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Zuschauerraum und Orchestra des Theaters von Epidauros.
Zuschauerraum und Orchestra des Theaters von Epidauros.

Sammlung Göschen

Griechische
Altertumskunde

Von
Professor Dr. Richard Maisch
neu bearbeitet von
Professor Dr. Franz Pohlhammer


Mit neun Vollbildern

Dritte, verbesserte Auflage
Unveränderter Abdruck

Berlin und Leipzig
G. J. Göschen’sche Verlagshandlung G. m. b. H.
1914

Alle Rechte, namentlich das Übersetzungsrecht,
von der Verlagshandlung vorbehalten.

Druck
der Spamerschen
Buchdruckerei in Leipzig.


Inhaltsverzeichnis.

Seite
Einleitung.
§ 1. Begriff der griechischen Altertumskunde 11
§ 2. Quellen der griechischen Altertumskunde 12
Abschnitt I: Land und Volk von Hellas.
A. Das Land:
§ 3. Orographie 13
§ 4. Hydrographie 17
§ 5. Klima und Pflanzenwuchs 18
§ 6. Gaben des Bodens 20
§ 7. Bedeutung des Landes für die Kultur seiner Bewohner 22
B. Das Volk:
§ 8. Vorgeschichte der Griechen 22
§ 9. Ausdehnung und Gesamtname des Griechentums 24
§ 10. Die griechischen Stämme 25
Abschnitt II: Sparta.
§ 11. Geschichtliche Grundlagen der Verfassung Spartas 27
§ 12. Periöken und Heloten 28
§ 13. Die Spartiaten 30
§ 14. Das Königtum 32
§ 15. Die Gerusie 34
§ 16. Die Ephoren 36
§ 17. Die Volksversammlung 38
§ 18. Die spartanische Zucht 39
§ 19. Heerwesen und Kriegführung 41
Abschnitt III: Athen.
A. Verfassungsgeschichte:
§ 20. Die altattische Phylen- und Geschlechterordnung 45
§ 21. Das Königtum 47
§ 22. Übergang vom Königtum zur Adelsherrschaft 48
§ 23. Das Rechtswesen, geschriebene Gesetze, Drakon 50
§ 24. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des 7. Jahrhunderts 52
§ 25. Solon 53
§ 26. Die Tyrannis des Peisistratos 56
§ 27. Die Begründung der Demokratie durch Kleisthenes 59
§ 28. Die Vollendung der Demokratie nach den Perserkriegen 63
§ 29. Erschütterung und Wiederherstellung der Demokratie
(411–403) 66
§ 30. Die Demokratie von 403 bis auf die Diadochenzeit (323) 68
§ 31. Der attische Staat in der Diadochenzeit und unter
römischer Herrschaft 69
B. System der Staatsverfassung:
§ 32. Die Elemente der Bevölkerung 71
§ 33. Die Volksversammlung 74
§ 34. Der Rat der Fünfhundert und der Rat vom Areopag 80
§ 35. Die Beamten 82
Das Rechtswesen:
§ 36. Die neun Archonten 84
§ 37. Die Gerichtshöfe 86
§ 38. Die Formen der öffentlichen Klage 89
§ 39. Der gewöhnliche Prozeßgang 90
§ 40. Das Verfahren vor dem Areopag und den andern
Blutgerichtshöfen 93
Das Finanzwesen:
§ 41. Attische Längen-, Flächen- und Hohlmaße 95
§ 42. Das Münz- und Gewichtssystem 96
§ 43. Die allgemeine Finanzlage 100
§ 44. Einnahmen und Ausgaben 101
§ 45. Die Leiturgia (Staatsleistung) 103
Innere Verwaltung:
§ 46. Öffentliche Aufsichtsbehörden 104
§ 47. Kriminalpolizei 105
Der Kultus:
§ 48. Kultstätten 106
§ 49. Priester und Seher 107
§ 50. Orakel 109
§ 51. Gebet und Opfer 112
§ 52. Die Mysterien 115
§ 53. Feste 118
§ 54. Dramatische Aufführungen 122
§ 55. Das Theater 125
Das Kriegswesen:
§ 56. Das Landheer 131
§ 57. Die Flotte 135
C. Häusliches Leben:
§ 58. Das Haus
a) der Homerischen Zeit 138
b) der klassischen und der hellenistischen Zeit 140
§ 59. Die Wohnungseinrichtung 142
§ 60. Die Kleidung
a) der Homerischen Zeit 146
b) der klassischen Zeit 150
§ 61. Die Familie 153
§ 62. Erziehung und Unterricht 155
§ 63. Bestattung und Grab 157
Abschnitt IV: Panhellenisches.
§ 64. Das Gastrecht 159
§ 65. Tempelvereine (Amphiktyonien) 161
§ 66. Staatenvereine 163
§ 67. Nationalfeste 168
§ 68. Die olympische Feier 169
Abschnitt V: Klassische Ruinenstätten.
§ 69. Tiryns und Mykenä 176
§ 70. Die Akropolis von Athen 183
§ 71. Olympia 194
§ 72. Pergamon 200
Alphabetisches Register, deutsches 208
––, griechisches 215

[pg 8]

Verzeichnis der Vollbilder.

  Seite
Zuschauerraum und Orchestra des Theaters von Epidauros (Titelbild)
Auswahl griechischer Silbermünzen 99
Grundriß des Theaters von Epidauros 127
Duris-Schale 133
Die Tracht der Homerischen und der klassischen Zeit 147
Plan von Tiryns 179
Plan der Akropolis von Athen 185
Plan von Olympia 195
Plan von Pergamon 201

[pg 9]

Literatur.

(Vgl. Hübner, Bibliographie der klassischen Altertumswissensch., Berlin 1889.)

Pauly, Realenzyklopädie der klass. Altertumswissenschaft. Herausgegeben von G. Wissowa, Stuttgart 1893 ff.
Daremberg et Saglio, Dictionnaire des antiquités grecques et romaines, Paris 1877 ff.
Baumeister, A., Denkmäler des klassischen Altertums. 3 Bde., München und Leipzig 1885, 1887, 1888.
Schreiber, Th., Kulturhistor. Atlas, I. Griechen u. Römer, Leipzig, 2. Aufl. 1888.
I. v. Müller, Handb. der klass. Altertumswissen., Nördlingen-München 1886 ff.
Band I. Einleitende und Hilfs-Disziplinen (Metrologie v. H. Nissen), 2. Aufl. 1892.
"    III. Hellenische Landeskunde u. Topographie v. H. G. Lolling, 1889.
"    III. 2, 2. Topographie von Athen von W. Judeich, 1905.
"    III. 4. Grundriß der griech. Gesch. v. R. Pöhlmann, 2. Aufl. 1896.
"    IV. 1, 1. Die griechischen Staats- u. Rechtsaltertümer v. G. Busolt, 2. Aufl. 1892.
"    IV. 1, 2. Die griechischen Privat- und Kriegsaltertümer von I. v. Müller und Ad. Bauer, 2. Aufl. 1893.
"    V. 3. Griechische Kultusaltertümer von P. Stengel, 2. Aufl. 1898.
"    VI. Archäologie. Nebst Anhang über die antike Numismatik von K. Sittl, 1895.
Hermann, K. Fr., Lehrbuch der griech. Antiquitäten, neu herausgegeben von Blümner und Dittenberger, Freiburg 1882 ff.
Band I. 1. Staatsaltertümer von V. Thumser, Abt. 1, 2, 1889, 1892.
"    II. 1. Rechtsaltertümer von G. Thalheim, 4. Aufl. 1895.
"    II. 2. Kriegsaltertümer von H. Droysen 1889.
"    III. 2. Bühnenaltertümer von A. Müller 1886.
"    IV. Privataltertümer von H. Blümner 1882.
Schömann, G. F., Griechische Altertümer, 4. Aufl. Neu bearbeitet von J. H. Lipsius, 2 Bde., Berlin 1897–1902.
Neumann u. Partsch, Physik. Geogr. v. Griechenland, Breslau 1885.
Philippson, A., Der Peloponnes. Berlin 1892.
Bursian, C., Geographie von Griechenland, 2 Bde., Leipzig 1862–72.
Curtius, E., Peloponnesos, 2 Bde., Gotha 1851–52.
Duncker, M., Geschichte des Altertums, Bd. 5–9, Leipzig 1881–86.
Meyer, Ed., Geschichte des Altertums, Bd. 3 ff., Stuttgart 1901 f.
Beloch, J., Griechische Geschichte, 3 Bde., Straßburg 1893–1904.
Busolt, G., Griechische Geschichte, 3 Bde., 2. Aufl., Gotha 1893–1904.
Curtius, E., Griechische Geschichte, 3 Bde., 6. Aufl., Berlin 1887–89.
Grote, G., History of Greece. New. edit. London 1869–70, 12 Bde. Deutsch, 2. Aufl., 6 Bde., Berlin 1880–82.
Holm, Ad., Griechische Geschichte, 4 Bde., Berlin 1886–94.
Niese, B., Geschichte der griech. und maked. Staaten seit der Schlacht bei Chäronea, 3 Bde., Gotha 1893–1903.
Gilbert, G., Handbuch der griech. Staatsaltert., Leipzig, Bd. I² 1893, II 1885.
Meier u. Schömann, Der attische Prozeß. Neu bearbeitet von Lipsius, Berlin 1883–87.
Böckh, A., Die Staatshaushaltung der Athener, 3. Aufl., bes. v. Fränkel, Berlin 1886.
Hultsch, Fr., Griech. u. römische Metrologie, 2. Bearb., Berlin 1882.
Head, Historia nummorum. Manual of greek numismatics. Oxford 1887.
Mionnet, Description of médailles antiques grecques et romaines, 16 Bde., Paris 1807–37.
Mommsen, A., Chronologie. Untersuchungen über das Kalenderwesen der Griechen, Leipzig 1883.
Mommsen, A., Feste der Stadt Athen im Altertum, Leipzig 1898.
Rohde, E., Psyche, Seelenkult und Unsterblichkeitsglauben der Griechen, Freiburg i. B., 2. Aufl. 1898.
Dörpfeld, W., Das griechische Theater, Athen 1896.
Puchstein, O., Die griechische Bühne, Berlin 1900.
Rüstow u. Köchly, Geschichte des griech. Kriegswesens. Aarau 1852.
Guhl u. Koner, Leben der Griechen u. Römer, 6. Aufl. von R. Engelmann, Berlin 1893.
Ménard et Sauvageot, La vie privée des anciens, 4 voll., Paris 1880–83.
Blümner, H., Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern, 4 Bde., Leipzig 1875–87.
– Das Kunstgewerbe im Altertum, 2 Abt., Leipzig u. Prag 1885.
– Leben und Sitten der Griechen, 3 Abt., Leipzig u. Prag 1887.
Durm, Die Baukunst der Griechen, 2. Aufl., Darmstadt 1892.
Helbig, W., Das homerische Epos aus den Denkmälern erläutert, 2. Aufl., Leipzig 1887.
Studniczka, Beiträge zur Geschichte der altgriech. Tracht, Wien 1885.
Genick, Griechische Keramik, Berlin 1883.
Lau, Th., Die griechischen Vasen, Leipzig 1877.
Dumont et Chaplain, Les céramiques de la Grèce propre, Paris 1881 ff.
Furtwängler, A., und C. Reichhold, Griechische Vasenmalerei. Auswahl hervorragender Vasenbilder. München 1904 ff.
Grasberger, Erziehung u. Unterricht im klass. Altertum, Würzburg 1864–81.
Schuchardt, Schliemanns Ausgrabungen, 2. Aufl., Leipzig 1891.
Schliemann, H., Tiryns, Leipzig 1886.
Curtius, E., Die Stadtgeschichte von Athen, Berlin 1891.
Wachsmuth, C., Die Stadt Athen im Altertum, Bd. I 1874, II, 1. 1890.
Olympia, Die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabungen Hsg. v. E. Curtius und Fr. Adler. Bd. 1–5, Berlin 1890–96.
Bötticher, Ad., Olympia, das Fest und seine Stätte, 2. Aufl., Berlin 1886.
Ussing, J. L., Pergamos. Seine Geschichte und Monumente. Berlin u. Stuttgart 1899.
Altertümer von Pergamon. Band II, Das Heiligtum der Athena Polias Nikephoros von R. Bohn, Berlin 1885. Band IV, Die Theaterterrasse von R. Bohn 1896. Band V, Das Trajaneum von H. Stiller 1895. Bd. VIII, Die Inschriften von P. von M. Fränkel 1890–95.

[pg 11]

Einleitung.

§ 1. Begriff der griechischen Altertumskunde.

Die griechische Altertumskunde will ein Bild des öffentlichen wie häuslichen Lebens der alten Griechen nach seiner durch die Eigentümlichkeit von Land und Leuten gegebenen Grundlage, seiner zeitlichen Entwicklung wie örtlichen Verschiedenheit innerhalb der einzelnen Staaten geben. Indem sie die Formen dieses Lebens als Einrichtungen und Zustände ins Auge faßt, zeichnet sie den Schauplatz, auf welchem die Personen handeln und die Ereignisse sich abspielen, welche den Inhalt der Geschichte ausmachen. Weil nun aber die Überlieferung eine sehr ungleichmäßige und lückenhafte ist, so kann die Darstellung nicht bei allen Staaten und Zeiträumen gleichmäßig verweilen; sie wird sich da reicher gestalten, wo der Strom jener Überlieferung reicher fließt, oder wo die geschichtliche Anteilnahme eine lebhaftere ist.

So gebietet die Beschaffenheit unserer Quellen die Beschränkung auf die beiden Städte, welche in der Geschichte Griechenlands die hervorragendste Rolle gespielt und die Eigenart der beiden Hauptstämme, des ionischen und dorischen, am schärfsten ausgeprägt haben: Athen und Sparta. Und auch hier können wir nicht die gesamte Kulturentwicklung von ihren Anfängen bis zum schließlichen Absterben genauer verfolgen, sondern müssen uns in der Hauptsache mit einer näheren Betrachtung der eigentlich „klassischen“ Zeit des griechischen Altertums, des 5. und 4. Jahrhunderts vor Chr. begnügen.

[pg 12]

§ 2. Die Quellen der griechischen Altertumskunde1.

Unsere Kenntnis des griechischen Altertums schöpfen wir teils aus literarischen, teils aus monumentalen Quellen.

Die ersteren beginnen mit dem Homerischen Epos, das ein anschauliches Bild der Kultur jenes Zeitalters vor unsern Augen aufrollt. Über die weitere Entwicklung der staatlichen Institutionen geben uns die Historiker (Herodot, Thukydides, Xenophon, Polybius, Diodor, Plutarch u. a.) und Redner (Lysias, Isokrates, Demosthenes, Äschines usw.) einzelne Nachrichten, eine zusammenhängende Darstellung lieferte Aristoteles in seiner Politik und seinen Politeiai (s. § 22). Für die Kenntnis des Privatlebens der Griechen ist die alte Komödie (Aristophanes) eine Hauptquelle. Viele wertvolle Einzelnotizen über alle Gebiete des antiken Lebens finden wir endlich in den alten Kommentaren oder Scholien und lexikographischen Werken (Suidas, Hesychius, Harpokration, Stephanus von Byzanz u. a.).

Die zweite Gattung bilden die monumentalen Quellen. In besonderem Maße gilt von dem griechischen Altertum das Dichterwort:

„Könnte die Geschichte davon schweigen,
Tausend Steine würden redend zeugen,
Die man aus dem Schoß der Erde gräbt.“

Als solche Zeugen sprechen zu uns die aus dem Schutt der Jahrtausende ans Licht geförderten Ruinen von Troja, Mykenä und Tiryns, von Olympia, Delphi und Pergamon, es sprechen zu uns die unsterblichen Denkmäler der Akropolis von Athen, alle die zahlreichen uns erhaltenen Schöpfungen der Architektur, Plastik und Malerei wie des Kunsthandwerks. [pg 13]Die in Tausenden von Inschriften auf uns gekommenen authentischen Urkunden geben uns über das staatliche Leben wichtige unmittelbare Aufschlüsse; wir lesen hier Volks- und Ratsbeschlüsse, sakrale Verordnungen, Verträge, Bauinschriften, Freilassungsurkunden, öffentliche Rechnungen, Schatz- und Tributlisten, Verzeichnisse der Archonten, Prytanen, Kultbeamten, Sieger, Epheben usw. Von ähnlicher Bedeutung für unsere Kenntnis des privaten Lebens (besonders Kostümkunde) sind die in reicher Fülle erhaltenen Vasenbilder, welche die mannigfachsten Stoffe und Erscheinungen des täglichen Lebens darstellen.

Endlich ist auch noch das Leben der heutigen Neugriechen zur Vergleichung beizuziehen, das manche Rückschlüsse auf das Altertum gestattet, insofern besonders bei dem niederen Volke manche Sitten und Gebräuche des Altertums bis auf den heutigen Tag sich getreu erhalten haben.

I. Abschnitt.

Land und Volk von Hellas.

A. Das Land.

§ 3. Orographie des europäischen Hellas.

Die starke Gliederung, welche für ganz Europa charakteristisch ist, erreicht in seinem südöstlichen Vorsprung ihren höchsten Grad. Der massige Rumpf der Balkanhalbinsel setzt sich in der schmäleren Halbinsel „Griechenland“ fort, welche, an Größe etwa dem Königreich Bayern gleichkommend, sich zwischen dem Ionischen und Ägäischen Meer weit nach Süden erstreckt, von zahlreichen Buchten zerschnitten und von einem bunten Kranz von Inselgruppen umgeben. Ebenso abwechslungsreich wie die horizontale Gliederung ist [pg 14]die vertikale Gestaltung. Das Land ist zum größten Teil von Gebirgen erfüllt, welche die Ebenen an Ausdehnung weit übertreffen. Die Gebirge Griechenlands bestehen teils aus kristallinischen Schiefern und Marmoren (vornehmlich auf der Ostseite: Kambunische Berge, Olymp, Ossa, Pelion, das südliche Euböa, die größten Teile von Attika und Lakonien, die Kykladen, zum Teil auch Kreta), teils aus Sedimentgesteinen der Kreide- und Eozänformation (überwiegend Kalksteine).

Diese Gesteine sind stark gefaltet und zu Gebirgen aufgerichtet. Man unterscheidet zwei Faltengebirgssysteme: 1) das große dinarische Gebirgssystem, welches mit einem Faltenbau von ausgesprochenem Parallelismus von NNW. nach SSO. streicht und den ganzen westlichen Teil der Balkanhalbinsel bis zur Südspitze durchzieht;

2) die ostgriechischen Gebirge, welche, in nach N. geöffnetem Bogen von W. nach O. streichend, quer gegen die Ostküste Griechenlands auslaufen. Die östliche Küste ist daher weit reicher gegliedert und aufgeschlossen als die westliche, welche den dinarischen Gebirgszügen parallel läuft.

Vulkanische Massen sind da und dort (Thera, jetzt Santorin, dessen Vulkan noch heutzutage zeitweise tätig ist, Melos, Kalauria, Methana, Ägina) zum Ausbruch gekommen, und es treten vielfach heiße Quellen („Bäder des Herakles“ zu Ädepsos auf Euböa, Thermopylen u. a. m.) und Gasausströmungen (Mosychlos auf Lemnos, Solfatara von Susaki) auf.

Beim akrokeraunischen Vorgebirge tritt das dinarische Gebirgssystem in das westliche Nordgriechenland ein; ganz Epirus ist erfüllt von jenen parallel gerichteten Höhenzügen mit langgestreckten Talmulden dazwischen. In engen Schluchten durchbrechen die Flüsse mit Zickzackwin[pg 15]dungen die Gebirgszüge, um von einer Mulde zur anderen zu gelangen. Es ist eine wilde Gebirgslandschaft, welche nur an der Küste kleine Ebenen besitzt. Die östlichsten dieser Bergkämme werden als Pindos (höchster Gipfel 2336 m) zusammengefaßt, im W. von dem tiefen Tal des Arachthosflusses, im N. durch den Lakmonpaß begrenzt, der Länge nach in wilder Engschlucht durchflossen vom größten Flusse Griechenlands, dem Acheloos. Nach O. fällt der Pindos zum Tiefland von Thessalien ab, das rings von Gebirgen umwallt ist: im O. von den kristallinischen Gebirgen Olympos (2985 m), (dem höchsten Berg der hellenischen Welt und daher Sitz der Götter), Ossa, Pelion, welche im N. durch die wenig bekannten kambunischen Berge, im S. durch den Othrys mit dem Pindos verbunden sind. Eine niedrige Hügelkette scheidet das Innere des Beckens in zwei selbständige, äußerst fruchtbare Ebenen, die größten Griechenlands. Zwei Ausgänge führen aus diesen zum Meer: zwischen Olymp und Ossa bricht der Abfluß des Tieflandes, der thessalische Peneios, in dem vielgerühmten Engpaß Tempe durch; zwischen Pelion und Othrys dringt das Meer als Pagasäischer Golf tief ins Innere ein.

Gegen S. folgt eine Einschnürung des Festlandes durch zwei Golfe (den Malischen und den von Ambrakia), welche Nord- und Mittelgriechenland scheiden. Die westlichen Landschaften des letzteren (Akarnanien und Ätolien) enthalten die Fortsetzung der Bergzüge von Epirus, ein rauhes, schluchtenreiches Gebirgsland, durchströmt vom Acheloos, der mit sumpfiger Deltaebene in den Golf von Paträ mündet.

In den östlichen Landschaften (Lokris, Doris, Phokis, Böotien, Attika) findet sich eine doppelte Reihe östlich streichender Bergzüge: im N. Öta (2158 m) und Knemis 924 m), im S. Ghiona (2512 m), Parnaß (2459 m), [pg 16]Helikon (1749 m), Kithäron (1411 m) und Parnes (1412 m). Zwischen beiden Reihen liegt die böotische Tiefebene mit dem Kephissos, der in den Sumpf Kopais mündet. Letzterer hat nur unterirdische Abflüsse, die Katavothren.

Die Fortsetzungen beider Gebirgsreihen nach O. bilden die große Gestade-Insel Euböa (Dirphys 1745 m), welche vom Festland durch einen Meeresarm getrennt ist, der an seiner schmalsten Stelle (Euripos) nur etwa 45 Schritte breit ist. An die südliche Kette schließen sich die kristallinischen Gebirge von Attika an: Pentelikon (1109 m), Hymettos (1027 m) und die Berge von Laurion. Zwischen diesen liegen die drei kleinen attischen Ebenen.

Mittelgriechenland wird von dem südlich vorlagernden Peloponnes geschieden durch einen tiefen Graben, welcher fast ganz vom Meer bedeckt ist: von W. treten der Golf von Paträ, die Straße von Naupaktos, der Golf von Korinth, von O. der Saronische Golf in den Graben ein. Nur eine schmale, niedrige Landbrücke verbindet beide Länder: der aus jungen gehobenen Meeresablagerungen bestehende Isthmus von Korinth. Südlich steigen aus dem Graben die Gebirge des Peloponnes in steilen Terrassen jugendlicher Ablagerungen auf (Achaja). Der mittlere und westliche Teil der peloponnesischen Gebirge gehört dem großen dinarischen Gebirgssystem an und setzt mit seinen von NNW. nach SSO. gerichteten Bergzügen das akarnanisch-ätolische Gebirge fort: die höchsten Spitzen, zunächst dem Korinthischen Golf und der Terrassenlandschaft Achaja, heißen: Erymanthos (2224 m), Aroania (2355 m) und Kyllene (2374 m). An die beiden letzten hängen sich die parallel gerichteten Höhenzüge, welche das Hochland von Arkadien bilden, in dessen östlichen Teil mehrere fruchtbare Ebenen eingesenkt sind, welche durch Katavothren entwässert werden. Nach SO. setzt sich dieses [pg 17]Hochland in dem breiten Höhenwall Parnon fort, der im Kap Malea ausläuft. Im S. des Erymanthos dagegen sind die Gebirge durch bewaldete Hochebenen unterbrochen, welche von tiefen Tälern zerschnitten sind, so von dem Tal des elischen Peneios und dem des Alpheios, deren Unterläufe die fruchtbare Schwemmlandebene von Elis durchziehen. Jenseits dieser Unterbrechung findet der Erymanthos seine Fortsetzung in den weit niedrigeren Gebirgen von Triphylien und Messenien. Zwischen diesen und dem Parnon erhebt sich als mächtige Aufwölbung der überwiegend kristallinische Taygetos (2409 m), der in der äußersten Südspitze Griechenlands, dem Kap Tänaron, endigt. Rings um denselben breiten sich drei durch niedrige Schwellen verbundene Becken aus: Messenien mit dem Pamisos, Lakonien mit dem Eurotas, und die Landschaft von Megalopolis mit dem oberen Alpheios. Gebirge mit west-östlicher Streichrichtung hat der Peloponnes nur in der Halbinsel Argolis (Arachnäon); diese werden nach W. von den arkadischen Gebirgen geschieden durch die Tiefebene von Argos mit dem Inachos und durch den Golf von Nauplia.

Das griechische Festland ist im W. begleitet von der Kette der Ionischen Inseln, welche sich in ihrem Baue als Glieder des festländischen Gebirges kundgeben; im O. finden wir Euböa, ebenfalls ein losgelöstes Stück des Festlandes, die nördlichen Sporaden und die Kykladen. Dieser Archipel wird im S. geschlossen durch das langgestreckte Kreta, das den Parnon mit dem kleinasiatischen Tauros zu verbinden scheint.

§ 4. Hydrographie.

Die Gebirge Griechenlands sind meist felsig und unfruchtbar, da durch den Wechsel von trockener und [pg 18]regenreicher Jahreszeit die Entstehung einer zusammenhängenden Decke von Verwitterungslehm verhindert wird. Daher sind meist nur die Talauen und vereinzelte Gehänge dem Anbau zugänglich. Am ungünstigsten für den Pflanzenwuchs zeigt sich der Kalkstein, welcher alles Wasser in die Tiefe versinken läßt, wo es durch ein Netz unterirdischer Wasserläufe abfließt, um an andern Stellen in mächtigen Quellen zutage zu treten. Günstigere Bedingungen bieten der Pflanzenwelt die Schiefergebirge, welche das Wasser an der Oberfläche abfließen lassen. Die Wasserläufe sind fast sämtlich Wildbäche, die gewöhnlich ganz trocken liegen, dagegen zuzeiten gewaltig anschwellen. Diese Bäche haben durch ihren Schutt und Schlamm die Ebenen gebildet, welche meist von geringer Ausdehnung, aber von um so größerer Fruchtbarkeit sind und die Mittelpunkte der geschichtlichen Entwicklung bilden. Heute sind dieselben infolge von Versumpfung ungesund und weniger bevölkert als im Altertum.

§ 5. Klima und Pflanzenwuchs.

Das Klima trägt das Gepräge der mediterranen Klimazone, und zwar des östlichen kontinentaleren Teiles derselben. Die Hitze erreicht im Sommer einen sehr hohen Grad (Juli Mitteltemperatur in Athen 27° C.); der Winter dagegen ist ziemlich kühl (Januarmittel in Athen 8° C.); so daß die Extreme weit auseinander liegen (+40½ und −6½° C.). Ebenso bedeutend sind die täglichen Wärmeunterschiede zwischen Tag und Nacht, Sonne und Schatten. Nachtfrost kommt jeden Winter einigemal vor. Schnee fällt im Meeresniveau in Nord- und Mittelgriechenland wiederholt, im Peloponnes dagegen äußerst selten und bleibt kaum einige Tage [pg 19]liegen. In den Gebirgen aber fallen beträchtliche Schneemassen, die sich auf den höchsten Gipfeln fast das ganze Jahr hindurch halten. Charakteristisch für das Klima ist insbesondere die Regenlosigkeit des Sommers. Regen fällt in der Zeit von Mitte September bis Mitte Mai, während in den Sommermonaten im Tieflande auch kurze Regenschauer selten sind. Es herrschen nämlich in dieser Zeit die Etesien, trockene, sehr regelmäßige Nordostwinde. Im Gebirge fallen übrigens auch im Sommer je höher desto mehr Niederschläge. Außerdem ist die Regenmenge im westlichen Griechenland bedeutender als im östlichen (Athen 385 mm, Patras 727 mm); aber die Sommermonate sind im W. ebenso regenarm wie im O. Infolge dieser Sommerdürre ist der jährliche Entwicklungsgang des Pflanzenwuchses von dem unserer Heimat ganz verschieden. Die einjährigen Pflanzen haben dank der milden Wintertemperatur ihre Vegetationsperiode im Winter und im Frühjahr. Im Sommer ruht das Wachstum derselben, die meisten verdorren und verschwinden vollständig (Getreideernte Ende Mai). Die perennierenden Pflanzen sind behufs Überdauerung des Sommers vielfach durch eigentümliche Organisation geschützt, z. B. durch lederartige Beschaffenheit der immergrünen Blätter. Wald findet sich in den tieferen Regionen nur in den lichten Beständen der Aleppokiefer und der Knoppereiche, in der höheren Region herrscht der Tannenwald, im W. der Eichenwald bereits auf mittlerer Höhe. Aber diese schon bei 700 m beginnenden Bergforsten sind seit dem Altertum fortdauernd verwüstet worden. Die höheren Gipfel über 2000 m ragen über die Baumgrenze empor und tragen nur alpine Krautpflanzen, welche im Sommer von den Schafherden abgeweidet werden.

[pg 20]

§ 6. Gaben des Bodens.

Ist auch das anbaufähige Land nicht sehr ausgedehnt, so besitzt es dafür zum Teil eine außergewöhnliche Fruchtbarkeit. Da das günstige Klima den Anbau selbst auf geringerem Boden lohnend macht, so vermag Griechenland eine starke Bevölkerung zu ernähren. Hatte doch Griechenland in klassischer Zeit auf 1000 □Meilen 200 000 Waffenfähige, also 1½ Millionen Einwohner, dazu fast dreimal so viel Sklaven, eine Bevölkerungsziffer, welche freilich seit Alexander d. Gr. fortwährend zurückging, so daß Plutarch (100 n. Chr.) noch 3000 Waffenfähige zählte. Jetzt besitzt das Königreich Griechenland auf 65 000 qkm (ca. 1200 □Meilen) 2½ Millionen Einwohner.

Die Erzeugnisse des Ackerbaus, der hier stets die erste Quelle der Volksernährung bildete, sind heutzutage noch mannigfaltiger als im Altertum, da seitdem eine Anzahl von Kulturpflanzen neu eingeführt worden ist (Mais, Korinthen, Orangen, Tabak, indischer Hanf, Opuntien). In erster Linie steht das Getreide, besonders Weizen und Gerste. Aber nur wenige Landschaften, so Thessalien, Böotien und Messenien, erzeugten den eigenen Bedarf; Attika, das zum Beispiel 328 v. Chr. bei schlechter Ernte nur 360 000 Scheffel Gerste und 40 000 Scheffel Weizen erzeugte, mußte seit dem Peloponnesischen Krieg die Hälfte seines Bedarfs aus den Bosporusländern und Ägypten einführen. Dem Getreide steht zunächst der Wein, der überall bis in die Gebirge hinauf vorzüglich gedeiht. Unter den Bäumen ist an erster Stelle der zahme Ölbaum zu nennen, aus Syrien eingeführt, der zwar nur in der tiefen Zone, hier aber selbst auf steinigem Boden gedeiht. In alter Zeit sind aus Asien nach Griechenland verpflanzt worden: Kirschen, Pflaumen, Zitronen, Pfirsiche, Feigen [pg 21](in Attika), Birnen (in Argos), Quitten, Granatäpfel, Mandeln, Kastanien (auf Euböa), Walnüsse, die Palme (auf Delos), die Zypresse. Technisch wichtig sind neben dem Hanf die Baumwolle und der Maulbeerbaum2. Der Viehzucht dienten ausgedehnte Berghalden. Heutzutage ist nur die Zucht von Schafen, Ziegen und Schweinen von Bedeutung, während einstens auch Großvieh und Pferde fleißig gezüchtet wurden. Die Griechen waren im allgemeinen Vegetarianer; sie genossen Fleisch gewöhnlich nur bei Opferfesten und konnten den reichlicheren Fleischgenuß der Spartaner nicht verstehen. Die Wälder lieferten früher verschiedene für die Architektur und den Schiffsbau nutzbare Holzarten und waren von jagdbarem Schwarz- und Rotwild bevölkert. Aus dem Meer gewann man mannigfache Arten von Fischen, Konchylien, Schwämme und in Lakonien die kostbare Purpurschnecke.

Von Mineralien ist der silberhaltige Bleiglanz bemerkenswert, der von den Alten zur Silbergewinnung im Lauriongebirge und auf Euböa abgebaut wurde. Kupfer wurde z. B. auf Euböa und bei Lamia gewonnen; wichtiger waren die Eisenerze Lakoniens (daher das Eisengeld der Spartaner), Schwefel und Alunit bot Melos, Naxos den Smirgel, Kimolos die Siegelerde.

Von größter Bedeutung aber ist das vortreffliche Tonmaterial in Attika, Böotien, Megara und auf Ägina sowie der Reichtum des Landes an vorzüglichen Bausteinen. Der weit verbreitete tertiäre Kalksandstein (Poros) bot ein leicht zu bearbeitendes Material für geringere [pg 22]Bauten; der edelste Stoff aber war der Architektur wie der Plastik in den reichlich zutage liegenden Marmoren der verschiedensten Farben und Arten geboten (auf Paros, am Pentelikon, Hymettos, Taygetos, bei Karystos, in Thessalien und Arkadien).

§ 7. Bedeutung des Landes für die Kultur seiner Bewohner.

Nicht mühelos schenkt hier die Natur dem Menschen überreiche Erzeugnisse, aber sie gewährt der Arbeit vielseitige Anregung und reichlichen Lohn. Fast alle Zweige menschlicher Tätigkeit finden bei der Vielgestaltigkeit des Bodens und der Mannigfaltigkeit seiner Gaben eine Stätte. Die vielgestaltige Gliederung des Bodens veranlaßte eine ungemeine Mannigfaltigkeit in der Eigenart der Landschaften wie ihrer Bewohner, ohne doch einen befruchtenden Verkehr zwischen denselben zu hindern. Denn die Zerstückelung der Gebirge öffnet dem Landverkehr fast überall unschwer zu überschreitende Pässe, während die tief eindringenden Meeresbuchten fast alle Landesteile dem Seeverkehr zugänglich machen. Zu allen Zeiten ist die Schiffahrt das erste Verkehrsmittel in Griechenland gewesen. Unterstützt von dem Hafenreichtum der Küste und der Regelmäßigkeit der Windströmungen, verband sie die einzelnen Landschaften nicht nur unter sich, sondern auch mit dem Ausland. Auf dem Seeweg hat sich die griechische Kultur über alle Länder des Mittelmeeres ausgebreitet.

B. Das Volk.

§ 8. Vorgeschichte der Griechen.

Kein Volk kennt seine Jugendgeschichte. Sind die Völker auf den Schauplatz der Weltgeschichte getreten, so lassen neue große Aufgaben sie ihre stillere Vorzeit ver[pg 23]gessen. Und doch bringen sie aus derselben neben mannigfachen technischen Fertigkeiten große geistige Besitztümer mit: die Sprache, einen Kreis alter Sagen, wie bestimmte Formen der Götterverehrung. Die Vergleichung der Sprachen läßt erkennen, daß die Griechen einen Zweig jener großen Völkerfamilie bilden, welcher die Inder, Iranier, Italiker, Kelten, Germanen, Litauer und Slaven angehören.

