der Zinne der Mauer aus den A. niederblitzt. Qu. Sm. III 60f. Dass A. durch Apollon allein den Tod findet, wird gesagt Aisch. fr. 340. Soph. Phil. 334. Hor. carm. IV 6, 3 (auch wohl Pind. Pyth. III 101; vgl. Schol.) und ist vorausgesetzt in der delphischen Sage von dem Racheversuche und dem Tode des Neoptolemos (Eur. Andr. 1108. Strab. IX 421), in der Weissagung der Thetis Il. XXI 277, und in der Warnung der Göttin an ihren Sohn, sich vor der Tötung eines Apollonsohnes (Troilos, Tenes, s. o.) zu hüten. Spät ist die Wendung der Sage, dass Apollon des Paris Gestalt angenommen habe, Hyg. f. 107. 113; oder dass Paris (Eust. Od. 1696, 49) oder Helenos (Ptol. Heph. 6) von ihrem Liebhaber Apollon den todbringenden Bogen erhalten. Nach Ptol. Heph. 6 sollte ferner A. auf der Flucht vor Apollon niedergemacht worden sein, nachdem er den ihm von Cheiron eingesetzten Knöchel des Giganten Damysos im Laufe verloren hatte.
Im Heiligtume des thymbraeischen Apollon, an dem Orte, wo er den Troilos getötet, wird nach einer weiteren Version A. bei einer Zusammenkunft mit dessen Schwester Polyxena von Paris getötet. Statt des Gottes wird dessen Heiligtum eingeführt. Schol Lyk 269. 307. Hellanikos fr. 135 M. Eust. Il. 816, 10. Lact. ad Stat. Ach. I 134. Hyg. f. 110. Schol. Eur. Hec. 41. 388; Troad. 16. Dict. IV 11; s. Förster Herm. XVII 1882, 200. v. Wilamowitz Hom. Unt. 181. Philostratos (Her. 204 K.) verwechselt diese Version mit der homerischen.
Möglicherweise alt und schon in den Kyprien enthalten ist die Sage von der Liebe des [239] A. zu Polyxena. Förster Herm. XVIII 1883, 476 schliesst dies aus der Notiz des Schol. Eur. Hec. 41, wonach bei der Einnahme Troias Polyxena von Odysseus und Diomedes verwundet wurde und von Neoptolemos, doch wohl aus Pietät gegen den Vater, ein ehrenvolles Begräbnis erhält. Dann hören wir, dass A. dem Priamos ein Bündnis oder Frieden anbot, wenn er ihm die Polyxena gebe. Die Beratung darüber sollte im Haine des Apollon stattfinden. Oder A. kam dahin, um sich die Polyxena abzuholen (Serv. Aen. III 322. VI 57 und die obigen Stellen). Die Ermordung des A. im Haine des Apollon gehört jedoch nicht zur alten Sage. Nach Philostratos war die Liebe gegenseitig; Polyxena flieht nach der Tötung des A. ins Griechenlager und tötet sich selbst am dritten Tage auf dem Grabe des A. Nach Schol. Lyk. 269 nehmen die Troer den Leichnam an sich und wollen ihn erst gegen das für Hektor gezahlte Lösegeld herausgeben; oder Aias, Diomedes und Odysseus retten ihn mit Mühe (Dict. a. O.). Durch die späteren Schriftsteller erfuhr die Polyxenaepisode mancherlei Ausschmückungen.
Am skaeischen Thor entbrennt über dem gefallenen Helden ein erbitterter Kampf, den auch die einbrechende Nacht nicht beendet haben würde, wenn nicht Zeus einen Sturmwind gesandt hatte. Hauptkämpfer ist Aias, der schliesslich den Leichnam rettet und ins Lager trägt, während Odysseus die drängenden Feinde abhält. Prokl. Aith. 34 K. Od. V 309f. XXIV 36f. Qu. Sm. III 212f. Apd. Ep. Vat. XX 2.
Bestattung. Totenfeier.
