Sepp Mahler (* 30. Mai 1901 in Wurzach; † 11. Oktober 1975 in Wangen im Allgäu) war ein Maler und Schriftsteller aus Bad Wurzach in Oberschwaben.
Leben
Mahlers Geburtshaus
Sepp Mahler kam im ehemaligen Leprosenhaus in Wurzach auf die Welt. Sein Vater leitete von 1897–1914 als Torfmeister das „Fürstlich Waldburg-Wurzach’sche Torfwerk Oberried“ bei Wurzach, welches heute als Museum geführt wird. Seine Mutter führte die Kantine des dortigen Torfwerks mit einer Belegschaft von über 90 Personen (1902). So konnten die Mahlers 1903 in der heutigen Ravensburger Straße ihr eigenes Haus bauen. Sein Vater, ein Nachfahre Vorarlberger Stuckateure, erkannte früh die Begabung seines Sohnes. Während der Realschulzeit riss dieser mit 14 Jahren nach München aus mit dem Wunsch, Maler zu werden. Er absolvierte dort an der Dekorationsmalerschule eine Lehre von 1915 bis 1918 und belegte daneben Abendkurse im Kopfzeichnen.
Nach Abschluss der Lehre kehrte er 1918 in seine Heimat zur Mutter zurück. Der Vater war 1916 gestorben. Bei einem Kirchenmaler in Ravensburg und in Mooren Oberschwabens begann er zu arbeiten und zu malen. Er besuchte 1921/22 die Staatliche Kunstgewerbeschule Stuttgart und erhielt eine erste Ausstellung am dortigen Kunstgewerbe-Museum unter Direktor Pazaurek. Von 1922 bis 1923 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Im Jahre 1924 schickte er von Wurzach aus Bleistiftzeichnungen, Aquarelle und einige Gedichte an Herwarth Walden, der die Berliner Galerie „Der Sturm“ betrieb. Bilder von Sepp Mahler wurden neben Chagall, Klee, Feininger und Kokoschka ausgestellt.[1]
Vagabundenzeit
Nach dieser Zeit in Stuttgart zog Mahler als Vagabund durch Europa und Teile des Orients. Den Broterwerb erzielte er durch wechselnde Gelegenheitsarbeiten als Tagelöhner in den verschiedensten Berufen. Er fällte Bäume in den Wäldern Norwegens, fuhr auf Fischkuttern und Walschiffen, war Fremdenführer in Italien, Eseltreiber am Vesuv und Wasserverkäufer in Konstantinopel. Als Karawanenführer in Arabien scheiterte er am fehlenden Arabisch.
Auf Wunsch der Mutter kehrte er 1929 in die Heimat zurück. Er suchte Kontakt zu Gregor Gog und wurde so ständiger Mitarbeiter einer links stehenden Zeitschrift, „Der Vagabund“ (Zeit- und Streitschrift der internationalen Bruderschaft der Vagabunden). Große Erfolge erzielte Sepp Mahler Anfang der 30er Jahre mit seinen Bildern in Ausstellungen in Berlin und in Stuttgarter Galerien.
Zeit des Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus galt seine Kunst als entartet. Er wurde 1933 in Leutkirch im Allgäu für 46 Tage in Schutzhaft genommen. Danach starb seine Mutter. Nach Ablehnung der Aufnahme in die Reichskulturkammer 1935 erhielt er Ausstellungsverbot. Mahler zog sich zurück nach Wurzach ins elterliche Haus. Bis ins Jahr 1945 war er ohne festes Einkommen. Er lebte daher unter sehr ärmlichen Verhältnissen und bezahlte die anfallenden kommunalen Steuern mit seinen Bildern. Er wurde 1941 zur Wehrmacht eingezogen, aber schon 1942 wegen Krankheit als dienstuntauglich entlassen. Im Jahre 1943 heiratete er Gertrud Knausenberger, die den inzwischen schwerkranken Sepp pflegte. Ein Jahr später wurde ihre gemeinsame Tochter Adelgund geboren. Mahler war während der ganzen Zeit des Nationalsozialismus ohne einen nachweisbaren Verdienst.