Aus der Urheimat der indoeuropäischen Völkerfamilie, als welche man früher Asien, und zwar das Gebiet des oberen Oxus und Jaxartes betrachtete, während neuerdings von den meisten die südrussische Steppe dafür angesehen wird, wanderten die Griechen höchst wahrscheinlich von N. her aus dem Donaugebiet in ihre spätere Heimat ein. Wie die große deutsche Völkerwanderung im Beginn des Mittelalters, so vollzog sich auch die Wanderung der griechischen Stämme innerhalb großer Zeiträume in mehreren Stufen; das Vordringen der Einwanderer wurde durch die vielfachen Gebirgsriegel aufgehalten, welche den S. der Balkanhalbinsel gegen N. abschließen.

Als älteste Bevölkerung Griechenlands nennt die sagenhafte Überlieferung die von Herodot bis auf die neueste Zeit vielumstrittenen Pelasger3, ferner die Leleger, Kadmeer, Abanten u. a.; ein geschichtliches Volk waren ohne Zweifel die Minyer, welche durch gewaltige, jüngst wieder aufgedeckte Deich- und Kanalbauten weite Flächen Böotiens urbar machten. Einen überraschenden Einblick in die griechische Kultur der ältesten Zeit, welche als die mykenäische Periode bezeichnet wird, gewähren uns die in den letzten Jahrzehnten von Schliemann in Mykenä, Tiryns (s. § 69) und Orchomenos unternommenen Aus[pg 24]grabungen. Sie belehren uns, daß jene Kultur unter despotischem Regiment hochentwickelt und derjenigen der vorderasiatischen Großstaaten nahe verwandt war. Den Griechen selbst war die Tatsache einer tiefgreifenden asiatischen Einwirkung auf ihre Kultur wohl bekannt; versuchten sie doch, dieselbe durch die merkwürdigen Erzählungen von fremden Einwanderern (Kekrops, Kadmos, Danaos, Pelops) zu erklären.

Die günstige Lage Griechenlands inmitten zweier großer Meere gestattete jederzeit mannigfache Berührung und Austausch mit fremden Kulturvölkern. Sicher war die Einwirkung der Phönizier die bedeutsamste. Diese erscheinen in der Odyssee als kühne Seefahrer, die bald Seeraub und Menschenhandel treiben, bald kostbare Kunsterzeugnisse zum Tausche anbieten.

§ 9. Ausdehnung und Gesamtname des Griechentums.

Unter dem Gesamtnamen „Griechen“ fassen wir alle jene nach Abstammung, Sprache und Lebensart sehr verschiedenen Volksstämme zusammen, welche seit dem Beginn geschichtlicher Kunde den schmäleren Südteil der Balkanhalbinsel (etwa südlich der Querlinie der Kambunischen Berge) bewohnten und von hier aus gegen Osten alle Inseln und Küstenländer des Ägäischen Meeres, gegen Westen die Südküste Italiens und Sizilien (Großgriechenland) bevölkert haben. „Alle griechischen Kolonien bespült die Welle des Meeres, und es ist den Ländern der Barbaren gewissermaßen ein Saum griechischer Erde angewebt“, sagt Cicero.

Das Gebiet, innerhalb dessen einst die griechische Zunge klang, erstreckte sich also viel weiter als das heutige Griechenland. Das Wort „Griechen“ stammt vom lateinischen [pg 25]Grai, Graici, Graeci und bezeichnete ursprünglich einen einzelnen Stamm, der im Westen Griechenlands (also den Italikern zunächst), in Südepirus saß. Die Griechen selbst nannten sich, etwa seit dem 7. Jahrh. v. Chr., Hellenes, ihr Land Hellas. Auch dieser Name bezeichnete ursprünglich eine einzelne Landschaft des südlichen Thessaliens und gewann von da aus durch den Ruhm seiner Träger (Dorier?) allgemeine Verbreitung. (Vergl. „Franken“, „Alemannen“, „Schwaben“.) Wohl haben sich die Hellenen früh als ein Volk gefühlt, durch Gemeinsamkeit des Blutes, der Sprache, der Götter und der Sitte verbunden, im Gegensatz zu den „Wirrwarrsprechenden“, den Barbaren; aber aus diesem Bewußtsein hat sich nur schwer und langsam in den Kämpfen gegen Perser und Karthager die Idee nationalen Zusammenschlusses herausgeschält. In der geschichtlichen Zeit sind die Hellenen mannigfach nach Landschaften und Stämmen gegliedert, die sich hinsichtlich der Sprache, Religion, Sitte und Kultur wesentlich voneinander unterscheiden, und dieser Verschiedenheit entsprach der staatliche Partikularismus.

§ 10. Die griechischen Stämme.

I. Ionier.

Am frühesten scheint der ionische Stamm in Griechenland ansässig geworden zu sein; beim Beginn geschichtlicher Kunde besitzt er auf dem Festland noch Attika (mit Euböa) und fast den ganzen Peloponnes. Allerdings ist wohl der Name „Ionier“ jüngeren Ursprungs und erst später vom kleinasiatischen Zweig angenommen worden. Wahrscheinlich war diesem Stamme ursprünglich der Name „Achajer“ eigen, der im Epos als Gesamtname der Hellenen erscheint. (Vergl. Amaler: Ostgoten.) Die ionische Mund[pg 26]art, welche unter ihren Schwestermundarten in sprachgeschichtlicher Hinsicht als die entwickeltste und abgeschliffenste erscheint, ist frühe die allgemeine Sprache der Dichter und Schriftsteller geworden. Innerhalb des Ionischen bildet das Attische einen besonderen Zweig von altertümlicherem Charakter.

II. Dorier.

Dem ionischen Stamm stellt Herodot in schroffer Abgrenzung den dorischen gegenüber. Dieser ist zuletzt unter allen in Griechenland eingewandert und hat allmählich die achajischen Staaten Elis, Argos, Phlius, Korinth, Sikyon, Lakonien und zuletzt Messenien durch Kampf und Vertrag unterworfen und dorisiert. Sprache und Wesen der Dorier haben ihre rauhe Ursprünglichkeit am längsten in Sparta bewahrt.

Ionische und dorische Kolonien in Kleinasien und Großgriechenland.

Durch den machtvollen Ansturm der Dorier gedrängt und wie durch einen Keil in zwei Teile gespalten, wanderte die achajische Bevölkerung des Peloponneses über das Meer nach O. und W. aus, um auf den Inseln des Ägäischen und Ionischen Meeres, an der Westküste Kleinasiens, im Süden Italiens und auf Sizilien, inmitten fremdartiger Bevölkerung, neue Wohnsitze zu erkämpfen oder friedlich zu erwerben. Später, als die dorischen Spartaner die Führerrolle im Peloponnes, ja in Griechenland errungen hatten, erinnerten sich die Kolonien des südlichen Archipels und der Südwestküste Kleinasiens ihrer Herkunft aus Lakonien und nannten sich, nachdem auch einzelne dorische Geschlechter dorther nachgewandert waren, mit Stolz „Kolonien der Dorier“.

[pg 27]

III. Äoler.

Was nicht ionischen oder dorischen Stammes war, faßten die Griechen unter dem Gesamtnamen „Äoler“ zusammen. Im engeren Sinn wurde die Bezeichnung Aiolis insbesondere auf die Kolonien der Nordwestküste Kleinasiens mit den vorgelagerten Inseln (Tenedos, Lesbos) angewandt, Kolonien, welche die Länder am Pagasäischen und Malischen Busen als ihre Urheimat bezeichneten. Die Sprache dieser kleinasiatischen Äoler, glänzend vertreten durch die Gedichte von Alkaios und Sappho, ist eine sehr altertümliche und scheint den thessalischen und böotischen Mundarten am nächsten verwandt.

II. Abschnitt.

Sparta.

§ 11. Geschichtliche Grundlagen der Verfassung Spartas.

Unter allen dorischen Staaten bildet Sparta das reinste Beispiel eines Kriegerstaates. Seine schon im Altertum vielbewunderte Verfassung beruht nach ihrer ausgeprägten Eigenart durchaus auf der besonderen Art und Weise, wie sich die dorische Eroberung im Eurotastale vollzogen hat.

Nachdem die Dorier4 von Mittelgriechenland her in den Peloponnes eingebrochen waren, setzte sich ein dorischer Heerhaufen in dem oberen Eurotastal fest, um von da aus langsam talabwärts vorschreitend in immerwährenden, viele Menschenalter hindurch fortgesetzten Kämpfen [pg 28]die mächtigen Achajerstädte der fruchtbaren Eurotasebene zu bekriegen. Dem festen Amyklä gegenüber wurde ein großer, starker Lagerplatz bezogen, aus dem das nachmalige Sparta mit seinen fünf offenen Dörfern (Pitane, Mesoa, Limnai, Kyno(s)ura und Dyme) erwuchs. Weil nun im Eurotastal der Kriegszustand zwischen Doriern und Achajern länger als irgendwo im Peloponnes, ja tief herab in die geschichtliche Zeit fortdauerte, so entwickelte sich aus der durch viele Menschenalter fortgesetzten Kriegs- und Lagergewohnheit ein Kriegerstaat, dessen Absicht nur auf stete Kampfbereitschaft gerichtet war. Seine Gemeindeverfassung, welche von derjenigen aller andern griechischen Staaten weit abwich, erschien späteren Geschlechtern als das Werk eines weisen Gesetzgebers, des Lykurg, der in Sparta göttliche Verehrung genoß.

§ 12. Periöken und Heloten.

Aus der von den einwandernden Doriern unterworfenen Bevölkerung wurden Periöken und Heloten. Die Verschiedenheit ihres Loses mag in dem kürzeren oder längeren Widerstand, den sie geleistet, ihrer freiwilligen Unterwerfung oder schließlichen Bezwingung mit Waffengewalt ihren Grund haben.

Die Periöken, die Bewohner der zahlreichen Landstädte des Eurotastals, waren ohne politische Rechte, aber persönlich frei und im Besitz und Erwerb unbeschränkt und trieben neben der Landwirtschaft eifrig Handel und Gewerbe (hauptsächlich Eisenindustrie); ihre Städte hatten wohl ein gewisses Selbstverwaltungsrecht, unterstanden jedoch der Aufsicht spartanischer Befehlshaber (Harmosten). In den Krieg hatten sie als Schwerbewaffnete mitzuziehen; so fochten bei Platää neben 5000 Spartiatenhopliten ebenso viele Periöken. Da die Zahl der vollbürtigen Spartaner [pg 29]mehr und mehr zurückging, während die Großmachtstellung Spartas immer stärkere Leistungen erforderte, so mußten die Periöken in immer größerer Zahl zum Heerdienste herangezogen werden.

Viel tiefer standen die Heloten (εἵλωτες, nach der Stadt Helos benannt, oder von ἕλος sumpfige Niederung, also die Bewohner der Eurotasniederungen, oder vom St. ἑλ = Gefangene), an die Scholle gefesselte Leibeigene des Staates, welche die Spartiatengüter, zu denen sie gehörten, zu bebauen und von dem Ertrage eine jährliche feste Abgabe an ihre Herren abzuliefern hatten; sie konnten eigenes Vermögen erwerben. Von ihren Herren durften sie weder freigelassen noch außer Landes verkauft werden. In den Krieg folgten sie den Spartiaten als Waffenknechte; so kamen bei Platää auf jeden Spartiaten 7 Heloten; auch als Leichtbewaffnete und Ruderknechte wurden sie verwendet, seit dem Peloponnesischen Kriege sogar als Hopliten. Je gefährlicher ihre Überzahl erschien, desto argwöhnischer und grausamer wurden sie von den Spartiaten behandelt. Um sie ermorden zu können, ohne dadurch eine Blutschuld auf sich zu laden, erklärten ihnen die Ephoren alljährlich bei ihrem Amtsantritt offen den Krieg. Ein förmliches Überwachungs- und Verfolgungssystem war in dem Institut der Krypteia eingerichtet. Bewaffnete junge Spartiaten durchstreiften das Land und töteten kurzerhand jeden irgendwie Verdächtigen. So ließ man während des Peloponnesischen Kriegs 2000 Heloten, die sich im Felde ausgezeichnet hatten, auf einmal spurlos verschwinden. Dieses großartig organisierte System des Massenmeuchelmords zeigt die Eigenart des vorgeschichtlichen dorischen Räuberstaates in greller Beleuchtung. Die Heloten rächten sich dafür durch furchtbare Aufstände, welche Sparta wiederholt an den Rand des Verderbens brachten.

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§ 13. Die Spartiaten.

Im Gegensatz zu der unterworfenen Bevölkerung der Heloten und Periöken nannte sich die herrschende dorische Bürgergemeinde Spartiaten, während im Verkehr mit dem Ausland die offizielle Bezeichnung des Staates Lakedaimonier war. Sie gliederte sich nach den 3 altdorischen Phylen der Hylleer, Dymanen und Pamphyler und nach 27 Phratrien. Daneben gab es eine lokale Einteilung nach 5 Phylen oder Distrikten, den oben (§ 11) genannten 5 Dörfern (κῶμαι) Spartas, von denen die 30 (?) Oben (ὠβαί) wohl Unterabteilungen waren. Das Vollbürgerrecht war nicht nur durch die Geburt, sondern auch durch die Teilnahme an der vorgeschriebenen staatlichen Erziehung und die regelmäßige Beitragleistung zu den gemeinsamen Mahlzeiten bedingt. Die Vollbürger hießen als unter sich gleichberechtigt die „Gleichen“ (ὅμοιοι), während diejenigen, welche eine der beiden letzten Bedingungen nicht erfüllten, die Klasse der Halbbürger (ὑπομείονες) mit den zivilen, aber ohne die politischen Rechte, bildeten. Jeder Spartiate war im Besitz eines Bauernguts (κλᾶρος), das aber nicht von ihm selbst, sondern von den dazu gehörigen Heloten bewirtschaftet wurde, so daß er selbst ganz seinem kriegerischen Berufe leben konnte. Nach der Überlieferung wurde das Land bei der Besitznahme durch die Eroberer in 6000 (?) Ackerlose geteilt, die im allgemeinen annähernd gleich groß waren und von ihren jeweiligen Inhabern nicht veräußert werden durften. Im Lauf der Zeit entwickelte sich jedoch naturgemäß eine Ungleichheit des Besitzes, die zwar bei der fortschreitenden Gebietserweiterung Spartas durch Teilung des neugewonnenen Landes (z. B. Messeniens durch Polydor) wohl teilweise wieder ausgeglichen wurde, aber doch immer wieder und zwar in verstärktem Maße zutage trat, so daß auch in Sparta der [pg 31]Gegensatz von reich und arm entstand. Dieser Prozeß wurde noch befördert durch das Gesetz des Ephoren Epitadeus, welches jedem gestattete, auch bei vorhandener Nachkommenschaft sein Gut schon bei Lebzeiten zu verschenken oder testamentarisch jedem beliebigen zu vermachen; unter der Form der Verschenkung oder Vererbung verbarg sich von jetzt an häufig ein tatsächlicher Verkauf des Guts. So kam schließlich der ganze Grundbesitz in die Hände weniger Personen, die ein üppiges Leben führten, während viele verarmte Spartiaten die Beiträge für die Syssitien nicht mehr aufbringen konnten und infolgedessen ihr Bürgerrecht verloren.

Die Anhäufung einer größeren Zahl von Landgütern in den Händen einzelner Personen stand in engem Zusammenhang mit der Hauptkalamität Spartas, der stetigen Verminderung der Kopfzahl der Spartiaten. Aus Mangel an Männern ist Sparta zugrunde gegangen, sagt Aristoteles. Während Neuaufnahmen von Bürgern in Sparta so gut wie gar nie vorkamen, schmolz durch die Verluste in den andauernden Kriegen die Zahl der Vollbürger immer mehr zusammen, ein Prozeß, der sich weder durch Vergünstigungen für solche, welche 3 oder 4 Söhne hatten, noch durch Bestrafung derer, die gar nicht oder zu spät heirateten (δίκη ἀγαμίου, ὀψιγαμίου), aufhalten ließ. Während es zur Zeit der Perserkriege noch 8000 Spartiaten gab, belief sich ihre Zahl im Jahre 371 auf kaum mehr als 1500; Aristoteles berechnet für seine Zeit (etwa 330 v. Chr.) nicht ganz 1000 Spartiaten; bei dem Regierungsantritt Agis’ IV. (243 v. Chr.) waren es noch 700, von denen etwa 100 im alleinigen Besitz von Grund und Boden waren.

Je mehr aber diese Ungleichheit des Besitzes dem altspartanischen Grundsatz gleicher Lebensführung und Bürgerpflicht widersprach, desto lebhafter mußte sich einem Patrioten der Gedanke aufdrängen, daß es einst, zu Lykurgs Zeiten, [pg 32]besser gewesen sei, indem damals alle gleiche Ackerlose gehabt hätten. So unternahm es König Agis IV., „die lykurgische Verfassung wiederherzustellen“, indem er alles Ackerland für die Spartaner in 4500 Lose teilte; ihre Zahl sollte durch Aufnahme von Periöken ergänzt werden. Allein der wohlgemeinte Versuch scheiterte am Widerstand der Besitzenden, und der hochherzige König büßte mit dem Tode. Was er gewollt, gelang dem energischeren König Kleomenes (seit 235 v. Chr.), der die Ephoren ermordete, Ephorat und Gerusie abschaffte, alle Schulden aufhob, das Land neu verteilte und die Zahl der wehrfähigen Bürger durch Aufnahme von Periöken auf 4000 brachte; aber nach der unglücklichen Schlacht bei Sellasia (221 v. Chr.) hob der Sieger Antigonos von Makedonien alle Neuerungen des Kleomenes wieder auf – und Spartas Anteil an der Geschichte ist zu Ende.

§ 14. Das Königtum.

Vielleicht die auffallendste Erscheinung der spartanischen Verfassung ist das Doppelkönigtum. Wir finden in Sparta zwei Königshäuser, die Agiaden und die Eurypontiden, welche als ihre mythischen Stammväter den Eurysthenes und Prokles nannten. Da ein solches Doppelkönigtum dem Wesen des Kriegerstaates offenbar widerspricht, so hat man neuerdings vermutet, dasselbe sei das Ergebnis des Vergleichs zweier Fürstengeschlechter, welche an der Spitze von zwei verschiedenen (dorischen oder einer dorischen und einer achäischen?) Gemeinden gestanden seien. Nach Aristoteles läge die Absicht zugrunde, durch die aus dieser „Diarchie“ entspringende Rivalität der beiden Häuser Übergriffe des Königtums zu verhindern. Tatsächlich waren die beiden Königsgeschlechter, deren Trennung geflissentlich aufrecht erhalten wurde, und welche deshalb voneinander gesonderte Woh[pg 33]nungen, gottesdienstliche Funktionen und Grabstätten hatten, fast immer im Streite miteinander. Zur Erbfolge war in erster Linie der nach der Thronbesteigung des Vaters zuerst geborene Sohn berechtigt; war kein Sohn da, so ging die Regierung auf den nächsten männlichen Agnaten über, der auch im Fall der Minderjährigkeit des Thronfolgers als dessen Vormund (πρόδικος) die Regentschaft zu führen hatte.

Die spartanischen Könige mit dem offiziellen Titel Archagetai (ἀρχαγέται) waren ursprünglich ebenso wie die Könige des Homerischen Zeitalters (vgl. § 21) oberste Kriegsherren, Richter und Priester, wurden aber mit der Zeit in ihren Rechten mehr und mehr beschränkt und verloren ihre leitende Stellung im Staate an die zu immer größerer Macht gelangenden Ephoren.

Als Oberpriester brachten sie für den Staat die regelmäßigen Opfer im Frieden wie bei den Feldzügen dar und vermittelten durch je zwei von ihnen erwählte Pythioi den Verkehr mit dem delphischen Orakel. Von der richterlichen Gewalt, die fast ganz auf die Ephoren und die Gerusie überging, verblieb ihnen die Entscheidung familienrechtlicher Streitigkeiten, besonders betreffs der Verheiratung verwaister Erbtöchter; auch stand ihnen die Bestätigung der Adoptionen zu, eine wichtige Funktion in der festgeschlossenen Adelsgemeinde. Als oberste Kriegsherren hatten sie ursprünglich das Recht der Kriegserklärung, das später die (in ihren Entschließungen ganz von den Ephoren geleitete) Volksversammlung erhielt. Seit 506 durfte immer nur ein König ins Feld ziehen; hier hatte er unumschränkte Gewalt über Leben und Tod und freie Entscheidung über die militärischen Operationen, aber auch die Verantwortlichkeit für dieselben; wegen mißglückter Unternehmungen konnte er nachher zur Rechenschaft und Strafe gezogen werden; auch gingen zu seiner Kontrolle regelmäßig 2 Ephoren mit ins Feld.

[pg 34]

Größer als die Rechte waren die Ehren, die dem spartanischen Königtum auch in historischer Zeit noch verblieben. Als Einkünfte erhielten die Könige den Pachtzins ausgedehnter Domänen, welche Periöken bebauten, ein Drittel der Kriegsbeute, Anteil an allen Opfertieren, ein Ferkel von jedem Sauwurf. Die Könige wurden auf Staatskosten gespeist und bekamen bei den Syssitien doppelte Portionen. Beim Tode eines Königs wurde ein Leichenbegängnis mit orientalischem Gepränge veranstaltet. Zehn Tage lang dauerte die allgemeine Landestrauer; in jeder Spartiatenfamilie mußten mindestens zwei Personen Trauer anlegen; Periöken und Heloten kamen mit ihren Weibern aus ganz Lakonien zu Tausenden nach Sparta zur gewaltigen Totenklage und Lobpreisung des Verstorbenen, dem Ehren erwiesen wurden „nicht wie einem Menschen, sondern als einem Heros“.

§ 15. Die Gerusie.

Wie in anderen griechischen Staaten stand dem Königtum in Sparta ein Ausschuß der angesehensten Familienhäupter, der Rat der Alten, „Gerusia“ genannt, mitberatend und mitbeschließend zur Seite. Nun ist in allen griechischen Staaten wie in Rom zu beobachten, daß die Machtbefugnis des alten Heerkönigtums langsam, aber unaufhaltsam dahinschwand, während diejenige des Rates erstarkte; die Leitung des Staates geht vom Königtum fast unmerklich in den Gemeinbesitz der Geschlechtshäupter über: an die Zeit der Monarchie reiht sich ohne erkennbare Grenzlinie die Aristokratie. Mögen nun auch persönliche Unfähigkeit einzelner Könige, Thronstreitigkeiten, fortwährender Zwist der beiden Königshäuser, Mißerfolge im Felde die Minderung der monarchischen Gewalt verschuldet haben: [pg 35]jene immer wiederkehrende Erscheinung muß ebenso einen tieferen Grund gehabt haben, wie bei den Deutschen nach der Völkerwanderung der Übergang vom alten Heerkönigtum zur Feudalherrschaft des Adels, der Herren von Grund und Boden. Das alte Heerkönigtum hatte auf der breiten Grundlage des Heerbannes der Kampf- und Wanderzeit geruht, innerhalb dessen alle an Besitz und Recht sich gleichstanden. Nachdem die Eroberer seßhaft geworden, löste sich im Lauf der Menschenalter die alte Gleichheit der Lagergemeinschaft: besaßen die meisten nur das zum Unterhalt Nötige, so häufte sich dagegen in den Händen einzelner Familien ein umfangreicher Besitz an, auf Grund dessen ihre Häupter höheren politischen Einfluß beanspruchten und gewannen.

Die Gerusie zu Sparta bestand aus 28 über 60 Jahre alten (also nicht mehr felddienstpflichtigen), aus den angesehensten Geschlechtern auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern. Die Wahl erfolgte durch Akklamation (βοῇ), indem die Kandidaten in erloster Reihenfolge durch die Volksversammlung gingen und derjenige für gewählt galt, der nach der Entscheidung von Männern, welche in einem in der Nähe befindlichen Gebäude eingeschlossen waren, mit dem lautesten Zuruf begrüßt wurde. Der Rat hatte alle Anträge, die an die Volksversammlung kommen sollten, vorzuberaten; die Entscheidung stand, wenigstens ursprünglich, der letzteren zu. Allein nach einem dem König Theopomp (754) zugeschriebenen Gesetze konnten Rat und Könige einen „schiefen“ Beschluß der Gemeinde als ungültig behandeln. Der Rat übte ferner die Gerichtsbarkeit in Mord- und Hochverratsprozessen. Die bedeutende Stellung, welche er in der Lykurgischen Verfassung einnahm, vermochte er später nicht mehr zu behaupten, als die Ephoren allmählich die gesamte Oberleitung des Staates an sich zogen.

[pg 36]

§ 16. Die Ephoren.

Die lebenskräftigste Gewalt im spartanischen Gemeindeleben war die Behörde der 5 Ephoren, welche jährlich vom Volke aus sämtlichen vollberechtigten Spartiaten gewählt wurden. Der erste derselben, welcher den ständigen Vorsitz im Kollegium führte, war eponym, d. h. nach ihm wurde das Jahr benannt. Innerhalb des Kollegiums entschied die Mehrheit, der sich die Minderheit unbedingt zu fügen hatte. Ob das Ephorat schon in der Lykurgischen Verfassung existierte oder erst von dem König Theopomp (754) eingesetzt wurde, steht ebensowenig fest wie der ursprüngliche Umfang der Befugnisse: ob nämlich die Ephoren ursprünglich als Gehilfen und Stellvertreter der Könige und von diesen ernannt mit der Zivilgerichtsbarkeit und Polizeiaufsicht in den 5 Bezirken Spartas betraut waren, oder ob sie vielleicht schon von Haus aus als Vertreter der Interessen der spartanischen Adelsgemeinde gegenüber dem Königtum eingesetzt wurden. Immerhin weist ihr Name (ἔφορος = Aufseher) darauf hin, daß sie von Anfang an ein gewisses Aufsichtsrecht besaßen, das sich schließlich zur Oberaufsicht über die gesamte Staatsverwaltung und Leitung aller inneren und äußeren Angelegenheiten entwickelte. Diese Erweiterung ihrer Machtbefugnis ward begünstigt durch den fortwährenden Hader der beiden Königshäuser, welcher die Wirksamkeit des ohnedies durch wiederholte Verurteilungen einzelner Könige in seinem Ansehen gesunkenen Königtums vollends lahmlegte, und sie ist um so begreiflicher, als in dem Ephorate die beiden treibenden Kräfte des spartanischen Gemeindelebens – das Mißtrauen des Adels gegen das Königtum und der Argwohn der dorischen gegen die unterworfene achäische Bevölkerung verfassungsmäßigen Ausdruck gefunden hatten.

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Monatlich tauschten Könige und Ephoren einen Eid aus, wobei die ersteren schwuren, daß sie nach den Gesetzen regieren wollten, wogegen die Ephoren im Namen des Volkes versprachen, in diesem Falle die königliche Gewalt ungeschmälert zu erhalten. Die Ephoren konnten nicht nur die Beamten, die alle nach Ablauf ihres Amtsjahres ihnen rechenschaftspflichtig waren, sondern selbst Könige vor sich laden, verhaften und von der Gerusie aburteilen lassen. Sie beriefen und leiteten die Gerusie und die Volksversammlung und sorgten für die Ausführung der Beschlüsse derselben. Aus letzterem Grunde treten sie besonders bei der Leitung der auswärtigen Politik hervor. Sie verhandeln mit den Gesandten fremder Staaten, ordnen die Mobilmachung an (φρουρὰν φαίνειν) und bestimmen, wie viele Jahrgänge auszumarschieren haben. Mit den Feldherren bleiben sie auch während des Kriegs in direktem Verkehr, berufen sie unter Umständen ab und erteilen ihnen durch geheime Depeschen, Skytalai, Verhaltungsmaßregeln. (Die Skytale war ein schmaler Riemen, der um einen Stab gewickelt, in fortlaufenden Zeilen beschrieben, dann wieder abgewickelt und dem Betreffenden zugeschickt wurde; um das Geschriebene lesen zu können, mußte man den Streifen wieder um einen genau entsprechenden Stab wickeln.)

Die Ephoren hatten ferner den größten Teil der Zivilgerichtsbarkeit, wobei sie als Einzelrichter fungierten, leiteten die Finanzverwaltung und beaufsichtigten den Staatsschatz.

Aber nicht nur die Tätigkeit der Beamten und Könige, sondern auch das Verhalten der Bürger, die Jugenderziehung wie das Privatleben der Erwachsenen, selbst der Könige, überwachten die Ephoren bis ins kleinste nach der Richtung, daß überall der staatliche „Kosmos“, die strenge Zucht und Sitte und die öffentliche Ordnung, gewahrt bleibe. [pg 38]So forderten sie seit alter Zeit bei ihrem Amtsantritt die Bürger feierlich auf, den Schnurrbart zu scheren und den Gesetzen zu gehorchen. Fremde, von denen man einen nachteiligen Einfluß auf die Bürger befürchtete, wurden ohne weiteres von ihnen ausgewiesen (ξενηλασία). Die Ephoren bildeten so ein oberstes Sittengericht, das durch sein fortwährendes, unmittelbares Eingreifen einen unvergleichlich größeren Einfluß ausübte als die römische Zensur.

Eine besonders wichtige Aufgabe bildete endlich die beständige Überwachung und Niederhaltung der Periöken und Heloten; erstere konnten sie jederzeit ohne Richterspruch töten lassen, gegen die letzteren entfalteten sie durch die Krypteia (s. § 12) eine wahre Schreckensherrschaft.

So war das Amt der Ephoren die Exekutive der spartanischen Aristokratie; seit dem 5. Jahrhundert lag die Regierung tatsächlich in der Hand dieser Behörde, der die Gerusie als Staatsrat zur Seite stand. Ihre selbstherrliche Gewalt war nur insofern eingeschränkt, als sie ein Kollegium von Fünf bildeten, nur auf Jahresfrist gewählt waren und von ihren Amtsnachfolgern zur Rechenschaft gezogen werden konnten.

§ 17. Die Volksversammlung.

Zur Teilnahme an den monatlich stattfindenden, ursprünglich von den Königen, in historischer Zeit von den Ephoren geleiteten Volksversammlung (ἀπέλλα) waren alle über 30 Jahre alten Vollbürger berechtigt. Hier entschied das Volk über die vorher von der Gerusia beratenen Anträge, über Krieg und Frieden und die sonstigen Fragen der äußeren Politik, auch über etwaige Thronstreitigkeiten der Könige und vollzog die Wahlen der Geronten, Ephoren und sonstigen Beamten. Die Abstimmung erfolgte dabei feldmäßig durch Zuruf (κρίνουσι βοῇ καὶ οὐ ψήφῳ Thu[pg 39]kyd. I, 87), in zweifelhaften Fällen durch Auseinandertreten nach verschiedenen Seiten. Das Recht, in der Versammlung zu sprechen, hatten wohl nur die Könige, Geronten und Ephoren. Ihre ursprüngliche Bedeutung verlor die Volksversammlung durch die dem König Theopomp zugeschriebene Gesetzesbestimmung, der zufolge die Beschlüsse des Volkes für die Regierung nicht mehr bindend sein sollten (vgl. § 15).

§ 18. Die spartanische Zucht (ἀγωγή).

Aus einem Kriegslager war Sparta entstanden (§ 11); nach langwierigen Kämpfen hatten die Einwanderer die alte Bevölkerung unterworfen und geknechtet. Nun galt es, diese Herrschaft zu behaupten. Offenkundig bewahrheitete sich der Satz, daß jede Herrschaft mit denselben Mitteln behauptet werden müsse, durch welche sie begründet wurde. Für die Spartaner galt es, ihren an Zahl weit überlegenen, stets zum Aufstand bereiten Untertanen gegenüber unausgesetzt auf der Hut und in Kriegsbereitschaft zu sein. So zielte die ganze Gemeindeordnung, welche schon Isokrates mit der eines Kriegslagers verglichen hat, auf die Ausbildung der Kriegsfertigkeit ab. Dabei kam der allgemein hellenische Grundsatz, daß jeder nicht für sich, sondern für sein Vaterland geboren sei, in extremer Weise zur Anwendung.

Gleich nach der Geburt wurden schwächliche und mißgebildete Kinder nach der Entscheidung der Phylenältesten im Taygetos ausgesetzt. Die kräftigen Knaben erhielten vom 7. Jahre an eine staatliche Erziehung unter der Oberleitung eines Paidonomos; sie wurden in Scharen (βοῦαι oder ἀγέλαι) und deren Unterabteilungen, Rotten (ῖλαι), eingereiht; an der Spitze dieser Abteilungen standen die tüchtigsten der Iranes (ἴρανες), der jungen Männer von [pg 40]20–30 Jahren. In der Regel bestand zwischen je einem von diesen und einem Knaben ein besonderer Freundschaftsbund zum Zweck der Ausbildung des letzteren. Gymnastische Übungen und Entbehrungen aller Art sollten den Körper abhärten. Proben ihrer Standhaftigkeit legten die Knaben alljährlich am Altar der Artemis Orthia ab, wo sie sich geißeln ließen und derjenige den Sieg gewann, welcher ohne Schmerzäußerung die Geißelung (διαμαστίγωσις) am längsten aushielt. Auch die Eigenschaften der List und Verschlagenheit suchte man bei den Knaben zu entwickeln. Die Mädchen wurden ebenfalls gymnastisch ausgebildet und die Stellung der Frau war eine viel freiere als im übrigen Griechenland, besonders bei den Ioniern. Die geistige Ausbildung, welche gegen die körperliche sehr zurücktrat, beschränkte sich auf die Gewöhnung an kurze, treffende („lakonische“) Reden, auf die Pflege der Musik, die Einübung lyrischer Chorgesänge, Marsch- und Schlachtenlieder und die Homerischen Epen.

Vom 20. Lebensjahre an hatten die Jünglinge, wenn sie durch einstimmige Wahl in eine der aus etwa 15 Personen bestehenden Zeltgenossenschaften (σύσκηνοι) aufgenommen wurden, an den gemeinsamen Männermahlen (ἀνδρεῖα, später φιδίτια, von den übrigen Griechen συσσίτια genannt) teilzunehmen, wobei das Hauptgericht in Blut gekochtes und mit Essig und Salz gewürztes Schweinefleisch, die berühmte schwarze Blutsuppe (βαφά oder αἱματία, auch ὁ μέλας ζωμός) war. Hierzu hatte jeder Teilnehmer einen bestimmten monatlichen Beitrag an Gerstenmehl, Wein, Käse, Feigen und Geld zu entrichten. Unablässige Schulung durch gymnastische und militärische Übungen bildete das Lebensziel auch der Erwachsenen. In der Tat gewann so Sparta ein Heer, das durch kriegsmäßige Geschlossenheit, strengste Subordination und klare Ordnung im Kommando [pg 41]einzig in Griechenland dastand. „Alle andern“, sagt Xenophon, dem hierin ein Urteil zustand, „sind Dilettanten, die Spartaner Künstler im Kriegführen.“

§ 19. Heerwesen und Kriegführung.

Die Dienstpflicht dauerte vom 20. bis 60. Lebensjahre. Die eigentlichen Kerntruppen bildeten die 10 bezw. 15 jüngsten Jahrgänge (τὰ δέκα, πεντεκαίδεκα ἔτη ἀφ’ ἥβης). Über die taktische Gliederung des spartanischen Heeres, die wahrscheinlich wiederholt geändert wurde, sind wir nur unvollkommen unterrichtet. Gegen Ende des Peloponnesischen Kriegs bestand das Heer aus 6 Moren, die wahrscheinlich in folgender Weise gegliedert waren:

1 Mora = 2 Lochen = 8 Pent. = 16 Enom. = ca. 600 M.
1 Lochos = 4 Pent. = 8 Enom. = ca. 300 M.
1 Pent. = 2 Enom. = ca. 72 M.
1 Enom. = ca. 36 M.