Dann heisst es bei Proklos weiter: Nun begraben sie den Antilochos und stellen die Leiche des A. aus. Thetis kommt mit den Musen und Nereiden und beweint den Sohn. Und hierauf entreisst sie ihn dem Scheiterhaufen und bringt ihn nach der Insel Leuke. Die Achaeer schütten einen Grabhügel auf und veranstalten Leichenspiele. Über des A. Waffen entsteht ein Streit zwischen Odysseus und Aias. Bei den Leichenspielen siegt Eumelos im Wagenrennen, Diomedes im Stadion, Aias im Diskoswurf und Teukros mit dem Bogen. Die Rüstung des A. wird für den besten als Siegespreis ausgesetzt, Odysseus und Aias bewerben sich darum, ersterem wird sie zugesprochen, und Aias verfällt in Wahnsinn. Apd. fr. Sabb. 171 Schiedsrichter sind „die Troer, oder, wie einige sagen, die Bundesgenossen“; vgl. Wagner a. O. 404. Nach der kleinen Ilias fr. 2 K. entschied die Ansicht von Troermädchen, die man belauschte, als sie auf Athenas Eingebung hin Odysseus über Aias erhoben. Od. XI 547 u. Schol. v. Wilamowitz Hom. Unt. 153. Robert Bild u. Lied 143. Die Lanze des Peliden zeigte man später im Athenatempel zu Phaselis. Paus. III 3, 8. Auf anderer Grundlage beruht die ausführliche Schilderung bei Qu. Sm. IV 109 bis 595, wo der lokrische Aias, Teukros, Aias des Telamon Sohn, Menelaos Sieger sind. Die eigentliche Totenklage im Lager beschreibt Od. XXIV 43f. u. Qu. Sm. III 388f. Athena schützt den Leichnam durch Ambrosia vor Verwesung, und wie er schon auf dem Scheiterhaufen liegt, lässt Zeus Ambrosia auf ihn regnen (Qu. Sm. III 533. 696). Tag und Nacht brennt das [240] Feuer; dann löschen die Achaeer die Glut mit Wein und sammeln die Asche in ein silbernes Kästchen; bestattet aber wird sie mit der des Patroklos zusammen in der goldenen Urne, die einst Dionysos der Thetis geschenkt. Od. XXIV 74. Stesichoros in Schol. Il. XXIV 92; danach Lyk. 273. Phil. Ap. Tyan. 136 K. Oder mit A. und Patroklos ist auch Antilochos vereint Od. XXIV 77.
Leben nach dem Tode
An weithin sichtbarer Stelle ist der Grabhügel errichtet, Od. XXIV 82; die Psyche aber weilt in des Hades Reich (Od. XXIV 15f. Gemalde des Polygnotos in der Lesche zu Delphi, Paus. X 30, 3). Dies ist die altere Vorstellung (Rohde a. O. 80f.), gesichert besonders auch durch den Totenkult und das Erscheinen des Helden auf seinem Grabe.
Eine ganz neue Anschauung tritt in der Erzählung von der Entrückung des A. auf. Prokl. Aith. Apd. Ep. Vat. XXI 1; fr. Sabb. 171. Schon Hesiod op. 156f. weiss von den Helden des thebanischen und troischen Krieges, dass sie auf den Inseln der Seligen wohnen. Nach Pind. (Ol. II 77f.) weilt A. dort mit Rhadamanthys, Kronos, Peleus, Kadmos; Thetis hat dies durch ihre Bitten von Zeus erwirkt. Diomedes ist des A. Gefährte nach dem Skolion auf Harmodios und Aristogeiton, Ath. XV 695 B (Bergk 10); vgl. Plat. Symp. 179 E. 180 B. Ins Elysion ersetzen ihn Ibykos und Semonides, Schol. Ap. Rh. IV 814. Insel der Seligen und Elysion sind nur verschiedene Namen für dieselbe Sache (Rohde a. O. 98). Nachdem man das ferne Wunderland gefunden zu haben glaubte in der vermutlich nach ihrem Aussehen Leuke genannten Insel, trat „Leuke“ als Synonym zu den zwei andern Namen. Als die Seefahrer noch weiter im Pontos vordrangen, wurden die Namen Leuke und Dromos auch auf andere Örtlichkeiten übertragen (s. o.), die Insel vor der Donaumündung behauptete aber immer noch den ersten Rang. Es sind wohl die Bewohner der Küste Kleinasiens, man denkt vor allem an Milet, für welche „die unbekannte Ferne“, in der ja die Inseln der Seligen hegen mussten, im Nordosten, in der Gegend des Pontos war. Nach Philostr. Her. 212 K. lässt Poseidon die Insel Leuke auf Bitten der Thetis aus dem Meere aufsteigen. Was sterblich war, ruht in der Troas, was unsterblich ist, lebt im Pontos fort, so der thessalische Hymnos a. O. 208 K. Den Aufenthalt des A. auf Leuke erwähnen zuerst Pind. Nem. IV 49. Eur. Iph. Taur. 435f.; Andr. 1260. Unvereinbar mit der alten Sage ist die Notiz über ein Grab des A. auf Leuke (Plin. IV 16) oder auf der Insel Borysthenis, Pomp. Mela II 98. Vgl. damit das Glossem Apd. a. O.
