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Pablo Picasso - Portrait of Dora Maar

Dora Maar (* 22. November 1907 in Tours; † 16. Juli 1997 in Paris; gebürtig Henriette Theodora Markovitch) war eine französische Fotografin, Malerin, Modell und Muse Pablo Picassos.

Leben
Kindheit und Ausbildung

Dora Maar wurde 1907 als Henriette Theodora Markovitch in Tours, in Westfrankreich geboren. Ihr Vater Josip Markovitch (1874–1969) war ein kroatischer Architekt aus Zagreb, ihre Mutter Louise Julie Voisin (1877–1942) war eine gebürtige Französin aus der Region Touraine. Maar wuchs in Paris, später im argentinischen Buenos Aires auf, wo ihr Vater für die österreichisch-ungarische Botschaft arbeitete. Sie kehrte 1926 nach Frankreich zurück. Maar studierte in Paris Fotografie und Malerei an der Schule der Union centrale des arts décoratifs, an der École de photographie und der Académie Julian und ging später bei André Lhote in die Lehre. In dieser Zeit änderte sie ihren Namen in Dora Maar. Eine Mitstudentin, die eine enge Freundin wurde, war Jacqueline Lamba, später zweite Frau von André Breton. 1931 machte sie für eine Auftragsarbeit Fotos vom Mont-Saint-Michel und lernte dabei den Fotografen Pierre Kéfer kennen. Mit ihm gründete sie 1934 das gemeinsame Fotoatelier Kéfer – Dora Maar, das auch Aufträge für Werbefotos annahm und teilte sich die Dunkelkammer mit Brassaï.[1]


Portrait d’Ubu
Dora Maar, 1936
Silbergelatineabzug
18,1 × 11,4 cm
National Gallery of Australia

Link zum Bild

Im selben Jahr konnte Maar sich durch die finanzielle Unterstützung ihres Vaters ein eigenes Atelier in der Rue d'Astorg 29 im 8. Arrondissement einrichten. Sie begegnete Henri Cartier-Bresson und lernte durch ihre Liaison mit dem Schriftsteller und Philosophen Georges Bataille André Breton kennen, der ihr eine Originalausgabe seines zweiten surrealistischen Manifests (1930) widmete. In den 1930er Jahren war Dora Maar ein festes Mitglied im Kreise der Pariser Surrealisten um Breton, Man Ray und Brassaï, letztgenannter machte sie mit Fotografen und Fotojournalisten bekannt. Als Kontrast zu ihren Avantgarde- und Modefotos wählte Dora Maar als künstlerisches Sujet das Leben von sozialen Außenseitern, Arbeitslosen und Obdachlosen, die sie in Barcelona, London und Paris aufnahm. Ihre Fotoserien wurden als politisch engagierte Straßenfotografie bewertet, ehe sie sich der surrealistischen Fotografie zuwandte und 1936, inspiriert von Alfred Jarrys Theaterstück König Ubu, das geheimnisvolle „Bildnis von Ubu“ („Portrait d'Ubu“) schuf. Die manipulierte Fotografie eines Gürteltier-Embryos avancierte zum Symbol des Surrealismus und wurde 1936 in der Pariser Galerie Charles Ratton und der International Surrealist Exhibition in London ausgestellt. Während dieser Jahre gehörte Maar der revolutionären Gruppe Contre-Attaque (1935–1936) an.[1]
Zusammentreffen mit Picasso

Im Jahr 1936 wurde die 29-jährige Dora Maar, die neben französisch fließend spanisch, kroatisch und Englisch sprach, durch Paul Éluard im Café Les Deux Magots in Saint-Germain-des-Prés mit Pablo Picasso bekannt gemacht. Dieser war anscheinend fasziniert von ihrer dunklen Schönheit, ihrer Schneidigkeit, ihrer Theatralik und ihrer Gewalttätigkeit. „Sie trug schwarze Handschuhe mit kleinen aufgenähten rosa Blumen. Sie zog die Handschuhe aus und nahm ein langes, spitzes Messer, das sie in den Tisch zwischen ihre ausgestreckten Finger rammte, um zu sehen, wie nahe sie jedem Finger kommen könnte, ohne sich wirklich zu schneiden. Von Zeit zu Zeit verfehlte sie ihn um den Bruchteil von wenigen Zentimetern und bevor sie das Spiel mit dem Messer beendet hatte, war ihre Hand mit Blut bedeckt.“[1] Picasso bat sie, ihm die Handschuhe zu schenken, und er verwahrte sie in einer Vitrine auf, so Picassos spätere Lebensgefährtin Françoise Gilot in ihrem Buch Life with Picasso (1964) über das erste Zusammentreffen zwischen ihm und Dora Maar.[2] Die attraktive junge Frau mit dem langen schwarzen Haar und den grünen Augen wurde zur bekanntesten Geliebten, Muse und Modell des spanischen Künstlers. Die überzeugte Kommunistin verschaffte Picasso Kontakt zu politisch engagierten Intellektuellen wie André Breton und Louis Aragon und dokumentierte 1937 fotografisch die Arbeit an seinem bekannten Gemälde Guernica und weiteren Werken. Maars Guernica-Bildserie wurde 1937 in einer Sonderausgabe der Cahiers d’Art veröffentlicht. Im selben Jahr folgte in der Pariser Galerie de Beaune die erste Einzelausstellung mit fotografischen Arbeiten[1]

