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Die Platonische Akademie ist die von Platon gegründete Philosophenschule in Athen. Bei dem Akademeia genannten Hain des Heros Akademos im Nordwesten von Athen kaufte Platon (wohl 387 v. Chr.) ein Grundstück, wo er einen Kultbezirk für die Musen einrichtete und philosophischen Unterricht zu erteilen begann. Im Lauf der Zeit wurde der Name von dem Hain auf die Schule übertragen, und die Schulmitglieder begannen sich Akademiker (Akademaikoí) zu nennen.

Unterrichtsbetrieb

Der Unterricht fand teils auf Platons Grundstück, teils auf öffentlichem Grund im nahen Gymnasion statt. Fortgeschrittene Schüler übernahmen Lehr- und Forschungsaufgaben. Der Unterricht war normalerweise kostenlos, und die Schulmitglieder verstanden sich als Lebensgemeinschaft. Hierin und in der starken Betonung der Mathematik als Grundlagenwissenschaft zeigte sich wohl pythagoreischer Einfluss; Platon hatte in Unteritalien das pythagoreische Konzept einer Studien- und Lebensgemeinschaft kennengelernt. Für Griechenland neuartig und wohl vom Vorbild des pythagoreischen Schulbetriebs in Unteritalien angeregt war die Idee, dass die Schule nicht von der Präsenz des Gründers abhing, sondern nach seinem Tod fortbestand. Forschung und Lehre waren – soweit für uns erkennbar – im Prinzip frei, wobei der Umstand eine Rolle spielte, dass Platon eine dogmatische Fixierung seiner Lehre ablehnte. Die Lehrenden und Lernenden teilten aber Platons Grundüberzeugungen; wenn das nicht mehr der Fall war (wie bei Aristoteles), verließ der Schüler die Akademie. Leiter der Schule war als Nachfolger Platons der Scholarch (Schulhaupt); er wurde von den Schülern auf Lebenszeit gewählt. Schon zu Platons Lebzeiten genoss die Schule in der Öffentlichkeit hohes Ansehen, und fähige Persönlichkeiten schlossen sich ihr an.

Ältere Akademie

Als "Ältere" oder "Alte" Akademie bezeichnet man die erste Phase von der Gründung bis zum Tode des Scholarchen Krates (268/264 v. Chr.). Solange Platons Zeitgenossen noch lebten, orientierte man sich an der Erinnerung an seinen mündlichen Unterricht. Dann begann die schriftliche Fixierung des Unterrichtsstoffs und die Kommentierung von Platons Dialogen. Die Scholarchen verfassten zahlreiche (heute meist verlorene) Schriften, deren überlieferte Titel einen Eindruck von ihrer universalen Bildung und der Vielfalt der Fächer vermitteln. Man befasste sich mit Metaphysik, Ontologie, Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie, Dialektik, Ethik, Verfassungstheorie, Mathematik und Geometrie, Astronomie, Kosmologie, Physik, Seelenkunde, Sprachwissenschaft, philosophischer Theologie und Dämonenlehre. Man griff Fragen auf, die Platon angeregt, aber nicht zu einer Lösung gebracht hatte; die Mehrdeutigkeit seiner Dialoge bot vielfältige Ansatzpunkte zum Weiterdenken. Ein Merkmal der Akademie wurde die tiefe, geradezu religiöse Verehrung Platons und die Feier seines Geburtstags.

Die Scholarchen der Älteren Akademie nach Platons Tod (348/347) waren Speusippos (348/347-339), Xenokrates von Chalkedon (339-314), Polemon von Athen (314-270/269) und Krates von Athen (270/269-268/264). Weitere bedeutende Gelehrte, die in der Älteren Akademie mitarbeiteten, waren Eudoxos von Knidos, Herakleides Pontikos, Philippos von Opus, Krantor und – bis zu seinem Austritt – Aristoteles.