Auf Leuke ist A. mit Medeia vereinigt Apd. a. O. Ap. Rh. IV 811ff. u. Schol. (Ibykos und Semonides). Schol. Lyk. 172. 798; oder seine Gattin ist dort Helena, nach der Sage von Himera und Kroton. Paus. III 19, 11ff. Schol Eur. Andr. 229. Phil. Her. 211f. K. Ihr Kind ist nach Ptol. Heph. 4 der geflügelte Euphorion (Epeur auf einem Etr. Sp., Engelmann Arch. Jahrb. IV 1889, Anz. 42). Die von Artemis nach Skythien versetzte Iphigeneia suchte A. und blieb dann, als er sie nicht fand, auf [241] Leuke; oder er soll sie bis in jene Gegenden verfolgt haben. Lyk. 186f. 200f. und Schol. Eust. Dion. Perieg. 306. Von der Liebe des Skythenkönigs A. zu Iphigeneia erzählt Eust. a. O., wo auch Alkaios angeführt wird. v. Wilamowitz Herm. XVIII 1883, 250. Nach Ant. Lib. 27 lebte Iphigeneia unter dem Namen Orsilochia mit A. auf Leuke. Dass Polyxena des Peliden Gefährtin war, sagt Sen. Troad. 942ff.
Erscheinung des A. nach seinem Tode
Nachdem Odysseus den Neoptolemos aus Skyroi herbeigeholt und ihm die Waffen des Vaters übergeben hat, erscheint A. seinem Sohne. Prokl. kl. Ilias 37 K. Nach Qu. Sm. XIV 178 erscheint A. dem Sohne nach der Eroberung Troias im Traume und lässt durch ihn die Griechen erinnern, wie viel Beute sie ihm zu verdanken hätten. Zugleich fordert er die Polyxena als Opfer, widrigenfalls er die Abfahrt der Flotte hindern werde. Polyxena wird von Neoptolemos geopfert; vgl. Ibykos in Schol. Eur. Hec. 40. Euripides dagegen (Hec. 37. 106. 506f.) lässt den Schatten des A. dem zur Abfahrt bereiten Griechenheere erscheinen und für sich die Tochter des Priamos verlangen. Wahrscheinlich brachte erst Sophokles die Erscheinung des Schattens in ursächlichen Zusammenhang mit der Opferung der Polyxena, und Euripides polemisiert dagegen; Noack Illupersis 11ff. In den Nostoi erscheint A., sucht die Abfahrt der Flotte zu hindern und weissagt das kommende Unheil (Prokl. 53 K.). Die Opferung des Mädchens, aber nicht als von A. gefordert, war in der Iliupersis (Prokl. 50 K.) und in der kleinen Ilias des Lesches erzählt. Paus. X 25, 10. Nach weiteren Berichten ertönt die Stimme des A. aus seinem Grabe; oder A. hat sich sterbend im Heiligtum des Apollon die Polyxena ausbedungen. Sie soll geopfert werden, weil A. sie im Leben geliebt. Kalchas vollbringt das Opfer nach Sev. Aen. III 321; vgl. tab. Il. Ov. met. Troad. 185f. 1165. Hyg. f. 110. In dem Vasenbilde Gerhard A. V. 198 schwebt der Schatten des A. üiber den Schiffen.