Die Zahlen geben die ungefähre Normalstärke; sie schwankten je nach der Zahl der aufgebotenen Jahrgänge. Die Mora befehligte der Polemarch, den Lochos der Lochagos, die Pentekostys der Pentekoster, die Enomotie der Enomotarches.

Die Bewaffnung der spartanischen Hopliten bestand in einem roten Waffenrocke (φοινικίς), dem Panzer, Helm, den Beinschienen, dem großen, den ganzen Mann deckenden Schilde, den man sich erst unmittelbar vor der Schlacht vom Schildknappen (ὑπασπιστής) reichen ließ; auf demselben war als Abzeichen der Lakedaimonier ein Λ angebracht; als Angriffswaffen dienten die lange Stoßlanze und das kurze, einschneidige Schwert.

Die Elementartaktik der Hopliten war nach Xenophon in ihren Grundzügen folgende: Die Gefechtsstellung (ἐπὶ φάλαγγος) hat infolge des Bestrebens, den Lanzenstoß möglichst kräftig und nachdrücklich zu gestalten, die verhält[pg 42]nismäßig große Normaltiefe von 8 Mann. Im 1. Gliede (ζυγόν) stehen die Vordermänner (πρωτοστάται), die gewandtesten und geübtesten Leute; jeder Vordermann steht an der Spitze seiner Rotte (στίχος, später λόχος), das letzte Glied bilden die Rottenschließer (οὐραγοί). Die gewöhnlichsten taktischen Bewegungen waren die Wendungen (κλίσεις) rechtsum (ἐπὶ δόρυ), linksum (ἐπ’ ἀσπίδα), kehrt (μεταβολή); Schwenkungen (ἐπιστροφαί); Herstellung der gewöhnlich rechts abmarschierten (der rechte Flügel marschiert an der Spitze) Marschkolonne (επὶ κέρως). Auf den Reisemärschen scheint man meist „zu zweien“ (ἐπὶ δύο) marschiert zu sein, wodurch die Kolonne sehr ausgedehnt wurde. Durch (Links-)Aufmarsch (ἐπ’ ἀσπίδα παράγειν) wird die Gefechtsordnung wiederhergestellt. Verdoppelung (διπλοῦν) der Aufstellung nach der Tiefe (κατὰ βάθος) verringert die Frontbreite auf die Hälfte und bewirkt die doppelte Tiefe; das Gegenteil wird durch die Verdoppelung nach der Länge (κατὰ μῆκος) erreicht. Bei unerwartetem Erscheinen des Feindes im Rücken wurde nicht einfach Kehrt gemacht, sondern um die im 1. Gliede stehenden besten Leute auch wieder in das 1. Glied der neuen Front zu bringen, der Kontermarsch (ἐξελιγμός) nach Rotten ausgeführt. Im hohlen Viereck (πλαισίον), den Troß in der Mitte, die Hopliten außen, marschierte man, wenn der Feind den Marsch unablässig bedrohte, daher besonders häufig auf dem Rückzuge.

Die Leichtbewaffneten, welche selten erwähnt werden, bildeten keine ständige Abteilung des spartanischen Heeres. Söldner wurden erst seit Beginn des Peloponnesischen Kriegs in dasselbe aufgenommen.

Eine Reiterei hatte Sparta in älterer Zeit nicht; die 300 sog. „Ritter“ (ἱππεῖς), die königliche Leibwache, eine Eliteschar von Spartiaten, kämpften im Kriege zu Fuß; erst [pg 43]424 wurde eine Reiterei eingerichtet, die in der Folgezeit aus 6 Moren bestand, jede etwa 100 Pferde stark, unter einem Hipparmostes und in 2 Schwadronen (οὐλαμοί) gegliedert. Da man grundsätzlich die körperlich Untüchtigsten auf die von den Reichen unterhaltenen Pferde setzte, so blieben die Leistungen der spartanischen Reiterei immer ganz klägliche.

Die Flotte, fast ganz von den Bundesgenossen gestellt, stand unter dem Befehl des Nauarchos, dessen Amtsdauer einjährig war; derselbe Mann durfte nicht zum zweiten Male dies Amt bekleiden. Sein Stellvertreter hieß Epistoleus. Der (einzige) Kriegshafen Spartas war Gytheion.

Ist das Kriegsaufgebot von den Ephoren erlassen (s. § 16), so bringt der König vor dem Auszuge dem Zeus Agetor ein Opfer dar, ein zweites dem Zeus und der Athene bei Überschreitung der Grenze (ὑπερβατήρια). Proviant wird in der Regel nur auf 3 Tage mitgenommen; die Entfernung bis zum Feinde war ja meist gering; konnten doch 2000 Mann in Eilmärschen am 3. Tage von Sparta nach Athen kommen. Das Lager, das man im Felde schlug, war kreisförmig. Für die Schlacht suchte man sich in der Regel eine Ebene aus; in ganz geringem Abstand voneinander marschieren die beiden Heere auf. Im langsamen Gleichtritt unter Flötenklang und Absingung eines Marschlieds (ἐμβατήριον) rückt alsdann die ganze festgeschlossene Phalanx der spartanischen Hopliten gegen den Feind vor. Den Mut der Kämpfer entflammt ein Tyrtaios in begeisterten Schlachtgesängen:

Auf in den Kampf, ihr Enkel des unbezwungnen Herakles,
Streitet getrost! Noch nie wandt’ euch den Rücken der Gott
Schreite denn jeder beherzt vorwärts, in den Boden die Füße
Fest eindrückend, die Zähn’ über die Lippen geklemmt,
[pg 44]
Brust und Schulter zumal und hinabwärts Hüften und Schenkel
Hinter des mächtigen Schilds eherner Wölbung gedeckt.
Fest in der Hand dann schwing’ ein jeder den wuchtigen Schlachtspeer
Und Furcht weckend vom Haupt flatt’re der Busch ihm herab.
Fuß an Fuß mit dem Gegner und Schild andrängend dem Schilde,
Daß sich der Helm mit dem Helm streift und der Busch mit dem Busch.
Brust an Brust dann such’ er im Kampf ihn niederzustrecken,
Sei’s mit des Schwerthiebs Kraft oder dem ragenden Speer.

Bei dem langsamen Vorrücken der Spartaner blieben ihre Abteilungen geschlossen, während die andern Griechen, die im Laufe mit Kriegsgeschrei (ἀλαλά, ἐλελεῦ) vorstürmten, oft schon in Unordnung an den Feind kamen. Um nicht dem Feinde die unbeschildete rechte Seite darzubieten, und um der Gefahr der Überflügelung dieser schwachen Flanke zu begegnen, zog sich beim Anmarsch in der Regel der rechte Flügel beider Heere halbrechts; folgte das übrige Heer dieser Bewegung, so überragten schließlich die beiden rechten Flügel die gegenüberstehenden linken, so daß man nicht mehr in der Front, sondern in der Flanke angriff. Häufig zerriß aber bei dieser Halbrechtsbewegung die Schlachtlinie in zwei Teile. Die beiden rechten Flügel, welche regelmäßig von den Kerntruppen gebildet waren, warfen gewöhnlich die gegenüberstehenden linken, kehrten dann von der Verfolgung zurück, um, noch mehr oder weniger geschlossen – den Spartanern war deshalb eine weitere Verfolgung untersagt –, sich gegeneinander zu wenden und die Entscheidung der Schlacht herbeizuführen. Dieser fast regelmäßige Verlauf der Hoplitenschlacht erfuhr eine Änderung erst durch die „schiefe Schlachtordnung“ des Epameinondas, welcher seine ganze Kraft auf den in beträchtlicher Tiefe (bei Leuktra 50 Mann tief) aufgestellten linken Flügel verlegte, um mit diesem nicht nur dem Stoß des Feindes standzuhalten, sondern selbst offensiv vorzugehen.

[pg 45]

Eine weitere Verfolgung des geschlagenen Feindes fand nicht statt, weshalb auch fast nie eine Schlacht zur Vernichtung des Gegners führte. Man faßte die Schlacht mehr als einen „Wettkampf“ auf; wer um Herausgabe der Toten nachsuchte, gab damit seine Niederlage zu. Der Sieger errichtete an der Stelle, wo der Feind sich zur Flucht gewendet hatte (τρέπεσθαι, τροπή), ein Siegeszeichen, Tropaion, das in einer an einem Baumstumpf aufgehängten vollständigen Waffenrüstung bestand.

III. Abschnitt.

Athen.

A. Verfassungsgeschichte.

§ 20. Die altattische Phylen- und Geschlechterordnung.

Attika galt für das Mutterland des ionischen Stammes; seine Bewohner hielten sich für Autochthonen, d. h. seit Urzeit landeingesessene Bewohner. Erinnerte man sich doch mit Stolz, daß derselbe dorische Völkerzug, welcher die achäisch-ionische Bevölkerung des Peloponnes überwältigt oder zur Auswanderung gezwungen hatte, an Attika machtlos abgeprallt war. König Kodros, der sagenhafte Ahnherr des attischen Königshauses der Kodriden, sollte für sein Land den Opfertod erlitten haben. Die älteste geschichtliche Erinnerung weiß noch recht wohl, daß die spätere Einheit des attischen Staates nicht von jeher bestanden hat. Attika soll früher 12 politisch selbständige Gemeinden gezählt haben, die von Theseus durch den „Synoikismos“ zu einem staatlichen Gemeinwesen vereinigt worden seien. So faßte die attische Überlieferung als einmaligen Akt, was [pg 46]ohne Zweifel das Ergebnis einer allmählichen, nicht ohne langwierige Kämpfe zwischen den Gemeinden erfolgten Entwicklung war. Den staatlichen Mittelpunkt bildete die aus mehreren Niederlassungen am Fuß der uralten Burg Kekropia entstandene Stadt Athen. Zur Erinnerung an diese Einigung feierten die Athener noch später das Fest der Synoikien am 16. Hekatombaion. Seit jenem Synoikismos soll auch aus dem vorher von der altathenischen Gemeinde allein der Athene zu Ehren begangenen Erntedankfest das allgemeine Landesfest der Panathenäen (vgl. § 53) geworden sein.

Die Bevölkerung gliederte sich in die auch bei andern Ioniern sich findenden 4 Stämme oder Phylen: Geleontes, Aigikoreis, Argadeis und Hopletes, der Wortbedeutung nach vielleicht die „Glänzenden“ (oder „Landbauern“?), die „Ziegenhirten“, die „Arbeiter“ (Ackerer oder Handwerker) und die „Gewaffneten“. Ob diese Bezeichnungen die Hauptbeschäftigung der Landesbewohner angeben, ob ferner die Phylen zugleich lokalen Charakter hatten, indem sie sich auf die einzelnen Landesteile verteilten, oder ob es Kultgenossenschaften waren, ob endlich diese Einteilung die gesamte Bevölkerung oder nur die Adelsgeschlechter umfaßte, darüber gehen die Ansichten weit auseinander.

Jede Phyle bestand aus 3 Phratrien (Bruderschaften), jede Phratrie aus 30 Geschlechtern (γένη oder τριακάδες), deren Mitglieder Geschlechtsgenossen (γεννῆται) oder Milchbrüder (ὁμογάλακτες) hießen; jedes Geschlecht dachte man sich (wenigstens später) normalerweise aus 30 Familien oder „Männern“ (ἄνδρες) zusammengesetzt.

So ist der Staat auf der Familie aufgebaut. Die zu einem Geschlecht gehörigen Familien sind sich ihrer ursprünglichen Blutsverwandtschaft noch wohl bewußt, sie [pg 47]verehren gemeinsam als ihren Ahnherrn einen Heros, nach dem sie sich benennen, z. B. die Eteobutaden den Butes, die Alkmäoniden den Alkmäon, die Buzygen den Buzyges; sie haben auch sonstige Opferdienste und den Begräbnisplatz gemeinsam, sind bei Erbfällen zunächst berechtigt, aber auch zur Hilfeleistung in der Not zuerst verpflichtet. In keinem andern griechischen Land haben sich die alten Familienrechte so lange und so genau erhalten wie in Attika. Die in einer Phratrie vereinigten Geschlechter feiern ihre Zusammengehörigkeit am Feste der Apaturien, allen Geschlechtern gemeinsam ist der Kult des Apollon Patroos und des Zeus Herkeios, der Schutzgötter des Familienherdes und Hausaltars; der letztere genießt auch als Zeus Phratrios neben der Athena Phratria die Verehrung sämtlicher Phratriengenossen.

An der Spitze jeder Phyle steht ein Stammkönig (φυλοβασιλεύς), ursprünglich wohl mit ausgedehnteren Befugnissen, später nur noch mit religiösen Funktionen, der Darbringung der Opfer für die Phyle, betraut. Jede Phratrie steht unter einem Phratriarchos, jedes Geschlecht unter einem Geschlechtsvorsteher (ἄρχων τοῦ γένους); diese führen die Listen der Phratrie- und Geschlechtsangehörigen, von denen die ersteren seit Kleisthenes (s. § 27) als Zivilstandsregister die größte Bedeutung für das Familienrecht erhielten.

§ 21. Das Königtum.

Wie bei allen griechischen Stämmen finden wir auch in Attika in ältester Zeit das „heroische Königtum“, so genannt, weil wir demselben in den Gedichten Homers begegnen, welche die Zeit der Heroen schildern. Dasselbe hat noch ganz die Art des alten Heerkönigtums der Kampf- und Wanderzeit. Der König (Basileus = Herzog) ist Führer [pg 48]im Krieg und Vorkämpfer im Streit, Richter und Priester seines Stammes; von der Kriegsbeute wie von Opfermahlen erhält er den vornehmsten Teil, die Häupter des Stammes ehren ihn durch Geschenke und sind bei ihm gewöhnlich zu Gaste. Vom Gemeindeland wird das schönste Stück für ihn als „abgesondertes Krongut“ (τέμενος) ausgeschieden. Seine Macht über die Gemeinde ist gleich der eines Familienvaters, unbeschränkt dem Rechte nach, aber mild und wohlwollend in der Übung. Sein Geschlecht stammt – wie das orientalischer Despoten – von einem Gott oder vom König der Götter, Zeus (διογενής, διοτρεφής), der seinen Ahnen Zepter und Macht verliehen hat. Nach seinem Tod folgt ihm der älteste oder der tüchtigste seiner Söhne.

§ 22. Übergang vom Königtum zur Adelsherrschaft.

Mit der Zeit wird die königliche Gewalt in ihrer Amtsdauer wie in ihren Befugnissen beschränkt, indem der die Adelsgeschlechter vertretende „Rat“ (βουλή), von dem wir schon bei Homer den König umgeben sehen, immer einflußreicher wird und aus seiner Mitte dem Könige Beamte an die Seite stellt, welche nach und nach den größten Teil der Funktionen des Königs übernehmen. Wie über viele andere Fragen der Verfassungsgeschichte Athens, so gibt auch hierüber die vor einigen Jahren wieder aufgefundene Schrift des Aristoteles vom Staat der Athener (Ἀθηναίων πολιτεία), ein Teil seines großen, 158 griechische Staatsverfassungen (πολιτεῖαι) darstellenden Sammelwerks, erwünschten Aufschluß.

Darnach wurde dem Könige, dessen Titel man übrigens wegen der mit der Königswürde verknüpften gottesdienstlichen Funktionen in Athen nie abgeschafft hat, ein Polemarch (Kriegsoberster) beigeordnet, „weil einige Könige im [pg 49]Kriege untüchtig waren“. Es folgte die Einsetzung des „Archon“, der später Eponymos hieß und schließlich die erste Stelle einnahm; welches seine ursprünglichen Funktionen waren, wird freilich nicht berichtet. Die ursprünglich lebenslängliche Amtsdauer dieser Beamten setzte man zunächst (752) auf 10 Jahre, dann (682) auf 1 Jahr herab. Das Vorrecht der Medontidenfamilie – so benannt nach Medon, dem Sohne des Kodros – auf die Königswürde ward schon 712 beseitigt und diese allen Adelsgeschlechtern zugänglich gemacht. 682 (oder etwas später) wurde auch die Behörde der 6 Thesmotheten („Rechtsetzer“) eingesetzt (je 2 für die 3 obersten Beamten?) mit der Aufgabe, „die Rechtssatzungen“ d. h. das im Lauf der Zeit entstandene Gewohnheitsrecht „aufzuzeichnen und für die Aburteilung der Gesetzesübertreter aufzubewahren“. Mit dem König, dem Polemarchen und dem Archon zusammen bilden die Thesmotheten in der Folgezeit das Kollegium der 9 Archonten. Über den Geschäftskreis derselben in späterer Zeit s. § 36.

Gewählt wurden diese Beamten aus den reichen Adeligen (ἀριστίνδην καὶ πλουτίνδην) von dem Rate, welcher später, zum Unterschied von einem andern Rate, der Rat vom Areopag (ἡ βουλὴ ἡ ἐξ Ἀρείου πάγου vgl. § 23) hieß. Nach Ablauf ihres Amtsjahres traten die Archonten, deren Amtsführung bei der Rechenschaftsablegung nicht beanstandet wurde, auf Lebenszeit in diesen Rat ein, der auf diese Weise sich selbst ergänzte. Dieser Adelsrat stellte die höchste Regierungsgewalt dar. Gleich dem Senat zu Rom hatte er in den Zeiten kräftigsten Aufschwunges das Staatssteuer in Händen und führte es gut. Er setzte die Beamten nach freier Wahl ein, besorgte den größten und wichtigsten Teil der Staatsgeschäfte und wachte über die Beobachtung der Gesetze, mit der Befugnis, nach freiem Ermessen Strafen [pg 50]jeder Art zu verhängen. Der Adel selbst wußte, eingedenk des Ursprungs seiner Macht, durch emsige Pflege aller Künste des Leibes und des Geistes, der Dichtkunst, der Musik, der Gymnastik, vornehmlich aber durch gewandtes Tummeln der Rosse und unermüdliche Übung in den Waffen sich die persönliche Überlegenheit über die „Gemeinen“ zu wahren, welche ihm den Besitz der Herrschaft verbürgte.

§ 23. Das Rechtswesen, geschriebene Gesetze, Drakon.

Zu den Funktionen des Rats vom Areopag gehörte seit alter Zeit die Gerichtsbarkeit in Mordprozessen. Ursprünglich konnte die Tötung eines freien Mannes nur durch Wiedervergeltung gesühnt werden: man glaubte, die Seele des Erschlagenen verlange nach dem Blute des Mörders. Deshalb war es heilige Pflicht der nächsten Verwandten oder Freunde des Erschlagenen, an dem Täter Blutrache zu nehmen. Später verbot jedoch der Staat die Selbsthilfe und übernahm selbst die Aburteilung und Bestrafung des Täters nach einem genau geregelten Rechtsverfahren, welches an den Stätten, die ehedem als Asyle dem Mörder eine gewisse Zuflucht gewährt hatten, vollzogen wurde. In Athen war das älteste Blutgericht eben jener Adelsrat mit dem Sitz auf dem Hügel der Fluchgöttinnen (ἀραί, davon wohl Ἄρειος πάγος), der „Ehrwürdigen“ (σεμναί), d. i. der Erinnyen, welche am Fuß des Hügels ein noch im fünften Jahrhundert als Asyl dienendes Heiligtum hatten. Weitere Blutgerichtshöfe, an denen 51 (über 50 Jahre alte) Epheten zu Gericht saßen, wurden vielleicht von Drakon eingerichtet. Über deren Zuständigkeit und das Verfahren vor ihnen s. § 40). Der Vorsteher aller Blutgerichte war zu allen Zeiten der (Archon) König, welcher die noch aus der Königszeit stammenden religiösen Obliegenheiten für den Staat zu besorgen hatte: zum Sakralrecht aber ge[pg 51]hörten die Mordprozesse insofern, als jeder Totschlag religiöse Reinigung und Sühnung verlangte.

Die Zivilgerichtsbarkeit lag in den Händen der andern Archonten: alle Streitfälle, welche das Familienrecht betrafen, fielen dem Archon zu, solche zwischen Bürgern und Nichtbürgern dem Polemarchos. Waren diese Richter nur an das allgemeine Rechtsherkommen gebunden, so ist wohl begreiflich, daß bei der Urteilsschöpfung wie Strafbemessung oft Nebenrücksichten entscheidend waren. Die Mangelhaftigkeit der Rechtspflege jener Zeit bezeugt uns Solon in einem seiner Gedichte. So kam es, daß das über die parteiische Rechtsprechung des Adels erbitterte Volk immer allgemeiner und heftiger eine Gesetzgebung verlangte. Schließlich gab der Adel diesem Drängen nach und beauftragte um 621 Drakon mit der Abfassung eines Gesetzbuchs. Freilich war es das alte strenge Rechtsherkommen, das er niederschrieb – auf den meisten Vergehen, z. B. auch auf Felddiebstahl, stand Todesstrafe –, so daß nicht zu verwundern ist, daß diese Gesetze Drakons, dessen vortreffliches Blutrecht noch 409 zu wirklichem Gebrauch in Stein gehauen wurde, dem Redner Demades (318) „mit Blut geschrieben“ schienen und ihre Strenge später sprichwörtlich wurde.

Aristoteles schreibt (in seinem Staat der Athener) dem Drakon auch eine Neuordnung der Verfassung zu. Die Bürger seien in die vier Klassen der Pentakosiomedimnoi, Hippeis, Zeugitai und Thetes (vgl. § 25) eingeteilt gewesen: allen, welche aus eigenen Mitteln eine Hoplitenrüstung beschaffen konnten (τοῖς ὅπλα παρεχομένοις), d. h. als Schwerbewaffnete dienten – dies war wohl außer den beiden ersten Klassen die dritte Klasse der Zeugiten –, habe Drakon Anteil an den politischen Rechten gewährt; doch sei die Wählbarkeit zu den höheren Ämtern (der Archonten, Schatzmeister, Strategen und Hipparchen) vom Besitz eines hypo[pg 52]thekenfreien Grundeigentums von einem bestimmten, in Minen ausgedrückten Werte abhängig gewesen; endlich habe er dem Areopag einen aus 401 Mitgliedern bestehenden Rat an die Seite gestellt, welcher aus sämtlichen über 30 Jahre alten politisch berechtigten Bürgern erlost worden sei. Ob diese Einrichtungen wirklich alle schon der Drakonischen Zeit angehören, ist noch nicht genügend festgestellt.

§ 24. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des 7. Jahrhunderts.

Die Gesetzgebung Drakons war ein bedeutendes Zugeständnis der herrschenden Klasse an die Menge des Volks. Aber der Kampf zwischen beiden kam damit nicht zur Ruhe; tiefgreifende wirtschaftliche Mißstände, denen Drakons gesetzgeberische Tätigkeit nicht abgeholfen hatte, gaben ihm neue Glut der Erbitterung.

Infolge der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung hatten sich drei Berufsstände (ἔθνη) gebildet: die Eupatriden, die adeligen Großgrundbesitzer, die kleinen Bauern oder Geomoren, und die durch den maritimen und industriellen Aufschwung Athens zahlreicher gewordenen Demiurgen, die Gewerbe- und Handeltreibenden. Die Lage des Kleinbauernstandes nun war eine sehr drückende geworden. „Der ganze Grundbesitz“, sagt Aristoteles, „befand sich in der Hand weniger Reicher, denen die verarmten Bauern mit Weib und Kind dienstbar waren. Sie hießen Hörige (πελάται) und Sechstler (ἑκτήμοροι), weil sie nur ein Sechstel des Ertrags als Lohn für die Feldbestellung erhielten. Fünf Sechstel mußten sie abliefern, und wenn sie im Rückstand blieben, verfielen sie mit Leib und Leben dem Grundbesitzer, sie selbst, wie ihre Söhne. Nach langem, hartnäckigem Kampf vereinigten sich die Parteien, Solon zum Schiedsrichter und zugleich zum Archon zu wählen und ihm die Ordnung der Verfassung anzuvertrauen.“

[pg 53]

Dieser agrarische Notstand, der während des 7. und 6. Jahrhunderts auch in anderen griechischen Staaten hereinbrach und gewaltige Umwälzungen herbeiführte, stand in engem Zusammenhang mit dem Übergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft, welcher infolge der Einführung der Münze und der Anhäufung größerer Bestände von Edelmetall sich unmerklich vollzogen hatte. Eine allgemeine Beobachtung lehrt, daß unter den Geburtswehen derselben, dem neuaufkommenden Geldwucher, der Kleinbauernstand am härtesten leidet. (Vgl. Bauernkrieg und Luther über den Wucher.) Das sich bildende Großkapital vereinigt sich mit dem Großgrundbesitz, dessen doppelte Überlegenheit den kleinen Landwirt nun um so rascher zugrunde richtet. Dazu kam das Sinken der Getreidepreise durch die steigende Einfuhr billigen Getreides aus den neugewonnenen Kolonialgebieten. So erhielt denn Solon (594) keine geringere Aufgabe als die, alle wirtschaftliche Not zu heben, und die gewaltsame Umwälzung zu bannen.

§ 25. Solon.

Solon aus dem uralten Geschlecht der Kodriden besaß nur ein mittleres Vermögen, hatte sich aber durch große Handelsreisen hervorragende Bildung und einen staatsmännischen Blick erworben. Die Alten zählten ihn zu den sieben Weisen, d. h. zu der auserwählten Zahl von Vertretern praktischer Staats- und Lebensweisheit aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Solon hat seine politischen Gedanken in herrlichen Elegien niedergelegt, die, aus jugendfrischem Herzen quellend, tief zu Herzen dringen. Nie ist seine Sprache wärmer, als wenn er die Bedrückung der Armen durch die rücksichtslose Selbstsucht der Reichen schildert.

I. Zunächst beseitigte er die dringendste Not durch die Lastabschüttelung, Seisachtheia, indem er alle Schuld[pg 54]verhältnisse sowie die Schuldknechtschaft aufhob und für alle Zukunft verbot, „auf den Leib zu borgen“ (δανείζειν ἐπὶ τοῖς σώμασιν). Die überall auf den Äckern stehenden Pfandsäulen wurden beseitigt, die in Attika befindlichen Schuldsklaven erhielten die Freiheit wieder, viele ins Ausland verkaufte Bürger wurden aus der Sklaverei losgekauft. Um die Existenz des Mittel- und Kleinbauernstandes zu sichern, bestimmte er durch ein Gesetz eine Maximalgrenze für den Grundbesitz. Wohl ist die Maßregel gewaltsam, aber daß dieselbe nur eine Handlung ausgleichender Staatsweisheit war, beweist ihr Erfolg: die Unzufriedenheit auf beiden Seiten. „Der kleine Mann hatte gehofft, Solon werde das ganze Land aufteilen, die Vornehmen, er werde alles wieder ins alte Geleise bringen.“ So möge man denn einem „Weisen“ um 600 v. Chr. nicht verübeln, wenn er durch einen kühnen Schnitt eine Krankheit zu heilen unternahm, an welche die heutige Staatsweisheit sich nur mit tastenden Versuchen heranwagt. Beginnt doch tatsächlich mit der „Lastabschüttelung“ die Genesung des attischen Volkskörpers, welche nach mancherlei Zuckungen, dank dem weisen Regiment des Peisistratos, zu Ende gelangt: um 500 v. Chr. sind jene „Hörigen und Sechstler“ aus Attika verschwunden, sie sind zu Kleinbauern geworden, welche eigenen Grund und Boden bebauen.

Um Hebung des Handels und der Industrie bemühte sich Solon durch Einführung eines neuen Maß-, Gewichts- und Münzsystems, des euböischen an Stelle des äginetischen (s. § 42).

II. Der Willkür der Parteien sollte eine Neuordnung der Verfassung ein Ende machen. Aristoteles hebt aus dieser politischen Tätigkeit Solons folgende Hauptpunkte hervor, wobei wir freilich nicht erkennen, wie weit das Eingreifen Solons im einzelnen ging.

[pg 55]

1) Er teilte die gesamte Bürgerschaft in vier Klassen (τέλη) nach der Zahl der „Maße“ (μέτρα), welche der Durchschnittsertrag der Grundstücke an „Trockenem“ und „Flüssigem“ lieferte; dabei wurden die Medimnen (1 Medimnos = 51,84 l) Getreide und die Metreten (1 Metretes = 38,88 l) Öl und Wein unterschiedlos als „Maße“ zusammengerechnet. Nach den vier Klassen stuften sich die auch auf die Theten ausgedehnten politischen Rechte und Pflichten ab:

Namen Güterertrag
in „Maßen“
Heerdienst Bürgerliche Rechte
Pentakosiome-
dimnoi „Fünfhun-
dertscheffelmänner“
mindestens
500
Reiter

und
Teilnahme an Volks-
versamml. u. Gericht
Niedere Beamten-
stellen
Archonten u. Schatzmei-
sterstellen
Hippeis „Ritter“ 300
Zeugitai
„Gespannsleute“
200 Schwerbewaffnete
Thetes
„Lohnarbeiter“
unter 200 Leichtbewaffnete

Hiermit hat Solon wahrscheinlich eine schon vorher (s. § 23) bestehende Einteilung weiter ausgestaltet. Denn dieses als Timokratie bezeichnete politische System, wonach die staatlichen Rechte und Pflichten der Bürger sich nach dem Verhältnisse ihres Besitzes bemessen, ist nicht als die Schöpfung eines Mannes, vielmehr als ein notwendiges Mittelglied zwischen Aristokratie und Demokratie mit eigener gesetzmäßiger Entwicklung zu betrachten. Der Besteuerung scheint diese Klasseneinteilung erst in späterer Zeit gedient zu haben (s. § 44).

2) Er übertrug die Ernennung der Beamten, welche bisher dem Areopag zustand, der Volksgemeinde. Wahl und Erlosung wurden in der Weise kombiniert, daß z. B. für das Archontat von jeder der vier Phylen (s. § 20) 10 Kandidaten erwählt (προκρίνειν) und aus den 40 dann die 9 Archonten ausgelost wurden.

[pg 56]

3) Er gab dem Volk Anteil an der Rechtsprechung, indem er aus den freiwillig sich Meldenden ein großes Geschworenengericht, die Heliaia (s. § 37), bildete, bei welchem gegen die Erkenntnisse der Archonten Berufung (ἔφεσις) eingelegt werden konnte. Nicht das Gutdünken eines Beamten, sondern das im Volk lebende Rechtsbewußtsein sollte in allen Rechtsfragen die letzte Entscheidung geben.

Solon sagt in einem Gedicht selbst von sich:

„Doch ich, dem Grenzpfahl gleich auf strittigem Gebiet,
Stand zwischen den Parteien“,

und in dankbarer Erinnerung daran haben die Athener aller Zeiten ihn ihren Staatsordner und Gesetzgeber in vorzüglichem Sinn genannt, ja den Beginn der Demokratie in sein Archontatsjahr gesetzt. Jeder Archon mußte in der Folgezeit bei seinem Amtsantritt schwören: „keine Geschenke zu nehmen, die Gesetze Solons zu beobachten oder eine Bildsäule von Gold, so schwer wie er selbst, nach Delphi zu stiften“. Heute ist es nicht mehr möglich, die echten Gesetze Solons festzustellen, da in Athen alle alten Gesetze, welche auf Holzpfeiler (ἄξονες oder κύρβεις) eingegraben und in der Königshalle (στοὰ βασίλειος) aufgestellt waren, (Drakons Blutrecht ausgenommen) Solon als dem Vater des attischen Rechtes zugeschrieben wurden (vgl. Moses). Jedenfalls gehören die „Gesetze Solons“, welche wir bei den großen Rednern angezogen finden, zumeist Gesetzsammlungen späterer Zeiten (z. B. des Jahres 401) an.

§ 26. Die Tyrannis des Peisistratos.

Solon sicherte seinen Gesetzen 100jährige Gültigkeit und ging außer Landes, um nicht gezwungen zu werden, Änderungen oder Zusätze zu machen. Es war durch ihn ein lebensvoller Keim gesunder volkstümlicher Entwicklung in das Ge[pg 57]meinwesen gesenkt worden, aber die tatsächliche Macht lag noch in den Händen der Reichen. Bald begann aufs neue der Hader, infolgedessen zweimal (590 und 586) keine Archontenwahlen zustande kamen. Der für 582 gewählte Archon Damasias behauptete sich, als Vorläufer des Peisistratos, über zwei Jahre lang widerrechtlich im Amt, bis er mit Gewalt vertrieben wurde. Die Gegensätze wurden dadurch noch verschärft, daß die Parteien sich zugleich nach Teilen der Landschaft schieden. Es standen sich gegenüber 1) die Pediaker, die Großgrundbesitzer der Ebene, die Vertreter der Oligarchie, unter Führung Lykurgs; 2) die Paraler, die Handel und Seefahrt treibende Bevölkerung der Küste; ihr Führer war Megakles, ihr Ziel eine gemäßigte Verfassung; 3) die Diakrier, die armen Hirten und Kleinbauern in der Berglandschaft, welche Peisistratos führte, „der für den volkstümlichsten galt“.

Wir sehen: zwischen den alten schroffen Gegensatz von Großgrundbesitzern und Lohnbauern ist ein neuer Bevölkerungsteil getreten, der durch seine andersartigen Erwerbsverhältnisse, durch weiterreichende Erfahrung wie maßvolle Anschauungen berufen war, eine Mittlerrolle zu spielen. Im Streite der Parteien wußte sich Peisistratos an die Spitze des Gemeinwesens zu stellen, indem er sich vom Volk durch List eine Leibwache verschaffte und 561/60 eine Tyrannis begründete, welche seine Familie mit kurzen Unterbrechungen 50 Jahre inne hatte.

Die späteren Griechen haben sich von der Gewalttätigkeit und Grausamkeit der alten Tyrannen Schreckbilder ausgemalt; die Farben hierzu lieferten ihnen die auf Söldner gestützten Tyrannenherrschaften der makedonischen Zeit, deren Musterbild Agathokles in Syrakus ist. In Wahrheit ist zwischen der älteren und jüngeren Tyrannis begrifflich ebenso zu scheiden, wie sie zeitlich getrennt sind: [pg 58]zwischen 500 und 350 v. Chr. gibt es auf dem griechischen Festland keine Tyrannen. Das aus Kleinasien stammende Wort „Tyrann“ bedeutet Herrscher ohne irgend welchen ungünstigen Nebenbegriff. Tyrannen wie Pheidon in Argos, Kleisthenes in Sikyon, Periander in Korinth, Polykrates auf Samos, Gelon und Hieron in Syrakus, Peisistratos in Athen haben glänzend und segensreich regiert, und eben daß wir die Tyrannis in fast allen griechischen Staaten wiederfinden, beweist, daß sie nicht eine zufällige Erscheinung, sondern eine notwendige Übergangsform von der Herrschaft der Reichen zur Herrschaft des Volkes ist. Sie ist das Abendrot der niedergehenden Adelsherrlichkeit, die scheidend alle Pracht und Macht um einen der Ihrigen vereint (Dichtkunst und Bauten), aber auch das Frührot einer neuen Zeit der Volksherrschaft, denn sie beugt Adel wie Volk unter dasselbe Banner der Gleichheit und Gesetzlichkeit, schützt den bedrohten Mittelstand gegen die Übermacht des Großbesitzes und macht so das Volk zur Übernahme der Selbstherrschaft mündig.

