Felix Nussbaum (geboren am 11. Dezember 1904 in Osnabrück; gestorben nach dem 20. September 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau) war ein deutscher Maler der Neuen Sachlichkeit. 1932 verlor er durch Brandstiftung einen Großteil seiner Werke. 1933 verließ er Deutschland wegen der beginnenden Judenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus. Ab 1940 versteckte er sich in Brüssel. Dort wurde er nach einer Denunziation mit 562 weiteren Juden mit einem der letzten Transporte in das KZ Auschwitz deportiert, wo er und seine Ehefrau am 2. August 1944 eintrafen. Er wurde als Lagerhäftling geführt und starb wahrscheinlich vor der Befreiung des Lagers (27. Januar 1945).
Leben
Im Dachgeschoss der 1922 von Rahel und Philipp Nussbaum erbauten Nussbaum-Villa in Osnabrück befand sich das Atelier des jungen Felix Nussbaum
Felix Nussbaum wuchs als zweiter Sohn des Kaufmanns Philipp Nussbaum und seiner Frau Rahel, geb. van Dijk, in Osnabrück auf. Die Familie war dem Reformjudentum zuzurechnen. Der Vater, ein Hobbymaler, förderte und ermutigte seinen Sohn, Malerei zu studieren. Nach dem Besuch der jüdischen Elementarschule und des Realgymnasiums nahm er 1922/23 das Kunststudium an der Hamburger Kunstgewerbeschule auf und setzte seine Ausbildung bis 1930 an der Berliner Lewin-Funke-Schule und an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in Berlin als Schüler von Paul Plontke und César Klein, ab 1928 als Meisterschüler bei Hans Meid fort.
In Berlin lernte Felix Nussbaum 1927 seine Lebensgefährtin und spätere Ehefrau, die 1899 in Warschau geborene Malerin Felka Platek, kennen.
In den Jahren um 1930 hatte er große Ausstellungserfolge in Berlin. Seine ersten Einzelausstellungen hatte er schon 1927 in einer Osnabrücker Buchhandlung und 1928 in der Berliner Galerie Casper. Auf den Spuren van Goghs reiste er nach Frankreich und nahm sich nach der Rückkehr 1929 ein eigenes Atelier in Berlin. Der künstlerische Durchbruch gelang ihm 1931 mit dem Gemälde „Der tolle Pariser Platz“. Er ironisierte damit das Honoratiorentum der Abteilung für Bildende Künste der Berliner Preußischen Akademie mit ihrem Präsidenten Max Liebermann. Von Oktober 1932 bis Mai 1933 war er Studiengast der Villa Massimo in Rom. Er musste die Akademie nach einem Streit mit dem Maler Hanns Hubertus Graf von Merveldt vorzeitig verlassen.[1]
Emigration und Tod
Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft (30. Januar 1933) lebte Nussbaum mit Felka Platek im Exil in Italien, Frankreich und ab 1937 in Brüssel (Belgien). Das Malerpaar heiratete 1937 in Brüssel. Zwei Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen am 8. Mai 1940 wurde Felix Nussbaum von den belgischen Behörden verhaftet und in das südfranzösische Internierungslager Saint-Cyprien (Pyrénées-Orientales) gebracht. Unter dem Eindruck des Lagers bat er die französische Lagerführung um Rückführung nach Deutschland; unterwegs in Bordeaux konnte er fliehen.
Er kehrte nach Brüssel zurück, wo Felka Platek geblieben war. Beide tauchten dort bei einem befreundeten Kunsthändler unter. Nach einer Denunziation im Juni 1944 wurde das Ehepaar Nussbaum von der Wehrmacht inhaftiert und mit dem letzten Deportationszug vom Sammellager Mechelen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gebracht.
Bisherige Annahmen, wonach beide am 2. August 1944 bei der Ankunft des Transports in Auschwitz in den dortigen Gaskammern ermordet wurden, wurden am 1. August 2014 widerlegt. Laut einer im Staatsarchiv Russlands in Moskau entdeckten Akte der chirurgischen Abteilung des Lagerhospitals aus Block 21 des Stammlagers Auschwitz war Felix Nussbaum als Häftling mit der Nummer B-3594 geführt und am 20. September 1944 wegen einer Blase am Zeigefinger der linken Hand behandelt worden. Er gehörte demnach zu den 361 als arbeitsfähig eingestuften, nicht direkt vergasten Juden seines Transports. Es gibt keine Belege dafür, dass er ab 26. November 1944 wie andere Auschwitzhäftlinge in andere nationalsozialistische Lager verlegt worden ist. Er gehörte auch nicht zu den am 27. Januar 1945 befreiten Überlebenden von Auschwitz. Daher wird angenommen, dass er irgendwann nach dem 20. September 1944 in Auschwitz umkam.[2]
Werke (Auswahl)
Bahnhof Alassio (1933)
Triumph des Todes (Die Gerippe spielen zum Tanz) (ca. 1941)
Sein Hauptwerk schuf Nussbaum in seinen letzten Lebensjahren, die er bis zu seiner Verhaftung am 20. Juni 1944 in einem Versteck in Brüssel verbrachte. Wie kaum ein anderer Künstler seiner Generation hat Felix Nussbaum in diesen Bildern den Holocaust in Europa künstlerisch verarbeitet. In der lebensbedrohlichen und aussichtslosen Situation im Versteck wurde die Malerei für ihn zur Widerstandshandlung, da sie ihm seine menschliche Würde und das Recht auf Selbstbestimmung erhielt. Das Werkverzeichnis zählt 456 Werke und 21 Gelegenheitsarbeiten auf.[3]
Belgische Bekannte retteten seine Bilder aus der Zeit des Exils.[4] Während 1945 bis in die 1980er Jahre seine Werke wenig beachtet wurden, erzielte 1997 ein Schlüsselgemälde auf einer Auktion 1,7 Millionen Euro.[5]
Das Geheimnis. November 1939, Öl auf Leinwand, 61 × 74,5 cm, Privatbesitz Osnabrück.
