.
Münzbild von Phokas
Phokas (* nach 547 in Thrakien; † 5. Oktober 610 in Konstantinopel) war von 602 bis 610 Kaiser des oströmischen bzw. byzantinischen Reiches. Der Usurpator übte den Quellen zufolge eine auch für damalige Verhältnisse einmalige Terrorherrschaft aus.
Quellenlage
Das überaus negative Bild des Phokas, das von den Quellen gezeichnet wird und das bis heute auch die Forschungsmeinung dominiert (siehe etwa Theophanes), sollte mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden: Alle Berichte stammen aus der Zeit nach dem Tod des Kaisers und entstanden größtenteils unter der Herrschaft des Herakleios, der Phokas gestürzt hatte und natürlich ein Interesse daran hatte, diesen in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken. Dies gilt es auch bei den nun folgenden Ausführungen zu beachten.
Leben
Machterlangung
Phokas war Centurio im kaiserlichen Heer, als Kaiser Maurikios im Winter 602 den Befehl gab, im Awarenland am Donauufer zu überwintern. Die Soldaten meuterten und ernannten Phokas, der sie durch aufpeitschende Reden unermüdlich gegen den Kaiser zur Rebellion gereizt hatte, zum Exarchen. Die thrakische Armee wandte sich gegen Konstantinopel. In der Hauptstadt erhob sich die Zirkuspartei der Grünen gegen den wenig populären (wenngleich militärisch durchaus erfolgreichen) Maurikios. Der Kaiser floh auf eine Insel vor Chalkedon, während Phokas, dem die Grünen die Tore öffneten, in Konstantinopel einrückte. Auch Teile des Senats unterstützten die Revolte. Phokas ließ, nachdem er sich durch Akklamation als Kaiser hatte bestätigen lassen, Maurikios und seine Söhne ergreifen und auf ausgesprochen brutale Art umbringen, um seine Macht zu festigen.
Herrschaft
Die Quellen zeichnen ein düsteres Bild: Phokas, ein ungebildeter Mann, der sich im sacrum palatium angeblich Trinkgelagen und Schändlichkeiten jeder Art hingab, war wohl einer jener römischen Kaiser, die jeglicher Vorbereitung auf den Thron ermangeln ließen. Binnen kurzer Zeit hatte er, der offenbar wenig Ahnung von den Pflichten eines Kaisers oder von staats- und kirchenrechtlichen Zusammenhängen hatte und sich auch nicht anstrengte, ihnen gerecht zu werden, jeglichen Realitätssinn verloren und glaubte sich von Gott auserwählt. Phokas hat in seinem pathologischen Misstrauen große Teile der Elite ermorden lassen und auf diese Weise dem oströmischen bzw. byzantinischen Reich nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt.
Die phokasfeindliche Überlieferung schildert den Kaiser als Bilderbuchtyrannen. Selbst die Grünen, jene Zirkuspartei, die Phokas zum Thron verholfen hatte, wurden angeblich Opfer des Terrors, als Phokas sie nicht ohne Grund verdächtigte, gegen ihn zu konspirieren, nachdem sie als Helfer des Kaisers die andere Zirkuspartei, die Blauen, nach Kräften zu dezimieren geholfen hatten. Phokas verbündete sich bald mit den Blauen, da selbst er einsah, dass er ohne die Sympathie der orthodoxen Kreise nicht lange würde regieren können. Stadtpräfekt von Konstantinopel wurde der Demarchos der Blauen, womit die Grünen erbitterte Feinde des Kaisers wurden und das Reich in einen in zahlreichen Städten ausgetragenen Bürgerkrieg stürzten, über den Phokas bald jede Kontrolle verlor. Wenn Ostrom unter diesem Chaos nicht bereits in diesen Jahren zusammenbrach, so wohl nur, weil der Staat noch immer durch römische Verwaltung getragen wurde. Vom Bürgerkrieg verschont blieben nur die Exarchate Ravenna und Karthago.