Peisistratos war ein leutseliger, beim Volk wie bei einem großen Teil des Adels beliebter Mann. Er verwaltete den Staat maßvoll und „eher verfassungsmäßig, als nach Despotenwillkür“. Besondere Fürsorge wandte er der Hebung des Bauernstandes zu. So setzte er auch, damit nicht die Bauern zur Ausfechtung ihrer Rechtsstreitigkeiten in die Stadt zu kommen brauchten, die Gaurichter (§ 37) ein. Seine Herrschaft galt für das goldene Zeitalter Athens. Allein wie die Aristokratie, hat auch die Tyrannis die Neigung, sich zu verschlechtern. Schon die Herrscher der zweiten Generation nehmen oft dem Volk gegenüber eine andere Stellung ein, verfallen in die Art orientalischer Despoten und erlauben sich Gewalttaten; viele werden um persönlicher Ausschreitungen willen gestürzt. [pg 59]Nachdem in Athen Peisistratos’ Sohn Hipparch irrtümlicherweise aus Privatrache getötet worden war, zog sein Bruder Hippias die Zügel straffer an und suchte in der Befestigung von Munychia einen Stützpunkt für eine Gewaltherrschaft. Indes gelang es Kleisthenes, an der Spitze des alten Adelsgeschlechtes der Alkmäoniden Hippias 511/10 mit spartanischer Hilfe zu vertreiben.

§ 27. Die Begründung der Demokratie durch Kleisthenes.

Nun trat nach heftigen Parteikämpfen Kleisthenes an die Spitze der Bürgerschaft, um ihr 508 eine neue Verfassung zu geben, „viel volkstümlicher als die Solons“. Waren bisher nur die durch Blutsverwandtschaft und Kultgemeinschaft verbundenen Angehörigen der Geschlechter (s. § 20) vollberechtigte Gemeindebürger gewesen, so stellte er den folgenschweren Grundsatz auf: Attischer Bürger ist jeder Freie, der in einer attischen Gemeinde seinen Wohnsitz hat. Hiedurch erhielten Tausende von Schutzbürgern und Freigelassenen das Bürgerrecht.

Die Grundlage der Neuorganisation der Bürgerschaft, welche in den folgenden Jahrhunderten im wesentlichen unverändert bestehen blieb, bildete eine neue Gemeindeordnung.

Die damals in Attika existierenden Ortschaften wurden nämlich als selbständige Gemeinden oder Demen, etwa 100 an Zahl, welche später auf ungefähr 190 stieg, mit eigener Verwaltung und zugleich staatlichen Funktionen konstituiert. Mehrere kleinere Orte bildeten miteinander einen Demos. An der Spitze jedes Demos stand der jährlich wechselnde Gemeindevorsteher, Demarchos, welcher die Gemeindebürgerliste (ληξιαρχικὸν γραμματεῖον) und das Flurbuch oder den Grundkataster der Gemeinde führte, im Verein mit einem oder zwei Gemeindepflegern die Ge[pg 60]meindekasse verwaltete, die Versammlungen der Demoten (δημόται) leitete, sowie die Ausführung ihrer Beschlüsse veranlaßte und die Stammrolle für die demenweise erfolgende Aushebung der Hopliten und der Rudermannschaft anfertigte. Die Eintragung in die Gemeindebürgerliste verlieh nicht nur das Gemeinde-, sondern zugleich auch das Staatsbürgerrecht; deshalb gehörte von nun an zur offiziellen Bezeichnung eines athenischen Vollbürgers außer dem eigenen Namen und dem des Vaters auch noch die Angabe der Heimatgemeinde, z. B. Δημοσθένης Δημοσθένους Παιανιεύς, Demosthenes, Sohn des D., aus Paiania. Die Zugehörigkeit zu einem Demos vererbte sich auf die Nachkommen des zuerst in das Gemeindebuch eingeschriebenen Demoten und ging auch durch Veränderung des Wohnsitzes nicht verloren. Athen selbst bildete nicht etwa eine einzige große Stadtgemeinde mit einheitlicher Verwaltung, sondern zerfiel in mehrere (10?) Demen, welche zu verschiedenen Phylen gehörten. Bis jetzt sind innerhalb der Stadt die 5 Demen: Kydathenaion, Kerameis, Melite, Kollytos und Skambonidai sicher nachgewiesen.

Mehrere Demen vereinigte Kleisthenes zu einem Bezirke, einer lokalen Tribus oder Trittys, deren in jedem der 3 Landesteile Attikas: Ebene von Athen, Küstengebiet und Binnenland (= Diakria, vgl. § 26) 10 gebildet wurden, so daß also ganz Attika in 30 Trittyen eingeteilt war.

Je 3 Trittyen endlich legte Kleisthenes zu einem Kreise oder einer Phyle zusammen, in der Weise, daß er jedem Kreise aus jedem der 3 Landesteile je eine Trittys durchs Los zuwies. Ein Kreis war also keine zusammenhängende Landschaft, sondern aus 3 Bezirken (Trittyen) zusammengesetzt, welche in den 3 verschiedenen Landesteilen Attikas lagen. Der Zweck dieser neuen Landesordnung war, der Gruppierung der Parteien nach Landschaften, welche in den [pg 61]Kämpfen der letzten Jahrzehnte eine so bedeutende Rolle gespielt hatte (s. § 26), die Grundlage zu entziehen und durch Zerreißung der alten Zusammenhänge den lokalen Einfluß der Adelsgeschlechter zu brechen.

Die neuen Phylen wurden nach Landesheroen benannt, welche von den Phylenangehörigen als Eponymoi oder geradezu als Archegetai d. h. als fingierte Ahnherren verehrt wurden und eigene Priester und Heiligtümer sowie Standbilder in der Nähe der Tholos, des Amtslokals der Prytanen, am Nordabhang des Areopag, hatten. Die Namen der 10 Phylen lauteten in der offiziellen Reihenfolge: Erechtheis, Aigeis, Pandionis, Leontis, Akamantis, Oineis, Kekropis, Hippothontis, Aiantis, Antiochis. Weitere, i. J. 306 und später eingerichtete Phylen s. § 31.

Als Korporationen mit eigenem Vermögen und eigener Verwaltung hatten die Phylen an ihrer Spitze mehrere jährlich gewählte Phylenvorsteher (ἐπιμεληταὶ τῆς φυλῆς), nicht zu verwechseln mit den φύλαρχοι (s. § 56), welche die Verwaltungsgeschäfte besorgten.

Die 4 alten ionischen Phylen (s. § 20), von nun ab ohne alle politische Bedeutung, blieben wahrscheinlich als sakrale Verbände noch bestehen, wie auch die alten Geschlechtsverbände und Phratrien (§ 20) ihre Bedeutung für Familienrecht (vgl. § 32) und Familienopfer behielten; nur wurden die Phratrien dadurch erweitert, daß innerhalb derselben den alten Geschlechtern die von den Neubürgern gebildeten Kultgenossenschaften (θίασοι), deren Mitglieder Orgeonen (ὀργεῶνες) hießen, rechtlich gleichgestellt wurden.

Die Neugliederung der Bürgerschaft nach Phylen und Demen war fortab die Grundlage, auf der die wichtigsten staatlichen Einrichtungen, Zusammensetzung des Rates und verschiedener Beamtenkollegien, sowie die Heeresverfassung [pg 62]ruhten. Den Rat erhöhte Kleisthenes von 400 auf 500 Mitglieder, die von jetzt an jährlich aus der Zahl der sich dazu meldenden, über 30 Jahre alten epitimen (s. § 32) Bürger durchs Bohnenlos (κυαμῷ) ausgelost wurden, 50 aus jeder Phyle, wobei die einzelnen Demen eine bestimmte, ihrer Größe entsprechende Zahl von Stellen besetzen durften. Seit 501 wurden 10 Feldobersten, Strategen, nach Phylen gewählt, einer aus jeder Phyle. Auch für die Archonten wurde später, 487 v. Chr., eine neue Wahlform eingeführt. Nachdem an die Stelle des unter den Peisistratiden außer Übung gekommenen solonischen Ernennungsverfahrens (s. § 25) wieder die ausschließliche Wahl getreten war, wurden von jetzt ab von den Demen 500 Männer, 50 aus jeder Phyle, aus den beiden obersten Schatzungsklassen erwählt, und aus diesen die 9 Archonten mit ihrem Sekretär ausgelost.

Endlich gab Kleisthenes eine Reihe von Gesetzen in volkstümlicher Absicht, wovon das wichtigste die Einsetzung des Scherbengerichts, Ostrakismos, betraf, eines Instituts, das zunächst gegen die Anhänger des Peisistratos, sodann gegen die Wiederkehr einer Tyrannis überhaupt gerichtet war. Darnach konnte ein Bürger, dessen politischer Einfluß der demokratischen Gleichheit gefährlich schien, durch den Mehrheitsbeschluß einer Volksversammlung, in der mindestens 6000 Bürger abstimmten, auf 10 Jahre, doch ohne Verlust des Vermögens verbannt werden. Bei der Abstimmung wurde der Name des Auszuweisenden auf ein Tontäfelchen (ὄστρακον) geschrieben.

In letzter Stunde hat Kleisthenes durch seine weise Gemeindeordnung den Hader der Parteien geschlichtet, die Eifersucht der Landschaften beseitigt und die Gemeinde durch Aufnahme vieler Neubürger verstärkt: schon nahten die Stürme der Perser.

[pg 63]

§ 28. Die Vollendung der Demokratie nach den Perserkriegen.

Die Perserkriege brachten eine neue große Bewegung in das attische Staatsleben. Die gewaltigen Erfolge der Flotte hoben das Ansehen und das Selbstbewußtsein der meist armen, der 4. Klasse der Theten angehörigen Seebevölkerung, die auf den Schiffen diente, mächtig. Seitdem Athen 477 an die Spitze des Delisch-attischen Seebundes (s. § 66) getreten war, erfolgte von allen Seiten außerordentlicher Zuzug5 in die Stadt; aus der ackerbauenden Gemeinde wird ein handeltreibender Staat. Athen, das in den Besitz der reichen Einkünfte des Bundes gelangte, besoldete etwa 10 000 Mann in Landheer und Flotte. „Das Volk beanspruchte, den Staat selbst zu verwalten.“

Noch ein Hindernis war zu überwinden: Der Rat auf dem Areopag, in dem die altaristokratischen Grundsätze ihre Vertretung hatten, hatte wieder, wie ehedem, die tatsächliche Leitung des Staates in die Hand bekommen. Er hatte in den schweren Zeiten des zweiten Perserkrieges besondere Tatkraft bewiesen und neues Ansehen dadurch erworben, daß er die Schlacht bei Salamis wesentlich mit veranlaßt hatte. Allein dem Ansturm der Demokratie unter Führung des Staatsmannes Ephialtes erlag auch dieses Hauptbollwerk der Aristokratie: 462 wurden durch Volksbeschluß dem Areopag alle staatlichen Befugnisse genommen und dem Rat der Fünfhundert, der Volksversammlung und den Volksgerichten übertragen, was Äschylos in den „Eumeniden“ (aufgeführt 458) entschieden tadelt. Dem Areopag [pg 64]verblieb nur die Rechtsprechung über vorsätzliche Körperverletzung, Mord, Vergiftung und Brandstiftung, weil diese im heiligen Recht begründet war, woran man nicht rütteln wollte, sowie ein gewisses Aufsichtsrecht in Kultangelegenheiten (z. B. über die der Athene heiligen Ölbäume).

Rasch vollendete sich nun die Demokratie. Zum Archontat, das ursprünglich den Großgrundbesitzern vorbehalten, dann (seit?) auch den „Rittern“ zugänglich war, wurde seit 458/57 auch die dritte Vermögensklasse der Gespannsleute (Zeugiten), welche bisher nur niedere Ämter hatten bekleiden können, zugelassen. Endlich wurde die Bestellung zu allen öffentlichen Diensten, welche nicht besondere Sachkunde erforderten, durch Auslosung ohne Vorwahl bestimmt, woran alle über 30 Jahre alten Bürger durch Aufstellen ihrer Bewerbung teilnehmen konnten. Hatte früher das Recht einer Prüfung der Gewählten auf ihre Würdigkeit (Dokimasia) dem Rat (bzw. Areopag) in letzter Instanz zugestanden, so durfte ein Abgelehnter fortan Berufung an das Volk einlegen, welchem die letzte Entscheidung zukam.

Das Gerichtswesen hatte große Ausdehnung gewonnen, seit Athen ein Handelsstaat geworden, und die ins Verhältnis von Untertanen geratenen Bundesgenossen ihre Rechtshändel dort schlichten lassen mußten (vgl. § 66). 6000 Bürger waren als Geschworene in den verschiedenen Volksgerichten tätig. Dienten sie nicht so gut, wie jene 10 000 in Heer und Flotte, der Gemeinde? Perikles setzte es daher durch, daß wie jenen eine Löhnung (μισθὸς στρατιωτικός), so den Geschworenen ein Taggeld (μισθὸς δικαστικός) gewährt wurde, welches ursprünglich 1 oder 2 Obolen betrug und 425 v. Chr. durch Kleon auf 3 Obolen erhöht wurde. Ebenso war es wahrscheinlich Perikles, der das Taggeld für die Ratsmit[pg 65]glieder (μισθὸς βουλευτικός) von 5 Obolen einführte. Weiterhin gewährte man auf Kleophons Antrag 410 für den Besuch der an den großen Festen stattfindenden Theateraufführungen dem Volke ein Schaugeld, Theorikon (θεωρικόν), im Betrag von 2 Obolen (διωβελία). Endlich wurde, um den Besuch der Volksversammlung lebhafter zu gestalten, durch Agyrrhios, bald nach 403, für die Teilnahme an derselben ein Taggeld (μισθὸς ἐκκλησιαστικός) eingeführt, das erst 1, dann 2, dann 3, zur Zeit des Aristoteles für die ordentliche Versammlung 9, für die übrigen 6 Obolen betrug. So leicht die reiche attische Staatskasse in glücklicher Zeit diese schwere Last zu tragen vermochte, so gefährlich war in volkswirtschaftlicher wie in politischer Beziehung der hiermit eingeführte Grundsatz der Unterhaltung der Bürger aus der Staatskasse.

Das Volk war nunmehr unumschränkter Herr seiner Angelegenheiten; auch seine Führer gingen nicht mehr aus dem Adel, sondern aus seiner eigenen Mitte hervor. Alle Beamten, Ratsherren und Richter wurden durch die freieste Wahlform, das Los, aus seiner Mitte genommen. Außerdem war durch eine Bestimmung, wonach viele Ämter während einer gewissen Zeit nur einmal bekleidet werden durften, für die ausgedehnteste Teilnahme der Menge an den Staatsämtern gesorgt. Dieselben dauerten höchstens ein Jahr; über Würdigkeit und Amtsführung der Beamten hatte die Gemeinde vorher und nachher zu entscheiden. Durch die Gewährung von Taggeldern war auch dem Niedrigsten die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglicht. Mußte hierdurch nicht die politische Fähigkeit der Bürgerschaft auf eine außerordentliche Höhe gehoben werden! Die Reden eines Demosthenes, die Dramen eines Euripides sind glänzende Zeugnisse dafür. Aber dieser Freistaat, dessen Bürger ihre Feste auf Staatskosten feierten, [pg 66]vermochte sich nicht selbst zu nähren – wie, wenn einmal die reichen Einkünfte versagten, vermochte er dann die Feuerprobe des Unglücks zu bestehen?

§ 29. Erschütterung und Wiederherstellung der Demokratie. (411–403.)

„Solange das Kriegsglück schwankte, hielt sich die Demokratie. Aber als in Sizilien die Entscheidung fiel, und die Lakedaimonier durch das Bündnis mit dem Perserkönig auf den Höhepunkt ihrer Macht kamen, da sahen sich die Athener genötigt, die Demokratie gegen das sogenannte Regiment der 400 zu vertauschen“ (Aristoteles). Schon längst hatten oligarchische Klubs, die „Hetärien“, durch ihre geheime Tätigkeit den Umsturz der demokratischen Verfassung vorbereitet; jetzt, nach der Katastrophe vor Syrakus, welche den athenischen Staat aufs heftigste erschüttert hatte, schien der geeignete Zeitpunkt gekommen. Durch Gewaltmittel aller Art schreckten die Oligarchen das Volk, so daß es im Frühjahr 411 den Anträgen einer Kommission von 30 Männern (συγγραφεῖς), welche mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs beauftragt war, zustimmte. Alle Besoldungen, mit Ausnahme derjenigen der Archonten und der jeweiligen Prytanen, sollten für die Dauer des Kriegs abgeschafft werden, und die Staatsgeschäfte nur denen obliegen, die mit ihrer Person und ihrem Vermögen die leistungsfähigsten seien, im ganzen nicht unter 5000. Dadurch wurden die Theten von allen politischen Rechten ausgeschlossen.

Als provisorische Regierung wurde im Juni 411 ein neuer Rat von 400 Mitgliedern mit unbeschränkter Machtvollkommenheit eingesetzt. An der Spitze dieser neuen Oligarchie standen Peisandros, Antiphon und Theramenes. Aber nur 4 Monate hielt sich das Willkür- und [pg 67]Schreckensregiment der 400, welche die 5000 gar nie beriefen. Ende September 411 trat an ihre Stelle eine gemäßigte oligarchische Verfassung, welche das Vollbürgerrecht allen als Hopliten dienenden Bürgern gewährte (vgl. auch § 23). Doch schon 410 wurde die alte demokratische Verfassung wieder eingeführt, freilich für keine lange Dauer; denn nach der Übergabe Athens (April 404) stellte Lysander unter anderm die Friedensbedingung: „die Athener sollten fortab nach der Verfassung ihrer Väter leben“, d. h. nach der Auslegung der Aristokraten ein oligarchisches Regiment einsetzen, und „das eingeschüchterte Volk stimmte selbst für die Oligarchie“.

So wurde denn 404 ein gesetzgebender Ausschuß von dreißig Mitgliedern eingesetzt. Zuerst schien es, als wollten diese gesetzliche Verhältnisse schaffen, aber bald maßten sie sich eine Gewaltherrschaft an und töteten aus Habsucht etwa 1500 der reichsten und vornehmsten Bürger. Als aber die Verbannten unter Thrasybuls Führung die Bergfeste Phyle besetzten, und Theramenes, selbst einer der Dreißig, gegen deren gewalttätiges Treiben Widerspruch erhob, ließen die Dreißig auf Veranlassung ihres extremen Führers Kritias jenen hinrichten und erbaten sich eine spartanische Hilfstruppe, welche die Akropolis besetzte. Indes nahm Thrasybul die im Peiraieus gelegene Feste Munychia ein und besiegte die Dreißig, worauf diese von „denen in der Stadt“ (οἱ ἐν ἄστει) abgesetzt wurden. Unter Vermittlung des Spartanerkönigs Pausanias ward gegen Herbst 403 mit „denen im Peiraieus“ (οἱ ἐν Πειραιεῖ) ein Vertrag geschlossen, wonach „das Volk“ zurückkehren sollte, und eine allgemeine Amnestie (τῶν παρεληλυθότων μηδενὶ πρὸς μηδένα μνησικακεῖν ἐξεῖναι) erlassen wurde, welche das Volk „in gewohnter Gutmütigkeit“ treulich eingehalten hat. Im wesentlichen wurde die Volksherrschaft wieder[pg 68]hergestellt, und diese blieb bis in die makedonische Zeit in Kraft unter steter Mehrung der Befugnisse des Volkes: „denn über alles hat sich dieses selbst zum Gebieter gesetzt, weil die ganze Verwaltung durch Mehrheitsbeschlüsse und gerichtliche Entscheidungen bestimmt wird, worin eben das Volk den Ausschlag gibt“.

§ 30. Die Demokratie von 403 bis auf die Diadochenzeit (323).

Die bitteren Erfahrungen der letzten Jahre hatten das Volk zu weiser Mäßigung erzogen. Man wollte die für alle gleiche Demokratie, aber in streng gesetzlichen Formen. Unter dem Archontat des Eukleides (403) wurde eine Kommission von „Gesetzgebern“ (Nomotheten) mit der Ausarbeitung einer Gesetzsammlung beauftragt, wobei sie die „Gesetze Solons“ zugrunde legen sollten. Auch wurden die Formen, unter denen künftig Gesetze verändert oder aufgehoben werden konnten, genau festgestellt (vgl. § 33) und die Befugnisse der Volksversammlung und Gerichtshöfe schärfer abgegrenzt. Dagegen wurde ein Antrag, die Teilnahme an der Staatsgewalt auf die Grundbesitzer zu beschränken, abgelehnt.

Die Verkörperung der Demokratie war die Volksversammlung mit ihrer unumschränkten Souveränität. Aber diese war in Athen so wenig wie in Rom eine ebenmäßige mäßige Vertretung der gesamten Bürgergemeinde. Während die städtische Bevölkerung und die Bauern des nächsten Umkreises durch das Taggeld hinlänglich entschädigt wurden, konnte der weit größere Teil der Bürgerschaft, die konservativ gesinnte ländliche Bevölkerung, nur schwach vertreten sein. So sagte Sokrates, die Volksversammlung bestehe aus Walkern, Schustern, Zimmerleuten, Schmieden, Bauern, Kaufleuten und Marktkrämern. Mehr und mehr [pg 69]gehörte es bei den Gebildeten zum guten Ton, sich von dieser Gesellschaft und damit von der praktischen Politik fernzuhalten. Desto freieres Feld hatten schmeichlerische Demagogen und verleumderische Sykophanten. Wenn jedoch Theopomp das Volk von Athen als Lumpengesindel darstellt, so beweisen die Erfolge eines Demosthenes, der nur an Gemeinsinn und Opfermut sich wandte, daß die guten Elemente noch nicht ausgestorben waren. Die alten Gegensätze, Aristokratie und Demokratie, verschwanden allmählich, um neuen Gruppierungen Platz zu machen, für welche die Verschiedenheit des Vermögens und insbesondere die Beziehungen zu auswärtigen Staaten entscheidend waren. Die Geldfrage beherrschte das staatliche Leben: die Besoldungen wurden erhöht, die Schaugelder nunmehr an allen großen Festen ausbezahlt, dazu wurden die Kriege immer mehr mit Söldnern geführt; so gewannen die Finanzbehörden erhöhte Bedeutung.

Für die Schaugelder wurde 354 eine besondere Kasse gebildet, in welche unter der Finanzverwaltung des Eubulos (354–339) alle Überschüsse des Staatshaushalts flossen. Erst nach langem Kampfe gelang es Demosthenes unter dem Druck der Gefahr von Makedonien, diesen Unfug abzuschaffen und die Überschüsse einer neuzubildenden Kriegskasse zuzuwenden. Dank der klugen Verwaltung seines Parteifreundes Lykurg, der 338–326 die attischen Finanzen leitete, erholte sich der Staat wieder.

§ 31. Der attische Staat in der Diadochenzeit und unter römischer Herrschaft.

Der Verlust der griechischen Freiheit durch die Niederlage bei Chäronea (338) führte für Athen zunächst noch keine Verfassungsänderung herbei. Erst nach dem unglücklichen Ausgang des Lamischen Krieges (322) beschränkte [pg 70]der Sieger Antipater die Teilnahme an der Staatsverwaltung auf die Bürger, welche über 2000 Drachmen besaßen, wodurch von 21 000 Bürgern 12 000 ihrer politischem Rechte verlustig gingen. 318 veranlaßte Antipaters Sohn Kassander die Wahl des Demetrios von Phaleron zum Stadtvorstand Athens, indes eine makedonische Besatzung in Munychia lag. Seine zehnjährige Verwaltung war für Athen eine Zeit des Wohlstandes und der Ordnung. Die Ausübung der bürgerlichen Rechte war von einer Schätzung von 1000 Drachmen abhängig. „Gesetzeswächter“ (νομοφύλακες) überwachten die gesetzliche Amtsführung der Behörden und konnten im Rat wie in der Volksversammlung die Abstimmung über gesetzwidrige Anträge verhindern.

Als Demetrios „der Städteeroberer“, des Antigonos Sohn, 307 die Makedonier zum Abzug aus Munychia zwang, war in Athen großer Jubel; die Verfassung wurde wieder ganz demokratisch, die Zahl der Kreise (Phylen) durch zwei neue, Antigonis und Demetrias, auf zwölf vermehrt, und dementsprechend der Rat auf 600 Mitglieder ergänzt. Als Athen später Rückhalt bei den Ptolemäern und den Herrschern von Pergamon suchte, wurde 229 zu Ehren des Königs Ptolemaios Euergetes (246–221) eine dreizehnte Phyle, die Ptolemais, und 200, nach Abschaffung der Antiochis und Demetrias, die Attalis, dem König Attalos I. von Pergamon (241–197) zu Ehren eingerichtet.

Hatte Athen nach der Zerstörung Korinths von den Römern die bevorrechtigte Stellung einer „verbündeten Stadt“ (civitas foederata) erhalten, so mußte es seine feindselige Haltung im Mithridatischen Krieg und später seinen Anschluß an Pompejus um so schwerer, insbesondere durch Einschränkung der Demokratie, büßen. Während die alten demokratischen Formen blieben, lag die tatsächliche Leitung des Staates durchaus in den Händen der Reichen. Der [pg 71]Areopag kommt zu hoher Bedeutung; auf Inschriften werden als Repräsentanten des Staates genannt: „der Rat vom Areopag, der Rat der Sechshundert und das Volk“ (ἡ βουλὴ ἡ ἐξ Ἀρείου πάγου καὶ ἡ βουλὴ τῶν ἑξακοσίων καὶ ὁ δῆμος). Das einflußreichste Amt wird das der Feldherren; aber ihre Tätigkeit ist eine sehr friedliche: im Vereine mit dem Areopag sorgen sie für die Ausbildung der Jugend, das Gedeihen der Universität und die Zufuhr von Getreide.

B. System der Staatsverfassung.

§ 32. Die Elemente der Bevölkerung.

Wollen wir das öffentliche Leben Athens verstehen, so dürfen wir einen Hauptunterschied zwischen Jetztzeit und Altertum nicht außer acht lassen. Während alle männlichen Bewohner Deutschlands persönliche Freiheit und gleiche politische Rechte besitzen, hatte Athen neben den Vollbürgern und Beisassen im 5. und 4. Jahrhundert wohl 100 000 oder noch mehr Sklaven; und so allgemein war die Meinung der Griechen von der Notwendigkeit und Natürlichkeit der Sklaverei, daß selbst ein Aristoteles deren Naturnotwendigkeit wissenschaftlich nachzuweisen suchte. Die Sklaven, welche das Geschäft sowohl unserer Maschinen als auch unserer Handarbeiter besorgten, waren meist durch Kauf erworbene (ὠνητοί) Kriegsgefangene aus Barbarenländern, zum geringsten Teil im eigenen Hause aufgewachsen (οἰκογενεῖς, οἰκότριβες). Selbst der Staat besaß Sklaven (δημόσιοι), welche er als Polizeimannschaft (nach ihrer Heimat Skythen, nach ihrer Bewaffnung Bogenschützen [τοξόται] benannt) oder als Unterbedienstete öffentlicher Beamten verwandte. Nirgends wurden die Sklaven mensch[pg 72]licher behandelt als in Athen; das attische Lustspiel führt uns sogar recht freche Schlingel von Haussklaven vor. Todesstrafe durfte nur auf gerichtliches Urteil hin an ihnen vollzogen werden. Grausamer Behandlung durch ihre Herren konnten sie sich durch Flucht in ein Asyl (besonders das Theseion und das Heiligtum der Semnai am Areopag, vgl. § 23) entziehen und alsdann den Verkauf an einen anderen Herrn fordern (πρᾶσιν αἰτεῖν). Viele erlangten als Belohnung für treue Dienste oder durch Loskauf mittels eigener Ersparnisse ihre Freilassung; sie traten dann in die Rechtsstellung der Metöken ein, blieben aber ihrem Herrn, den sie zum Prostates zu wählen hatten, zu gewissen Dienstleistungen verpflichtet.

Metöken (Beisassen oder Schutzbürger) nannte man die freien Bewohner Attikas, welche das Bürgerrecht nicht besaßen. Es waren zumeist aus der Fremde zugewanderte Familien, deren Zahl mit der wachsenden Bedeutung Athens auf etwa 10 000 stieg, und die besonders im Peiraieus ansässig waren, wo Handel und Gewerbetätigkeit zum großen Teil in ihren Händen lag. Sie dienten im Kriege als Hopliten oder Ruderer, hatten gewisse Leiturgien (§ 45) zu übernehmen und wurden zu der außerordentlichen Kriegssteuer (εἰσφορά) in höherem Maße als die Bürger beigezogen; außerdem mußten sie ein Schutzgeld (μετοίκιον) von 12 Drachmen bezahlen und sich in staatlichen und rechtlichen Angelegenheiten durch einen Patron (Prostates) vertreten lassen, durften jedoch vor Gericht (vor dem Polemarchen) ihre Sache selbst führen. Durch Volksbeschluß konnten ihnen für „Verdienste um das Volk“ besondere Vergünstigungen, wie der Ehrentitel „Wohltäter“ (εὐεργέτης) oder Proxenos (vgl. § 64), oder das (ihnen sonst nicht zustehende) Recht des Erwerbs von Grundbesitz und Gebäuden in Attika (ἔγκτησις γῆς καὶ οἰκίας), oder Befreiung von [pg 73]der Zahlung (ἀτέλεια) des Schutzgelds und den Leiturgien, oder die Isotelie (ἰσοτέλεια d. i. ἴσα τοῖς ἀστοῖς τελεῖν) d. h. die Gleichstellung mit den Bürgern hinsichtlich der finanziellen Leistungen, endlich selbst das Bürgerrecht verliehen werden; auch gelang es vielen, zumal in Zeiten kriegerischer Bedrängnisse, sich in die Bürgerlisten einzuschleichen.

Die Zahl der athenischen Bürger mag bei Beginn des Peloponnesischen Krieges 45 000 betragen haben, so daß sich die gesamte bürgerliche Bevölkerung Attikas auf etwa 130 000 Seelen belief; im Jahre 309 v. Chr. wurden noch 21 000 Bürger gezählt. Das Bürgerrecht konnte wegen etwaiger Verdienste um das Volk durch Volksbeschluß (vgl. § 33) verliehen werden (ποιητοί oder δημοποίητοι πολῖται). Durch Geburt (γένει, φύσει) war Bürger jeder eheliche (γνήσιος) Sohn von attischem Vater und attischer Mutter. Am dritten Tag des Apaturienfestes (s. § 53) stellte der Vater sein Kind der Phratrie vor mit dem Schwur, daß dasselbe von einer bürgerlichen, ihm feierlich verlobten Frau (ἐξ ἀστῆς καὶ ἐγγυητῆς γυναικός) geboren sei; darauf wurde über die Aufnahme des Kindes abgestimmt und sein Name in die Liste der Phratrie eingetragen, wodurch seine Verwandtschaft (συγγένεια) und damit sein Erbrecht begründet wurde (vgl. § 20). Uneheliche (νόθοι) können durch Aufnahme an Kindes Statt in die bürgerlichen Rechte eintreten und stehen dann nur in Erbsachen den ehelichen nach; sie erhalten ihre körperliche Ausbildung in einem besonderen Gymnasium, dem Kynosarges. Nach Vollendung des 17. Lebensjahres wurde der attische Jüngling (ἔφηβος) vom Gemeindevorsteher in die Gemeindebürgerliste eingetragen (vgl. § 27), nachdem die Angehörigen der Gemeinde auf Grund eidlicher Aussagen des Vaters über dessen Alter, Herkunft und Zugehörigkeit zur Gemeinde abgestimmt hatten. Die faktische Ausübung [pg 74]seiner staatsbürgerlichen Rechte war ihm jedoch erst nach Ablauf seiner zweijährigen Militär-Dienstzeit (§ 56) möglich.

Die bürgerlichen Rechte, deren Vollbesitz Epitimie heißt, können besonders bei Vergehen gegen das Gemeinwohl durch die Strafe der Atimie (Ehrverkürzung) ganz oder teilweise entzogen werden. Der Atimos war mit seiner Familie von Markt, Volksversammlung, Gericht und Heiligtümern ausgeschlossen. Wer sich das Bürgerrecht fälschlich anmaßte, konnte von jedem Athener durch eine Schriftklage (γραφὴ ξενίας) belangt werden; ward er verurteilt, so verfiel er dem Staat mit Leib und Gut.

Besondere Ehrenrechte waren Befreiung von den Leiturgien (ἀτέλεια), Ehrensitz bei den Festen (προεδρία), einmalige oder lebenslängliche Speisung im Prytaneion (σίτησις ἐν Πρυτανείῳ), öffentliche Bekränzung.

§ 33. Die Volksversammlung.

Im 4. Jahrhundert wurden während jeder Prytanie (s. § 34) vier ordentliche Volksversammlungen abgehalten, welche samt der Tagesordnung fünf Tage vorher von den Prytanen ausgeschrieben (προγράφειν, πρόγραμμα) werden mußten. Die I. ordentliche (κυρία ἐκκλησία) hatte folgendes feste Programm:

1.   Abstimmung darüber, ob die Behörden ihr Amt zur Zufriedenheit führen (Epicheirotonie der Beamten);
2.   Bericht a) über den Stand der Getreidevorräte, b) über die Sicherheit des Landes;
3.   Entgegennahme politischer Anklagen in Form der sogenannten Meldeklagen (Eisangeliai s. S. 78);
4.   Verlesung a) der Konfiskationsliste, b) eines Verzeichnisses erhobener Erbansprüche;
5.   (nur in der 6. Prytanie) Abstimmung darüber, ob ein Scherbengericht (s. § 27) statthaben solle;
6.   etwaige Vorentscheidungen (Probolai s. S. 78) gegen Sykophanten.

Die II. Volksversammlung ist für Bittgesuche (ἱκετηρίαι) bestimmt; hier konnte jeder unter Niederlegung eines Ölzweiges ein Gesuch in öffentlichen oder privaten Anliegen einbringen.

Die III. und IV. Versammlung war für gottesdienstliche wie staatliche Angelegenheiten (z. B. Berichte von Gesandtschaften) bestimmt.

Außerordentliche (σύγκλητοι, κατάκλητοι) Versammlungen wurden bei unvorhergesehenen und dringlichen Vorkommnissen zusammenberufen.

Die Versammlungen fanden auf der Pnyx, dem Markt, im Theater oder auch im Peiraieus statt. Sechs „Lexiarchoi“ (ληξίαρχοι) prüften an den Eingängen die Berechtigung der Eintretenden und gaben denselben eine Marke (σύμβολον), gegen welche die Taggelder (s. § 28) ausbezahlt wurden. Für die äußere Ordnung sorgten die 30 „Volksversammler“ (συλλογεῖς τοῦ δήμου). Die Versammlung wurde vormittags eröffnet mit einem Reinigungsopfer, Gebet und Flüchen gegen die, welche das Volk durch Reden täuschen. Der Vorsitzende (§ 34) läßt durch den Herold den Vorbeschluß des Rates (§ 34) verlesen, welcher gewöhnlich einen positiven Vorschlag enthält, aber auch die Angelegenheit nur formell zur Verhandlung stellen kann, und im ersteren Fall durch eine Vorabstimmung (προχειροτονία) darüber entscheiden, ob das Volk den Ratsbeschluß ohne weiteres annehmen oder in eine Debatte über denselben eintreten will. Entscheidet sie sich für das letztere, so läßt der Vorsitzende weiter fragen, wer zu sprechen wünsche. Wer das Wort hat, setzt den Myrtenkranz auf, tritt (παριέναι) auf die Rednerbühne (βῆμα) und kann nun für den Ratsantrag sprechen oder einen Abänderungsantrag [pg 76](Amendement) stellen oder endlich einen eigenen abweichenden Antrag einbringen.

