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Autor: Michael von Jung
Titel: Melpomene oder Grablieder
Quelle: Erstausgabe, Ottobeuren 1839, Band 2, S. 16–21
Kurzbeschreibung: Sammlung von Grabliedern

3. Bei dem Grabe des griechischen Adjutanten Mauromichalis, der an der Kolera starb.

Melod. I.

1. Es ist und bleibt der Menschen Loos,
Daß alle sterben müssen,
Denn alle müssen, klein und groß,
Die Schuld der Sünde büssen,
Die Adam schon im Paradieß
Uns zugezogen; denn er biß
In den verbothnen Apfel.

2. Er war an Leib und Seel verderbt,
Und alle seine Kinder,
Von Gott verstossen und enterbt;
Denn alle sind ja Sünder:
Und ward auch unsre Straf und Schuld
Getilgt durch des Erlösers Huld,
Blieb doch der Tod zurücke.

3. Wir können also über Gott
Uns keineswegs beklagen,
Indem wir in dem Leibestod
Die Straf der Sünde tragen,
Die uns schon angebohren war,
Und die wir leider noch sogar
Aus eigner Schuld begehen.

4. Deswegen kommt der bittre Tod
Uns überall entgegen,
Wir können uns, von ihm bedroht,
Nie sicher niederlegen,
Und wenn ein Mensch ins Leben tritt
So macht er schon der ersten Schritt
Zu seinem Lebensende.

5. Und ach! wie ist so groß die Zahl
Bescheidner Todesarten!
Er trifft uns, wo wir seine Qual
Am wenigstens erwarten,
Und biethet allen Mitteln Trutz,
Und ach! es wächst vor ihn zum Schutz
Kein Kräutchen auf der Erde.

6. Besonders aber wüthet er
In unheilbaren Seuchen,
Er spottet aller Gegenwehr,
Und häufet Leich auf Leichen,
Und mähet ohne Unterschied
Die Sterblichen von Glied zu Glied
Mit seiner Sense nieder.

7. Dazu bedient er sich der Pest,
Und jeder Art der Fieber,
Und rufet noch von Ost und West
Die Kolera herüber,
Wo sie auf ihrer weiten Reis
Die Menschen millionenweis
In kurzer Zeit dahinrafft.

8. Sie machte in Italien
Sehr große Niederlagen,
Es war ihr nicht zu widerstehn,
Und ach! in wen’gen Tagen
Erschien sie schon in Mittewald,
Und war mit ihrem Gifte bald
In Bayerns Residenzstadt.

9. Und ach! wie grausam wüthet sie
In ihrer Volkesmenge!
Und trotz der angewandten Müh,
Damit man sie verdränge,
Hat sie schon eine große Zahl
Durch ihre namenlose Qual
Dem Tode überliefert.

10. Dabei befindet sich ein Ries
An Leib- und Seelenkräften,
Der Grieche Mauromichalis,
Den sich zu den Geschäften
Fürs wahre Wohl von Griechenland
Des weisen Königs Otto Hand
Zum Adjutanten wählte.

11. Er schenkte ihm auf jede Weis
Sein gänzliches Vertrauen,
Und nahm ihn auf die weite Reis
Mit sich nach Deutschlands Gauen.
Da lebter er in frohem Muth,
Obwohl die Kolera mit Wuth
In Münchens Mauern herrschte.

12. Man warnte ihn: er möchte da
Mit Vorsicht sich bequemen;
Er habe vor der Kolera
Sich wohl in Acht zu nehmen,
Er aber war voll Zuversicht,
Und sprach: ein Weib bezwingt mich nicht,
Und lebte ohne Sorgen.

13. Auf einmal nahm das böse Weib
Ihm alle Lebensfreude,
Durchwühlte schmerzend seinen Leib
Und seine Eingeweide:
Er traute seiner Kraft zu sehr,
Und suchte keine Hülf, da er
Durchaus nicht krank seyn wollte.

14. Die Hülfe kam daher zu spat,
Die Krankheit zu besiegen,
Er mußte bei dem beßten Rath
Der Ärzte unterliegen,
Denn als die nöth’ge Hülf erschien,
So war es nicht mehr möglich, ihn
Dem Tode zu entreissen.

15. Denn schon begann das böse Weib
Sein Leben zu bekämpfen,
und bald erlag sein Riesenleib
Den Zuckungen und Krämpfen;
Vereitelt war der Ärzte Müh,
Er röchelte, und brüllte, wie
Ein pfeildurchbohrter Löwe.

16. So unterlag dem Todesschmerz
Der griechische Athlete,
Und krachend brach sein Felsenherz
Auf seinem Sterbebette,
Und schon vom Tode hingerafft
Ward seiner Muskeln Eisenkraft
Bewundert von den Ärzten.

17. So muß die größte Körperkraft
Der Kolera erliegen,
Und der von ihr verdorbne Saft
Des Eingeweids versiegen,
Und wer nicht Anfangs widersteht
Der suchet alle Hülf zu spät
Und muß im Tod erblassen.

18. Da liegt er nun, der große Held,
Alt sechs und dreissig Jahre,
Und eine schwere Thräne fällt
Auf seine Todtenbahre
Von König Ottos Aug herab,
Das unterm Thränenflor sich ab
Von seinem Liebling wendet.

19. Denn es beweint sein Thränenblick
Nebst seiner Kraft und Jugend,
Auch seines Freunds verlohrnes Glück,
Und seine treue Tugend,
Das wahre Wohl für Griechenland,
Das des verblichnen Helden Hand
So mächtig unterstützte.

20. Doch, schon genießt der Tugendheld,
Im ewig wahren Frieden,
Den Tugendlohn in jener Welt,
Den er verdient hieniden;
Denn wer hier treu nach dem Geboth
Dem König dient und seinem Gott,
Wird ewig selig werden.

21. Laßt uns daher die Bahn der Pflicht
Mit fester Treue wandeln,
Und stets vor Gottes Angesicht
Nach seinem Willen handeln,
Dann führt des Todes Freundeshand
Uns ein ins wahre Vaterland,
Ins Reich des ew’gen Friedens.

Kommentar

Elias Mavromichalis, genannt „Katzakos“, aus der einflussreichen maniotischen Familie Mavromichalis, war ein Neffe des „Petrobei“ genannten Vizepräsidenten des griechischen Staatsrats, Petros Mavromichalis. Als Adjutant begleitete Elias den griechischen König Otto I. auf einer Reise in dessen Heimat Bayern. Dort erkrankte Elias Mavromichalis 1836 an der Cholera und starb.

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