Spätere Jahre
In den 1960er und 1970er Jahren wurde er wiederentdeckt. Seine Bilder finden sich in der Staatsgalerie Stuttgart, in Regierungspräsidien, Museen, bei namhaften Privatsammlern und in vielen Kunstausstellungen im In- und Ausland. Er wurde Mitglied bei verschiedenen Kunstvereinen, auch bei der Sezession Oberschwaben-Bodensee (SOB). Trotz seiner Nähe zum Kubismus der Zwanziger Jahre, zur Malweise eines van Gogh oder zu Klees Traumbildern gehörte er zu den eigenwilligsten Künstlern in Oberschwaben.[2] Er starb 1975 an inneren Verletzungen, die er sich bei einer Wanderung in den Bergen zugezogen hatte.
Nach Mahlers Tod wurden seine Bilder in über 50 Ausstellungen weit über den württembergischen Raum hinaus gezeigt, z. B. bei der Berliner Wanderausstellung „Wohnsitz Nirgendwo“ 1982 und bei der literarischen Ausstellung „Schwabenspiegel-Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1800–1950“, welche 2008 durch ganz Baden-Württemberg wanderte. 2005 waren Bilder von ihm in eine Ausstellung bis nach St. Helier auf die Kanalinsel Jersey gekommen.
Sein literarisches Werk
Vagabund, 1929, Handschrift Ausschnitt
Vagabund, 1929, Druck
Ab 1919 schrieb Sepp Mahler Gedichte und Prosa, doch neben seiner bildnerischen Tätigkeit wurde seine literarische Tätigkeit kaum wahrgenommen, obwohl er bei Ausstellungseröffnungen immer wieder selbst daraus vortrug. 1951 las er im Pädagogischen Institut Weingarten aus seinen Gedichten. Auf Anregung von Martin Walser beauftragte die Stiftung Literaturarchiv Oberschwaben in Biberach deshalb den Schriftsteller Manfred Bosch, den literarischen Nachlass aufzunehmen und Texte herauszugeben. Über eintausend Gedichte, zahlreiche Notizen, Entwürfe und Notizen sind von Manfred Bosch erfasst und teilweise im Buch aufgenommen.
Am umfangreichsten ist dabei seine Lyrik, daneben seine Prosa in Erzählungen, Betrachtungen und Aufzeichnungen aus seinem Vagabundenleben. "Das Drama Die Nacht und zahlreiche Aufrufe des Rufers Mahler aus der Wanderzeit belegen die Vielfältigkeit seiner literarischen Begabung."[3]. „Von Jugend an schöpfte der Pazifist und Vegetarier aus der Urkraft des Rieds lebensbestimmende Eindrücke: Philosophische Texte reflektieren über ein Leben im Einklang mit dem Kosmos, über Arbeitswelt und Industrialisierung.“[4]
Einrichtungen
Das Leprosenhaus mit Sepp-Mahler-Museum Bad-Wurzach
Mahlers Geburtshaus, das Leprosenhaus, wurde mit einer Ausstellung 1987 als Museum der Stadt Bad Wurzach mit der Lebens- und Wohnkultur des Ortes eingeweiht. 1991 kam dazu das Sepp-Mahler-Museum im Untergeschoss durch die Stadt Bad Wurzach, betreut durch die Freunde und Förderer des Leprosenhauses.
Kulturdenkmal Sepp-Mahler-Haus
Kulturdenkmal Sepp-Mahler-Haus
Sepp-Mahler-Haus, Im Torfmeisterzimmer
Über die Denkmalpflege des Regierungsbezirks Tübingen wurde 2013 das 1903 erbaute Haus in der Ravensburger Str. 21 in die Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg aufgenommen. Es ist das „anschaulich erhaltene Wohnhaus“ des Torfmeisters vor mehr als 100 Jahren. Untergebracht sind hier drei Nachlässe der Familie Mahler: Malerei und Literatur Sepp Mahlers, dazu die Sozialgeschichte der Torfarbeit am Beispiel der Mahlervorfahren ab 1817. Im ganzen Haus sind Bilder und andere künstlerische Arbeiten von Sepp Mahler ausgestellt. Mit dem Förderkreis Kulturdenkmal Sepp-Mahler-Haus gestaltet Tochter Adelgund Mahler jährlich wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen. Der Landkreis Ravensburg kümmerte sich von 2007–2009 um die digitale Fassung des über 4000 Nummern umfassenden malerischen Nachlasses von Sepp Mahler.