Jüngere ("skeptische") Akademie

Einen überaus folgenschweren Einschnitt in der Geschichte der Akademie bildete der Amtsantritt des Scholarchen Arkesilaos zwischen 268 und 264 v. Chr. Mit ihm begann eine neue Epoche, die man je nach Einteilungsschema "Jüngere" oder "Mittlere" Akademie nennt (ersteres ist sinnvoller). Arkesilaos selbst sah das aber keineswegs als Traditionsbruch. Er wollte nur einen bestimmten Aspekt der Tradition, nämlich die in Platons Dialogen beschriebene tiefe Skepsis des Sokrates gegenüber voreiligen Entscheidungen und unzureichend begründeten dogmatischen Behauptungen, in den Mittelpunkt der Lehre stellen. So hielt der methodische Zweifel Einzug, und das war eine Abkehr von der bisherigen schulmäßigen Stoffvermittlung. Dieser Skeptizismus, den spätere Scholarchen – besonders der berühmte Karneades – weiter ausbauten, griff tatsächlich ein wichtiges Anliegen des Sokrates auf. Indem man aber die Möglichkeit gesicherter Wirklichkeitserkenntnis bestritt und sie durch abgestufte Wahrscheinlichkeitsannahmen (Probabilismus) ersetzte, änderte sich das Ziel des Disputierens. Wenn das Streben nach Wahrheitsfindung, nach zuverlässigem Wissen als letztlich notwendigerweise vergeblich galt, drohte die Gefahr, dass der rhetorische Sieg über den Debattengegner, die bloße Widerlegung fremder Behauptungen als Ziel in den Vordergrund trat und schließlich zum Selbstzweck wurde. Das wäre in gewisser Hinsicht ein später Sieg der Sophistik über Sokrates und Platon. Das haben die skeptischen Lehrer zwar nicht gewollt, aber ihr grundsätzlicher Verzicht auf eigene Urteile konnte in letzter Konsequenz in eine Selbstaufhebung der Philosophie einmünden. Konsequenterweise machte die Skepsis des Karneades auch vor dem Skeptizismus selbst nicht Halt.

Die wichtigsten Scholarchen der Jüngeren Akademie waren Arkesilaos von Pitane (268/264-241/240), Lakydes (241/240-224/223), Karneades von Kyrene (vor 155-137/136), Kleitomachos (127/126-110/109) und Philon von Larisa (110/109-88). Philon musste 88 wegen des Ersten Mithridatischen Krieges nach Rom fliehen. 86 eroberte der römische Feldherr Sulla Athen, und die Römer verwüsteten das Gelände des Akademie-Hains. Damit endete die Jüngere Akademie.

Innerhalb der Jüngeren Akademie wird von manchen eine "Mittlere" und eine mit Karneades beginnende "Neue" unterschieden. Das ist aber kaum sinnvoll, denn Karneades hat keinen Kurswechsel eingeleitet, sondern die von Arkesilaos eingeschlagene Richtung beibehalten.

Neugründung des Antiochos

Schon vor dem gewaltsamen Untergang der Jüngeren Akademie hatte Antiochos von Askalon, ein Schüler Philons, sich von ihm getrennt und eine eigene Schule gegründet, die er programmatisch "Alte Akademie" nannte. Damit wollte er an die ursprüngliche Schule Platons anknüpfen. Das war eine bewusste Abkehr vom Skeptizismus der Jüngeren Akademie, den Antiochos für unplatonisch hielt. Er war so stark von stoischen Lehren beeinflusst, dass er geradezu als Stoiker gelten konnte; nach seiner Ansicht stammten diese Lehren ursprünglich aus der Akademie. Sein Nachfolger war sein Bruder Aristos. Prominente Schüler waren die Römer Varro, Cicero und Marcus Iunius Brutus. Nach Caesars Tod (44 v. Chr.) gab es in Athen keine Akademie als Stätte organisierter Ausbildung mehr, sondern nur noch einzelne Platoniker, die Unterricht erteilten.

Spätantike

Im 3. Jahrhundert gründete Longinos in Athen wiederum eine kurzlebige platonische Schule. Aber erst im 5. Jahrhundert kam es zu einer nachhaltigen Wiederbelebung der Akademie-Tradition. Einem reichen Neuplatoniker, Plutarch von Athen, gelang um 410 die Wiedereröffnung des Unterrichtsbetriebs. Man berief sich nachdrücklich auf die Tradition der Akademie Platons. Mit Proklos, dem berühmtesten dieser Neuplatoniker, erreichte diese Spätblüte ihren Höhepunkt. Doch hatte schon längst das Christentum die Macht im Staate erlangt und war seit dem späten 4. Jahrhundert Staatsreligion, und so war der Untergang dieser platonischen Schule nur eine Frage der Zeit (siehe auch: Spätantike). Obwohl die Athener Platoniker das Christentum eindeutig ablehnten und ihre Schule ein Zentrum des geistigen Widerstandes gegen die herrschende Religion war, blieben sie erstaunlich lange unbehelligt. Erst 529 ordnete Kaiser Justinian I. die Schließung der Schule an; es wurde verboten, in Athen Philosophie zu lehren. Justinian musste das Verbot, in Athen Recht und Philosophie zu lehren, etwas später wiederholen und verschärfen.