Die bildlichen Darstellungen
Homer schildert A. als den schönsten und tapfersten der vor Troia versammelten griechischen Helden. Blonden Haupthaares und blitzenden Auges, von gewaltiger Grösse und von unübertrefflicher Schnelligkeit ist er der Stolz der Achaeer, der Schrecken der Feinde; oft schreckt er sie schon durch seine furchtbare Stimme zurück. Im Kampfe vor nichts zurückbebend, hart und unerbitterlich dem besiegten Feinde gegenüber und unversöhnlich in seinem Zorn, zeigt er gegen die Freunde treue Anhänglichkeit, der Schmerz um den Tod des Patroklos lässt ihn den Groll gegen Agamemnon überwinden. Den Eltern ist er in Liebe zugethan, den Göttern gehorsam. Dem klugen und gewandten Agamemnon, auch Odysseus gegenüber muss er oft nachgeben und sich fügen: das Naturkind dem Manne der Welt. „In voller Individualitat seiner Stammesheimat ist er in die gemeingriechische Harmonie der Sage übergegangen“ Löhr Arch. epigr. Mitt. XIII 1890, 161. Schilderungen des A. finden sich Phil. Her. 200 K.; im. II 2. 7. Phil. iun. im. 1. Heliod. Aeth. II 5. Liban. ecphras. 6. [242]
Einzeldarstellungen des A. sind nicht häufig. Erwähnt mag die schöne r. f. Amphora werden, deren eine Seite den inschriftlich bezeichneten A., die andere Briseis aufweist. Gerhard A. V. III 184. Helbig Die öffentl. Sammlungen Roms II 254. Wie man sich die Statue von der Hand des Silanion (Plin. XXXIV 81) etwa zu denken hat, zeigt Winter Arch. Jahrb. V 1890, 167f. Das von den Einwohnern von Pharsalos nach Delphi geweihte Reiterbild des A. (Paus. X 13, 5) zeigen Münzen der Stadt; Brit. Mus. Catal. of Greek Coins, Thessaly to Aetolia. 45, 21f., t. IX 17. Nach Plin. XXXIV 18 gab es eine ganze Klasse von Statuen, die man Achilleae nannte. Es waren nackte Jünglingsfiguren, die Lanzen hielten. Kultbilder werden erwähnt im Tempel auf Sigeion (Serv. Aen. I 30), auf Leuke, Arrian. peripl. 21; eine Statue im Gymnasion des Zeuxippos in Byzanz, Christod. ecphr. 291f.; eine andere im Tempel der Astarte im Hierapolis Luc. de dea Syr. 40. Die Beziehung der unter dem Namen Pasquino bekannten Gruppe auf Aias mit der Leiche des A. ist nicht gesichert, trotz anderer mit Gewissheit so zu deutender Darstellungen jenes Momentes. Die Litteratur s. bei Helbig a. O. I 238. Auch die Deutung der im Westgiebel des Tempels von Aigina dargestellten Scene auf den Kampf um den gefallenen A. ist sehr bestritten, s. Friederichs-Wolters Bausteine 41. 48. In keinem der uns erhaltenen Werke der Bildhauerkunst hat man A. sicher wiedererkannt.
In der Malerei begegnen uns Scenen aus dem Leben des A. mehrfach. Polygnot malte ihn in der Lesche zu Delphi, wie er mit Antilochos, Agamemnon, Protesilaos und Patroklos in der Unterwelt zusammen ist. Paus. X 30, 3. Über andere Gemälde des Polygnot s. u.
Die bildlichen Darstellungen, die sich auf die A. Sage beziehen, finden sich zusammengestellt bei Overbeck Die Bildw. zum theb. u. troisch. Heldenkreis, Braunschweig 1853. Schlie Die Darst. d. troisch. Sagenkr. auf etr. Aschenkisten, Stuttgart 1868 und Brunn Rilievi delle Urne Etrusche I Rom 1870. Brunn Troische Miscellen, Sitz. Ber. Akad. München 1868 I 45ff. 217ff. 1880 I 167ff. 1887 II 229ff. Luckenbach Jahrb. f. Philol. Suppl. XI 491–638. Schneider Der troisch. Sagenkreis in d. alt. griech. Kunst, Leipz. 1886. Klein Griech. Vasen mit Meistersignaturen Wien 1887 und Euphronios² Wien 1886. Baumeister Denkm. I 3ff. In der Hauptsache muss hierauf verwiesen werden; eine auch nur summarische Aufzählung und Besprechung der Bildwerke wurde zu weit führen.