Aufruhr im Reich, Einfall der Perser
Bald nach Maurikios' Tod nahmen die Awaren im Donauraum die Feindseligkeiten wieder auf und verwüsteten Thrakien, während im Osten eine Rebellion losbrach. Ein Unruheherd war auch Armenien, wo sich ein Feldherr mit Namen Narses an die Spitze des Aufruhrs gesetzt hatte und Edessa einnahm. Phokas entsandte den Feldherrn Bonosos nach Syrien hatte sich ebenfalls empört, der von Phokas dorthin entsandte Feldherr Bonosos konnte jedoch die Rebellion in Antiochia und Jerusalem niederschlagen.
Als Chosrau II., der Großkönig von Persien, von dem Thronwechsel hörte, erklärte er Phokas den Krieg, um, wie er sagte, die Römer von dem Usurpator zu befreien. Unter diesem Vorwand entsetzte er Edessa, das vom kaiserlichen Heer schon belagert wurde, und verbündete sich mit Narses. Chosrau II. präsentierte Theodosius, einen angeblich Sohn des Maurikios, als Thronkandidaten. Doch bald schlug der angeblich freundschaftliche Beistand Chosraus, der 591 mit tatkräftiger Hilfe seines Adoptivvaters Maurikios auf den Thron gelangt war, in einen Eroberungskrieg gegen Byzanz um. Mesopotamien, Armenien und Teile Kleinasiens fielen in Chosraus Hände, auch wenn die römischen Truppen teilweise durchaus erfolgreich Widerstand leisteten.
Unter Phokas' Herrschaft drangen auch die Slawen, mit denen sich Maurikios heftige Abwehrkämpfe geliefert hatte, verstärkt über die nun von Truppen entblößte Donaugrenze in den Balkan und nach Griechenland ein.
Papst und Kaiser
Phokas sah, so die Quellen, schon bald nach seiner Machtergreifung ein, dass er angesichts seiner prekären Lage inmitten des Chaos wenig Auswahl an Bundesgenossen hatte und sich vor allem nicht auch noch den Papst zum Feind machen durfte. So schlug er – im Gegensatz zur Politik seines Vorgängers, der in Italien gegen die Langobarden Krieg geführt und hierbei wie auch in anderer, zumal politischer Beziehung auf den Papst wenig Rücksicht genommen hatte – einen fast vorbehaltlos papsttreuen Kurs ein. Dies bedeutete Waffenstillstand mit den Langobarden und damit endgültig den weitgehenden Verlust Italiens für das Reich mit Ausnahme des Exarchats Ravenna, das sich noch bis 751 halten konnte.
Allerdings hatte der Kaiser wohl ohnehin keine Alternative, denn verglichen mit den durch die Sassaniden bedrohten Orientprovinzen war das ausgeblutete Italien fast wertlos. Hatten unter Maurikios die Einwohner Italiens unter den ewigen Kämpfen grausam gelitten, gratulierte jetzt Papst Gregor I. dem Friedensstifter mit einem Gloria in excelsis Deo zu seinem Sieg über Maurikios, obwohl er darum gewusst haben muß, auf welche Weise Phokas den Thron errungen hatte. Dem Papst, dessen Lage durch die ihn von allen Seiten bedrängenden Langobarden immer schwieriger geworden war, wog dies jedoch leicht gegenüber dem bitter nötigen Frieden in Italien. Allerdings stellte sich heraus, dass der 603 geschlossene zweijährige Waffenstillstand nicht länger als eben für den Zeitraum hielt, für welchen er geschlossen war. Der Langobarde Agilulf bemächtigte sich vom Jahr 605 an weiterer Teile der italienischen Halbinsel. Phokas war froh, Ravenna zu halten, und setzte Agilulfs Vormarsch keinen besonderen Widerstand entgegen. Im Jahr 610, als der Kaiser stürzte, war es schließlich endgültig zu spät, der langobardischen Macht noch Grenzen zu setzen – aber ob unter Phokas dazu wirklich noch eine realistische Chance bestanden hätte, darf bezweifelt werden.
Phokas schenkte Papst Bonifatius IV. im Jahre 608 das Pantheon in Rom, der es 609 zur Kirche weihte. Phokas wird von der Nachwelt gemeinhin das Verdienst angerechnet, dass der Bau nur dank dieser Schenkung erhalten geblieben sei.