531 zogen sieben der letzten Athener Neuplatoniker - darunter Damaskios, der letzte Scholarch, und Simplikios - an den Hof des Perserkönigs Chosrau I., der als Förderer der Künste und Bewunderer der griechischen Philosophie galt. Sie sahen ihre Hoffnungen jedoch bald enttäuscht und kehrten 532 ins Imperium zurück, nachdem Chosrau im Friedensvertrag mit Justinian eine Garantie für ihre Sicherheit ausgehandelt hatte.

Ob die neuplatonische Schule des 5. und 6. Jahrhunderts überhaupt Akademie genannt werden soll oder darf, ist eine Definitionsfrage. Da sie ihren Sitz in Athen hatte und ihrem eigenen Selbstverständnis nach die Schule Platons war und sich eifrig um die Kommentierung seiner Werke bemühte, auch aus Treue zu seiner Lehre inhaltliche Kompromisse mit dem Christentum ablehnte, ist die Bezeichnung Akademie trotz der mangelnden Kontinuität sachlich nicht unbegründet.

Renaissance

Schon am Anfang des 15. Jahrhunderts bestanden in Florenz Gesprächskreise, die sich dem Studium antiker Literatur widmeten und dabei an die Akademie-Idee anknüpften. Nach der Jahrhundertmitte tauchten Begriffe wie Neue Akademie oder Florentiner Akademie auf. Das waren lockere Gruppen von Humanisten ohne feste Organisation und Mitgliedschaft. Ein solcher Diskussionskreis war auch die Gruppe um den Florentiner Humanisten Marsilio Ficino. Ficino erfreute sich der Gunst des Cosimo de’ Medici, der ihm im April 1463 ein Landhaus in Careggi bei Florenz schenkte. Die bisher allgemein vertretene Auffassung, daß in Careggi die "Platonische Akademie" war, ein Zentrum des geistigen Lebens und Treffpunkt einer Gemeinschaft bedeutender Florentiner Humanisten, wird aber in der neueren Forschung mit guten Argumenten bestritten. Der Begriff Platonische Akademie wurde von Ficino und seinen Zeitgenossen nicht verwendet, sondern ist eine Erfindung des 17. Jahrhunderts. Eine solche Bezeichnung wäre auch trotz Ficinos Enthusiasmus für Platon unpassend gewesen, denn viele der Beteiligten (Ficinos Gesprächspartner, Freunde und Schüler) waren keine Platoniker, und die meisten waren eher Dichter und Literaten als Philosophen. Es gab keine wissenschaftlichen Projekte von Ficinos Akademie, sondern nur Unternehmungen der einzelnen Humanisten. Ficinos Hauptanliegen war eine Synthese von antikem Neuplatonismus und katholischem Christentum. Mit großem Fleiß widmete er sich der Übersetzung (ins Lateinische) und Kommentierung von Werken Platons und antiker Platoniker.
Im selben Zeitraum entstanden Akademien in Rom (ab 1464 Accademia Romana unter Pomponio Leto) und Neapel (spätestens ab 1458, später Accademia Pontaniana genannt, da 1471 Giovanni Pontano die Leitung übernahm). Aldo Manuzio gründete in Venedig eine Neoacademia, in der die Humanisten ausschließlich in altgriechischer Sprache diskutierten. Im 16. Jahrhundert errichteten in ganz Italien Gelehrte und gebildete Bürger Hunderte von (teilweise kurzlebigen) Akademien. Diese privater Initiative entsprungenen Einrichtungen waren im Prinzip autonom. Im Vordergrund standen typisch humanistische Anliegen, vorwiegend literarische und philologische sowie sonstige altertumskundliche Studien.

Literatur

Woldemar Görler: Älterer Pyrrhonismus, Jüngere Akademie, Antiochos aus Askalon, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, 2. Aufl., hrsg. von Hellmut Flashar, Band 4/2, Basel 1994, S. 717-989. ISBN 3-7965-0930-4

James Hankins: The Myth of the Platonic Academy of Florence, in: Renaissance Quarterly 44 (1991) S. 429-475 - mit allgemeiner Erörterung des Begriffs Akademie im 15. Jahrhundert

Hans Krämer: Die Ältere Akademie, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, 2. Aufl., hrsg. von Hellmut Flashar, Band 3, Basel 2004, S. 1-165. ISBN 3-7965-1998-9

Stefan Rebenich: Akademie, in: Der Neue Pauly (DNP), Band 13, Stuttgart-Weimar 1999, Sp. 40-56. ISBN 3-476-01483-5 - Akademien seit der Renaissance.

Edward Watts: Justinian, Malalas, and the End of Athenian Philosophical Teaching in AD 529. In: Journal of Roman Studies 94 (2004), S. 168–182.

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