Verlangt niemand mehr das Wort, so läßt der Vorsitzende über den Antrag abstimmen (ἐπιψηφίζειν), was durch Handaufheben (χειροτονία) geschieht; dagegen findet geheime Abstimmung mit Stimmsteinen (ψῆφοι) statt, wenn der Beschluß eine einzelne Person betrifft (ψήφισμα ἐπ’ ἀνδρί), wie bei der Bürgerrechtserteilung (vgl. § 32), dem Scherbengericht (§ 27) und der Erteilung der Straflosigkeit (ἄδεια) an solche, welche einen eigentlich gesetzwidrigen Antrag stellen wollen, z. B. auf Ausschreibung einer außerordentlichen Vermögenssteuer, Nachlaß einer dem Staate geschuldeten Summe, Zurückrufung Verbannter. An den Abstimmungen, welche eine einzelne Person betreffen, müssen sich im ganzen mindestens 6000 Abstimmende beteiligen, wenn ein gültiger Beschluß zustande kommen soll.

Wir unterscheiden zwei äußere Formen der Volksbeschlüsse: 1. Die ältere, vor dem Archontat des Eukleides (403) übliche, wobei die einleitende Formel z. B. lautet: „Diokles war Archon, Mnesitheos war Schreiber, es beschloß der Rat und das Volk, die Kekropis hatte die Prytanie, Eupeithes war Vorsitzender, Kallias stellte den Antrag“ (Δ. ῆρχε, Μ. ἐγραμμάτευε, ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ, Κ. ἐπρυτάνευε, Ε. ἐπεστάτει, Κ. εἶπε); dann folgt der Antrag im Infinitiv. Doch finden sich nicht immer alle obigen sechs Teile, auch wechselt die Reihenfolge. 2. Die jüngere, nacheukleideische: „Unter dem Archontat des Koroibos, unter der Prytanie der Kekropis, während deren Pamphilos, der Sohn des – aus –, Schreiber war, am 11. Gamelion, dem 26. der Prytanie; Volksversammlung; von den Vorsitzern ließ Pythippos, der Sohn des – aus –, abstimmen; es beschloß der Rat und das Volk, Thrasykles, der Sohn des – aus –, stellte den Antrag.“

[pg 77]

Jeder Antrag konnte durch einen „Zwischenschwur“ (ὑπωμοσία) ungültig gemacht werden, d. h. durch das eidliche Versprechen eines Bürgers, daß er gegen den Antragsteller eine Klage wegen Gesetzwidrigkeit einbringen werde, worauf die Beschlußfassung bis zur gerichtlichen Entscheidung verschoben wurde. Diese Klage wegen Gesetzwidrigkeit (γραφὴ παρανόμων), welche die Verurteilung des Antragstellers durch ein Heliastengericht (§ 37) zu einer Geldbuße oder in besonders schweren Fällen zum Tode herbeiführen konnte, war eine Hauptschutzwehr der Verfassung gegen leichtsinnige und übereilte Anträge und Beschlüsse der Volksversammlung. Auch für einen vom Volke angenommenen Antrag war der Antragsteller noch ein Jahr lang verantwortlich.

Nach Erledigung der Geschäfte und Verkündigung des Resultats der Abstimmung, oder wenn ein Himmelszeichen (διοσημία) wie Blitz, Donner, Erdbeben, Sonnenfinsternis oder auch nur Regen eintritt, entläßt der Vorsitzende das Volk. Die Beschlüsse werden im Staatsarchiv, dem Heiligtum der Göttermutter (Metroon), aufbewahrt, manchmal auch in Stein (στήλη) gehauen und auf der Akropolis oder anderwärts aufgestellt.

In der Zeit der entwickelten Demokratie gab die Volksgemeinde als Trägerin der Souveränität des Staates (τὸ κῦρος τῆς πολιτείας ἔχουσα) in allen Fragen der äußeren Politik wie der inneren Verwaltung den endgültigen Entscheid, und alles war so einem Redner erreichbar, der, wie Demosthenes, „mit seinen Worten die Seelen der Hörer aus den Angeln hob“.

Die Rechtsprechung der Volksversammlung, welche im 5. Jahrhundert bei Staatsprozessen in größerem Umfang stattgefunden, beschränkte sich nach der Neuordnung des Gerichtswesens nach Eukleides (403) auf die sog. Meldeklage [pg 78](Eisangelie), ein außerordentliches Verfahren gegen schwere, im Gesetz nicht vorgesehene Verbrechen, welche die Sicherheit des Staates gefährdeten, z. B. Umsturz der Verfassung, Hochverrat. Die Klage wurde entweder unmittelbar beim Volke oder, was gewöhnlicher war, beim Rate eingebracht: im ersteren Falle verwies das Volk dieselbe an den Rat, welcher sein Probuleuma darüber der Volksversammlung vorlegte. Letztere konnte nun entweder beschließen, die Sache selbst abzuurteilen, was alsdann in einer dazu anberaumten Versammlung nach Anhörung der Anklage und Verteidigung durch geheime Abstimmung geschah, oder sie konnte den Fall an ein Heliastengericht von 1000 oder (später) 1500 Mitgliedern verweisen. Seit Mitte des 4. Jahrhunderts wurde der Verurteilte in der Regel hingerichtet und durfte nicht auf vaterländischem Boden bestattet werden. Beisp. Lys. 22. 30. Lykurg. geg. Leokr., Hypereides für Lykophron und für Euxenippos.

Außerdem wurden noch Klagen gegen Sykophanten und solche, welche das Volk durch unwahre Versprechungen hintergangen hatten, in der Form der Probole (προβολή), „Deckung“, vor das Volk gebracht. Der Ankläger suchte nämlich, ehe er seine Klage bei Gericht einbrachte, gleichsam „Deckung“ hinter dem Volke durch Denunziation des Schuldigen bei der Volksversammlung, welche eine Vorentscheidung zu dessen Ungunsten abgeben sollte. Nachdem das Volk Anklage und Verteidigung gehört hatte, stimmte es über die Schuld ab. Diese Vorentscheidung bedeutete jedoch nur ein moralisches Präjudiz, an das bei einer nachfolgenden Gerichtsverhandlung die Richter nicht gebunden waren. Beisp. Demosthenes geg. Meidias.

Auch die Gesetzgebung (Nomothesie), die Aufstellung dauernder Normen (νόμοι), welche nicht bloß wie die Volksbeschlüsse (ψηφίσματα) augenblicklichen Bedürfnissen dienten, [pg 79]lag im 5. Jahrhundert in der Hand des Volkes: gewöhnlich wurden einzelne sachverständige Männer oder eine Kommission von solchen (als συγγραφεῖς) mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt, welche zunächst an den Rat kam, um alsdann mit dessen Gutachten der Volksversammlung zur Annahme oder Ablehnung vorgelegt zu werden. Allmählich bildete sich jedoch ein umständlicheres Verfahren aus, das größere Gewähr für besonnene und sachkundige Behandlung und größere Sicherheit gegen vorschnelle Gesetzesänderungen durch die leicht erregbare Volksversammlung bot, und im 4. Jahrhundert gesetzlich vorgeschrieben war. In der ersten ordentlichen Versammlung jedes neuen Jahres stimmte nämlich das Volk darüber ab, ob und welche Gesetze abgeändert werden sollten (ἐπιχειροτονία τῶν νόμων). Erklärte das Volk Gesetze für verbesserungsbedürftig, so konnte jeder Bürger Vorschläge machen, welche öffentlich ausgestellt und in den Volksversammlungen verlesen wurden. Über Beibehaltung der alten Gesetze oder Annahme der neuen Gesetzesvorschläge entschied eine aus Heliasten gebildete größere Kommission (z. B. 500 oder 1000) von „Gesetzgebern“ (Nomotheten), vor welcher 5 vom Volk ernannte Anwälte (συνήγοροι) die angefochtenen Gesetze verteidigten, während die Antragsteller ihre Änderungsvorschläge begründeten.

Ähnlich war das Verfahren, wenn die Thesmotheten bei ihrer jährlichen Revision der Gesetze (διόρθωσις τῶν νόμων) einander widersprechende Gesetzesbestimmungen fanden.

Für das Verhältnis der Volksbeschlüsse zu den Gesetzen galt als staatsrechtlicher Grundsatz, daß die ersteren den letzteren nicht zuwiderlaufen sollten. Allein nicht selten setzte sich die leidenschaftlich erregte Menge, besonders in den Zeiten der fortgeschrittenen Demokratie, über die bestehenden Gesetze hinweg, so daß ein Redner des 4. Jahrhunderts [pg 80]geradezu den Satz aufstellen konnte: „Die Gewalt der Volksversammlung ist unbeschränkt, so daß sie in allen Staatsangelegenheiten volle Freiheit hat, zu tun, was ihr beliebt.“

§ 34. Der Rat der Fünfhundert und der Rat vom Areopag.

Ein Ausschuß des regierenden Volkes ist der Rat, der die Geschäfte der Volksversammlung zu leiten und vorzubereiten hat. Seit Kleisthenes (s. § 27) besteht er aus 500 (ἡ βουλὴ οἱ πεντακόσιοι, gewöhnlich nur ἡ βουλή) jährlich erlosten Ratsherren (Buleuten). Diese haben beim Amtsantritt einen Eid zu schwören, worin sie unter anderem geloben, die Gesetze Solons zu halten, dem Volk das Beste zu raten und nur unter gewissen Bedingungen einen Athener in Fesseln zu legen. Ein Zehntel des Rates (die 50 Ratsherren eines Kreises) bildete als Prytaneis (oder φυλὴ πρυτανεύουσα) einen geschäftsführenden Ausschuß, der nach erloster Reihenfolge abwechselnd während einer Prytaneia (im gewöhnlichen Jahr 35–36, im Schaltjahr 38–39 Tage) amtierte. Derselbe erloste täglich aus seiner Mitte einen Vorstand (Epistates), der als höchster Staatsbeamter das Staatssiegel und die Schlüssel des Archivs und der Heiligtümer bewahrte, wo die Urkunden und Schätze lagen. Er und ein Drittel der Prytanen müssen beständig in dem am Markte neben dem Rathause gelegenen Amtslokal, der Skias oder Tholos, einem Rundgebäude mit Kuppeldach, anwesend sein, wo sie auch alle gemeinsam speisen. Die Prytanen besorgen die laufenden Staatsgeschäfte, empfangen Herolde, Gesandte und Briefe fremder Staaten, berufen die Plenarsitzungen des Rates (täglich, Fest- und Unglückstage ausgenommen) und die Volksversammlung.

In beiden führte ursprünglich der „Epistates der Prytanen“ den Vorsitz; aber gleich als vertrüge sich selbst [pg 81]eine so kurzdauernde Machtstellung nicht mit der argwöhnisch behüteten demokratischen Gleichheit, wurden seit Anfang des 4. Jahrhunderts vor jeder Ratssitzung und Volksversammlung durch den Epistates der Prytanen 9 „Vorsitzer“ (πρόεδροι), 1 aus jeder der 9 die Prytanie gerade nicht führenden Phylen, und aus diesen 9 Vorsitzern alsdann der „Vorstand der Vorsitzer“ (ἐπιστάτης τῶν προέδρων) ausgelost. Diese Vorsitzer erhalten von den Prytanen die fertiggestellte Tagesordnung, legen dieselbe vor, sorgen für Ordnung und leiten Verhandlung und Abstimmung. Die Sitzungen des Rates fanden gewöhnlich im Rathause (βουλευτήριον), zuweilen auch auf der Akropolis oder im Peiraieus statt und waren in der Regel öffentlich. Während der Sitzung trugen die Ratsherren den Myrtenkranz. Eine wichtige Stelle bekleidete der mit den Prytanen wechselnde Ratsschreiber (γραμματεὺς τῆς βουλῆς oder einfach γραμματεύς), welcher das Ratsprotokoll zu führen, die Volksbeschlüsse zu redigieren und aufzustellen und das Archiv zu ordnen hatte. Sein Amt wurde etwa 365 ein festes Jahresamt.

Die Befugnis des Rates erstreckt sich über die gesamte Staatsverwaltung; er hat alles, was an die Volksversammlung kommt, vorzuberaten (προβουλεύειν) und dieser seinen Vorschlag (προβούλευμα) zu unterbreiten; nur dann, wenn über eine Angelegenheit dieser Vorbeschluß des Rates vorliegt und die Prytanen dieselbe auf die Tagesordnung gesetzt haben, darf in der Volksversammlung über sie abgestimmt werden (μηδὲν ἐᾶν ἀπροβούλευτον εἰς ἐκκλησίαν εἰσφέρεσθαι); der Rat hat auch die Beschlüsse des Volkes auszuführen, wobei ihm oft ausdrücklich weitgehende Vollmachten erteilt werden. Er vermittelt den Verkehr mit auswärtigen Staaten, führt Gesandtschaften ein, vereinbart und beschwört [pg 82]Verträge. Er erhält von den Beamten Berichte, erteilt ihnen Weisungen und kann Geldstrafen (ἐπιβολαί) bis zum Betrag von 500 Drachmen über sie verhängen. Endlich hat er die Oberaufsicht über das gesamte Finanzwesen: Steuern, Zölle, Staatsschuldner, Konfiskationen, öffentliche Bauten, Heiligtümer, Reiterei und Marine unterstehen seiner Entscheidung. Der Rat ist für seine Amtsführung verantwortlich; wird diese nicht beanstandet, so erhält er am Schluß des Jahres einen Ehrenkranz.

Der Rat vom Areopag, der einst als Adelsrat eine so mächtige Stellung im Staate eingenommen hatte (s. § 22), war durch Ephialtes (s. § 28) gänzlich aus derselben verdrängt und auf die Blutgerichtsbarkeit (s. § 40) beschränkt worden. Zu neuer Bedeutung gelangte er erst wieder in römischer Zeit (§ 31).

§ 35. Die Beamten.

Gewählt werden in der Volksversammlung durch Handmehr (χειροτονία) die höheren Offiziere und Finanzbeamten – im 5. Jahrhundert die Reichsschatzmeister (Hellenotamien), im 4. die Behörde für die Festgelder (οἱ ἐπὶ τὸ θεωρικόν), der Kriegszahlmeister (ταμίας τῶν στρατιωτικῶν), der Vorsteher des Staatshaushalts (ὁ ἐπὶ τῇ διοικήσει) –, endlich der Brunnenmeister (ὁ ἐπὶ τὰς κρήνας) und die Schiffsbaumeister (ἀρχιτέκτονες ἐπὶ τὰς ναῦς). Alle übrigen Beamten werden durchs Los bestimmt. An der Verlosung nehmen alle Bürger teil, die sich als Bewerber angegeben haben. Bei allen zehngliedrigen Kollegien erlost jeder Kreis ein Mitglied. Außerdem werden Ersatzmänner miterlost (ἐπιλαχόντες), welche im Fall des Todes oder der Nichtbestätigung (ἀποδοκιμασία) von Beamten oder Ratsherren sofort in deren Stellen eintreten.

[pg 83]

Alle Beamten haben sich vor einem Gerichtshof einer Bestätigungsprüfung (δοκιμασία) zu unterwerfen, die Archonten außerdem noch einer solchen vor dem Rate, vor letzterem allein die neugewählten Ratsherren, und sich hier über den Vollbesitz des Bürgerrechts, ihr Lebensalter, Erfüllung der staatlichen Pflichten und rechtschaffene Lebensführung auszuweisen, bei gewissen Ämtern außerdem über einzelne besondere Eigenschaften; so sollen z. B. Archonten das Bürgerrecht ihres Großvaters von väterlicher und mütterlicher Seite, Generale eheliches Leben und Grundbesitz in Attika nachweisen. Niemand darf ein Zivilamt mehr als einmal bekleiden; nur Ratsherr darf einer zweimal werden. Dagegen können die Offizierstellen öfters von demselben bekleidet werden.

Das Amtsjahr der Beamten beginnt zugleich mit dem bürgerlichen Jahre am 1. Hekatombaion (vgl. § 53), das einiger höherer Finanzbeamten mit dem Fest der Panathenäen, dasjenige des Rates am 14. Skirophorion. Alle Beamten haben vor Antritt ihres Amtes zu schwören, dasselbe den Gesetzen gemäß zu verwalten; sie dürfen innerhalb ihres Amtskreises Geldstrafen (ἐπιβολὰς ἐπιβάλλειν) bis zu gewissem Satz, einzelne, wie die Feldherrn, auch Haft verhängen. Während ihrer Amtsdauer sind sie vom Kriegsdienste befreit und haben Ehrenplätze in Versammlungen wie im Theater; nur ein Teil von ihnen bezieht ein Taggeld. Im Amte tragen sie, ebenso wie die fungierenden Ratsherren und die Redner in der Volksversammlung, den Myrtenkranz. Sie können jederzeit, selbst während ihres Amtsjahres, wegen ihrer Amtsführung angeklagt und abgesetzt werden. Am Schlusse desselben hat jeder Beamte Rechenschaft abzulegen (λόγον καὶ εὐθύνας διδόναι), wobei etwaige Überschreitungen der Befugnisse, Unterschlagung, Bestechlichkeit oder Schädigung des Gemeininteresses zur Sprache kommen. [pg 84]Die Rechnungsdurchsicht besorgte eine Rechnungsbehörde, die aus Logistai, Euthynoi und Synegoroi bestand. Vor der Rechenschaftsablage sollte kein Beamter eine Auszeichnung erhalten. (Anlaß der Kranzrede des Demosthenes.) Einzelne Beamte hatten selbstgewählte Beisitzer (πάρεδροι), welche ebenfalls der Prüfung und Rechenschaft unterlagen.

Das Rechtswesen.

§ 36. Die neun Archonten.

Die neun Archonten, welche in der älteren Zeit, als Erben der Machtbefugnisse des Königtums, die gesamte Staatsverwaltung leiteten, wurden mit der Entwicklung der Demokratie in ihrer Amtsgewalt derart beschränkt, daß ihnen nur gewisse richterliche und sakrale Funktionen blieben. Und auch auf dem Gebiete der Rechtsprechung hatten sie nicht mehr die ehemaligen Befugnisse; denn während sie früher alle in ihren Amtsbereich fallenden Rechtsstreitigkeiten selbständig entschieden, war ihre Aufgabe jetzt nur die, den Prozeß einzuleiten und den Vorsitz in dem betreffenden Gerichtshof zu führen (ἡγεμονία τοῦ δικαστηρίου). Gemeinsam amtierte das Kollegium nur bei der Erlosung der Beamten, sowie der Geschworenen für die einzelnen Gerichtshöfe.

1. Der erste, welcher den Vorsitz im Kollegium führte, hieß schlechthin Archon. Später erhielt er den Beinamen Eponymos, weil sein Name an der Spitze verschiedener offizieller Listen stand; nach ihm wurde auch das Jahr benannt. Sofort nach Amtsantritt erläßt er eine Bekanntmachung, worin er für die Dauer seines Amtes jeden Bürger in dem Besitz und in der freien Verfügung seines Vermögens bestätigt. Er ist Hüter des Familien- und Erbrechtes, Beschützer der Witwen, Vormund der Waisen und Erbtöchter, [pg 85]überwacht die Ausstattung der Chöre für die Tragödien, Komödien und Dithyramben, besorgt die Festgesandtschaft nach Delos, die Festzüge am Asklepiosfest, an den großen Dionysien und Thargelien (vgl. § 53).

2. Der Basileus hat die oberste Aufsicht über den gesamten Staatskultus. Die ältesten Opfer und Gottesdienste leitet er, insbesondere die Mysterienfeier, die Lenaien und alle Fackelwettläufe. Seine Gattin (die βασίλισσα oder βασίλιννα) wird alljährlich am Anthesterienfeste in symbolischer Weise mit Dionysos vermählt. Zu der dem Basileus unterstehenden Gerichtsbarkeit in allen sakralen Angelegenheiten gehören wegen des religiösen Charakters der Blutschuld und Blutsühne auch die Mordprozesse (s. §§ 2340).

3. Der Polemarch, ursprünglich der Heerführer, hat von seiner einstigen Stellung nur gewisse gottesdienstliche Obliegenheiten behalten: er bringt die Opfer für Artemis Agrotera und Enyalios dar, leitet das Totenfest der im Kriege Gefallenen, welches durch Kampfspiele und Reden (vgl. des Perikles herrliche Grabrede und Lysias’ Rede 2) gefeiert wurde, und richtet die Totenopfer für die „Tyrannenmörder“ Harmodios und Aristogeiton aus. Seine Haupttätigkeit besteht in der Gerichtsbarkeit über alle Nichtbürger. „Alles, was der erste Archon für die Bürger, hat der Polemarch für die Schutzbürger zu tun.“ Insbesondere fallen unter seine Gerichtsbarkeit alle Fälle, in welchen eine der Parteien ein Schutzbürger oder Fremder ist. Diese Amtstätigkeit hängt mit seiner ursprünglichen Stellung insofern zusammen, als man in ältester Zeit Fremde als Feinde zu betrachten pflegte (vgl. hostis etymologisch = Gast, mit der Grundbedeutung „Fremder“).

4. Die 6 Thesmotheten bilden mit einem Sekretär ein engeres von Haus aus für die Rechtspflege eingesetztes [pg 86](§ 23) Kollegium. Sie revidieren alljährlich die Gesetze (§ 33), weisen den einzelnen Behörden ihre Geschworenengerichte zu, bestimmen die Gerichtstage, leiten alle Bestätigungsprüfungen der Beamten ein, und führen den Vorsitz hauptsächlich bei den das Staatsinteresse berührenden Klagen, sodann in allen öffentlichen und privaten Prozessen, welche nicht in den besonderen Amtskreis einer bestimmten Behörde fallen.

§ 37. Die Gerichtshöfe.

Die Rechtsprechung, welche in der älteren Zeit fast ganz den Archonten (§§ 2336) oblag, war in der entwickelten Demokratie aufs mannigfachste zerteilt: jede Behörde hatte die Gerichtsvorstandschaft (ἡγεμονία τοῦ δικαστηρίου), bestehend in der Voruntersuchung, Leitung der Hauptverhandlung und Vollstreckung des Urteils, in allen öffentlichen und privaten Prozessen, welche mit ihrem Verwaltungszweig zusammenhingen, während die Urteilsfindung (διαγνῶναι) fast ausschließlich den von Solon eingeführten Volksgerichten zustand. Beamte, welche nur richterliche Obliegenheiten hatten, waren außer den Thesmotheten:

1. Die 5 Eisagogeis (εἰσαγωγεῖς), öffentliche Anwälte, welche die meisten der Rechtsstreitigkeiten, welche binnen Monatsfrist erledigt sein mußten (δίκαι ἔμμηνοι), einleiteten, wie Mitgiftstreit, Nichteinhaltung von Verträgen, körperliche Mißhandlung.

2. Die Vierzigmänner (οἱ τετταράκοντα) oder Gaurichter (οἱ κατὰ δήμους δικασταί), von Peisistratos eingesetzt (§ 26), ursprünglich 30, nach der Herrschaft der 30 sog. Tyrannen auf 40 erhöht; sie zogen (wenigstens im 6. und 5. Jahrhundert) in Abteilungen in den Landgemeinden umher und verhandelten besonders die vermögensrechtlichen [pg 87]Streitigkeiten, wobei sie Bagatellsachen, bei denen der Streitwert bis zu 10 Drachmen betrug, endgültig entschieden. Kamen höhere Beträge in Frage, so überwiesen sie die Klage an

3. die öffentlichen Schiedsrichter, Diaiteten (διαιτηταί), die 60jährigen Bürger, welche ein Jahr lang als Einzelrichter die ihnen durchs Los zugeteilten Privatprozesse bei Strafe der Atimie zu übernehmen und zu entscheiden hatten. Durch ein mehr summarisches und sehr billiges Verfahren erledigten sie den größten Teil der privaten Rechtsstreitigkeiten. Gegen ihr Erkenntnis stand die Berufung (ἔφεσις) an das Volksgericht frei.

Ständige Richterkollegien bildeten die Areopagiten und Epheten (s. §§ 2340), deren Gerichtsbarkeit sich jedoch auf das Blutrecht beschränkte.

Der wichtigste Teil der Rechtsprechung stand dem Geschworenengericht, der Heliaia (ἡλιαία), zu. Heliast (ἡλιαστής) oder Richter (δικαστής) kann jeder Bürger werden, der über 30 Jahre alt, im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte ist und sich zu dem Amte meldet. Aus den Bewerbern erlosen die Archonten alljährlich 5000 Geschworene nebst 1000 Ersatzmännern, welche in 10 Abteilungen oder Sektionen (δικαστήρια) verteilt werden. Der Eid, welchen die Richter leisteten, lautete: „Ich will meine Stimme abgeben gemäß den Gesetzen und den Beschlüssen des Volks von Athen und des Rats der 500, in den Fällen aber, für welche es keine Gesetze gibt, nach der gerechtesten Einsicht ohne Gunst und Feindschaft. Ich will den Kläger und den Beklagten auf gleiche Weise anhören, und mein Urteil einzig nach dem Gegenstand der Klage abgeben. Das schwöre ich bei Zeus, bei Apollon, bei Demeter, und viel Segen werde mir zuteil, wenn ich meinen Eid treulich halte, Verderben treffe mich und mein Haus, wenn ich meineidig [pg 88]werde!“ Jeder Geschworene erhielt eine Erkennungsmarke aus Buchsbaumholz, auf welcher sein Name, der seines Vaters und seiner Heimatsgemeinde, daneben zur Bezeichnung seiner Abteilung einer der Buchstaben Α–Κ (d. h. eine der Zahlen 1–10) stand.

Im 5. Jahrhundert waren die Abteilungen den einzelnen Gerichtshöfen für das ganze Jahr zugewiesen. Weil aber hierbei die Parteien eine ungesetzliche Einwirkung auf die Richter ausüben konnten, wurden im 4. Jahrhundert die Abteilungen den einzelnen Höfen erst am Morgen des Gerichtstags durchs Los von den Thesmotheten zugewiesen. Bei Streitwerten unter 1000 Drachmen saßen 201 Richter einer Abteilung; bei wichtigeren Prozessen dagegen wurde der Hof gewöhnlich mit 1, aber auch mit 2 oder mehr ganzen Abteilungen besetzt. Da aber diese nie ganz vollzählig waren, so mußte vor Beginn der Sitzung erst die erforderliche Zahl aus den Ersatzmännern ergänzt werden. Dieses „Ergänzen“ (πληροῦν) bedeutet das, was wir „den Gerichtshof konstituieren“ nennen. Das Verfahren wurde nur in den Fällen abgeändert, wo es sich um Vergehen gegen die Kriegsdienstpflicht oder gegen die Mysterien handelte; hierüber sollten nämlich nur Richter urteilen, welche in demselben Heere wie der Beklagte gedient hatten, bzw. in die Mysterien eingeweiht waren.

Als Zeichen ihrer Amtstätigkeit an dem einzelnen Tag erhielten die Geschworenen Stäbe, welche die Farbe und den Buchstaben des ihnen zugewiesenen Gerichtshofes trugen. Der Stab (das Zepter), das uralte Symbol der richterlichen Gewalt, diente hier zugleich, ebenso wie eine eichelförmige, mit einem Buchstaben versehene Marke (βάλανος) dazu, die Zugehörigkeit eines Richters zu einem Gerichtshof nachzuweisen. Beim Eintritt in den Gerichtshof erhielt derselbe eine Marke, gegen welche das Taggeld (s. § 28) [pg 89]ausbezahlt wurde. Die größte Gerichtsstätte war die am Markt gelegene Heliaia, der Versammlungsort der Gesamtheit der Heliasten; als weitere Gerichtshöfe werden genannt das Parabyston, wo die Elfmänner zu Gericht saßen, das Kainon, Meson, Trigonon, der „rote“ und der „grüne“ Gerichtshof (φοινικοῦν, βατραχιοῦν δικ.) u. a. Die Gerichtsstätten der Epheten s. § 40. Der Sitzungsraum war durch Schranken abgeschlossen; die Richter saßen auf Holzbänken, Zeugen und Parteien sprachen von einer Rednerbühne aus. Gerichtssitzungen fanden täglich statt, außer an Festen, Unglückstagen und Volksversammlungstagen.

§ 38. Die Formen der öffentlichen Klage.

Die attische Sprache sieht im Prozeß das Bild eines Kampfes; der Prozeß wird „Wettkampf“ (ἀγών), der Kläger „Verfolger“ (διώκων), der Beklagte „Fliehender“ (φεύγων) genannt; überführen ist „fassen“ (αἱρεῖν), verurteilt werden = „gefangen werden“ (ἁλῶναι), freigesprochen werden = „entrinnen“ (ἀποφεύγειν). Je nachdem es sich um Verletzung eines privaten oder öffentlichen Interesses handelt, werden zwei Arten von Prozessen unterschieden: 1. Dike (δίκη), Privatklage, 2. Graphe (γραφή), öffentliche Klage. Allerdings decken sich die attischen Begriffe von „öffentlich“ und „privat“ nicht durchaus mit unseren Anschauungen. Die Dike kann nur vom Verletzten, die Graphe von jedem Bürger eingebracht werden; bei der Dike fällt die streitige Sache oder Buße dem Kläger, bei der Graphe dem Staate zu, und nur wenn dem Staate ein materieller Gewinn erwächst (z. B. bei Konfiskation), erhält der Kläger davon einen bestimmten Teil. Die Formen der öffentlichen Klage sind folgende:

[pg 90]

1. Apagoge (ἀπαγωγή), „Abführung“. Der Kläger führt den auf der Tat ertappten Verbrecher (z. B. Dieb) vor die Behörde, der die Aburteilung zusteht (besonders vor die Elfmänner § 47); Beisp. Antiphon 5. Lysias 13.

2. Ephegesis (ἐφήγησις), „Hinführung“. Der Kläger führt den betreffenden Beamten an den Ort der Tat oder des Aufenthalts des Verbrechers.

3. Endeixis (ἔνδειξις), „Anzeige“. Der Kläger veranlaßt die Behörde durch eine Klageschrift zum Einschreiten hauptsächlich gegen solche, welche sich Rechte anmaßen, die ihnen nicht zustehen. Beispiel [Demosthenes] 25. 58.

Diesen drei Klagformen ist gemeinsam, daß der Beklagte sofort verhaftet wird, wenn er nicht drei Bürgen stellt.

4. Phasis (φάσις), „Angabe“ über rechtswidrige Besitznahme eines Staatsgutes oder Schädigung der Staatsinteressen, wobei dem obsiegenden Kläger die Hälfte der Streitsumme zufällt.

5. Apographe (ἀπρογραφή), „Aufzeichnung“ eines im Privatbesitz befindlichen Geldbestandes, der konfisziert werden soll. Beisp. Lysias 9. 18. 19. 21. 29.

6. Eisangelia, Meldeklage s. § 33, S. 78.

7. Probole, Deckung s. § 33, S. 78.

§ 39. Der gewöhnliche Prozeßgang.

In jeder Privatklage muß, ehe sie bei Gericht angenommen wird, der Schiedsspruch eines Diaiteten (§ 37) ergangen sein; beruhigen sich die Parteien dabei nicht, so gibt dieser die Sache an die zuständige Behörde. Jeder, welcher gerichtliche Klage erheben will, richtet an seinen Gegner, gewöhnlich vor zwei Zeugen, die Aufforderung (πρόσκλησις), vor der bestimmten Behörde zu erscheinen, und reicht bei dieser die Klage schriftlich ein, welche von dem betreffenden Gerichtsvorstand angenommen und auf [pg 91]einer Tafel öffentlich ausgestellt wird. Eine solche Klagschrift lautet: „Dinarch, des Sostratos Sohn, aus Korinth (hat Klage anhängig gemacht) gegen Proxenos wegen Schädigung um zwei Talente. Geschädigt hat mich Proxenos, indem er ...“ Die Gerichtsgebühren (πρυτανεῖα), welche sich nach der Höhe der Schätzung bemessen, werden von beiden Teilen bezahlt und vom unterliegenden Teil dem Gegner ersetzt. Der Gerichtsvorstand leitet nun die Voruntersuchung (ἀνάκρισις) ein, nimmt die Vereidigung der Parteien (διωμοσία) auf Klage und Gegenrede vor, läßt die Beweismittel vorlegen, nimmt die Zeugenaussagen zu Protokoll (Zeugnisse von Sklaven werden auf der Folter [βάσανος] abgenommen) und entscheidet, ob die Klage nach den Gesetzen bei Gericht einzuführen (εἰσαγώγιμος) sei, worauf er alle Schriften und Beweismittel in einen Behälter legt und versiegelt. Dabei kann der Beklagte gegen die Zulässigkeit der Einführung Einrede (παραγραφή oder διαμαρτυρία) erheben, worüber dann zuerst entschieden werden muß. Beispiele Isäus 3. 6. Lys. 23. Dem. 32–38. [44.] Der Beklagte kann auch „Widerklage“ (ἀντιγραφή) erheben. Dem. 40. 41. [47.]

Ist die Hauptverhandlung eröffnet, so läßt der Vorsitzende Klage und Gegenschrift vorlesen, worauf die Parteien, jede von einem erhöhten Platze aus, sprechen. Da gesetzlich jeder seine Sache selbst führen sollte, ließen sich viele von einem Rhetor (λογογράφος) eine Rede ausarbeiten, welche sie aufsagten; auch ließ man zur Unterstützung Beistände (συνήγοροι) auftreten, die aber Freunde, nicht bezahlte Advokaten sein sollten. Oft redeten beide Parteien zweimal. In wichtigeren Prozessen wurde die Zeit zum Reden für die Parteien durch die Wasseruhr (κλεψύδρα) bemessen. Die Richter stimmten (ohne vorausgegangene Beratung) im 5. Jahrhundert mit Muscheln (χοιρίναι), im [pg 92]4. Jahrhundert mit vollen (bei Freisprechung) oder durchlöcherten (bei Verurteilung) Steinchen (ψῆφοι) ab, welche sie in zwei Urnen warfen. Das Urteil wurde vom Vorsitzenden verkündet.

Die Strafe oder Buße (τίμημα) für das Vergehen war entweder schon im voraus bestimmt oder das Gericht hatte, nachdem es das Schuldig ausgesprochen, in einer zweiten Abstimmung über die Höhe derselben zu befinden. Danach unterschied man unschätzbare und schätzbare Prozesse (ἀγῶνες ἀτίμητοι und τιμητοί). Schon die Klagschrift enthielt eine Schätzung (τίμημα, τιμᾶσθαι τῷ φεύγοντι), welcher der Verurteilte nun einen Gegenantrag (ἀντιτιμᾶσθαι) gegenüberstellte (vergleiche den Prozeß des Sokrates).

Ein Spruch des Gerichts hatte unbedingte Gültigkeit, Berufung an eine höhere Instanz gab es nicht; hatte doch in dem Gerichte das souveräne Volk selbst entschieden. Man konnte von Entscheidungen und Strafverfügungen der Behörden eben nur an das Gericht appellieren. Doch konnte der Verurteilte die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen, wenn er bewies, daß er ohne sein Verschulden in contumaciam (abwesend) verurteilt worden, daß die Ladung vor Gericht nicht erfolgt sei, oder daß die Zeugen falsche Angaben gemacht haben.

Der unterliegende Kläger, welcher nicht ein Fünftel der abgegebenen Stimmen für sich erhielt, mußte in allen privaten Prozessen (sowie bei der Phasis) die Epobelie (ἐπωβελία), 1 Obolos von jeder Drachme = ⅙ der Schätzungssumme, bezahlen; in öffentlichen Prozessen hatte er eine Buße von 1000 Drachmen zu entrichten und durfte künftig keine ähnliche Klage mehr anstrengen.