Maars Unnahbarkeit und ihre als rätselhaft beschriebene Ausstrahlung hielt Picasso in einer Reihe von Porträts als „Weinende Frau“ fest, die als Ausdrucksmittel für seine Trauer um das im Bürgerkrieg befindliche Heimatland gedeutet werden. Die Werke standen im Kontrast zu den Bildern der blonden Marie-Thérèse Walter (1909–1977), die er in der Regel in hellen, leuchtenden Farben dargestellt hatte. Mit seiner vorherigen Geliebten, die ihm 1935 die gemeinsame Tochter Maya geboren hatte, konkurrierte Dora Maar um die Gunst Pablo Picassos. „Ich hatte kein Interesse daran, eine Entscheidung zu treffen … Ich sagte ihnen, sie sollten es unter sich ausmachen.“,[3] so der Maler über die Rivalität zwischen den beiden Frauen.
Trennung und Nachwirken


Dora Maars Haus in Ménerbes (2009)

Dora Maars Beziehung, die sich aus Liebe zu Pablo Picasso von der Fotografie hin zur Malerei wandte, hielt acht Jahre und zerbrach 1943, als er die 21-jährige Françoise Gilot kennenlernte. Die Trennung von Picasso, der ihr mehrere Stillleben, Zeichnungen und ein Haus in Ménerbes, in der Provence überließ, konnte Maar nicht verwinden. Sie lebte von da an isoliert in ihrer Wohnung, mied gemeinsame Freunde und kehrte vorerst nicht mehr zur Fotografie zurück. Während Maars Stillleben 1944 in der Galerie Jeanne Bucher in Montparnasse ausgestellt wurden, litt sie an starken Depressionen. Im Mai 1945 wurde sie drei Wochen lang in einer psychiatrischen Klinik in Sainte-Anne behandelt, später kümmerte sich auf Geheiß von Picasso und Paul Éluard der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan um Maar.[4] Noch im selben Jahr folgte eine Ausstellung ihrer Gemälde aus der Nachkriegszeit bei René Drouin. 1946 wurden die Werke in der Galerie Pierre Loebs ausgestellt. In den folgenden Jahren ließ sich Dora Maar in dem Haus in Ménerbes nieder, suchte Trost in der Religion und malte Stillleben und Landschaften. Im Juni 1954 kam es zu einer Begegnung zwischen ihr und Picasso, als sie und der US-amerikanische Schriftsteller James Lord den englischen Kunstkritiker und Kubismus-Experten Douglas Cooper besuchten, der mit dem Kunsthistoriker und Picasso-Biografen John Richardson zusammen lebte. Picasso war zu dieser Zeit mit Jacqueline Roque (1927–1986) liiert.

1957 wurden Dora Maars Werke in der Galerie Berggruen in Paris ausgestellt. In den 1970er Jahren widmete sie sich abstrakten Landschaften und verkaufte aus finanziellen Gründen mehrere in ihrem Besitz befindliche Picasso-Bilder. In späteren Lebensjahren kehrte sie zur Fotografie zurück, arbeitete mit alten Negativen und experimentierte mit so genannten „Rayogrammen“, fotografischen Bildern ohne Kamera. Die Arbeit mit den Lichtgraphiken hatte ihr Man Ray beigebracht, zur Arbeit mit der Kamera kehrte sie jedoch nicht mehr zurück.[1] 1994 stürzte Dora Maar in ihrem Haus in Paris und war nach einem Krankenhausaufenthalt ans Bett gefesselt. Sie starb drei Jahre später im Alter von 89 Jahren und wurde neben ihren Eltern und Großeltern auf dem Cimetière du Bois Tardieu in Clamart, Département Hauts-de-Seine, beerdigt.[5]

Ein Jahr zuvor hatte der US-amerikanische Regisseur James Ivory Antonia Huffingtons Buch Picasso. Genie und Gewalt. Ein Leben. unter dem Titel Mein Mann Picasso mit Anthony Hopkins als Picasso und Julianne Moore als Dora Maar verfilmt. Maar hinterließ unter anderem zehn Bilder, 40 Zeichnungen, sowie Schmuck und Papierfiguren von Picasso, die zwei indirekte Nachfahren von ihr erbten. Beide waren erst durch Genealogen ermittelt worden. Die meisten der Stücke wurden Ende 1998 auf Auktionen verkauft.


