ART

64) Comes Orientis. Wie Constantin der Grosse in viele Dioecesen, namentlich in solche, die er persönlich nicht hatte besuchen können, Vertrauensleute mit ausserordentlichen Vollmachten sandte, um die Zustände dort zu untersuchen, die Statthalter zu beaufsichtigen und dem Kaiser Bericht zu erstatten, so geschah es auch im Orient (s. oben S. 631). Durch die kirchlichen Wirren, die der Arianische Streit hervorgerufen hatte, wurde hier eine Vertretung des Herrschers von aussergewöhnlicher Autorität sogar öfter nötig, als in den anderen Ländern des Reiches. So erscheinen denn die C. Constantins hier bald damit beschäftigt, heidnische Heiligtümer aufzuheben und ihre Cultgegenstände zu zerstören (Euseb. vit. Const. III 53), bald leiten sie im Namen des Kaisers christliche Synoden, wie die von Antiochia um 330 (Euseb. vit. Const. III 62) und von Tyrus im J. 335 (Athan. apol. c. Ar. 8. 9. 28. 71. 72. 78. 79 = Migne Gr. 25, 261. 264. 293. 373. 377. 389. 392 u. sonst). Es sind in der Regel Leute von hohem Range. Lollianus Mavortius, welcher der älteste überlieferte Comes Orientis zu sein scheint, war vorher consularis Campaniae und comes intra palatium et vice sacra iudicans, was wahrscheinlich nichts anderes bedeutet, als das höchst einflussreiche Amt, das man später mit dem Titel der Quaestura sacri Palatii belegte (Firm. Mat. math. I 1, 7. Dessau 1224. 1225). Dionysios, der dem Concil von Tyrus praesidierte, war gleichfalls ex consularibus (Euseb. vit. Const. IV 42). Acacius und Strategius werden διασημότατοι, d. h. viri clarissimi, genannt (Euseb. vit. Const. III 53. 62), waren also Senatoren; der erstere war schon vorher als comes Macedoniae thätig gewesen (Cod. Theod. XI 3, 2). Der ausserordentliche Charakter des Amtes zeigt sich darin, dass es bald von einem einzelnen Manne, bald collegialisch von zweien verwaltet wird (Euseb. vit. Const. III 62), bald nur die Dioecesis Orientis umfasst, bald auch sich über Ägypten ausdehnt. Denn um die Zeit, wo der Perserkrieg des Constantius [660] auf seiner Höhe stand (etwa 340), begegnen uns zwei Männer, die, nachdem sie vorher schon sehr hohe Ämter bekleidet haben, zu comites Orientis Aegypti et Mesopotamiae ernannt werden (Dessau 1231. 1237). Wahrscheinlich waren es die Bedürfnisse des Krieges, welche dazu veranlassten, Ägypten, das als Kornprovinz des östlichen Reichsteils für die Verpflegung der Heere von besonderer Wichtigkeit war, mit dem Oriens in der Hand eines ausserordentlichen Beamten zu vereinigen. Wenn Mesopotamien, das sonst immer nur einen Teil des Oriens gebildet hat, hier gesondert neben ihm genannt wird, so mag dies darin seinen Grund haben, dass es als der eigentliche Kriegsschauplatz damals zeitweilig eine besondere Organisation erhalten hatte.

Jene langjährigen Kämpfe mit den Persern und wohl noch mehr die religiösen Streitigkeiten, die ihnen parallel liefen, werden dazu geführt haben, dass gerade im Oriens ein Beamter mit ausgedehnten Vollmachten, der als persönlicher Vertreter des Kaisers gelten konnte, nie zu entbehren war. Dadurch wurde die ausserordentliche Competenz regelmässig erneuert und bildete sich so zur stehenden und ordentlichen aus. Dies fand darin seinen Ausdruck, dass der Vicarius Orientis, der 325 noch nachweisbar ist (Cod. Theod. XII 1. 12. Cod. Iust. XI 50, 1), später wegfiel. Denn da die comites provinciarum gleichfalls die Statthalter zu beaufsichtigen hatten und kraft kaiserlicher Delegation Appellationen von ihrem Spruch annehmen konnten (s. oben S. 632), so mussten sie die genau entsprechende, aber niedrigere Gewalt der Vicare vollständig lahmlegen, solange sie sich in deren Dioecesen aufhielten. Kamen sie nur als ausserordentliche Sendlinge, um bald wieder an den Kaiserhof zurückzukehren, so bedeutete dies für die Wirksamkeit des entsprechenden Vicars nur eine zeitweilige Unterbrechung; wurden sie dagegen ständig, wie dies im Orient geschah, so war seine Thätigkeit ganz überflüssig geworden und folglich konnte sein Amt aufgehoben werden.

Seit der Mitte des 4. Jhdts. erfüllen also die C. Orientis im Oriens ungefähr dieselben Obliegenheiten, wie die Vicare in den anderen Dioecesen (Cod. Theod. IX 40, 15. XI 30, 16. 30), und führen, gleich diesen, nach der Rangordnung Valentinians I. den Titel vir spectabilis (Not. dign. or. XXII 17. 33. Cod. Theod. VIII 7, 21. Cod. Iust. III 13, 4, wo übrigens die Erwähnung des Comes Orientis iustinianische Interpolation ist); doch gehen sie ihnen an Rang vor (Cod. Theod. VI 10, 3) und gehören in die gleiche Classe mit den Proconsuln (Not. dign. a. O.). Sie residieren in Antiochia (Ammian. XIV 7, 2. Sievers Das Leben des Libanius 73. 155–157. 159. 163–168. 171 u. sonst) und haben die Verwaltung der Grossstadt in derselben Weise zu leiten, wie die Praefecti Urbis in Rom und Constantinopel. In diesem Sinne sorgen sie für billiges Brot (Liban. or. I 129. II 328), für die Heizung der öffentlichen Bäder (Liban. or. II 93), für die Wasserleitungen der Stadt (Cod. Theod. XV 2, 7), für die Regulierung des Orontes, der sie durchfliesst (Cod. Theod. X 23) u. dgl. mehr. Doch beschränkt sich ihre Gewalt nicht auf das Stadtgebiet, sondern erstreckt sich über die ganze [661] Dioecese Orientis, welche folgende Provinzen umfasst: Palaestina prima, Palaestina secunda, Palaestina salutaris, Phoenice, Phoenice Libani, Syria prima, Syria salutaris, Cyprus, Cilicia prima, Cilicia secunda, Euphratensis, Osrhoena, Mesopotamia, Isauria, Arabia (Not. dign. or. XXII). In allen diesen Provinzen üben sie das Oberaufsichtsrecht über die Statthalter und die Appellationsgerichtsbarkeit, kurz sie können ganz in derselben Weise als Vertreter der Praefecti praetorio gelten, wie die Vicare. Ihr Officium bestand im J. 394 aus nicht weniger als 600 Subalternbeamten (Cod. Theod. I 13). Eine nicht ganz vollständige Liste der überlieferten C. Orientis bei Grossi-Gondi in Ruggieros Dizionario epigrafico II 504. Ebendort sind auch Notizen über ihre Thätigkeit gesammelt, die aber keinen wesentlichen Unterschied gegenüber den Vicaren ergeben.
[Seeck.]

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