In öffentlichen Prozessen sorgt die Behörde für Vollstreckung des Urteils, in privaten hat der Kläger dafür [pg 93]selbst zu sorgen (!). Wird er bis zum festgesetzten Termin nicht befriedigt, so kann er eine Pfändung vornehmen.

Eine freiwillige Gerichtsbarkeit, wie in Rom, wonach gewisse Handlungen, um gültig zu sein, vor einem richterlichen Beamten vorgenommen werden mußten, hat es in Athen nicht gegeben.

Das attische Rechtswesen zeigt tiefe Schäden. Trotz aller gesetzgeberischen Bemühungen des 4. Jahrhunderts war die bürgerliche Gesetzgebung eine durchaus lückenhafte, ungeordnete, ungenaue, ja widersprechende, wodurch der Gesetzesfälschung Tür und Tor geöffnet war. Sodann wirkte die Unverantwortlichkeit der Geschworenen, ihre Unkenntnis der Gesetze und Zugänglichkeit für äußere Einflüsse entsittlichend auf den Rechtsgang und oft auch auf den Charakter der Prozeßrede ein. Aber eben weil in Athen nicht steinerne Satzungen, sondern fühlende Menschen zu Gericht saßen, die sich fassen, bewegen, überzeugen, hinreißen ließen, wo man selbst „die schwächere Sache zur stärkeren machen“ (τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν) konnte, hat die Kunst der Prozeßrede hier das denkbar Höchste erreicht.

§ 40. Das Verfahren vor dem Areopag und den andern Blutgerichtshöfen.

Der Areopag (§§ 2328) hatte die Gerichtsbarkeit über Mord (φόνος ἑκούσιος), Körperverletzung mit der Absicht zu töten (τραῦμα ἐξ προνοίας), Giftmischerei (φάρμακα) mit tödlichem Ausgang und Brandstiftung (πυρκαϊά).

Die Epheten (§ 23) richten an drei Gerichtsstätten bis zum 4. Jahrhundert, wo sie von den Heliasten aus denselben verdrängt und aufgehoben wurden:

1. am Palladion, dem alten Heiligtum der Pallas, im Osten der Stadt, außerhalb der Mauern, über unbeabsichtigten Totschlag (φόνος ἀκούσιος), über intellektuelle [pg 94]Urheberschaft (βούλευσις) oder Beihilfe zur Tötung oder Körperverletzung eines Bürgers, sowie über Tötung eines Metöken, Fremden oder Sklaven;

2. am Delphinion, dem gleichfalls im Osten der Stadt gelegenen Heiligtum des Apollon Delphinios, in den Fällen, wo der Täter einen gesetzlich straflosen Totschlag begangen zu haben behauptete (bei Notwehr, Ehebruch, Unglücksfall im Kampfspiel, Irrtum in der Schlacht);

3. in Phreatto, auf der Peiraieushalbinsel, dicht am Meere, wenn ein wegen unvorsätzlicher Tötung Verbannter einer neuen Tötung oder absichtlichen Verwundung beschuldigt wurde (gewiß seltener Fall!). Erschien der Angeklagte, so hatte er, da er den attischen Boden nicht betreten durfte, von seinem an die Küste angelegten Fahrzeuge aus seine Verteidigung zu führen.

Außerdem wurde am Prytaneion vom König und den vier Stammkönigen (§ 20) ein zeremonielles Gericht über nicht ermittelte Mörder, sowie Tiere und leblose Gegenstände (ἄψυχα, z. B. einen herabgefallenen Ziegel, Mordwerkzeuge), welche den Tod eines Menschen herbeigeführt hatten, abgehalten. Die betreffenden Gegenstände wurden von den Stammkönigen (vgl. S. 47) über die Landesgrenze geschafft.

Das Verfahren vor dem Areopag, welchem das vor den Ephetengerichten wohl entsprach, nahm folgenden Verlauf:

Nachdem bei der Bestattung des Erschlagenen ein Speer vorangetragen und auf dem Grabe aufgesteckt worden war – das Symbol der noch harrenden Blutrache –, brachte der nächste Anverwandte die Klage beim König ein, worauf dem Mörder durch feierliche Ankündigung (πρόρρησις) das Betreten des Markts und der Heiligtümer verboten wurde. Die Voruntersuchung wurde in drei aufeinander folgenden Monaten vom König geführt, darauf fand im [pg 95]4. Monat die Sitzung des Blutgerichts drei Tage hintereinander statt, unter freiem Himmel, damit nicht Kläger und Richter unter einem Dache mit dem Mörder weilten. Der Kläger schwur, auf dem „Stein der Unerbittlichkeit“ (λίθος ἀναιδείας) stehend, unter gräßlichen Selbstverfluchungen, falls er meineidig würde, daß der Beklagte die Tat vollbracht, dieser ebenso auf dem „Stein des Frevelmutes“ (λίθος ὕβρεως), daß er sie nicht vollbracht habe. So hatte der Schuldige, auch wenn das menschliche Gericht irrte, jedenfalls die Strafe der Götter für seinen Meineid zu erwarten. Jede Partei durfte zweimal sprechen; noch nach der ersten Rede konnte sich der Angeklagte durch freiwillige Verbannung der weiteren Verfolgung entziehen. Bei Stimmengleichheit galt der Angeklagte für freigesprochen (calculus Minervae). Gewährten die Verwandten Verzeihung (αἴδεσις), so war immerhin noch eine religiöse Reinigung und Sühnung erforderlich.

Das Finanzwesen.

§ 41. Attische Längen-, Flächen- und Hohlmaße.

Die Grundlage bildet das dem menschlichen Körper entlehnte Längenmaß:

1 δάκτυλος, Fingerbreite =   1,85 cm
1 παλαιστή, Handbreite = 4 δάκτυλοι =   7,4 "
1 σπιθαμή, Spanne der Hand = 3 παλαισταί =  22,2 "
1 πούς, Fuß = 4 παλαισταί = 16 δάκτυλοι =  29,6 "
1 πῆχυς, Elle = 1½ πόδες = 6 παλ. = 24 δακτ. =  44,4 "
1 ὀργυιά, Klafter = 4 Ellen = 6 Fuß =   1,776 m
1 πλέθρον = 100 Fuß =  29,6 "
1 στάδιον = 600 Fuß = 177,6 "
(1 olympisches Stadion = 192,27 m.)

Flächenmaße:

1 Quadratfuß (τετράγωνος πούς) = 0,087 □m
1 Plethron = 10 000 □Fuß = 0,087 Hektar.
[pg 96]

Hohlmaße:

Entsprechend den Haupterzeugnissen der antiken Landwirtschaft, Wein und Öl einerseits und Getreide andererseits, gab es zwei Hohlmaße:

1. für Flüssiges:
1 κύαθος =  0,045 Liter
1 κοτύλη = 6 κύαθοι =  0,27 "
1 χοῦς = 12 κοτύλαι =  3,24 "
1 μετρητής = 12 χόες = 38,88 "
2. für Trockenes:
1 κύαθος =  0,045 Liter
1 κοτύλη =  0,27 "
1 χοῖνιξ = 4 κοτύλαι =  1,08 "
1 ἑκτεύς = 32 κοτύλαι =  8,64 "
1 μέδιμνος = 51,84 "

§ 42. Das Münz- und Gewichtssystem.

Die Edelmetalle sind das geeignetste Tauschmittel, ihre Seltenheit und vorzüglichen Eigenschaften verleihen ihnen hohen und beständigen Wert. Schon frühe wurden dieselben daher am Nil, Euphrat und Hermos als Wertmesser überhaupt verwendet und zu leichterem Gebrauch in handliche Formen wie Ringe, Stäbe, Scheiben, Kugeln gebracht. Wurde nun ein Stück Gold oder Silber mit einem staatlichen Stempel versehen, welcher die Feinheit des Korns und die Richtigkeit des Gewichts beurkundete, so hatte man die Münze. Da also Münzen gestempelte Gewichtsstücke sind, nach denen nicht selten auch später noch z. B. in Rezepten gerechnet wird, so bedeuten die Namen der Werteinheiten ursprünglich Gewichte, und wenn hier von Währung gesprochen wird, so ist ein Gewichtssystem gemeint, das sich nach einer bestimmten Gewichtseinheit gliedert. Kurant in [pg 97]Griechenland war stets das Silber, das in reichlicher Menge vorhanden war; Attika insbesondere hatte an den Bergwerken von Laurion eine sprudelnde – noch heute nicht ganz versiegte – Silberquelle. Die älteste Währung in Griechenland war die von der Insel Ägina mit dem „Schildkröte“ genannten Silberstater im Gewicht von 12,4 g, welcher auch in Athen vor Solon als Didrachmon ausgeprägt wurde (s. Nr. 3 der Abbildung).

Bei den ältesten griechischen Münzen, welche noch keine Legende haben, zeigt die Vorderseite (Avers) einfache Münzbilder, den Pegasos in Korinth (Nr. 2), die Biene zu Ephesos, das Gorgoneion oder den Stier in Athen, den Schild in Böotien; die Rückseite (Revers) das eingeschlagene Quadrat, welches die Münze auf dem Prägstock festhielt.

Solon vertauschte die äginetische Währung mit derjenigen von der Insel Euböa, welche das asiatische Goldgewichtssystem auf Silber übertragen darstellte. Darnach war das Talent zu 60 Minen = 26,196 kg. Mit Solon beginnt die Jugendzeit des Münzwesens, welche etwa bis 460 v. Chr. reicht. An die Stelle jener einfachen Bilder treten Köpfe von Göttern, das Quadrat erhält Diagonalen, Buchstaben und Figuren. So zeigt in Athen seit Peisistratos die Vorderseite den altertümlichen Pallaskopf, welcher auch später beibehalten wurde, die Rückseite im Quadrat die Eule, den Ölzweig und die Legende ΑΘΕ(ναίων) (Nr. 1). Das gewöhnliche Silberstück war das Tetradrachmon (4 Drachmen) im Gewicht von 17,47 g; daneben wurde Silber bis zu den kleinsten Nominalen herab ausgebracht (Tetartemorion = ¼ Obol zeigt eine Mondsichel, wiegt 0,182 g). Gold, dessen Wertverhältnis zum Silber in Athen zwischen 14–10:1 schwankte, wurde nur ausnahmsweise, und zwar [pg 98]auf dasselbe Gewicht wie Silber (1 Goldstater = 1 Didrachmon), Kupfer erstmals etwa 440 v. Chr. als Chalkus (χαλκοῦς), dann auch als Lepton (λεπτόν) = ⅛ und 1/16 Obol ausgeprägt. Die durch Solon eingeführte Währung zeigt also:

Talent Minen Drachmen Obolen Gewicht Geldwert
(τάλαντον) (μναῖ) (δραχμαί) (ὀβολοί) ℳ  ₰
1 60 6000 36000 26,196 kg 4715.–
1 100 600 436,6 g 78.60
1 6 4,36 –.79
1 0,73 –.13
Obol Tetartemorien Chalkoi Lepta Geldwert
(ὀβολός) (τεταρτημόρια) (χαλκοῖ) (λεπτά)
1 (Nr. 8) 4 8 16 13
1 2 4 3
1 2

Da die Münzen Athens wegen der Feinheit ihres Gehaltes überall gern genommen wurden, so erlangte die attische Währung, getragen von der politischen und merkantilen Bedeutung der Stadt, allgemeine Geltung in Hellas und wurde von Alexander dem Großen auf sein Münzsystem übertragen.

Die Glanzzeit griechischer Prägekunst reicht von 460 bis in die Zeit der ersten Diadochen. Die Vorderseite zeigt herrliche Götterköpfe (vgl. Apollo auf der Tetradrachme von Rhegion, Nr. 7, Zeus auf der von Elis, Nr. 4), oder lebensvolle Porträtköpfe (Nr. 6 Antigonos Gonatas [277–239 v. Chr.]). Auf der Rückseite werden größere Darstellungen, meist auf geschichtliche Ereignisse bezüglich, gewagt. So bringt auf der Münze des Pyrrhos (307 bis 272 v. Chr.) Thetis Achill, dem Ahnherrn der epeirotischen Könige, auf einem Seetier reitend die Waffen von Hephaistos (Nr. 5).

[pg 99]

Auswahl griechischer Silbermünzen.
Auswahl griechischer Silbermünzen.
[pg 100]

§ 43. Die allgemeine Finanzlage.

Die volkswirtschaftliche Lage Attikas war an sich sehr ungünstig, weil das Land viel mehr Güter verbrauchte, als erzeugte. Daher floß bei starkem Überwiegen der Einfuhr über die Ausfuhr jährlich ein großer Teil des Volksvermögens ins Ausland (allein für Getreide 250 Talente). Allein dieser Ausfall wurde im 5. Jahrhundert reichlich ersetzt durch die Zahlungen der Seestaaten in die Bundeskasse, welche 454 von Delos nach Athen verlegt wurde, wie durch den Silberreichtum des Landes und die Erträgnisse des großen Handelshafens Peiraieus. Der Vorrat an Staats- und Tempelgeldern auf der Burg betrug 435 v. Chr. 9700 Talente (= 45 Mill. Mark). Allein dieser Schatz wurde durch die Bauten auf der Burg, sowie durch die Kosten des Peloponnesischen Krieges völlig aufgebraucht; während des 4. Jahrhunderts konnten die Finanzen nur mit Mühe im Gleichgewicht erhalten werden. Während die Ansprüche an die Staatskasse infolge der Steigerung der Tag- und Festgelder und des neuaufkommenden Söldnerwesens wuchsen, gingen die Einnahmen fortwährend zurück.

Die Hilfsmittel der heutigen Finanzverwaltung, wie Budget, d. h. Voranschlag der jährlichen Einnahmen und Ausgaben, und Befriedigung außerordentlicher Bedürfnisse durch öffentliche Anleihe, waren in Athen unbekannt. Außerordentlichen Anforderungen konnte man also nur gewachsen sein, wenn man die jährlichen Überschüsse zu einer Reserve anhäufte, wie dies im 5. Jahrhundert geschehen war. Seitdem aber diese in leichtfertigster Weise zu Festzwecken verschleudert wurden, brach sofort nach Erschöpfung der laufenden Mittel die größte Not ein, behufs deren Beseitigung man zu dem sehr mangelhaften Auskunftsmittel einer außerordentlichen Vermögensumlage greifen mußte.

[pg 101]

§ 44. Einnahmen und Ausgaben.

Die ordentlichen Einnahmen bildeten: der Ein- und Ausfuhrzoll (2%), die Hafengebühr, die Steuer beim Verkauf von Grundstücken (1%), die Tor- und Marktsteuer, das Schutzgeld der Schutzbürger (12 Drachmen), die Kopfsteuer der Sklaven (3 Obolen), die Erträgnisse staatlicher Liegenschaften und die Gerichtsgelder. Die Erhebung der Zölle (τέλη) wurde nicht wie bei uns vom Staat selbst besorgt, sondern an Zollpächter (τελῶναι) um bestimmten Preis vergeben. Ebenso wurde die Ausbeutung der Silberbergwerke gegen eine einmalige Summe und Entrichtung des 24. Teils des jeweiligen Jahresertrags verpachtet. Die reichste Einnahmequelle aber floß in den Tributen der Bundesgenossen, die zu Anfang des Bestehens des 1. Seebundes 460 Talente, später noch mehr betrugen, wogegen die „Beiträge“ der Mitglieder des 2. Seebundes (378 bis 338, vgl. § 66) allerdings erheblich geringer waren. Dazu kamen als ordentliche indirekte Einnahmen die sogenannten Leiturgien (§ 45).

Ist die Staatskasse erschöpft, so wird zur Leistung freiwilliger Beiträge (ἐπιδόσεις) bzw. zinsfreier Darlehen aufgefordert oder durch Volksbeschluß (vgl. § 33 über ἄδεια) eine Vermögensumlage (εἰσφορά) angeordnet. Diese erfolgte bis 377 v. Chr. auf Grund der Solonischen Schätzungsklassen. Dieselben beruhten von Hause aus auf einer Schätzung des Jahreseinkommens und waren im 5. Jahrhundert in der Weise abgeändert worden, daß nicht bloß der Ertrag des Grundbesitzes, sondern auch der des beweglichen Vermögens berechnet wurde. Endlich wurde ein degressiver Steuersatz dadurch erreicht, daß bei Klasse II nur 5/6, bei Klasse III nur 5/9 des Jahreseinkommens der Besteuerung unterworfen wurden.

[pg 102]
Klasse Jahres-
Einkommen
Davon
Steuer-Kapital
Zahlt bei Vermögens-
Umlage von 1%
I 6000 Dr. 5/5 = 6000 Dr. 60 Dr. = 1%
II 3600 Dr. 5/6 = 3000 Dr. 30 Dr. = 0,83%
III 1800 Dr. 5/9 = 1000 Dr. 10 Dr. = 0,55%
IV war von allen Leistungen befreit.

Unter Archon Nausinikos (377 v. Chr.) wurde eine Neueinschätzung des Grundbesitzes, der Gebäude und des beweglichen Vermögens vorgenommen und eine Neuveranlagung in der Weise festgesetzt, daß ein nach den Schätzungsklassen verschiedener, degressiv abnehmender Teil des Vermögens als Steuerkapital (τίμημα) angenommen wurde. Dasselbe betrug in der ersten Klasse ein Fünftel des eingeschätzten Vermögens. Die Gesamtsumme des Steuerkapitals betrug 5750 Talente. Alle Steuerpflichtigen wurden in (wahrscheinlich 20) Steuerverbände (Symmorien) eingeteilt. Zuerst erhob der Staat die Umlage unmittelbar, 362 v. Chr. wurde den 15 Reichsten jeder Symmoria die Pflicht auferlegt, den Gesamtbetrag, welcher dieselbe traf, als Vorschuß zu erlegen und die einzelnen Beträge von den Mitgliedern einzuziehen.

Ordentliche Ausgaben waren: der Aufwand für die Opfer und Wettkämpfe an den großen Festen (409 v. Chr. für Wettkämpfe an den Panathenäen 5⅙ Talente); die Schaugelder (§ 28) für alle großen Feste (2 Obolen für den Tag); die Taggelder (§ 28) für die Gerichte, den Rat, die Volksversammlung, die neun Archonten (4 Obolen); die Diäten für Festgesandtschaften; der Sold für Unterbeamte und die Polizei (1200 Skythen, vgl. § 32); die Beiträge zur Anschaffung der Pferde der Reiterei und Ausrüstung der Kriegsschiffe, die Unterhaltungskosten der Festungswerke, Werften, öffentlichen Bauwerke und [pg 103]Straßen. Eine schöne Sitte war es, daß der Staat die Invaliden, die zahlreichen unmündigen Kinder der im Krieg Gefallenen, sowie erwerbsunfähige Leute (ἀδύνατοι), welche weniger als drei Minen besaßen, unterstützte. (Köstliche Rede eines Erwerbsunfähigen, Lys. 24.)

Außerordentliche Ausgaben verursachten die großen Bauten, welche indes zumeist aus den reichen Tempelschätzen bestritten wurden, und die Kriegführung. Ein Hoplit oder Matrose erhielt ½ Drachme Sold, ½ Drachme Verpflegungsgeld (σῖτος, σιτηρέσιον), ein Reiter das Doppelte. Die Sätze für Söldner waren noch höher; die Unterhaltung eines Kriegsschiffes kostete monatlich ½ bis 1 Talent.

Die Oberaufsicht über die gesamte Finanzverwaltung führt der Rat; vor seinen Augen besorgen und buchen die zehn Einnehmer (ἀποδέκται) die Einnahmen. Gefälle und eingezogene Güter werden von den zehn Verkäufern (πωληταί) verkauft oder verpachtet; zehn Eintreiber (πράκτορες) besorgen die Eintreibung von Geldbußen und Staatsguthaben. Behufs einheitlicher Ordnung des Finanzwesens wurde gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. die Stelle eines Hauptverwalters (ὁ ἐπὶ τῇ διοικήσει) für eine vierjährige Finanzperiode geschaffen.

§ 45. Die Leiturgia (Staatsleistung).

Eine eigenartige Steuerart, wobei der einzelne eine Leistung für das Gemeinwesen unmittelbar verrichtete, war die Leiturgia. Die wichtigsten Formen derselben sind: 1. die Chorausstattung (Choregie, § 54); 2. die Gymnasienvorstandschaft (γυμνασιαρχία), die Bestreitung der Kosten für den Unterhalt der Teilnehmer an den Fackelwettläufen, die an den Festen des Hephaistos, Prometheus, Pan, der Athene und Bendis stattfanden; 3. die Bewirtung (ἑστίασις) der Kreisgenossen an den großen Staatsfesten; [pg 104]4. die Leitung der Festgesandtschaften (ἀρχιθεωρία) zu den vier großen Nationalfesten und nach Delos, welche sehr hohen Aufwand erforderten (§ 68); 5. die Kriegschifführung (τριηραρχία, § 57). Die Feldherren bestimmten alljährlich 400 Trierarchen aus der Zahl der Höchstbesteuerten. Da die Zahl dieser andauernd zurückging, wurden 356 nach dem Beispiel der Steuerverbände (§ 44) die 1200 Reichsten in 20 trierarchische Verbände eingeteilt, innerhalb deren einzelne Gruppen von mehreren Mitgliedern ein Schiff ausrüsteten. Durch die Reform des Demosthenes 340/39 wurden die trierarchischen Leistungen genau nach dem Vermögen abgestuft.

Ein besonderer Vorzug der Leiturgia war, daß die Opferwilligkeit durch den Ehrgeiz gesteigert wurde, indem vorzügliche Leistungen durch Dreifüße, goldene Kränze usw. geehrt wurden. Verpflichtet waren hierzu nur Bürger, deren Vermögen über 2 Talente betrug. Glaubte jemand, durch Auflage einer solchen über Gebühr belastet zu sein, so konnte er dieselbe einem anderen zumuten; lehnte dieser ab, so bot er demselben Vermögenstausch (ἀντίδοσις) an und verlangte gerichtliche Entscheidung.

Innere Verwaltung.

§ 46. Öffentliche Aufsichtsbehörden.

Die Aufsicht über Handel und Wandel, sowie über die städtische Ordnung hatten folgende Behörden wahrzunehmen:

1. Zehn Viertelsmeister (ἀστυνόμοι) haben über die öffentliche Sitte, die Reinlichkeit auf Straßen und Plätzen, die Einhaltung der städtischen Bauordnung zu wachen.

2. Zehn Marktmeister (ἀγορανόμοι) sorgen dafür, daß nur unverfälschte, echte Ware feilgeboten werde.

[pg 105]

3. Zehn Eichmeister (μετρονόμοι) haben die Richtigkeit der Maße und Gewichte der Verkäufer nach Normalmaß zu prüfen.

4. Zehn Getreidemarktaufseher (σιτοφύλακες) überwachen den Verkauf des unverarbeiteten Getreides, sowie des Mehles und setzen eine Brottaxe fest.

Von allen diesen Behörden amtierte die eine Hälfte in der Stadt, die andere im Peiraieus. Die Sorge um die immer schwieriger werdende Ernährung der Hauptstadt6 und die Furcht vor dem Kornwucher veranlaßte eine gesetzliche Bestimmung, wonach von allem im Kornhafen einlaufenden Getreide zwei Drittel auf den städtischen Markt gebracht werden mußten, eine Bestimmung, deren genaue Befolgung

5. die zehn Aufseher der Hafenbörse (ἐπιμεληταὶ ἐμπορίου) überwachten. Trotzdem war die Not oft groß; wiederholt ließ der Staat selbst Getreide aufkaufen, um es zu billigerem Preise abzugeben; hin und wieder sandten auch auswärtige Fürsten reiche Kornspenden nach Athen.

§ 47. Kriminalpolizei.

Die Kriminalpolizei lag den Elfmännern (οἱ ἕνδεκα) ob, einer Zehnerbehörde, der ein Schreiber beigegeben war. Dieselben lassen gemeine Verbrecher, wie Diebe, Straßenräuber und Menschenhändler, welche auf der Tat (ἐφ’ αὐτοφώρῳ) ertappt sind, ohne weiteres durch den Henker (δήμιος) hinrichten (vgl. § 38, Apagoge und Ephegesis) und bringen zweifelhafte Fälle vor ein Volksgericht, in welchem sie den Vorsitz führen. Auch hatten sie die Aufsicht über die Gefängnisse, in welchen für gewöhnlich nur Staatsschuldner oder zum Tod Verurteilte saßen. Die [pg 106]Hinrichtung wird bei politischen Vergehen mittels des Schierlingstranks (κώνειον), bei gemeinen Verbrechen durch Erschlagen mit dem Knüttel (ἀποτυμπανίζειν) vollzogen.

Der Kultus.

§ 48. Kultstätten.

Der griechische Tempel (νεώς, ναός von ναίω, wohne) dient als Wohnung des Gottes, sowie als Aufbewahrungsort für sein Kultbild und die ihm geweihten Kostbarkeiten, an deren Anblick der Gott sich erfreut, wenn er von Zeit zu Zeit seinen Tempel besucht. Gewöhnlich besteht derselbe aus einer Vorhalle (Pronaos), dem eigentlichen Gotteshause (Naos) und bei größeren Heiligtümern aus einem der Vorhalle entsprechenden Hinterraume (Opisthodomos), der als Schatzkammer dient. Manche Tempel haben außerdem ein Allerheiligstes (ἄδυτον), das nur von den Priestern zu gewissen Zeiten betreten werden darf. Fast ausnahmslos ist der griechische Tempel so angelegt, daß der Eingang, welchem das Antlitz des im Hintergrund des Mittelraums stehenden Kultbilds (ἄγαλμα) zugekehrt ist, nach Osten liegt.

In der ältesten Zeit verehrte man anikonische Gegenstände, z. B. eine Spitzsäule als Symbol des „Straßen-Apollo“ (Ἀ. ἀγυιεύς), zwei durch ein Querholz verbundene Balken (in Sparta) als das der Dioskuren. Doch schon frühe stellte man die Götter unter menschlicher Gestalt dar, zunächst in Form von rohen Holzschnitzbildern (ξόανα), welche noch die spätere Zeit als hochheilige Reliquien verehrte und die Legende gewöhnlich vom Himmel gefallen sein ließ (z. B. das berühmte Palladion). Mit der Zeit aber entwickelte die griechische Kunst das Götterideal in Werken von Marmor und Bronze, vereinzelt auch [pg 107]von Elfenbein und Gold, das um einen Kern von Holz gelegt wurde (chryselephantine Werke, z. B. Zeus in Olympia und Athena Parthenos von Pheidias), zu wunderbarer Schönheit.

Der Altar (βωμός), ursprünglich kunstlos aus Steinen oder Rasenstücken aufgeschichtet, wurde später mit großer Pracht aus besserem Material hergestellt. Gewaltige Dimensionen hatte der Zeusaltar in Olympia (§ 71), der in Pergamon (§ 72) und andere. Dem Heroen- und Totenkult diente der niedere Opferherd (ἐσχάρα), der ohne Stufenuntersatz direkt auf dem Boden stand und in der Mitte eine Höhlung hatte, durch die man das Blut der geschlachteten Tiere und die flüssigen Opfergaben in die Erde fließen ließ.

Die nächste Umgebung des Tempels, das Hieron (ἱερόν) im engeren Sinne, durfte nie angebaut oder sonstwie ausgenutzt werden, dagegen wurde der übrige, oft weit ausgedehnte Tempelbezirk (τέμενος von τέμνω, templum), in Äckern, Weideland und Wald bestehend, in der Regel verpachtet.

§ 49. Priester und Seher.

Bei den Griechen gab es weder eine besondere Vorbildung für das Priesteramt, noch einen eigentlichen Priesterstand. Wie für die Familie der Familienvater, so brachten für den Staat die höchsten Beamten die Opfer dar. Der Wirkungskreis der Priester beschränkte sich auf die Bedienung des Heiligtums, dem sie vorstanden, die Darbringung der Opfer, die Verwaltung des Tempelguts und der Tempeleinkünfte, dazu kam noch die Auslegung des Willens ihrer Gottheit. Die Bestellung der Priester (ἱερεῖς) und Priesterinnen (ἱέρειαι), von denen allgemein [pg 108]außer echtbürgerlicher Abkunft sittliche Unbescholtenheit und körperliche Fehlerlosigkeit gefordert wurde, erfolgte am häufigsten durchs Los, wobei sich die Gottheit selbst die würdigste Person auswählen konnte, seltener durch Volkswahl; manche Stellen wurden verkauft, wieder andere waren in bestimmten Familien erblich. Die Einkünfte bestanden hauptsächlich in einem Anteil an den Opfertieren und besonderen Belohnungen für Darbringung der Opfer. Die Priester trugen den langen, ungegürteten Chiton von weißer oder auch purpurner Farbe und langes Haupthaar, an den Festen wohl noch einen besonderen Ornat.

Ihre Gehilfen waren Opferbesorger (ἱεροποιοί), Küster (νεωκόροι), Tempelwächter (ναοφύλακες), Schatzmeister der heiligen Schätze (ταμίαι τῶν ἱερῶν χρημάτων), endlich Tempelsklaven (ἱερόδουλοι) für die niederen Verrichtungen.

Der Wille der Gottheit kann sich in Zeichen offenbaren, die sich dem Menschen ungesucht darbieten, z. B. Himmelserscheinungen wie Donner und Blitz, Sonnen- und Mondfinsternis usw., Niesen, das die Erfüllung eines eben ausgesprochenen Wunsches verheißt (vgl. Od. 17, 541 ff.; Xen. Anab. III, 2, 9), Begegnisse unterwegs (ἐνόδιοι σύμβολοι), Träume, die den Menschen zwar irreführen können (wie der οὖλος ὄνειρος den Agamemnon in Il. 2, 6 ff.), aber viel häufiger ihm Wahres verkünden und von eigenen Traumdeutern (ὀνειροπόλοι) ausgelegt werden. Auch der Flug der Vögel, namentlich der großen Raubvögel (οἰωνοί), des dem Zeus heiligen Adlers und des Habichts, „des schnellen Boten Apollos“, wird als bedeutungsvoll beobachtet (οἰωνοσκοπία): sieht man, das Gesicht gegen Norden gewendet, sie rechts oder nach rechts hin fliegen, so ist es ein günstiges Zeichen, die andere Seite bedeutet das Gegenteil.

[pg 109]

Aber der Mensch kann sich auch selbst göttliche Zeichen verschaffen, vor allem durch die Opferschau (ἱεροσκοπία), indem er die Beschaffenheit der Eingeweide, vornehmlich der Leber, Galle, Milz und Lunge untersucht und die Art und Weise, wie die Opferstücke verbrennen und der Opferdampf gen Himmel steigt, beobachtet. Zumal wenn ein griechisches Heer ins Feld zog, durfte nie ein erfahrener Zeichendeuter fehlen; vor jeder wichtigen Unternehmung wurde das Schlachtopfer (σφάγια) veranstaltet und, wenn die Zeichen ungünstig waren, so lange wiederholt, bis es nach Wunsch ausfiel, oder es wurde das Unternehmen ganz aufgegeben. So waren die Seher gesuchte Leute und, trotz einzelner Beschuldigungen der Geldgier und Bestechlichkeit (vgl. Soph. Antig. 1055), hochgeachtet. Kalchas, Amphiaraos und Teiresias sind die berühmtesten Namen.

§ 50. Orakel.

An bestimmten Stätten, den Orakeln (μαντεῖα, χρηστήρια), erteilt die Gottheit den Ratsuchenden jederzeit Auskunft.

1. Das älteste griechische Orakel befand sich zu Dodona in Epirus, im heutigen Ianninatal, das hinsichtlich der Heftigkeit und Häufigkeit der Gewitter die erste Stelle in Europa einnimmt. Unter den Bäumen zieht die Eiche am meisten den Blitz an; sie war deshalb dem Donnerer Zeus heilig, und so gab in dem Rauschen ihrer Zweige Zeus in Dodona seinen Willen kund. Die Anfragen an den Gott wurden auf Bleitäfelchen geschrieben, von denen die neulichen Ausgrabungen eine größere Anzahl zutage gefördert haben.

In nicht geringerem Ansehen stand in Griechenland das namentlich durch den Besuch Alexanders d. Gr. berühmt gewordene Orakel des Zeus Ammon in der Libyschen Oase Siwah. Hier wurde aus den Schwankungen des von den Priestern in Prozession umhergetragenen Götterbilds geweissagt.

[pg 110]

Während so des Zeus Wille aus Zeichen zu erkennen war, gehörten

2. die Spruchorakel, bei denen durch den Mund gottbegeisterter Propheten und Prophetinnen Bescheide erteilt wurden, dem Weissagegott Apollo. Weitaus das berühmteste derselben, überhaupt aller griechischen Orakel, war das zu Delphi, in ältester Zeit Pytho (Fragestätte) genannt, in der Landschaft Phokis, am Fuß des Parnaß gelegen.

Apollo erlegte dort, so berichtet die Gründunglegende, den Drachen Python und setzte kretische Kaufleute als seine Priester ein. Vorher hatte das Orakel der Erdgöttin Gaia gehört; sein Hüter war jener Erdgeist Python, der Sohn der Gaia, gewesen, der nachmals im Tempel Apollos unter dem Nabelstein der Erdgöttin (ὀμφαλὸς Γῆς) begraben lag, einem kuppelförmigen (vgl. §§ 63. 69 g. E.) Bauwerk, aus dem spätere Umdeutung den Mittelpunkt der Erde machte. Das Medium, durch das Apollo seinen Willen offenbarte, war die Pythia, eine Jungfrau, in späterer Zeit mindestens 50 Jahre alt. Nachdem sie aus der Quelle Kassotis getrunken und Lorbeerblätter gekaut hatte, setzte sie sich auf ihren auf einem Dreifuß angebrachten Sitz. Der Dreifuß stand im Allerheiligsten des Tempels über einer Erdspalte, der kalte, betäubende Dämpfe entstiegen, durch welche die Pythia in Ekstase versetzt wurde. Die mehr oder weniger zusammenhängenden Worte, welche die Pythia in diesem Zustand hervorstieß, wurden von dem neben ihr stehenden „Propheten“ niedergeschrieben und unter Beihilfe des Priesterkollegiums der „Reinen“ (ὅσιοι) gedeutet und in metrische Form gebracht. Die den Fragenden erteilten Antworten waren in der Regel dunkel und vieldeutig.

Der Einfluß des delphischen Orakels erstreckte sich auf wichtige staatliche Unternehmungen durch Sanktionierung von Koloniengründungen, Gesetzgebungen, Verfassungsände[pg 111]rungen usw., wie auf die Entschließungen der in oft recht unbedeutenden persönlichen Anliegen Ratsuchenden. Als anerkannt höchste Autorität in religiösen Angelegenheiten veranlaßte das Orakel u. a. die Ausbreitung des Heroenkults, befestigte den Seelenkult und damit den Unsterblichkeitsglauben, führte die Sühnung der Blutschuld an Stelle der Blutrache ein – so war in Athen eine der ältesten Gerichtsstätten das Delphinion (§ 40) – und trug auch sonst durch Empfehlung sittlicher Grundsätze (γνῶθι σεαυτόν) zur Hebung der Moral des griechischen Volkes bei.

Heutigestags ist der Erdschlund, wohl infolge von Erdbeben, nicht mehr nachweisbar; doch kann man noch jetzt an verschiedenen Stellen einen eiskalten, aus Felsspalten aufsteigenden Lufthauch, verbunden mit einem scharfen, essigähnlichen Geruch, verspüren. Die vollständige Freilegung des alten Delphi, über dem das heutige Dorf Kastri steht, wurde von der französischen Regierung mit Erfolg unternommen.