Dora Maar au chat
Pablo Picasso, 1941
Öl auf Leinwand
130 × 97 cm
Privatbesitz

Obwohl viele Historiker und Kritiker Dora Maar nicht als eigenständige Künstlerin wahrnehmen, darunter der deutsche Kunstsammler und Galerist Heinz Berggruen („(Sie) war in allen Höhen und Tiefen ihres Lebens ein Teil des Planeten Picasso“),[6] proklamierten dies seit ihrem Tod zahlreiche Ausstellungen und Bücher. Am 3. Mai 2006 erreichte die Sotheby’s-Versteigerung von Pablo Picassos Porträt Dora Maar au Chat (Dora mit Katze, 1941) in New York einen Rekorderlös von 95,2 Mio. US-Dollar (ca. 75,4 Mio. Euro). Dies war der zweithöchste Preis, der bis dahin für ein Gemälde bei einer Auktion gezahlt wurde. Gleichzeitig galt Dora Maar au Chat damit als viertteuerstes Gemälde der Welt.[7]


Literatur

Sachbücher

Freeman, Judi: Picasso and the weeping women : the years of Marie-Thérèse Walter & Dora Maar. Los Angeles, Calif. : Los Angeles County Museum of Art ; New York : Rizzoli, 1994. – ISBN 0847818004 (engl. Ausgabe)
Lord, James: Picasso und Dora Maar : eine persönliche Erinnerung. München : Matthes und Seitz, c 1994. – ISBN 3882217979
Mary Ann Caws: Dora Maar : die Künstlerin an Picassos Seite. Vorwort Heinz Berggruen. Übersetzung Anja Gundelach. Nicolai, Berlin, 2000 ISBN 3-87584-020-8
Förster, Tania: Dora Maar – Picassos Weinende. Hamburg : Europ. Verl.-Anst., c 2001. – ISBN 3-434-50500-8
Combalía Dexeus, Victoria: Dora Maar : Bataille, Picasso et les surréalistes. Marseille : Musées de Marseille, 2002. – ISBN 2902308256 (frz. Ausgabe)
Dujovne Ortiz, Alicia: Dora Maar : prisonnière du regard. Paris : Bernard Grasset, 2003. – ISBN 2246607914 (frz. Ausgabe)
Baldassari, Anne: Picasso-Dora Maar. Paris : Flammarion ; London : Thames & Hudson, 2006. – ISBN 2080305212 (engl. Ausgabe)

Dissertationen

Hobsen, Mary Daniel: Blind insight : three routes to the unconscious in the photographs of Dora Maar. Dissertation : University of New Mexico, 1996. (engl. Ausgabe)
Flores, Jessica Robin Anastasia: Through the lens of the muse : the photography of Dora Maar, 1931-1936. Dissertation : University of Cincinnati, 2003. (engl. Ausgabe)

Bücher mit Abschnitten über Dora Maar

Karoline Hille: Spiele der Frauen. Künstlerinnen im Surrealismus. Belser, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-7630-2534-3
Krauss, Rosalind E.: Bachelors. Cambridge, Mass. : MIT Press, 1999. – ISBN 0262112396 (engl. Ausgabe)
Weisberger, Edward: Surrealism, two private eyes : the Nesuhi Ertegün and Daniel Filipacchi Collections. New York, N.Y. : Guggenheim Museum : Hardcover edition distributed by Harry N. Abrams, 1999. – ISBN 0892072199 (engl. Ausgabe)
Payne, Laura ; Picasso, Pablo: Essential Picasso. Bath, U.K. : Parragon, 2001. – ISBN 0752542273 (engl. Ausgabe)
Mössinger, Ingrid ; Dechsel, Kerstin ; Ritter, Beate: Picasso et les femmes – Picasso und die Frauen. Köln : Dumont, 2005. – ISBN 978-3-832-17529-0