Nachdem Phokas im Jahr 607 ein Gesetz erlassen hatte, wonach er die Würde des Ökumenischen Patriarchen dem Patriarchen von Konstantinopel nahm, dem Papst übertrug und damit die Rechte Roms auf den Primat der gesamten Kirche anerkannte, wurde mit der Phokas-Säule 608 das letzte antike Bauwerk auf dem Forum Romanum errichtet, „zur Erinnerung an die unzähligen Wohltaten des Kaisers, weil er Italien wieder den Frieden gegeben und die Freiheit verteidigt hat“. Sie trug ursprünglich eine goldene Statue des Kaisers und ist noch heute zu sehen. Durch das kaiserliche Gesetz, traten die Gegensätze zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und Rom auf kirchenrechtlicher Ebene in zunehmender Weise auf, und das Verhältnis beider Kirchenfürsten bewegte sich nun durch die Jahrhunderte langsam auf das Schisma des Jahres 1054 zu. in jedem Fall aber trug die romfreundliche Kirchenpolitik des Kaisers dazu bei, dass sein Bild in der Tradition der Ostkirche sehr negativ gezeichnet wurde.
Revolution und Tod des Phokas
Der Opposition in Konstantinopel gelang es trotz des regelrechten Polizeistaats, den Phokas den Quellen zur Folge zu seinem Schutz aufgebaut haben soll, sich mit Herakleios dem Älteren, dem Exarchen von Kathago und Vater des späteren gleichnamigen Kaisers, auf eine Verschwörung zu verständigen. Offenbar spielten dabei auch andere mächtige Provinzgouverneure eine Rolle.
Der Neffe Herakleios' des Älteren eroberte Alexandria. Als die römischen Provinzen Afrika und Ägypten gesichert waren, zog der Sohn des Exarchen, der jüngere Herakleios, von Karthago mit der Flotte gegen Konstantinopel aus. Bereits als die Masten der Flotte auf dem Marmarameer sichtbar wurden, soll in Konstantinopel eine Revolte ausgebrochen sein. Man drang in den Palast ein und schleppte Phokas auf das Admiralsschiff vor Herakleios. Als dieser den um sein Leben zitternden Phokas vor sich sah, fragte er ihn angeblich: „Du hast das Reich regiert?“ Phokas soll ihm mit einer Gegenfrage geantwortet haben: „Wirst Du es besser machen?“ Herakleios ließ Phokas nun auf ausgesprochen brutale Art und Weise hinrichten. Anderen, glaubwürdigeren Berichten zufolge war Phokas allerdings bereits ermordet worden, als Herakleios in Konstantinopel eintraf, der Wortwechsel zwischen den beiden ist also wahrscheinlich nur erfunden.
Auch die herakleiosfreundliche Überlieferung kann nur schwer verbergen, dass die Krise des Reiches erst unter Herakleios, dem die Sassaniden Syrien und Ägypten entrissen, voll ausbrach, bevor dieser dann langsam und unter Mühen die Lage verbessern konnte: Befand sich Ostrom spätestens seit dem Tod des Maurikios in einer Krise, so brach diese erst 610 mit voller Härte aus. Und ob Herakleios wirklich ein selbstloser Befreier des Volkes war, darf ungeachtet seiner späteren Leistungen bezweifelt werden. Inwiefern eine solch neue Rekonstruktion zutrifft (wie sie etwa Ralph-Johannes Lilie geliefert hat), ist freilich fraglich und bedarf weiterer Diskussion, zumal unter Phokas bereits Armenien verloren ging und Herakleios anfangs noch mit Kämpfen gegen Phokas-treue Truppen gebunden war, danach (ab 613) aber durchaus in die Offensive ging.