3. Kranke suchten häufig bei Traumorakeln Hilfe, z. B. in Trikka in Thessalien, auf Kos, in Pergamon, vorzugsweise aber im Heiligtum des Asklepios in Epidauros. Nach verschiedenen religiösen Vorbereitungen legte sich der Kranke in einem besonderen Raume zum Schlafe nieder (Inkubation), um in der Nacht vom Gotte geheilt zu werden oder wenigstens im Traume die Mittel zu erfahren, durch deren Anwendung er nachher von den Priestern kuriert wurde. Die Geheilten spendeten außer sonstigen Weihgeschenken Nachbildungen der geheilten Körperteile in Silber, Gold, Marmor oder auch nur in Wachs oder Ton. Die merkwürdigsten dort erfolgten Wunderkuren verkündigten im Heiligtum aufgestellte Tafeln, von denen zwei unlängst wieder aufgefunden wurden.

Die Verkündigung der Zukunft durch Traumgesichte erwartete man, auf dem Fell eines geopferten Widders schlafend, [pg 112]beim Orakel des von der Erde verschlungenen Sehers Amphiaraos bei Theben.

Wer den Trophonios befragen wollte, fuhr durch einen engen Schlund in seine Höhle bei Lebadea in Böotien ein, um ihn hier in Person oder in Schlangengestalt zu sehen, oder wenigstens seine Weisungen zu hören.

4. Totenorakel (νεκρομαντεῖα, ψυχομαντεῖα) gab es namentlich an den Orten, an welchen Eingänge in die Unterwelt (Πλουτώνεια) angenommen wurden. Das bedeutendste war das bei Cumä in Kampanien. Durch Gebet und Opfer wurden die Seelen der Verstorbenen von den Priestern heraufbeschworen, um die gewünschte Auskunft zu erteilen.

§ 51. Gebet und Opfer.

Die vor keiner wichtigeren Unternehmung fehlenden Bittgebete haben meist etwas Formelhaftes: Auf die ausführliche Anrufung der Gottheit folgt die Erinnerung an die früher dargebrachten Opfer, dann die Bitte selbst, zum Schluß häufig ein Gelübde für den Fall der Erhörung. Beim Gebet zu den oberen Göttern erhob man die Hände gen Himmel, die innere Handfläche nach auswärts, bei der Anrufung der Meeresgötter streckte man sie gegen die Meeresfläche aus, bei der der Unterirdischen kniete oder setzte man sich auf den Boden und berührte mit den Händen die Erde.

Durch den Eid (ὅρκος) wünscht der Schwörende für den Fall des Meineids die Strafe der Götter auf sich herab. Bei der ungemeinen Häufigkeit des Eids im griechischen Staatsleben wurden ohne Zweifel zahllose Meineide geschworen; ihre Bestrafung erfolgte jedoch nicht von Gesetzes wegen, sondern blieb den Göttern selbst, namentlich dem Zeus ὅρκιος überlassen.

Erhöht wird die Feierlichkeit des Eids durch damit verbundene Opfer. Beim Eidopfer (ὅρκια τέμνειν, τόμια [pg 113]vgl. Il. 3, 103 ff. 19, 253 ff.) wünscht sich der Schwörende das Schicksal des geschlachteten Opfertieres, falls er den Schwur nicht halte; ungemischter Wein wird ausgegossen: „Wie der Wein, so möge das Gehirn des Meineidigen auf die Erde spritzen!“ (Il. 3, 300 f.)

Die Opfer, die den Himmlischen und Unterirdischen gewöhnlich verbrannt, den Meer- und Flußgöttern ins Wasser geworfen werden, sind teils blutige, teils unblutige. Letztere bestehen in Backwerk (πέμματα), Früchten, Käse, Weihrauch; arme Leute, denen Tieropfer zu teuer waren, ließen Tiere in Teig nachbilden. Als Trankopfer wurden Spenden von Wein und (besonders den Unterirdischen) ein Gemisch von Honig, Milch und Wasser (μελίκρατον) dargebracht.

Bei der Darbringung eines blutigen Speiseopfers besprengen die Teilnehmer sich und den Altar mit Wasser, das durch Eintauchen eines brennenden Scheits (δαλίον) vom Altare geweiht worden ist; dann streuen sie herumgereichte Opfergerste (ὀλαί, bei Homer οὐλαί, οὐλοχύται) dem mit Bändern und Kränzen geschmückten Opfertier auf den Kopf. Dasselbe muß durchaus fehlerfrei sein; den oberen Göttern werden mit Vorliebe hellfarbige, den Unterirdischen und Toten schwarze Tiere geopfert. Alsdann schneidet man dem Opfertiere einige Kopfhaare ab und wirft sie ins Feuer, wodurch dasselbe dem Tode geweiht wird. Alle Anwesenden werden nun zu frommem Schweigen aufgefordert (εὐφημεῖτε) und unter Flötenmusik und Gesang von Päanen der Gott um gnädige Annahme des Opfers angefleht. Man biegt dem Opfertiere den Kopf zurück – größere Tiere werden zuvor durch einen Schlag auf den Kopf betäubt –, durchschneidet den Hals und läßt das Blut auf den Altar oder in die Opfergrube fließen. Dann zieht man die Haut ab und be[pg 114]reitet zuerst die inneren Teile (σπλάγχνα), welche am schnellsten fertig werden, am Feuer zu.

Die Götter erhalten in Homerischer Zeit hauptsächlich die Schenkelknochen (μηρία) mit mehr oder weniger Fleisch daran, in eine Fetthaut gehüllt mit daraufgelegten Fleischstücken, in späterer Zeit außer anderen Knochen namentlich den unteren Teil des Rückgrats und den Schwanz. An dem zum Himmel emporsteigenden Fettdampf (κνίση) erfreuen sich die Götter in besonderem Maße.

Auf den Opferbrand gießen alle Anwesenden Spenden gemischten Weins. Alsdann wird das übrige Fleisch gebraten und verzehrt. An den Opferschmaus schließen sich oft Reigentänze an. An den großen Staatsfesten wird das Volk auf Staatskosten gespeist.

Den Unterirdischen, ebenso bei Eid- und Sühneopfer müssen die Tiere ganz verbrannt werden. Der Lebende darf nichts davon genießen (θυσίαι ἄγευστοι), sonst ist er selbst dem Tode verfallen. Der Hekate werden hauptsächlich Hunde geschlachtet. Die Opfer für die chthonischen Gottheiten finden abends oder nachts statt, die für die Himmlischen morgens oder vormittags.

Den Heroen und den Seelen der Verstorbenen überhaupt opfert man (ἐναγίζειν, dagegen θύειν den Göttern opfern) an oder auf ihrem Grabe mit Vorliebe schwarze Schafe, deren Blut man zum Zweck der „Blutsättigung“ (αἱμακουρία) der Seelen ins Erdreich fließen läßt. Einen Seelenkult hatten die Griechen schon in vorhomerischer Zeit, und Rudimente desselben finden sich in den Homerischen Gedichten, z. B. die Tier- und Menschenopfer bei der Bestattung des Patroklos und das Opfer, welches Odysseus nach seiner Heimkehr allen Toten und dem Teiresias insbesondere darzubringen verspricht (Od. 10, 521–526; 11, 29–33, vgl. auch § 69). Aber unter dem Einfluß der [pg 115]sich immer weiter verbreitenden Homerischen Vorstellung, wonach die Seelen der Verstorbenen für immer vom Reich der Lebenden geschieden und ohne Einwirkung auf dasselbe in einem fernen Höhlenreiche kraft- und bewußtlos ein schattenhaftes Dasein führen, kam der Seelenkult allmählich außer Übung und erhielt sich nur in einzelnen Lokalkulten, z. B. bei den böotischen Bauern, um jedoch im Anschluß an den namentlich vom delphischen Orakel (vgl. § 50) geförderten Heroenkult zu neuem Leben zu erwachen. Als Heroen verehrte man in der Folgezeit fast alle Helden der epischen Dichtung, daneben in engeren Kreisen sonst nicht bekannte Gestalten als „Landesheroen“, sodann die Städtegründer, historische wie mythische, ferner die in den Perserkriegen Gefallenen, schließlich alle Personen, die sich im Leben irgendwie als Könige, Gesetzgeber, Dichter, Sieger in Wettspielen usw. ausgezeichnet hatten.

Bei Sühneopfern nimmt das Tier an Stelle des Menschen die Schuld und den Fluch auf sich. So scheinen mannigfach Tieropfer alte, dem Griechentum ursprünglich fremde und von den Orientalen übernommene Menschenopfer abgelöst zu haben (vgl. das Opfer der Hirschkuh für Artemis an Stelle der Iphigenie in Aulis). Sage und Geschichte liefern Beispiele freiwilliger Aufopferung in gefahrvollen Lagen, bei Seuchen und Hungersnot, sowie vor wichtigen Entscheidungen, Schlachten oder Seefahrten. Noch im zweiten Jahrhundert nach Chr. wurden dem Zeus Lykaios in Arkadien an den Lykaien Menschen geopfert. Doch kamen solche Fälle gewiß nur vereinzelt vor und wurden von den Griechen selbst als rohe, barbarische Sitte empfunden.

§ 52. Die Mysterien.

Neben der allgemeinen Gottesverehrung gab es noch besondere, von einem geschlossenen Kreis von Eingeweihten [pg 116]begangene Geheimkulte, die Mysterien (μύω schließe die Augen, den Mund; auch τελεταί, Weihen, genannt). Unter ihnen nahmen die eleusinischen Mysterien weitaus die erste Stelle ein.

Im eleusinischen Lande, wo die von Hades geraubte Persephone wieder ans Licht der Sonne gekommen und ihrer Mutter wiedergeschenkt worden war7, hatte Demeter selbst, so berichtet der homerische Hymnus auf Demeter, den heiligen Dienst gestiftet. Wer an diesem teilnimmt, darf ein bevorzugtes Schicksal im Jenseits und schon in diesem Leben Glück und Reichtum erhoffen. Seitdem Eleusis (wohl im 7. Jahrh.) mit Athen vereinigt und die dortige Feier zum athenischen Staatskult erhoben worden war, dehnte sich der Kreis der Verehrer nicht nur über Attika, sondern über ganz Griechenland aus; jeder Grieche ohne Unterschied des Stammes, Männer und Frauen, selbst Kinder und Sklaven wurden zugelassen; einzige Bedingung war rituale Reinheit, so daß also Mörder und wegen Mords Angeklagte ausgeschlossen waren.

Der vornehmste Priester war der Hierophant, der die geheimnisvollen Heiligtümer zu zeigen und zu erklären hatte; seine Würde war in dem eleusinischen Adelsgeschlecht der Eumolpiden erblich; ihm zur Seite stand die Hierophantin. Die nächsten Priester im Range waren der Daduchos (Fackelträger), der Keryx (Herold) und der Altarpriester (ὁ ἐπὶ βωμῷ), alle drei aus dem attischen Geschlecht der Keryken. Die äußeren Anordnungen besorgte der Archon Basileus, unterstützt von vier Epimeleten.

Im Anthesterion (Februar) wurden die kleinen Mysterien zu Agrai, einer Vorstadt Athens, mit Reinigungen und Aufnahme der Mysten gefeiert. Erst nachdem man ver[pg 117]schiedene Grade durchlaufen hatte, gelangte man in die Klasse der Epopten, der Schauenden.

Die großen Eleusinien fanden im Boedromion (Sept.) statt, nachdem ein allgemeiner Gottesfriede (ἐκεχειρία) für 7–8 Wochen angesagt war. Auf die feierliche Bekanntmachung (πρόρρησις) des Archon Basileus hin sammelte sich die ganze Festgemeinde in Athen und begab sich zur Reinigung ans Meer (ἅλαδε μύσται). Nach mehrtägigen Opfern und Umzügen brachte man am 20. Boedromion in feierlicher Prozession das Bild des Iakchos, des von Zeus Chthonios und Persephone gezeugten Unterweltsgottes, der häufig mit Dionysos gleichgesetzt wurde, auf der heiligen Straße unter Iakchosrufen und Gesängen nach dem vier Wegstunden entfernten Eleusis in den Demetertempel, später in das von Perikles erbaute Telesterion (Weihehaus). Die Feier der folgenden Tage beging man mit Opfern, Fackeltänzen, wiederholten Reinigungen, mehrtägigem Fasten und Genuß des Kykeon, eines Mischtranks aus Wasser, Mehl und Polei, den auch Demeter nach ihrer Aufnahme in Eleusis zuerst gekostet haben soll.

Den Mittelpunkt aber bildeten die eigentlichen Mysterien. Diese bestanden nicht etwa in Geheimlehren, die in bestimmte Begriffe und Worte gefaßt gewesen wären, vielmehr in lebenden Bildern und dramatischen Darstellungen der Schicksale der gefeierten Gottheiten, z. B. des Raubs der Kore, der Irren der Demeter und der Wiedervereinigung der Göttinnen. Es war „ein religiöser Pantomimus, von heiligen Gesängen und formelhaften Sprüchen begleitet“ und durch Pracht der Ausstattung, Lichteffekte und Musik wirksam unterstützt. Infolgedessen konnte eine Profanierung der Mysterien nicht durch Ausplaudern, sondern nur durch Nachäffung geschehen, wie eine solche 415 dem Alkibiades zur Last gelegt wurde.

[pg 118]

Die Hoffnung auf ein seliges Los der in Eleusis Geweihten im Jenseits wurde vielleicht durch Vorführung von Szenen aus dem jenseitigen Leben oder durch unmittelbare Verkündigung der (etwa bei der Darstellung der Stiftung des eleusinischen Festes erscheinenden) Demeter selbst geweckt und genährt. Trotz mancher Lobpreisungen der Alten scheint indes die sittliche Wirkung der Mysterien keine besonders tiefe und nachhaltige gewesen zu sein.

§ 53. Feste.

Außer den großen hellenischen Nationalfesten (s. § 67) wurden noch eine Menge Feste in den einzelnen Städten den verschiedenen Gottheiten zu Ehren gefeiert. Genauer sind wir über den athenischen Festkalender unterrichtet. Das attische Jahr begann mit dem ersten Neumond nach der Sommersonnenwende. Die Hauptfeste waren im Monat

I. Hekatombaion (ungefähr unserm Juli entsprechend):

am 1. (oder 7.?) ein Fest Apollos, des Sonnengotts, da jetzt die Sonne ihren höchsten Stand am Himmel erreicht hatte;
am 12. die Kronien, Kronos zu Ehren;
am 16. die Synoikien zur Erinnerung an die politische Einigung Attikas durch Theseus (s. § 20);
am 24.–29. (?) die großen Panathenäen, pentaeterisch (s. § 67) in jedem dritten Olympiadenjahr 6 Tage lang gefeiert, das glänzendste Fest Athens. Die jährlich begangenen kleinen Panathenäen beschränkten sich auf eine kürzere Festfeier. Die großen Panathenäen soll Peisistratos gestiftet haben. An diesen fanden musische, gymnische und hauptsächlich hippische Agone (vgl. § 67) statt. Die Sieger in den beiden letzteren erhielten Amphoren (s. § 59) mit Öl von den heiligen Bäumen der Athena in der Akademie. Rhapsoden trugen seit der Peisistratidenzeit die Homerischen [pg 119]Gedichte vor. Daran schloß sich die Aufführung des Waffentanzes, Pyrrhiche, und der Wettstreit der Euandria, wobei jede Phyle eine Anzahl schöner, großer und kräftiger Männer vorführte und die stattlichste Schar als Preis ein Rind erhielt. Eine nächtliche Feier, Pannychis, mit Gesang, Tanz und Fackelwettlauf (λαμπαδηφορία) leitete den Haupttag ein, an dem die ganze Bürgerschaft in feierlicher Prozession (πομπή) vom Kerameikos durch die Hauptstraßen nach der Akropolis zog, um der Stadtgöttin Athena das von athenischen Frauen und Mädchen gewobene Prachtgewand (Peplos, vgl. § 58), in das auf safranfarbigem Grunde die Kämpfe der Götter und Giganten eingestickt waren, darzubringen. Dasselbe war als Segel am Mast eines Schiffes aufgespannt, das im Festzug auf Rollen fortbewegt wurde. Den Festzug hat Pheidias auf dem Relieffries des Parthenon (s. § 70) verewigt. Auf der Burg wurde der Athena ein großes Opfer (Hekatombe) dargebracht und das ganze Volk davon gespeist. Eine Nachfeier bestand in einer Regatta, einem Bootwettfahren (νεῶν ἅμιλλα), im Peiraieus.

II. Metageitnion (August): ein kleineres Apollofest.

III. Boedromion (Sept.):

am 5. ein allgemeines Totenfest, die Genesia (s. § 63);
am 6. Gedächtnistag der bei Marathon Gefallenen;
am 7. (?) die Boedromien, Apollo zu Ehren;
am 16.–25. (?) die großen Eleusinien (s. § 52).

IV. Pyanepsion (Okt.):

am 7. die Pyanepsien, nach den gekochten Bohnen benannt, deren Erstlingsfrüchte Apollo dargebracht wurden;
(?) die Oschophorien, als Dankfest für die Wein- und Olivenernte dem Dionysos und der Athena gefeiert; an der Spitze des Festzuges gingen zwei Knaben in langem Chiton mit Weinreben (Oschoi) in den Händen;
am 8. das Theseusfest;
am 9.–13. die Thesmophorien, nur von Frauen unter mancherlei ausgelassenen Scherzen der Demeter und Persephone zu Ehren gefeiert;
am 19.–21. (?) die Apaturien, drei Tage lang von den Phratrien begangen; an ihnen wurden die seit dem letzten Apaturienfeste geborenen Kinder in die Phratrie des Vaters eingeführt (vgl. § 32);
am 30. das Schmiedefest (Chalkeia) des Hephäst und der Athena.

V. Maimakterion (Nov.): in dieser stürmischen Jahreszeit, in der kein größeres Fest stattfand, suchte man den zürnenden Zeus (μαιμάκτης) durch Gebet und Opfer zu versöhnen.

VI. Poseideon (Dez.): das Tennenfest (Ἁλῷα), der Demeter, Kore und dem Dionysos, und die ländlichen Dionysien (Διονύσια τὰ κατ’ ἀγρούς), dem Dionysos zu Ehren in den einzelnen Demen, namentlich von der Landbevölkerung, als ländliche „Kirchweihen“ unter mancherlei Scherzen und Neckereien begangen. An dem letzteren Feste wurden, nach der Überlieferung zuerst in dem Demos Ikaria, später namentlich im Peiraieus, dramatische Aufführungen veranstaltet.

VII. Gamelion d. h. Ehemonat (Jan.): an den Gamelien brachte man den Ehegöttern Opfer dar; an den Lenaien, dem Kelterfest (von ληνός Kelter), wurden vom Staate mit großem Aufwand Bühnenspiele aufgeführt (vgl. § 54).

VIII. Anthesterion (Febr.): 11.–13. die Anthesterien. Am ersten Tage der „Faßöffnung“ (Πιθοιγία), füllte man den ausgegorenen Wein aus den Fässern in Amphoren ab. Der folgende „Kannentag“ (Χόες) brachte ein großes Trinkgelage mit Wetttrinken aus Kannen auf ein Trompetensignal. An ihm fand auch die symbolische Vermählung der Basilissa, der Gattin des Archon Basileus, [pg 121]als Vertreterin des Landes, mit Dionysos statt. Der dritte Tag, das „Topffest“ (Χύτροι), war den Unterirdischen geweiht; in Töpfen stellte man gekochte Früchte und Sämereien dem Seelengeleiter Hermes und den Toten auf.

An den Anthesterien, dem Hauptfeste aller Seelen, glaubte man, kämen die Toten ins Reich der Lebendigen herauf, und man bewirtete deshalb die umherschwärmenden Seelen der Angehörigen; am Ende des Festes trieb man sie wieder aus den Wohnungen aus mit dem Rufe: Hinaus, ihr Keren (alter Name für Seelen), die Anthesterien sind zu Ende (θύραζε Κῆρες, οὐκ ἔτ’ Ἀνθεστήρια).

(?) Die kleinen Mysterien bei Agrai s. § 52.

(?) Die Diasien, ein Sühnefest für Zeus Meilichios.

IX. Elaphebolion (März): an den Elaphebolien, dem Hirschjagdfest, wurde der Artemis Backwerk in Form von Hirschen geopfert;

am 9./14. die großen oder städtischen Dionysien (Δ. τὰ μεγάλα, τὰ ἐν ἄστει), das glänzendste athenische Fest nach den Panathenäen. Im Festzug (πομπή) wurde das Bild des Dionysos von den Epheben in die Akademie und von da in die Orchestra des Dionysostheaters gebracht. Es folgten Wettkämpfe von Knaben- und Männerchören im Vortrag von Dithyramben. Den Glanzpunkt bildeten die dreitägigen großen dramatischen Aufführungen (s. § 54). Ein Nachfest bildeten die Pandia.

X. Munychion (April):

am 6. (oder 7.) die Delphinien, Apollo zu Ehren;
am 16., an den Munychien, wurden der Artemis auf der gleichnamigen Halbinsel runde, mit Lichtern besteckte Kuchen (ἀμφιφῶντες) geopfert, welche den Vollmond darstellten; damit verband sich die Gedächtnisfeier des Siegs bei Salamis;
am 19. die Olympien, Zeus zu Ehren.
[pg 122]

XI. Thargelion (Mai): die Thargelien, ein großes Sühnefest des Apollo und der Artemis, an welchem die Erstlinge der Feldfrüchte diesen wie dem Helios und den Horen dargebracht wurden;

am 19. die Bendideia, der (mit Artemis gleichgesetzten) thrakischen Göttin Bendis mit Fackelwettrennen zu Pferde gefeiert.

An den Kallynterien und Plynterien wurde der Tempel der Athene gereinigt und ihr Bild im Meere gebadet.

XII. Skirophorion (Juni):

am 12. die Skirophorien, von den Frauen der Athena zu Ehren gefeiert;
am 14. das Zeusfest der Dipolia.

§ 54. Dramatische Aufführungen.

Das Bühnenspiel ist aus dem Dienst des Gottes Dionysos hervorgegangen und blieb stets ein Teil seiner Feste, so daß es, wenigstens im 5. Jahrhundert, nur an diesen aufgeführt wurde. Wie bei vielen andern Gottesdiensten (Mysterien in Eleusis s. § 52) bestand die Feier eben darin, daß die Beteiligten die Schicksale des Gottes und seiner Begleiter, welche sie im Lied besangen, zugleich miterlebten. Eine Gruppe hat sich, um die Rolle der Satyrn, der Begleiter des Gottes, zu spielen, in Bocksfelle gehüllt und singt – daher Tragödie, τραγῳδία = Gesang der Böcke, τράγοι –, rings um den Altar des Gottes tanzend, von den Freuden und Leiden desselben; diesen selbst stellt der Vorsänger des Chores dar. Wie der Gott eine lebensfrohe und eine düstere Seite aufweist, so zeigt auch sein Dienst bald wilde Ausgelassenheit in der Komödie, bald schauerlichen Ernst in der Tragödie. Bald werden auch die Mythen anderer Gottheiten herein[pg 123]gezogen, und das Schauspiel wahrt seinen dionysischen Charakter nur dadurch, daß auf die tragische Darstellung stets ein Satyrspiel folgt. Um 500 haben die Bühnenspiele schon eine bestimmte Ordnung. Die Tragödien werden vornehmlich an den großen oder städtischen Dionysien im März, die Komödien an den Lenaien im Januar aufgeführt (s. § 53). Die Leitung des letzteren, älteren Festes steht dem König, die des ersteren dem Archon zu. Außerdem gelangen noch an den ländlichen Dionysien in einzelnen Gauen (unter der Leitung des betreffenden Demarchen) Dramen zur Aufführung.

Die Feier hat die Form eines Wettkampfes (Agon) zwischen drei Aufführungen. Es werden im tragischen Agon an drei Spieltagen je drei Stücke (eine Trilogie) nebst einem Satyrspiel vorgeführt. Eine Zeitlang wurden diese drei Stücke nach einem wohl von Äschylos eingeführten Brauche so komponiert, daß sie ihrem Inhalt nach zusammenhingen und ein Ganzes bildeten (vgl. die Schillersche Wallensteintrilogie); eine solche Trilogie besitzen wir noch aus dem Altertum in der 458 aufgeführten äschyleischen „Orestie“, welche aus den drei Stücken: Agamemnon, Choephoren und Eumeniden besteht; allein schon Sophokles ging von dieser Kompositionsart ab und reichte Stücke ein, die in keinem inhaltlichen Zusammenhang miteinander standen.

Die Stellung, Ausstattung und Einübung des Chores liegt dem Choregos (vgl. § 45, 1) ob; derselbe hat für die Komödie 24, für die Tragödie anfangs (bis Äschylos) 12, seit Sophokles 15 Chormitglieder (Choreuten) zu stellen. Im Jahr 411 wurde der Aufwand eines Choregos für die Tragödie auf 3000 Drachmen berechnet. Der Lohn desselben war eben sein Sieg im Wettkampf, welchen er mit dem Dichter teilte. Dieser, „Lehrer“ (Didaskalos) [pg 124]genannt, war Textdichter, Komponist der gesungenen Partien, Regisseur und ursprünglich, wie Äschylos, selbst Schauspieler. Die Dichter, welche um Zulassung ihres Stücks zur Aufführung bitten („um einen Chor bitten“ χορὸν αἰτοῦσι), werden vom Festleiter auf die Würdigkeit ihrer Person und Stücke geprüft, die Ordnung im Agon wird durchs Los bestimmt.

Die Schauspieler, ursprünglich nur Gehilfen des Dichterschauspielers, werden seit Sophokles selbständiger. Die ersten Darsteller (Protagonistai) erklären sich beim Festleiter bereit, die Rollen mit ihren Gehilfen, den Deuteragonisten und Tritagonisten, zu übernehmen. Dieser wählt auf Grund eines künstlerischen Wettkampfes zwischen den Bewerbern aus und weist dieselben den Dichtern zu. Dichter wie Schauspieler erhalten ein bestimmtes Honorar. Mit der Ausdehnung der Bühnenspiele wuchs auch die Zahl und das Ansehen der Schauspieler. Dieselben taten sich mit Rhapsoden, Flöten- und Zitherspielern in wohlorganisierte Vereine (σύνοδοι) zusammen, welche sich „dionysische Künstler“ (οἱ περὶ τὸν Διόνυσον τεχνῖται) nannten.

Die Kampfrichter wurden vor dem Spiel ausgelost; ihr Urteil bezog sich gleichermaßen auf die Dichtung, Ausstattung und Darstellung. Der Eintritt in das Theater war ursprünglich frei, kostete aber später 2 Obolen, welche Perikles dem Volk durch das Schaugeld (θεωρικόν s. § 28) ersetzte. Freien Eintritt hatten nur die Inhaber von Ehrensitzen, welche, wie wir noch heute sehen, vorzugsweise die unterste Reihe einnahmen. Diese waren für Priester und Archonten bestimmt, wurden indes auch für besondere Verdienste, z. B. an Feldherren oder auswärtige Fürsten verliehen. Mit regster Anteilnahme folgten die Athener drei Tage lang hintereinander, vom frühen Morgen bis zum Abend auf den Marmorbänken sitzend, den [pg 125]Aufführungen; laut waren die Kundgebungen des Beifalls oder Tadels, gründlich und allgemein das Verständnis für Bühnenkunst. Als es mit der tragischen Kunst im 4. Jahrhundert abwärts ging, beschloß das Volk, daß vor den neuen Stücken der lebenden Tragiker stets eine Tragödie eines verstorbenen Dichters, „eine alte“, aufgeführt werde, und ließ daher, um den Text vor Willkürlichkeiten der Schauspieler zu sichern, unter der Finanzverwaltung Lykurgs (338 bis 326) ein staatliches Normalexemplar der Stücke der drei großen tragischen Heroen anfertigen. „Es ist nur ein Athen gewesen,“ sagt Lessing, „es wird nur ein Athen bleiben.“

§ 55. Das Theater.

Das griechische Theater der ältesten Zeit hatte zwei Hauptteile, die Orchestra, den Tanzplatz des Chors, welcher den in Wechselrede ihm antwortenden Schauspieler (ὑποκριτής von ὑποκρίνομαι = ἀποκρίνομαι) umkreiste, und den Zuschauerraum (s. S. 127).

Die Orchestra, ein geebneter, mit Sand bestreuter Platz (daher Konistra d. h. Staubplatz genannt), war ursprünglich kreisrund (vgl. Schiller: „umwandelnd des Theaters Rund“) und behielt diese Form lange Zeit; wir finden sie z. B. noch bei dem von Polyklet, einem Zeitgenossen des Pheidias, erbauten Theater von Epidauros, dem schönsten und besterhaltenen des alten Griechenland (s. Abbildung Titelbild). Später wurde die Orchestra um ein Kreissegment verkleinert. In der Mitte derselben stand der Altar des Dionysos, die Thymele (θυμέλη).

Als dritten Hauptteil weisen die ausgegrabenen Theaterruinen ein Bühnengebäude auf, das aus einem zurückliegenden Hauptbau und zwei vorspringenden Seitenflügeln (παρασκήνια) besteht. Der von Hinterbau und Seiten[pg 126]flügeln eingeschlossene Raum, der jedoch nur eine geringe Tiefe besitzt (z. B. in Epidauros nur 2,41 Meter), diente nach der bisherigen Annahme in der Zeit des entwickelten Dramas als Spielraum für die Schauspieler, als Logeion d. h. Sprechplatz, auch Proskenion genannt. Diese Sprechbühne mit gedieltem Fußboden sollte nach Vitruvs Anweisung 10 bis 12 Fuß über die Orchestra erhöht sein, womit die Maße der bis jetzt untersuchten griechischen Theater übereinstimmen. Da aber bei einer so starken Erhöhung der in der Orchestra stehende Chor nur schwer mit den Schauspielern in Wechselrede treten konnte, wie dies doch das griechische Drama verlangt, so half man sich bis jetzt mit der Annahme, daß über der Hälfte der Orchestra oder Konistra jedesmal ein hölzernes Gerüst für den Chor aufgeschlagen worden sei, das Orchestra im eigentlichen Sinn (im Gegensatz zur Konistra) oder, nach anderer Ansicht, Thymele geheißen habe.

Bei dieser Annahme bleibt das Bedenken bestehen, ob denn die Schauspieler auf jenem schmalen als Logeion oder Proskenion bezeichneten Raume überhaupt spielen konnten; man hat deshalb neuerdings vermutet, daß nicht für den Chor, sondern für die Schauspieler jedesmal ein hölzernes Gerüst als Spielplatz errichtet worden sei, während der Chor zu ebener Erde sich bewegt habe.

Im Gegensatz zu diesen Vorstellungen will die neueste Forschung einerseits durch genaue Untersuchung der monumentalen Überreste (Dörpfeld u. a.), andererseits durch scharfe Beobachtung der in den erhaltenen Dramen über Standort der Schauspieler und des Chors sich findenden Andeutungen den Nachweis führen, daß im griechischen Theater bis zur römischen Zeit keine erhöhte Sprechbühne existiert habe, daß also in der ganzen klassischen Zeit Schauspieler und Chor räumlich nicht von[pg 128]einander geschieden gewesen, sondern beide gemeinsam in der Orchestra aufgetreten seien. So erkläre sich u. a. auch die Einführung des hohen Schuhs, des Kothurns, „der den Schauspielern als ein bewegliches Gerüst unter die Füße gegeben wurde, das ihnen Bewegungsfreiheit gestattete und sie über den sie umgebenden Chor heraushob“.

Grundriß des Theaters von Epidauros.
Grundriß des Theaters von Epidauros.

Die Entwickelung des Bühnengebäudes sucht man sich in folgender Weise zurechtzulegen: Für den Schauspieler diente ursprünglich als Aufenthaltsort vor dem Auftreten, sowie als Umkleideraum die Skene, ein Zelt oder eine Bude. Diese verdeckte man im Lauf der Zeit durch eine davorgestellte Dekorationswand (Proskenion, d. h. das, was vor der Skene sich befindet), welche mit einer oder mehreren Türen für die auf- und abtretenden Schauspieler versehen war und die Außenseite eines Hauses, in der Tragödie gewöhnlich eines Palastes, darstellte. Diese Dekorationswand gab zugleich der Orchestra einen auch aus akustischen Gründen wünschenswerten Hintergrund und baulichen Abschluß. Weiterhin wurde die Skene zu einem massiven Gebäude ausgestaltet und die zunächst davorgesetzte bewegliche und temporäre Dekorationswand durch eine feste, mit Reliefs verzierte und durch Säulen oder Pfeiler gegliederte Steinwand ersetzt. So habe das ganze Bühnengebäude als Proskenion, d. h. als Hintergrund für die in der Orchestra stattfindenden Aufführungen gedient. Eigene erhöhte Sprechbühnen für die Schauspieler dagegen habe man erst in römischer Zeit gebaut, und erst durch Umbauten, die in dieser Zeit vorgenommen worden seien, hätten auch ältere griechische Theater solche erhalten.

Für die Zuschauer schlug man in der ältesten Zeit Holzgerüste (ἴκρια) auf, welche jedesmal nach den Aufführungen wieder abgebrochen wurden. Als man zum Bau fester Theater überging, angeblich infolge wiederholten [pg 129]Zusammenbrechens solcher Gerüste, benutzte man die natürlichen Verhältnisse des Erdbodens und wählte eingebuchtete Anhöhen, welche einen natürlichen Zuschauerhalbring darboten. Die konzentrisch „in weiter stets geschweiften Bogen“ aufsteigenden Sitzreihen wurden entweder aus dem lebendigen Felsen herausgehauen oder durch Steinplattenbelag hergestellt.

Die Anlage des Zuschauerraumes wie des griechischen Theaters überhaupt zur Zeit des entwickelten Theaterbaus veranschaulicht uns am deutlichsten der Grundriß des Theaters von Epidauros (s. Abbildung S. 127 und Titelbild).

Hier ist der Zuschauerhalbring in halber Höhe durch einen 1,9 m breiten Umgang (Diazoma) in eine untere Abteilung von 32 und eine obere von 20 prächtigen Sitzreihen aus hellschimmerndem Kalkstein getrennt; dazu kommen 3 Reihen Ehrensitze, eine am Rande der Orchestra, 2 zu den beiden Seiten des Diazoma. Schmale Treppen, deren Stufen halb so hoch wie die Sitzstufen sind, teilen die untere Abteilung in 13, die obere in 25 keilförmige Ausschnitte (Kerkides), welche nach dort aufgestellten Bildsäulen benannt waren. Nach hinten war der Zuschauerraum durch einen 2 m breiten oberen Umgang und eine Gürtungsmauer abgeschlossen, welche an den beiden Endkeilen des Halbringes umbog und in 2 Seitenmauern zur Orchestra herabstieg. Die Orchestra selbst ist eine von einem Plattenring umschlossene Kreisfläche, welche von der untersten Sitzstufe durch einen 0,2 m niederer gelegenen Umgang getrennt ist, der, wie zwei Abzugslöcher zeigen, auch als Wasserablauf diente. Genau in der Mitte der Orchestra ist ein runder Stein von 0,7 m Durchmesser eingelassen, der wohl den Rundaltar des Dionysos trug. Zwischen Zuschauerraum und Bühne führen 2 über 5 m breite Eingänge [pg 130](Parodoi) zur Orchestra, durch welche sich das Publikum auf seine Plätze begab und der Chor einzog. Das Bühnengebäude besteht in dem zurückliegenden Hauptbau, aus welchem sich drei Türen nach dem 3–4 m über die Orchestra erhöhten sogenannten Logeion oder Proskenion öffnen. Dieses ist beiderseitig von Flügelbauten (Paraskenia) umgeben, aus welchem je eine Rampe zu den Orchestraeingängen hinabführt. Trotz seiner großen Ausdehnung ist das griechische Theater sehr gehörsam. Bei meinem Besuche in Epidauros trug ich (Maisch), in der Orchestra stehend, das Sophokleische Chorlied „Vieles Gewaltige lebt“ mit halblauter Stimme vor, und doch vernahm mein Begleiter, der auf der obersten Reihe sitzend etwa 70 m von mir entfernt war, jedes Wort deutlich. Dabei ist zu beachten, daß die für die Schallverteilung besonders wichtige Gürtungsmauer und hintere Bühnenwand heutzutage fehlen.