Im Sepp-Mahler-Haus
Bad Wurzach, Sepp-Mahler-Haus, Im Büro, Schreibtisch des Vaters
Ausstellung 2015 mit geschnitzter Krippe
Torfwerk, 1915
Mutter 1920, Vater 1914
Arbeit im Moor, 1922, für Akademie, 23,5x25cm
Haus im Grund, 1927
Junger Moorbauer, 1930
Im Gefangenenlager für Russen, 1942
Wanderer im Hügelland, um 1950
Mann mit Herbstbaum, um 1958
Letztes Selbstbildnis 1975
Literatur
Sieglinde Klein-Schiller: Der Wurzacher Riedmaler Jos. Mahler. Sein Leben und sein Werk. (Zulassungsarbeit 1964).
Werner Knoblauch: Oberschwaben – Gesicht einer Landschaft. Ravensburg 1971.
Thaddäus Troll: Preisend mit viel schönen Rede. Hamburg 1972.
Manfred Schlude: Sepp Mahler, der Moormaler von Bad Wurzach. Biografie und Werdegang. (Zulassungsarbeit PH Weingarten). Liebenhofen 1975
Otto Frisch: Bad Wurzach. Geschichte und Entwicklung einer oberschwäbischen Bäderstadt. Hinterzarten: Chroniken-Verlag 1975.
Josef W. Janker: Ansichten und Perspektiven. 7. Landschaften. Ravensburg, Kreissparkasse 1979.
Klaus Trappmann: Landstraße Kunden Vagabunden. Gregor Gogs Liga der Heimatlosen. Berlin 1980.
Gisela Linder: Das Wurzacher Leprosenhaus soll Museum für Sepp Mahler werden. In: Schwäbische Heimat, Stuttgart 1981/4.
Otto Frisch: Denkschrift zur künftigen Verwendung des Siechenhauses anlässlich der Sepp- Mahler-Gedächtnisausstellung Mai/Juni 1981. Bad Wurzach 1981.
Künstlerhaus Bethanien (Hrsg.): Wohnsitz Nirgendwo - Vom Leben und Überleben auf der Strasse. Frölich & Kaufmann, Berlin 1982, ISBN 3-88725-070-2, S. 343–368.
Hans-Dieter Mück (Hrsg.): Klassische Moderne im deutschen Südwesten. Die Sezession Oberschwaben-Bodensee. Ochsenhausen/Marbach: Artus 1993.
Uwe Degreif: Bei den Bäumen. Sepp Mahler 1901–1975. Biberach: Museum Biberach 2009.
Uwe Degreif: Die Verfolgung von bildenden Künstlern an Fallbeispielen aus Oberschwaben. In: Opfer des Unrechts. Hrsg. Edwin Ernst Weber. Ostfildern: Thorbecke
Uwe Degreif: Ganz vorne. Ein Schöpfungsentwurf von Sepp Mahler. In: Ders.: Später Aufbruch in die Moderne 1900–1933. Lindenberg: Fink 2014, H. 2.
Ursula Rückgauer, Adelgund Mahler: Zufluchtsort und Heimat des Moormalers und Malerpoeten. Das Sepp-Mahler-Haus in Bad Wurzach. Im Oberland 25 (2014), H. 2.
Manfred Bosch: Zur Erinnerung an den Künstler Sepp Mahler – Teil 1. In: Schwäbische Heimat. Stuttgart, 66. Jg. 2015/4
Manfred Bosch: Zur Erinnerung an den Künstler Sepp Mahler – Teil 2. In: Schwäbische Heimat. Stuttgart, 67. Jg. 2016/1
Manfred Bosch (Hrsg.): Sepp Mahler. Ich der Lump, Philosoph der Strasse - das literarische Werk, Gedichte, Prosa, Dokumente, Bilder. Thorbecke, Sigmaringen 1984, ISBN 3-7995-1638-7; überarbeitete Neuausgabe als Book on Demand, Waldburg 2015, ISBN 978-3-9350-9366-8
Antje Merke: Ein neuer Blick auf Sepp Mahler. Museum im Kornhaus in Bad Waldsee versammelt Arbeiten, die bislang nur selten zu sehen waren. In: Schwäbische Zeitung, 3. Mai 2017, S. 11.
Einzelnachweise
Biographie Sepp Mahler
Stuttgarter Nachrichten: Geritzte Bäume in Oberschwaben vom 11. Februar 2010, abgerufen am 9. September 2010
Manfred Bosch
Biographie Sepp Mahler
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