Ganze Cyklen von Scenen aus des A. Leben finden sich dargestellt auf der Tabula Iliaca und andern verwandten Monumenten, bei Jahn-Michaelis Griech. Bilderchroniken 9–28: Gesandtschaft, Patroklos Rüstung, Polydoros, Hektor, Lykaon, Poseidon, Priamos, Penthesileia, Thersites, Memnon, Tod und Kampf um die Leiche, Polyxena (37). Die Capitolinische Brunnenmündung (Mus. Cap. IV 17. Baumeister Denkm. I 4. Wiener Vorlegebl. B IX 1 a–i) zeigt die Geburt, das Styxbad, Übergabe an Cheiron und Unterricht, A. auf Skyros, Hektor. Die Capitolinische Tensa (Bull. arch. com. 1871 [243] V 12f. Baumeister Denkm. III t. 90, fig. 2325. Helbig a. O. I 548) enthält: Styxbad, Unterricht bei Cheiron, A. auf Skyros, Rückforderung der Briseis, Patroklos, Hektor, Tod des A. und Rüstung der Leiche. Auf drei „homerischen Bechern“, (Robert 50. Berl. Winckelmannsprogr. D 25–29; L 51–58; IX b 73 bis 75) findet sich: Priamos vor A. u. A. mit Penthesileia; A. und Klytaimnestra und A. mit Iphigeneia und Klytaimnestra (nach Eur. Iph. Aul.), die Opferung der Polyxena (nach Eur. Hec). Endlich sind die eben genannten Scenen, fast sämtlich auch auf Sarkophagreliefs vertreten. Robert Die antiken Sarkophagreliefs II.
Auf die Eintauchung des kleinen A. in das Styxwasser deutet Conze Arch. epigr. Mitt. I 1877, 73–76 mehrere Monumente. Wiener Vorlegebl. B VII 4. Rev. arch. VIII 1851, 160, 5. Die Übergabe des A. an Cheiron war schon auf dem amyklaeischen Throne dargestellt: Paus. III 18, 12; Vgl. Benndorf Griech. u. siz. Vasenb. 86. Sidney Colvin, Journ. of Hell. Stud. I 1881, 121. 131f. t. II. Robert Bild und Lied 44. 123. Der Unterricht bei Cheiron erscheint öfters auf Sarkophagen. Die Darstellung des Cheiron mit dem kitharspielenden A. auf dem bekannten pompejanischen Wandgemälde geht auf ein in den Saepta zu Rom aufgestelltes Werk der hellenistischen Kunst zurück. Plin. XXXVI 29. Helbig a. O. I 567.
Der Auszug des A. aus Skyros ist auf V. B. äusserst selten. Löhr Arch. epigr. Mitt. XIII 1890, 168f. deutet darauf Mon. d. I. XI 33, ein Bild, das kurz nach 469/8 entstanden sein muss. Die Scene, wie A. von der Gesandtschaft der Griechen unter den Töchtern des Lykomedes erkannt wird, wurde von Polygnotos in Athen, aber nicht wie die Opferung der Polyxena in den Propylaeen, gemalt. Paus. I 22, 6. Robert a. O. 34. Wahrscheinlich geht auf dieses Gemälde zurück die Darstellung auf dem Gorytos von Nikopol. Compte rendu 1864, 4. Wiener Vorlegebl. B 10. Rec. d'ant. de la Scythie 34. Robert Arch. Jahrb. IV 1889, Anz. 151 und Herm. XXV 1890, 428. Auf das Gemälde des Athenion (Plin. XXXV 134. Robert Sark. Rel. II 21) geht wahrscheinlich die Masse der uns erhaltenen Darstellungen, die alle unter sich übereinstimmen, zurück: die pomp. Wandgemälde (Helbig Wandgem. 1296ff. Graeven Genethliacon Gottingense 112ff.), die Mosaiken (Athen. Mitt. II 1877, 429f. Engelmann Arch. Ztg. XXXIX 1881, 127f.) und die Sarkophagdarstellungen. Andere Gemälde werden erwähnt von Ach. Tat. VI 1 und Aristainetos II 5; vielleicht ist auch die Notiz über Theon von Samos bei Ael. v. h. II 44 so zu deuten. Löhr a. O. 174.
Die älteste Darstellung der Verwundung des Telephos ist das Bild eines kelchförmigen Kraters der Eremitage, Stephani 1275. Mon. d. I. VI 34. Löwy Arch. epigr. Mitt. IV 1880, 220f. Skopas stellte den Kampf am Kaikos im hintern Giebelfelde des Tempels der Athena Alea in Tegea dar. Paus. VIII 45, 7; vgl. Arch. Ztg. XXIV 217. 214. Parrhasios malte die Heilung des Telephos, Plin. XXXV 36. Im pergamenischen Telephosfriese lassen sich zwei hieher gehörige Scenen nachweisen, die Verwundung des [244] Telephos und der Augenblick vor der Heilung. Robert Arch. Jahrb. II 1887, 249f. Wahrscheinlich ebenfalls auf die Ereignisse in Mysien bezieht sich das Bild der Berliner Sosiasschale, wo A. die Wunde des Patroklos verbindet. Mon. d. I. I 24.
