Séraphine Louis (* 2. September 1864 in Arsy (Oise); † 11. Dezember 1942 in Clermont (Oise)), auch Séraphine de Senlis genannt, war eine französische Malerin. Sie zählt zu den bedeutendsten Vertretern der naiven Kunst in Frankreich.
Leben
Bouquet de fleurs, ohne Datum
Séraphine Louis stammt ursprünglich vom Lande und zog später nach Senlis (Oise), wo sie ihren Lebensunterhalt als Putzfrau verdiente. Ihr Entdecker und Förderer war der deutsche Kunstsammler und Kunstkritiker Wilhelm Uhde (1874–1947), der 1912 durch Zufall auf die zurückgezogen und in Armut lebende Frau aufmerksam wurde, als er Urlaub in Senlis machte und dort eines ihrer Bilder entdeckte.
Uhde beschaffte der Malerin die großen Leinwände, die sie für ihre Gemälde benötigte. Für Séraphine war Malen ein Akt, ihre Bilder entstanden gleichsam in Trance. Ab 1930 begann sie zunehmend unter Symptomen einer vermutlich psychischen Erkrankung zu leiden und verschleuderte in der Folge ihr Geld. Am 15. Februar 1932 wurde sie in die Nervenheilanstalt von Clermont-sur-l'Oise eingewiesen. Dort verhungerte Séraphine Louis im Jahr 1942 im Alter von 78 Jahren aufgrund der während des Zweiten Weltkriegs verschärften Bedingungen für Irrenanstalten. Sie ruht auf dem örtlichen Friedhof in einem Massengrab.
Ausstellungen
Gemälde der Séraphine de Senlis waren bereits zu ihren Lebzeiten in verschiedenen Ausstellungen zur naiven Kunst präsent, nach ihrem Tod wurden sie als französischer Beitrag für die Biennale in São Paulo akzeptiert. Es folgten weitere postume Gruppenausstellungen und schließlich Einzelausstellungen.
1929: Les peintres du cœur sacré, Paris, eine Initiative von Wilhelm Uhde
1932: Les primitifs modernes, Paris
1937/38: Les maîtres populaires de la réalité, Paris, Zürich, MOMA New York
1942: Les primitifs du XXe siècle, Paris
1945: erste Einzelausstellung auf Initiative von Wilhelm Uhde, Paris, Galerie de France
1955: documenta 1, Kassel, Séraphines Werke werden in das Ausstellungskonzept einbezogen
2008/2009: Séraphine de Senlis, Fondation Dina Vierny, Musée Maillol, Paris, Einzelausstellung vom 1. Oktober 2008 bis 15. Mai 2009
Werk
L’arbre de vie, 1928
Séraphine de Senlis gehört gemeinsam mit Henri Rousseau (1844–1910) zu den bekanntesten naiven Malern Frankreichs. Sie hinterließ ein umfangreiches Werk mystisch-religiöser Prägung. Die zumeist abstrahierten floralen Motive künden von einer stark suggestiven Phantasie. Der Kulturhistoriker Harald Keller stellte 2008 einen Zusammenhang her zwischen den von Séraphine Louis benutzten Farben und ihren intensiven, 'psychedelisch' anmutenden Bilderwelten. Louis arbeitete nachweislich mit hoch toxischen Materialien, für die heutzutage strenge Schutzregeln gelten. Als Atelier diente ihr winziger Wohnraum, in dem sie auch aß und schlief. Von entsprechenden Vergiftungserscheinungen, die Trugbilder und Wahnvorstellungen hervorrufen können, darf demnach ausgegangen werden.[1]
Nach dem Tod der Künstlerin erfuhr ihr Werk allgemeine Wertschätzung. Anatole Jakovsky bezeichnete die Malerin als eine der größten naiven Malerinnen der Welt und aller Zeiten.[2]
Die ersten von Wilhelm Uhde erworbenen Werke der Künstlerin wurden während des Ersten Weltkrieges beschlagnahmt und verkauft. Ihr Aufbewahrungsort ist nicht bekannt. Museen, die Gemälde der Séraphine de Senlis ausstellen, sind das Museum Charlotte Zander in Bönnigheim mit der größten Sammlung an Arbeiten von Séraphine, außerdem das Clemens-Sels-Museum in Neuss, das Musée National d’Art Moderne in Paris (Der rote Baum, 1927/28), das Musée Maillol in Paris (7. Arrondissement), das Musée International d’Art Naif Anatole Jakovsky in Nizza, das Musée du vieux-château in Laval (Département Mayenne), das Musée d'art in Senlis, das Musée d'art naïf in Béraut (Département Gers) und das Musée d'art naïf in Vicq (Département Yvelines). Weitere Werke befinden sich in Privatbesitz.