Phokas-Säule
Historische Wirkung des Phokas
Phokas' Herrschaft stellt eine deutliche Zäsur in der Geschichte des oströmischen Reichs dar. Während seiner Herrschaft, die in eine Zeit des Umbruchs fiel, fiel Byzanz als Ordnungsmacht offenbar vorübergehend aus. In dieser Zeit scheint auch die Bereitschaft der Germanenreiche, Ostrom als Vormacht und Oberherren anzuerkennen, geschwunden zu sein. So hat Phokas weniger durch Taten als vielmehr einerseits durch Unterlassen und Treibenlassen, andererseits durch Vernichtung und Zerstörung gewirkt, wobei der objektive Betrachter in vielen Punkten einräumen muss, dass die schwierige ökonomische und militärische Lage des Reiches wohl auch die meisten anderen Herrscher überfordert hätte. Wenn man so will, ist – schlagwortartig gesagt – Phokas der letzte spätantike Kaiser, während sein Nachfolger Herakleios durch seine Reformen das byzantinische Frühmittelalter einleitete.
Traditionell gilt die Bilanz der Regierung als katastrophal: Phokas überließ Italien den Langobarden, den Balkan den Slawen und schwächte unmittelbar vor Beginn der islamischen Expansion das Reich durch den persischen Angriff, dem er keinen Einhalt gebot und der die schwerste Hypothek für seinen Überwinder und Nachfolger wurde. Er säte, so heißt es, weitere Zwietracht zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und dem von Rom. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob all diese Vorwürfe wirklich gerechtfertigt sind. Ein Grund für die Probleme war sicherlich auch die Ablehnung des Kaisers durch die herrschenden Eliten, die ihn nie als ihresgleichen akzeptierten und sich durch Obstruktion und Sabotage rächten.
In Konstantinopel selbst hatte Phokas daher angeblich fast die gesamte senatorische Elite auf dem Gewissen. Die antike Gesellschaft von Ostrom war geschwächt, Phokas' Nachfolger setzten den Staat mit der Themenverfassung auf neue Füße. Auch war Phokas der letzte Kaiser, der den lateinischen Titel Imperator Augustus trug. Sein Nachfolger änderte den Titel im Zuge der Reorganisierung des Reichs in Basileus, um dem griechischen Charakter des Reichs gerecht zu werden, wenngleich damit keine Aufgabe der Rechtsnachfolgerschaft der antiken römischen Kaiser verbunden war. Es erscheint daher nur folgerichtig, dass gerade Phokas das letzte Bauwerk auf dem antiken Forum Romanum gewidmet wurde: Er war der letzte Kaiser, der – wenn auch noch wenig erfolgreich – noch aktiv in die Geschicke des Westens eingreifen konnte.
Auch für die heutigen Archäologen stellt er in gewisser Weise einen Wendepunkt dar. Da er offenbar den Bart wieder in Mode brachte, werden seit seiner Zeit die Abbildungen, nicht zuletzt die von Christus, mit Bärten ausgeführt, was die Datierung erleichtert. Während seit Konstantin I. fast alle Kaiser nach römischer Art glattrasiert gewesen (mit Ausnahme des Julian Apostata, der sich einen Philosophenbart stehen ließ) waren, trugen sie nach Phokas (der ihn angeblich wachsen ließ, um eine Narbe zu verbergen) fast alle einen Bart.
Literatur
R.-J. Lilie: Byzanz. Das zweite Rom, Berlin 2003. Lilie bemüht sich um eine neue Bewertung des Kaisers, wobei seine Thesen allerdings weiterer Diskussion bedürfen.
J. Martindale: The Prosopography of the Later Roman Empire IIIb, Cambridge 1992, S. 1030ff.
Weblinks
Fachwissenschaftliche Biografie aus dem DIR-Projekt (englisch); dort auch weiterführende Literatur
Phokas bei mittelalter-genealogie.de
Kaiser von Byzanz 602-610
Vorgänger Maurikios
Nachfolger Herakleios
Antikes Griechenland
Biographien, Griechische Mythologie , Kriegführung, Kunst, Architektur, Wissenschaft, Philosophie, Literatur, Sport, Leben, Geschichte, Index, Bilder/Zeichnungen Griechenland im Mittelalter Byzanz, Biographien, Kunst, Literatur, Orthodoxie, Byzantinische Armee, Geschichte, Index Griechenland in der Neuzeit Geographie, Inseln, Städte, Kunst, Musik, Biographien, Film, Sport, Wissenschaft, Literatur, Geschichte, --- Hellenica Bibliothek - Scientific Library Index Griechisch: Αλφαβητικός κατάλογος |
Von Wikipedia, Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen beschrieben.