Das wichtigste Monument der Scene des Brettspiels ist die Amphora des Exekias. Mon. d. I. II 22. Helbig Öffentl. Samml. Roms II 250. Ein Etr. Sp.: Helbig Röm. Mitt. II 1887, 147.
Überaus häufig sind die Darstellungen der Troilossage. Es lassen sich vier Momente unterscheiden: Hinterhalt des A., Verfolgung des Troilos, sein Tod, der Kampf um die Leiche. Vgl. auch Puchstein Arch. Ztg. XXXIX 1881, 243. Holwerda Arch. Jahrb. V 1890, 244. 247 (no. 37. 53). Dahin gehören auch die früher auf Tydeus und Ismene gedeuteten V. B.; es ist A. mit Polyxena am Brunnen; vgl. Overbeck a. O. 122f. Robert Bild und Lied 22.
Zur Gesandtschaft an A. vgl. Robert Arch. Ztg. XXXIX 1881, 137ff.; Bild und Lied 95ff. 142.
Berühmt war das grosse Gruppenwerk des Skopas: die Überbringung der von Hephaistos gefertigten Waffen an A. durch Thetis und ihr Gefolge, Plin. XXXVI 26. Helbig a. O. I 149.
Die Tötung des Hektor und die Schleifung des Leichnams waren ein sehr beliebter Vorwurf der bildenden Kunst; den Hintergrund bei der letzten Scene bildet meistens die Mauer Troias. Helbig a. O. II 262. 295. Kalinka u. Swoboda Arch. epigr. Mitt. XIII 1890, 42. Ziehen ebenda 45. Die Lösung des Hektor war vielleicht schon am amyklaeischen Throne dargestellt. Paus. III 18, 16. Klein Arch. epigr. Mitt. IX 1885, 149f. 159. E. Babelon Le cab. des ant. à la bibl. nat. 41. Altkorinthischer Spiegel: Hist. u. phil. Aufs. E. Curtius gewidmet 1884, 181f. t. 4; vgl. Robert Bild u. Lied 18f.
Die Totenfeier für Patroklos ist nicht häufig dargestellt. Hervorzuheben ist die figurenreiche Malerei aus einem Grabgemache bei Vulci, Mon. d. I. VI 31 u. 32. Helbig a. O. II 270.
A., die sterbende Penthesileia auffangend, war von Panainos im Zeustempel zu Olympia gemalt. Eine Gemme bei E. Babelon a. O. 19, 4. Über die V. B. mit dem Amazonenkampf des A. s. Löschcke Bonner Studien R. Kekulé gewidmet 249f., dagegen u. a. A. D. Corey De Amaz. antiquiss. fig. 82. Der Kampf des A. mit Memnon war zu sehen am amyklaeischen Thron (Paus. III 18, 12) und am Kypseloskasten, wo die zwei Mütter anwesend waren. Paus. V 19, 1. Den Typus dieser zwei Darstellungen giebt wahrscheinlich wieder das melische Gefäss Conze, Die melischen Thongefässe t. 3, s. Löschcke Dorpat. Progr. 1879. Auch ein Werk des Lykios, von den Bewohnern von Apollonia in Ionien nach Olympia geweiht, betraf diesen Kampf. Als Streit um die Leiche des Melanippos, wobei den zwei Gegnern Athena und Eos zur Seite stehen, stellt die Scene dar ein Krater des Duris: Robert 15. Hallesches Winckelmannsprogramm 1891. Über die Psychostasie vgl. Robert Bild u. Lied 143f. Den Tod des A. (der Pelide ist in die Ferse getroffen) zeigt u. a. die Silberkanne aus Bernay, E. Babelon a. O. 17. Wichtig ist die [245] ionische Vase Mon. d. I. I 51, wo Glaukos die Leiche auf die Seite der Troer zu ziehen sucht. Robert Hom. Becher 37. Über den Streit um die Waffen des A. s. Robert Bild und Lied 213f.
[Escher.]
Nachträge und Berichtigungen
Supplementband I (1903)
[7] S. 222, 25 zum Art. Achilleus Nr. 1:
Neue Deutungen des Namens: nach Usener Götternam. 14f. ursprünglich Wassergott, verwandt mit Ἀχέλης-Ἀχελῷος; Zielinski Philol. N. F. IX 583, 2: ‚Ἀχιλ(λ)εύς ist deutliche Weiterbildung von Ἀχίλ(λ)ος, und das ist die bekannte Koseform, die sich zu Ἀχαιοί verhält, wie Romulus zu Roma.‘
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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