Filme
Séraphine: Die außergewöhnliche Lebensgeschichte der Séraphine inspirierte den Regisseur Martin Provost zu der Filmbiografie Séraphine (Erstaufführung 1. Oktober 2008). Das Drehbuch verfasste Martin Provost gemeinsam mit Marc Abdelnour. Die belgische Schauspielerin Yolande Moreau verkörpert die Malerin, Ulrich Tukur den Kunstsammler Wilhelm Uhde. Des Weiteren spielten in dem Film Anne Bennent (Anne Marie Uhde, Schwester), Geneviève Mnich (Madame Duphot), Nico Rogner (Helmut Kolle), Adélaïde Leroux (Minouche), Serge Larivière (Duval), Françoise Lebrun (die Ordensvorsteherin).
Der Spielfilm gewann im Jahr 2009 sieben Césars, darunter in den Kategorien Bester Film und Beste Hauptdarstellerin (Yolande Moreau).
Die Bilder einer Aufwartefrau – Séraphine Louis (1864-1942). Dokumentarfilm, Deutschland, 1992, 14:40 Min., Buch und Regie: Lucie Herrmann, Produktion: WDR, Erstsendung: 9. Dezember 1992 bei West 3, Inhaltsangabe (Memento vom 10. August 2014 im Internet Archive) von WDR.
Literatur
Bertrand Lorquin, Wilhelm Uhde, Jan-Louis Derenne: Séraphine de Senlis. Ausstellungskatalog. Éditions Gallimard, Paris 2008, ISBN 978-2-07-012237-0 (auch Fondation Dina Vierny, Musée Maillol, Paris 2008, ISBN 978-2-910826-51-2).
Françoise Cloarec: La vie rêvée de Séraphine de Senlis. Éditions Phébus, 2008, ISBN 978-2-7529-0364-8.
Jean-Pierre Foucher: Séraphine de Senlis. Collection L'Œil du temps, Paris 1968.
Wilhelm Uhde: Cinq maîtres primitifs. Paris 1949.
Alain Vircondelet: Séraphine de Senlis. Collection „Une Vie“, Albin Michel, Paris 1986, ISBN 2-226-02702-5.
Alain Vircondelet: Séraphine: de la peinture à la folie. Albin Michel, Paris 2008, ISBN 978-2-226-18982-0.
Hans Körner, Manja Wilkens: Séraphine Louis 1864–1942. Leben und Werk. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-496-01405-8.
Schweers, Andrea: Séraphine Louis (1864-1942). Malerin von Marias Gnaden. In: Duda, Sibylle; Pusch, Luise F. (Hg.): Wahnsinns-Frauen. S. 39–70. Suhrkamp, Suhrkamp-Taschenbuch, 2493, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-38993-9.
Harald Keller: Bereinigungen. Die Kunstwelt und ihre Putzfrauen. In: Kahlert, Barbara und Spilker, Rolf (Hg.): Die Putzfrau. Vom Dienstmädchen zur Raumpflegerin. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Industriekultur Osnabrück 2008. Rasch, Bramsche 2008, ISBN 978-3-89946-112-1., S. 102–119.
Ulrich Tukur: Die Spieluhr. Ullstein, Berlin 2013, ISBN 978-3-550-08030-2.
Einzelnachweise
Harald Keller: Bereinigungen - Die Kunstwelt und ihre Putzfrauen, in Kahlert, Barbara; Spilker, Rolf (Hg.), Die Putzfrau. Vom Dienstmädchen zur Raumpflegerin. Ausstellungskatalog, Rasch, Bramsche 2008, S. 102–119
L'un des plus grands peintres naïfs du monde et de tous les temps, Anatole Jakovsky in Dictionnaire des peintres naifs du monde entier, 1976
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