Der Flüchtling 1. 1939, im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück.
Jaqui auf der Straße. 1944, im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück.
Triumph des Todes. 1944, im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück.
Ausstellungen
2004: Jüdisches Museum Rendsburg: Felix Nussbaum.[6]
22. September 2010–23. Januar 2011: Musée d’art et d’histoire du Judaïsme (Museum für jüdische Kunst und Geschichte) in Paris: Felix Nussbaum 1904–1944.[7]
Würdigung
Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück
Felix-Nussbaum-Haus (rechts) im Museumskomplex von Osnabrück, in der Mitte das Kulturgeschichtliche Museum, links das Akzise-Haus
Berliner Gedenktafel in Berlin-Wilmersdorf, Xantener Str. 23
→ Hauptartikel: Felix-Nussbaum-Haus
Am 16. Juli 1998 wurde in Osnabrück das Felix-Nussbaum-Haus eröffnet, das mit mehr als 200 Werken die weltweit größte Sammlung des Malers beherbergt. Das Gebäude wurde nach den Plänen des amerikanisch-jüdischen Architekten Daniel Libeskind errichtet, der die Architektur eng mit dem tragischen Leben des Künstlers und dessen Tod in Auschwitz verknüpft.[8]
Die Felix-Nussbaum-Gesellschaft e. V. in Osnabrück fördert die Erforschung und Bekanntmachung des Œuvres von Nussbaum.[9]
Stolperstein
Ein Stolperstein erinnert an ihn in Brüssel, 22 rue Archimède. Dieses Haus war sein letzter Aufenthaltsort vor der Deportation.
Theater
Am 30. Januar 2010 fand im Theater am Domhof in Osnabrück die Premiere des Theaterstücks Felix Nussbaum von Christoph Klimke statt.[10]
Schule
Im Stadtteil Sonnenhügel der Friedensstadt Osnabrück besuchen etwa 280 Schülerinnen und Schüler die Felix-Nussbaum-Schule im Schulzentrum Sonnenhügel. Die Hauptschule, seit 2003 als Ganztagsschule, gehört seit 1981 zum städtischen Schulzentrum.
Literatur
Eva Berger u. a.: Felix Nussbaum. Verfemte Kunst, Exilkunst, Widerstandskunst. Völlig neu bearbeitete und erweiterte 4. Auflage des Katalogbuchs zur gleichnamigen Ausstellung im Kulturgeschichtlichen Museum in Osnabrück 1990, Rasch, Bramsche 2007, ISBN 978-3-89946-089-6.
Inge Jaehner: Nußbaum, Felix. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 377 f. .
Peter Junk, Wendelin Zimmer: Felix Nussbaum. Die Biografie. Ortswechsel, Fluchtpunkte. Hrsg. v. der Niedersächsischen Sparkassenstiftung in Zusammenarbeit mit der Felix Nussbaum Foundation, Rasch, Bramsche 2009, ISBN 978-3-89946-115-2.
Rosamunde Neugebauer (Hrsg.): Zeit im Blick. Felix Nussbaum und die Moderne. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück 2004, Rasch, Bramsche 2004, ISBN 3-89946-043-X.
Deborah Schultz, Edward Timms: Pictorial Narrative in the Nazi Period : Felix Nussbaum, Charlotte Salomon and Arnold Daghani. Routledge, London [u. a.] 2009, ISBN 978-0-415-49095-5.
Jürgen Kaumkötter: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Kunst in der Katastrophe 1933-1945. Verlag Galiani, Berlin, 2015, ISBN 978-3-86971-103-4.
Einzelnachweise
Jobst C. Knigge: Die Villa Massimo in Rom 1933–1943. Kampf um künstlerische Unabhängigkeit. Humboldt Universität Berlin 2013 (open access), S. 22 ff.
Neue Osnabrücker Zeitung, 2. August 2014: Todesumstände nach wie vor unklar: Nussbaum war Auschwitz-Häftling B-3594
Felix-Nussbaum-Werkverzeichnis
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. (Hrsg.): „Lasst meine Bilder nicht sterben“. Künstlerporträts. Kassel 2010, S. 28–29
Liste der verauktionierten Bilder von Felix Nussbaum
Anette Schneider: Existentielle Not und tödliche Angst – Der Maler Felix Nussbaum (Deutschlandradio)
(fr) Ausstellung Felix Nussbaum im Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme in Paris.
Felix-Nussbaum-Haus
Felix-Nussbaum-Gesellschaft e. V. in Osnabrück
Heiko Ostendorf: Panik, Ekel, Abscheu
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