Romane und Theaterstücke

Bukumirovic, Dragana: Dora Mar. Beograd : Prosveta, 1998 (serb. Ausgabe)
McAvera, Brian: Picasso’s women. London : Oberon, 1999. – ISBN 1870259866
Avril, Nicole: Dora Maar - Picassos geheimnisvolle Muse. Bergisch Gladbach : Lübbe, 2004. – ISBN 3-7857-2150-1
Slavenka Drakulić: Dora und der Minotaurus, aus dem Kroatischen übersetzt von Katharina Wolf-Grießhaber. Aufbau, Berlin 2016, ISBN 978-3-351-03643-0

Ausstellungskataloge

Saura, Antonio: Dora Maar d'après Dora Maar : [portraits raisonnés avec chapeau : Antonio Saura] : 2 juin au 9 juil. 1983. Paris : The Galerie, 1983. (frz. Ausgabe)
Jaguer, Edouard ; Maar, Dora: Dora Maar : oeuvres anciennes : exposition du 10 au 27 juillet 1990. Paris : Galerie 1900–2000, 1990. (frz. Ausgabe)
Maar, Dora: Dora Maar, fotógrafa : [exposición] Centre Cultural Bancaixa, enero-marzo 1995. [Valencia] : Bancaja, Obra Social, 1995. – ISBN 8487684610 (span. Ausgabe)
Maar, Dora ; Galantaris, Christian ; Mathias, J. J.: Les livres de Dora Maar : Maison de la chimie, jeudi 29 Octobre 1998 à 14 h. Paris : PIASA : Me. J.J. Mathias, 1998. (frz. Ausgabe)
Maar, Dora: Les photographies de Dora Maar : une histoire - des oeuvres, avec Man Ray - Brassaï - Irving Penn - Emmanuel Sougez - Izis - Rogi André; Hôtel Drouot salles 1 et 7, vendredi 20 novembre 1998 à 21 h.. Paris : Drouot Ricelieu, 1998. (frz. Ausgabe)
Picasso, Pablo ; De Kooning, Willem ; Schjeldahl, Peter: Picasso's Dora Maar : de Kooning's women.. New York : C & M Arts, 1998. (engl. Ausgabe)
Picasso, Pablo ; Maar, Dora: Les Picasso de Dora Maar : succession de Madame Markovitch. Paris : Maison de la Chimie, 1998. (frz. Ausgabe)
Maar, Dora: Les photographies de Dora Maar : une dernière rencontre en compangie de Brassaï - Izis - Man Ray - Rogi André; Hôtel Drouot salles 1 et 7, vendredi 19 novembre 1999 à 18 h et à 21 h. Paris : Drouot Ricelieu, 1999. (frz. Ausgabe)
Haus der Kunst München: Dora Maar. München : Haus der Kunst, 2001. – ISBN 3-00-008554-8
Musée Picasso ; National Gallery of Victoria: Picasso, Dora Maar : Il faisait tellement noir. [Catalogue de l'exposition] Paris, musée Picasso, 14 février-22 mai 2006, Melbourne, national gallery of Victoria, 29 juin-8 octobre 2006. Paris : Flammarion; Paris : Réunion des musées nationaux, 2006. (frz. Ausgabe)
Picasso, Pablo ; Maar, Dora ; Baldassari, Anna: Picasso-Dora Maar, regards croisés : exposition, Paris, Musée Picasso, 15 février-22 mai 2006. Paris : Flammarion : Réunion des musées nationaux, 2006. – ISBN 2080115820 (frz. Ausgabe)

Film

TV-Dokumentation

Die weinende Frau von Pablo Picasso – Postskriptum oder Psychogramm. Film von Tania Förster. Länge: 30 Minuten, Arte 2003 (wiederholte Ausstrahlung auf 3sat am 7. April 2013 anlässlich des 40. Todestags Picassos).

Einzelnachweise
vgl. Latimer, Tirza: Dora Maar. In: Grove Art Online (aufgerufen am 30. Januar 2009).
vgl. Picassos Muse Dora Maar gestorben, Associated Press Worldstream - German, Paris, 25. Juli 1997, 07:42 Eastern Standard Time.
vgl. Nagy, Katja von: Ich habe 60 Tänzerinnen und komme spät ins Bett. In: Welt am Sonntag vom 1. März 1998.
vgl. Nach Picasso nur Gott. In: Süddeutsche Zeitung vom 4. April 2001, S. 18.
knerger.de: Das Grab von Dora Maar
vgl. Dittmar, Peter: Dora Maar, die „Geliebte Nr. 5“ und „weinende Frau“. In: Die Welt vom 15. Oktober 2005, Heft 241/2005, S. 34.
vgl. 140 Millionen Dollar – Das teuerste Gemälde der Welt. In: Hamburger Abendblatt vom 3. November 2006, Heft 257/2006, S. 32.

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