Mit dem Theater hatte das „Odeion“, das „Gesangshaus“, den allgemeinen Grundriß gemein. Dasselbe unterschied sich nur durch geringere Ausdehnung und steileres Ansteigen der Sitzstufen, wodurch eine Überdachung des ganzen Raumes ermöglicht wurde. Als das schönste Odeion galt das von Perikles erbaute; das besterhaltene ist dasjenige, welches Herodes Attikus (zwischen 160 und 170 n. Chr.) am Südwestfuß der Akropolis aus Marmor und Zedernholz erbaut hat, dessen gewaltige Ruine in den Kämpfen der Türken und Griechen als Festung diente und noch heute unser Staunen erregt.

An beweglichen Dekorationen besaß das griechische Theater außer großen gemalten, vor der Rückwand aufgespannten Szenerien seitlich angebrachte dreiseitige, um einen Zapfen drehbare Holzprismen, die Periaktoi, die auf jeder Seite eine verschiedene Dekoration hatten und etwa unseren heutigen Kulissen entsprechen. Götter und Heroen erscheinen [pg 131]entweder auf einem Balkon an der Skenenwand, der Götterbühne (Theologeion), oder kommen durch die Luft auf der „Maschine“ (θεὸς ἀπὸ μηχανῆς, deus ex machina) angeschwebt, um die verwickelte Handlung durch einen Machtspruch zu lösen. Vorgänge, welche sich im Innern der Wohnung abspielen, zeigt das Ekkyklema, wohl ein Gerüst auf Rollen. Die Geister der Verstorbenen stiegen auf der Charonischen Stiege empor; als solche diente vielleicht der unterirdische, aus dem Bühnengebäude in die Orchestra führende Gang, der neuerdings z. B. in Eretria und Sikyon aufgedeckt wurde. Auch hatte man Blitz- und Donnermaschinen (κεραυνοσκοπεῖα, βροντεῖα) u. a. m.

Entsprechend dem religiösen Herkommen und dem Bedürfnis des weiten Raumes trugen die Schauspieler Charaktermasken (προσωπεῖα, πρόσωπα), Stiefel (κόθορνος, ἐμβάτης) mit hoher Korksohle und einen wattierten Leib (σωμάτιον). Ganz richtig sagt Schiller: „Es steigt das Riesenmaß der Leiber hoch über Menschliches hinaus.“ Mußte hierbei auf das Mienenspiel verzichtet werden, so wurden dafür die Maskentypen bis ins einzelne ausgearbeitet. Dabei konnte es nicht auffällig erscheinen, wenn die Frauenrollen von Männern gegeben wurden. In der Tragödie, wo Könige und Götter aus alter Zeit auftraten, wurde die altertümliche Tracht (vgl. § 58) mit dem feierlichen orientalischen Prunk beibehalten, während für die Komödie, welche die gegenwärtige Zeit behandelte, die gewöhnliche Volkstracht gewählt wurde.

Das Kriegswesen.

§ 56. Das Landheer.

Jeder Bürger muß im Heere dienen, die Klassen I bis III (s. § 25) als Reiter bzw. Schwerbewaffnete, Klasse IV als Leichtbewaffnete oder Schiffsoldaten. Die Dienstpflicht [pg 132]dauert vom 18. bis 60. Jahre; frei vom Kriegsdienste sind nur Beamte, Ratsherren und Zollpächter. Nach der Aufnahme in die Gemeindebürgerliste (§§ 2732) schwuren die jungen Athener in dem Tempel der Aglauros den Fahnen- und Bürgereid: „Ich will die Waffen nicht schänden, den Nebenmann im Kampf nicht im Stich lassen, für die Heiligtümer kämpfen und das Vaterland nicht gemindert, sondern größer und mächtiger, als ich es überkommen, hinterlassen; ich will den Befehlen der Vorgesetzten und den Gesetzen gehorchen, nicht dulden, wenn einer die Gesetze aufhebt oder ihnen nicht gehorcht, sondern sie verteidigen und die vaterländischen Heiligtümer ehren.“ Die Jünglinge eines Kreises lebten fortan gemeinsam unter der Aufsicht eines „Zuchtmeisters“ (σωφρονιστής), und wurden durch Turnlehrer (παιδοτρίβαι) und Waffenlehrer in Gymnastik und Waffenführung ausgebildet. Der Zuchtmeister erhält von der Gemeinde täglich eine Drachme, die Jünglinge 4 Obolen, wofür jener die Bedürfnisse des gemeinsamen Mittagsmahles einkauft. Nach Verfluß eines Jahres werden die Jünglinge im Theater dem Volke vorgestellt, wobei sie ihre Fertigkeit im Turnen und Exerzieren dartun, und erhalten hierauf von der Stadt Schild und Speer, um fortan ein Jahr lang in den festen Plätzen des Landes (Akte, Munychia, Phyle, Sunion, Eleusis u. a.) als Peripoloi (περίπολοι) Wachdienste zu tun.

Die Aushebung erfolgte auf Grund von Stammrollen, welche nach den Gemeindebürgerlisten (§§ 2732) angefertigt waren. Jede Stammrolle enthält das vollständige Verzeichnis der in einem bestimmten Jahre in die Bürgerlisten Eingeschriebenen und am Kopf den Namen des in diesem Jahre amtierenden ersten Archon, welcher Eponymos hieß. Im ganzen gab es 42 dienstpflichtige Jahrgänge mit den Namen von ebenso vielen Archonten. Bei einer Mobilmachung wird entweder ein allgemeines Aufgebot der gesamten [pg 134]Kriegsmacht (πανδημεί, πανστρατιᾷ) erlassen, oder nur ein Teil derselben nach der Stammrolle (ἐκ καταλόγου) eingezogen. Im letzten Fall wird bekanntgemacht, von welchem Archon bis zu welchem die Mannschaft auszumarschieren habe; und zwar können die betreffenden Jahrgänge ganz (στρατεῖαι ἐν τοῖς ἐπωνύμοις) oder nur teilweise (στρ. ἐν μέρεσι) mobilisiert werden.

Duris-Schale
Duris-Schale.

Jeder der 10 Kreise stellt ein Regiment (τάξις) unter einem selbstgewählten Obersten8, Taxiarchos. Jedes Regiment gliedert sich in eine Anzahl Kompagnien (λόχοι), welche von den Angehörigen eines oder mehrerer Demen gebildet und von Hauptleuten (λοχαγοί) kommandiert werden. Im Jahr 431 konnte Athen etwa 18 000 Hopliten aufbieten.

Die taktischen Manöver der attischen Hopliten unterschieden sich nicht wesentlich von denen der Spartaner (s. § 19).

Der Stolz der Athener war ihre Reiterei, wie z. B. deren besonders liebevolle Darstellung auf dem großen Parthenonfries (§ 70) lehrt; übrigens hat sich dieselbe mehr bei Festparaden (besonders an den Panathenäen) als in Schlachten hervorgetan, und der Reiterdienst galt für sehr ungefährlich. Die Klassen I–II dienten als Reiter; dieselben wurden von einer Zehnerkommission (καταλογεῖς) ausgehoben, mit einem Equipierungsgeld (κατάστασις) versehen und alljährlich vom Rat wiederholt auf die Tauglichkeit ihrer Person und Pferde geprüft. Die Reiterei gliederte sich in 10 Schwadronen (φυλαί) zu 100 Pferden mit einem Rittmeister (φύλαρχος) an der Spitze; den Oberbefehl führten zwei Reitergenerale (ἵππαρχοι).

[pg 135]Der Kriegsdiensteifer und die Mannszucht im Bürgerheer ließen im 4. Jahrhundert viel zu wünschen übrig; wir hören von Prozessen wegen eigenmächtigen Ausbleibens (ἀστρατείας), Fahnenflucht (λειποταξίου), Feigheit (δειλίας), welche die Feldherrn vor das Volksgericht zu bringen hatten. Den Reiterobersten rät Xenophon, mehr durch Überredung als durch Befehl auf die Reiter zu wirken. Doch hüte man sich, hieraus auf die Abnahme der kriegerischen Tüchtigkeit der Hellenen zu schließen; die Züge eines Kyros und Alexander bewiesen das Gegenteil. Überdies erfolgte zugleich mit dem Aufkommen des Söldnerwesens eine durchgreifende Neuordnung des Heerdienstes, welche Iphikrates in Athen einführte (392 v. Chr.).

Das einzige griechische Heer, das wir genauer kennen, ist das aus Xenophons Anabasis bekannte griechische Söldnerheer des jüngeren Kyros, dessen größere Hälfte aus dem Peloponnes stammt und durchaus spartanische (vgl. § 19) Kriegsordnung zeigt. Den Kern bilden die Schwerbewaffneten (Hopliten) mit Helm (κράνος), Brustharnisch (θώραξ) oder Lederkoller (σπολάς), Beinschienen (κνημῖδες), schwerem Schild (ἀσπίς), Stoßlanze (δόρυ) und Schwert (ξίφος). Ihnen stehen am nächsten die Peltasten mit leichtem Schild (πέλτη), Wurfspießen (ἀκόντια) und Schwert. Zu den Leichtbewaffneten (ψιλοί, γυμνῆτης), die nur Angriffswaffen für die Ferne führen, gehören: Bogenschützen (τοξόται), meist Kreter, Schleuderer (σφενδονῆται) und Speerschützen (ἀκοντισταί).

§ 57. Die Flotte.

Die Stärke Athens war seine Flotte. Zwischen den Höhen von Akte und Munychia liegen tiefeingebuchtet die windgeschützten, wohlverschlossenen Häfen Munychia, Zea und der tiefe, geräumige Peiraieus, welcher noch heute einer [pg 136]großen Flotte, selbst den größten Kriegsschiffen, sichere Unterkunft bietet. Der innere Teil der Peiraieusbucht, das Emporion, war für die Handelsflotte bestimmt, während der südwestliche Teil derselben, der Kantharoshafen, ebenso wie die Buchten Zea und Munychia ausschließlich zur Aufnahme der Kriegsmarine diente. Seit Themistokles, Kimon und Perikles die ganze Halbinsel mit einer gewaltigen, noch in ihren heutigen Überresten staunenerregenden Befestigung umschlossen und mit Athen durch die „langen Mauern“ (σκέλη) verbunden hatten, welche 404 teilweise zerstört, aber von Konon 392 wiederhergestellt wurden, besaß Athen im Peiraieus den stärksten Kriegshafen der alten Welt, dem nur der von Syrakus im 4. Jahrh. v. Chr. annähernd gleichkam. Am Ufer der 3 Häfen Athens lagen die Werften (νεώρια) mit ihren Schiffsbauplätzen (ναυπῆγια), den Schiffshäusern (νεώσοικοι), in welchen die Schiffskörper samt dem sog. hölzernen Gerät (Masten, Rahen, Ruder usw.) gegen Sonne und Regen geschützt im Trocknen aufbewahrt wurden, und den Zeughäusern (σκευοθῆκαι), die zur Unterbringung des hängenden Geräts (Segel, Taue) dienten.

Während man in der älteren Zeit lange niedrige Schiffe mit nur 1 Ruderreihe (μονήρης) hatte, die nach der Gesamtzahl der Ruder als Triakontoroi, Pentekontoroi usw. bezeichnet wurden, baute man später Fahrzeuge mit 2 oder 3 Ruderreihen: Dieren und Trieren. Aus letzteren bestanden seit den Perserkriegen ausschließlich die Kriegsflotten. Die athenische war bei Ausbruch des Peloponnesischen Kriegs 300–400 Trieren stark.

Die Triere, ein leichtgebautes, 40–50 m langes (daher νῆες μακραί) und etwa 5 m breites Fahrzeug mit niedrigem Bord und geringem Tiefgang, hatte in geringem Abstand schräg übereinander 3 Ruderreihen. Ein eisenbe[pg 137]schlagener Sporn oder Schnabel (ἔμβολον) am Vorderteil (πρῷρα) diente dazu, dem feindlichen Schiffe beim Anrennen ein Leck beizubringen. Außer dem Großmast in der Mitte des Schiffes, der vor dem Gefecht regelmäßig umgelegt wurde, stand im Vorderschiff noch der kleine Vormast; jeder trug an einer Rahe, d. i. an einer horizontal am Mast befestigten Stange, ein viereckiges Segel (ἱστίον). Am Hinterteil (πρύμνα) des Schiffes befanden sich die beiden großen Steuerruder (πηδάλια). Seit 330 kamen in der attischen Marine auch Tetreren, seit 325 auch Penteren (mit 4 und 5 Reihen) vor. Der Neubau von Trieren wurde unter der Oberaufsicht des Rates und der 10 Werftaufseher (ἐπιμεληταὶ τῶν νεωρίων) ausgeführt. Bei einer Seeunternehmung lieferte der Staat den Schiffsrumpf und die Geräte, sowie Sold und Verpflegungsgeld für die Mannschaft; der Trierarch (§ 45) hatte das Schiff segelfertig zu machen, zu bemannen, ein Jahr lang zu unterhalten und nach den Befehlen des Admirals (eines Strategos) zu führen, und nach Ablauf seiner Zeit in gutem Stand an seinen Nachfolger zu übergeben.

Die Bemannung (πλήρωμα) einer Triere zählte etwa 200 Köpfe: Steuermann (κυβερνήτης), Proreus, der das Kommando auf dem Vorderdeck führte, Keleustes mit drei Pentekontarchen, welche die Ruderer kommandierten, die Matrosen für das Takelwerk, die Seesoldaten (ἐπιβάται, durchschnittlich nur etwa 10), etwa 170 Ruderer (ναῦται). Die Ruderer der 3 Reihen hießen (von unten nach oben): Thalamiten, Zygiten und Thraniten; die letzten hatten mit den längsten Rudern die schwerste Arbeit und waren dementsprechend höher besoldet. Bei gewöhnlicher Fahrt wurde nur etwa vom dritten Teil derselben, doch in allen 3 Reihen zugleich gerudert unter Flötenspiel und gleichmäßigen Rufen, während die andern auf ihren Plätzen ausruhten. Die [pg 138]ganze Mannschaft stand unter dem Kommando des Trierarchen. Als Ruderer wurden ärmere Bürger, Metöken, Sklaven und angeworbene Ausländer verwendet; nur auf den beiden schnellsegelnden Ordonnanzschiffen, der Paralos und Salamina, die allein von den athenischen Kriegsschiffen ständig im Dienst waren, bestand die ganze Mannschaft aus attischen Bürgern. Die Fahrgeschwindigkeit der Triere war verhältnismäßig bedeutend, aber stets von Wind und Wetter abhängig. Wie die heutigen „Hellenen“, waren die alten Griechen tüchtige Seeleute, aber – wie alle alten Völker – „Schönwetterpiloten“. Im Winter ruhte die Seefahrt, die Schiffe lagen abgetakelt in den Schiffshäusern.

Die Seeschlacht (ναυμαχία) glich in der älteren Zeit ganz einer Landschlacht, indem man von den Verdecken der ruhig nebeneinander liegenden Schiffe kämpfte. Später wurde das Hauptgewicht auf geschicktes Manövrieren der Schiffe gelegt: man suchte möglichst viele feindliche Fahrzeuge kampfunfähig zu machen. Dies geschah entweder vermittelst des Durchfahrens (διέκπλους), indem man die gegnerische Aufstellung durchbrach und die Ruder des feindlichen Fahrzeugs in raschem Vorbeifahren abstreifte oder den Sporn in seine Flanke bohrte, oder vermittelst des Umfahrens (περίπλους), indem man dem feindlichen Schiffe von der Seite oder von hinten einen Spornstoß beibrachte.

C. Häusliches Leben.

§ 58. Das Haus

a) der Homerischen Zeit.

Dieses ist für uns spurlos vom Erdboden verschwunden; keine Ruine, kein Grundriß hat sich erhalten, auch der klare Plan des neuerdings aufgedeckten Königspalastes auf der Oberburg von Tiryns (s. Plan S. 179) kann nicht ohne [pg 139]weiteres als Ersatz für das einfacher und bescheidener angelegte homerische Herrscherhaus dienen. Der Grundriß desselben ist aus dem ländlichen Gehöfte erwachsen. Noch sind die Spuren nicht ganz verwischt: der heimkehrende Odysseus findet im Hof seinen getreuen Hund auf dem Dunghaufen liegend. Ein stark in die Länge gezogenes Viereck ist mit einer Mauer umfriedigt. Der vordere größere Teil ist der Hof (αὐλή); wir treten in ihn durch ein zweiflügeliges Hoftor, zu dessen beiden Seiten sich eine Halle (αἴθουσα αὐλῆς) hinzieht: der Hof enthält in der Mitte einen Altar des hausbeschützenden Zeus (ἑρκεῖος), zu beiden Seiten Schuppen für Wagen und Geräte, für die Dienerschaft und das Vieh, einen Ziehbrunnen oder eine Zisterne für Trinkwasser. Ist, wie bei Odysseus, die Landwirtschaft nach den Gehöften auf dem Lande hinausverlegt, so laufen an den Wänden ringsum Schattendächer9, während der freie Mittelraum zum Tummelplatz eingerichtet ist, worauf die Freier sogar den Diskos- und Speerwurf üben können. Haben wir den Hof in der Längsachse durchschritten, so stehen wir vor dem Eingang in das Wohngebäude (δῶμα, δόμος), treten in eine durch Vorsprünge der Steinmauern und zwei Säulen gebildete Vorhalle (αἴθουσα δώματος, πρόθυρον, πρόδομος), von hier durch eine zweiflügelige Türe über eine mächtige Schwelle in den weiten „schattigen“ Männersaal (μέγαρον). Hohe Säulen tragen das Dach, welches nur in der Mitte eine Öffnung für das Licht und den vom Herd (ἐσχάρη) aufsteigenden Rauch zeigt. An den Männersaal [pg 140]schließt sich der kleinere Frauensaal, in dem die Hausfrau, von ihren Mägden umgeben, mit weiblichen Arbeiten sich beschäftigt, weiterhin das eheliche Schlafgemach, die Waffen- und die Schatzkammer und das Badezimmer. Eine Treppe führt zu einem über dem Frauengemach gelegenen Oberstock (ὑπερῷον), wohin sich Penelope oft aus dem lärmenden Treiben des Erdgeschosses zurückzieht.

b) Das Haus der klassischen und der hellenistischen Zeit.

Die Beschränktheit des Baugrundes in dichtbevölkerten und ummauerten Städten wie Athen veranlaßte bei der Anlegung des Privathauses eine Zusammendrängung der oft sehr kleinen Wohnräume und weiteren Ausbau des Oberstocks. Als während des Dekeleischen Krieges die Bevölkerung Attikas in der Hauptstadt zusammengedrängt war, vermißten die reicheren Landbewohner ihre bequemer eingerichteten Landhäuser aufs schmerzlichste.

Der bei Homer vor dem Wohngebäude gelegene Hof erscheint in den Mittelpunkt der ganzen Hausanlage gerückt; er dient keinerlei landwirtschaftlichen Zwecken mehr, sondern ausschließlich als Wohn- und Aufenthaltsraum bei schönem Wetter. Wir treten von der Straße durch das Tor in den Hausflur (θυρωρεῖον), zu dessen beiden Seiten Remisen und Ställe sich befinden; in Wohnungen von Handwerkern und Krämern liegen hier Buden, welche gegen die Straße offen stehen. Daran schließt sich der Hof, der in den vornehmen Häusern von Säulenhallen umgeben ist und um den sich Arbeitsräume, Vorratskammern, Schlaf- und Gastzimmer gruppieren. Haben wir den Hof durchschritten, so gelangen wir durch eine dem Eingang gegenüber gelegene Vorhalle (προστῷον) oder ein Vorgemach (παστάς) in den Männersaal, welcher als Gesellschaftszimmer diente. [pg 141]Die Frauenwohnung (γυναικωνῖτις) mit den Arbeits- und Schlafräumen für die Mägde liegt in wohlhabenden Häusern dahinter zu ebener Erde, in ärmeren im Obergeschoß. Hinter dem Hause ist oft ein Garten.

Solange die Athener fast den ganzen Tag im Rathaus, auf dem Markt, in den Palästen, im Theater oder Gerichtshof verbrachten – Kleobold in den „Wespen“ will im Drang des Richterberufes schon um Mitternacht aufbrechen – und das Haus mehr als Obdach für die Ruhezeit und als Aufenthaltsort für die Frau, Kinder und Sklaven diente, wurde auf dessen Ausbau wenig verwandt. Als Material dienten für die Fundamente Bruchsteine, für die Mauern ungebrannte Lehmziegel und Holzsparrenwerk; daraus erklärt es sich auch, daß sich von dem griechischen Wohnhaus nur ganz spärliche Reste erhalten haben. Seitdem aber im 4. Jahrhundert das Interesse der Gebildeten am öffentlichen Leben nachließ, begann man die häusliche Wohnung bequemer einzurichten und reicher auszustatten. So klagt Demosthenes in patriotischer Entrüstung, daß heute Privathäuser reichere Pracht zeigen, als öffentliche Gebäude, während die Wohnungen eines Miltiades und Themistokles ganz einfach gewesen seien.

In der Tat entfaltet das Prachthaus der hellenistischen Zeit den vollen Prunk des durchgebildeten Tempelstiles. In dem dreischiffigen Säulensaal der Männerwohnung, dem großen Empfangssaal für Gäste, ist der Boden mit farbigen Marmorplatten oder kunstreichem Mosaik belegt; Türen, Pfeiler, Säulen sind mit Bronzeblech überzogen, die Wände mit zierlicher Freskomalerei geschmückt, alle Eingänge sowie die große Oberlichtöffnung mit farbenprächtigen Teppichen behangen, der Plafond mit reichgeschnitztem Getäfel ausgestattet. Rings um den großen Saal liegen kleinere Gelasse, Studierzimmer, Bibliothek u. dergl. [pg 142]Durch einen offenen Gang bietet sich eine Durchsicht in einen reichen Ziergarten von allerhand einheimischen und ausländischen Pflanzen. Die Frauen- und Familienwohnung gruppiert sich um einen eigenen Hof (περίστυλος), während der vordere Hof mehr dem gesellschaftlichen Verkehre dient. Es ist, als ob in der weiten, völlig selbständigen Anlage dieser Familienwohnungen die Verinnerlichung des Familienlebens und die nahende Gleichstellung der Frau mit dem Manne sich ankündigen wollte.

Die Grundrißgestaltung des griechischen Wohnhauses ist ganz wesentlich durch das warme und trockene Klima des Südens bedingt: während wir möglichst viele geschlossene, helle Räume zu gewinnen suchen, legte der Grieche den Hauptwert auf den geräumigen, offenen Säulenhof, welcher der ganzen Wohnung Licht und Luft spendete. So lebte der Hellene auch im Innern der Wohnung unter dem freien, warmen Himmel; gegen Sonnenglut und Platzregen bot eine offene Säulenhalle genügenden Schutz.

§ 59. Die Wohnungseinrichtung

zeigt nicht jene Überfülle von Hausrat, welche wir heutzutage in unseren engen Wohnräumen unterzubringen lieben; insbesondere waren alle Geräte, welche, wie Truhen (λάρνακες, χηλοί) und Kästchen (κιβώτια), an Stelle unserer bei den Griechen nicht gebräuchlichen Schränke, zur Aufbewahrung von Kleidern u. dergl. dienten, nicht im großen Wohn- und Empfangssaal, sondern in Nebengelassen untergebracht. Rings an den Wänden lief eine niedere Bank, welche nach Art des orientalischen Diwans mit Polstern und Teppichen belegt war. Seitdem die asiatische Sitte, beim Ausruhen wie bei der Mahlzeit zu liegen statt zu sitzen, Eingang gefunden hatte, begegnet uns in jedem Hause die Kline (κλίνη), ein vierfüßiges Lagergestell mit Gurten, [pg 143]Matratze und Kopfpolstern, welches als Speisesofa wie als Ruhebett diente. Der hohe Thronsessel (θρόνος) mit Rücken- und Armlehnen nebst Fußbank (θρῆνυς), auf welchem bei Homer der Hausvater und werte Gäste Platz nehmen, ist nur noch der altehrwürdige Sitz für Götter, Priester, Richter und Beamte. Dem gewöhnlichen Gebrauche dient der Lehnsessel (κλισμός) mit geschweifter Rücklehne und ebensolchen Füßen und besonders der niedrige Stuhl ohne Lehne oder Hocker (δίφρος). Vor dem Ruhebett sehen wir auf Vasenbildern zumeist ein niederes, dreifüßiges Eßtischchen (τράπεζα) mit Speisen und Getränken stehen. Bei Festgelagen werden mehrere zwei- und dreilägerige Ruhebetten um einen Speisetisch aufgestellt, wie wir dies beim römischen „triclinium“ (Dreisofa) wiederfinden. Der Beleuchtung dienen bei Homer mit Kienspänen und Pech gefüllte Leuchtpfannen (λαμπτῆρες) und Kienfackeln, welch letztere später nur zum nächtlichen Ausgang benützt werden; innerhalb des Hauses werden kleine runde Tonlämpchen für Öl (λύχνος) verwendet mit einem Henkel, einer Öffnung zum Einfüllen des Öls und einer oder mehreren Schnauzen für den Docht. Um das Licht zu steigern, werden mehrere solcher Lämpchen an einem hohen Gestell aufgehängt.

Besondere Kunst wurde auf die Tongefäße verwendet. In den reichen Vasensammlungen zu Berlin und München sehen wir neben dem großen Tonfaß (πίθος), welches einst dem Diogenes wie hundert anderen (in Athen namentlich zur Zeit des Peloponnesischen Kriegs) als Wohnung diente, den zweihenkeligen Krug, die Amphora (ἀμφορεύς = ἀμφιφορεύς), den Wasserkrug (ὑδρία), der, weil auf dem Kopf getragen, den Schwerpunkt weit oben hat, das schlanke, enghalsige Salbenfläschchen (λήκυθος), den weitbauchigen Mischkessel (κρατήρ), in welchem der Wein mit Wasser gemischt wurde, die tellerartige Trinkschale (φιάλη), die Trinkschale [pg 144]mit Fuß und Henkel (κύλιξ), den tassenförmigen Trinkbecher mit zwei hohen Henkeln (κάνθαρος), die Trink- und Schöpftasse (κύαθος), das Trinkhorn (ῥυτόν) in den verschiedensten Formen von Tierköpfen. Fast alle diese Gefäße sind mit Verzierungen und Bildern bemalt; nach der Eigentümlichkeit dieser Malereien unterscheiden wir vier Stilarten, welche eine fortschreitende Entwicklung des künstlerischen Könnens sowohl im Bau der Gefäße als in der Zeichnung und Farbe darstellen.

1. Im urgriechischen Stil wird die Malerei einfarbig auf den rohen Ton aufgetragen; dieselbe stellt entweder lineare Zeichnungen des Webstils oder Haustiere und europäisches Jagdwild oder Szenen des täglichen Lebens dar, alles schematisch steif in langen Reihen übereinander den Bauch des Gefäßes umschließend. Hervorragende Muster dieses Stiles sind die Dipylonvasen, welche beim Dipylon, dem großen Westtor Athens, gefunden wurden.

2. Der asiatisierende Stil verrät seine Herkunft durch Bilder von orientalischen Tieren und Pflanzen, wie Löwen, Panthern, Antilopen, Greifen, Sphinxen; Palmetten, Lotosknospen, Rosetten und Arabesken. Es sind Erzeugnisse nicht einer jugendlichen, sondern einer betagten Kunst, welche mit konventionell stilisierten Formen arbeitet.

Seitdem es gelungen war, durch Mischung einen Ton von leuchtendem Rot und eine Malfarbe von tiefem Schwarz herzustellen, wird die hellenische Vasenmalerei durch die zwei Grundfarben Rot und Schwarz beherrscht.

3. Im schwarzfigurigen Stil wurde das Gefäß mit jener tiefschwarzen Farbe überdeckt und nur für das Bild eine Fläche ausgespart, innerhalb deren der rote Tongrund sichtbar wurde. Auf diesen wurden die allgemeinen Umrisse der Figuren mit einem spitzen Instrument eingeritzt, dann mittels des Pinsels mit demselben Schwarz ausgefüllt [pg 145]und die so entstandenen Schattenbilder im einzelnen durch feine, mit scharfem Griffel eingeritzte Linien näher ausgeführt. Hierauf wurde das ganze Gefäß mit einem zarten Firnis überzogen, welcher dem Rot und Schwarz einen metallischen Glanz verlieh, und nochmals gebrannt, wodurch sich die schwarze Lackfarbe mit dem Ton aufs innigste verband. Endlich wird mit Deckfarben, wie Weiß (auf nackten Körperteilen von Frauen) und Rotbraun, dem Verständnis nachgeholfen. An die Stelle der in langen Reihen eintönig wiederholten Darstellungen tritt das Hauptbild, welches eine Szene aus den alten Heldenliedern, Göttersagen oder dem täglichen Leben darstellt; das reine Ornament, wie Blätterkranz und Palmettenband, wird an den Fuß, Hals, Henkel und Deckel verwiesen, wo dasselbe den Aufbau des Gefäßes zu verdeutlichen hat. Dem Reichtum und der Schönheit dieser Ornamente gegenüber fällt die Unbeholfenheit in der Zeichnung der Körper, die Übertreibung der Muskeln und Bewegungen und die harte Gewandbehandlung unangenehm auf. Und doch zeigt die frische Beobachtung des Lebens ein jugendliches Streben, welches von der Zukunft Schönes hoffen läßt. Die häufigste Gefäßform dieses Stiles ist die Amphora, eine besondere Art der letzteren die panathenäische Preisvase (vgl. § 53), welche die Sieger in den Wettkämpfen am Feste der Panathenäen mit Öl gefüllt erhielten. Das vordere Bild zeigt Athena mit Helm, Schild und Speer, zwischen zwei Säulen schreitend, das rückwärtige stellt den betreffenden Wettkampf dar.

4. Der rotfigurige Stil zeigt die attische Vasenmalerei auf ihrem Höhepunkt. Dieser Stil, dessen früheste Muster der Zeit um 500 v. Chr. angehören, geht erst neben dem schwarzfigurigen her, um ihn hernach völlig zu verdrängen. Wurden bisher Bildflächen, so werden jetzt Figuren von der roten Farbe des Tons aus dem [pg 146]das Gefäß deckenden Schwarz ausgespart; dieser hellrote Grund bot den freiesten Spielraum für die Innenzeichnung dar, welche nun aus strenger Schönheit zur freiesten Anmut sich entfaltet. Nur vereinzelt und dann sehr maßvoll werden Weiß, Dunkelrot, Braun oder auch Blattgold als Deckfarben benutzt; eine eigentümliche Behandlung dagegen zeigen die Salbgefäßchen, bei welchen die ganze zu bemalende Fläche mit weißem Kreidegrund überzogen ist. Das Lieblingskind des rotfigurigen Stiles ist die Trinkschale, deren runde Formen dem Zeichner ebenso schwierige als lohnende Aufgaben stellten.

Seitdem das Hellenentum durch die Züge Alexanders und seiner Nachfolger engere Verbindung mit dem Orient gewonnen und sich so zum Hellenismus erweitert hat, dringt der orientalische Geschmack auch in das griechische Haus ein. Zwar bleiben die Formen der Geräte im allgemeinen dieselben, aber das Material wird kostbarer, die Arbeit raffinierter. Tische, Platten, Kästchen werden mit feinen Holzarten, wie Zeder, Ebenholz, Thuja, sogar Schildpatt und Elfenbein bekleidet; der schlichte Ton der Gefäße wird durch Glas, Bronze, Silber und Gold verdrängt, deren Glanz durch Kristalle und Edelsteine gesteigert wird. Die hochentwickelte attische Vasenmalerei geht um 100 v. Chr. zu Ende.

§ 60. Die Kleidung

a) der Homerischen Zeit.

Zum Schutz gegen Nässe, Kälte und Hitze bietet die Natur dem Menschen das Fell langhaariger Tiere dar, welches auch in der späteren griechischen Zeit noch Landleute, Jäger und Gebirgsbewohner tragen. An der langen, zähen Pflanzenfaser erlernt der Mensch das Spinnen und Weben. Als die Hellenen in ihre spätere Heimat zogen, [pg 148]verstanden sie schon die Wolle von Schafen und Ziegen in Fäden zu spinnen und diese mittels eines Gestelles zu einem Tuchstück zu weben, welches als Gewand umgelegt wurde. Den Namen für dieses wollene Umschlagtuch (Chlaina) haben die Hellenen mit Italikern (laena) und Kelten (lena) gemein. Auf den ältesten Vasenbildern erscheint die Chlaina entweder nur als ein schmaler Überwurf, der hauptsächlich den Rücken bedeckt und mit seinen Zipfeln über die Schultern nach vorne herunterhängt, so daß Brust und Unterleib unbedeckt bleiben (s. S. 147, Fig. 1), oder sie hüllt den größten Teil des Körpers ein. Unter der Chlaina wurde in der älteren Zeit von den Männern noch ein Lendenschurz getragen.

Die Tracht der homerischen und der klassischen Zeit. Chiton mit Chlaina. Peplos mit Überschlag und Gürtel. Himation. (Sophokles-Statue im Lateran.) Klass. Frauentracht. (Kore vom Erechtheion.)
Die Tracht der homerischen und der klassischen Zeit

In Kleinasien erhielten Äolier und Ionier frühe von einem semitischen Volk ein neues Gewand aus neuem Stoffe, welches an die Stelle des alten Lendenschurzes trat: den langen, genähten, linnenen Leibrock mit kurzen Ärmeln, und mit der Sache den Namen: griech. Chiton = chald. kittan. Noch in später Zeit gilt der lange, schneeweiße Chiton als feierlich-altertümliche Gewandung, welche darum von Götterbildern, Priestern und Dichtern getragen wird. Der homerische Held schlüpft beim Aufstehen in einen kürzeren Chiton, bindet sich Sandalen unter die Füße und wirft die wollene Chlaina um. Von Kleinasien verbreitet sich der Chiton über ganz Hellas und wird zum alltäglich getragenen Unterkleid, das, wo Linnen fehlt, auch aus Wolle hergestellt wird.

So besitzt schon die homerische Männertracht die beiden Hauptarten von Kleidungsstücken, welche das ganze griechische Altertum hindurch gebräuchlich bleiben: das auf dem bloßen Leib getragene Unterkleid, welches hemdartig angezogen wird (ἔνδυμα), den Chiton, und das mantelartig umgelegte (ἐπίβλημα, περίβλημα) Obergewand, das bei Homer Chlaina, später Himation heißt.

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Schon Homer spricht von „lockenumwallten Achäern“ (κάρη κομόωντες Ἀχαιοί) im Gegensatz zu den künstlichen Frisuren der Barbaren. Noch später galt in Hellas frei wallendes Haar für die schönste Zierde des Edeln, wie z. B. die Behandlung von Haar und Bart an der elischen Zeusmünze (s. S. 99, 4) zeigt. Erst durch Alexander den Großen kommt die Mode auf, den Bart zu rasieren, welche sich bis in die Zeit Hadrians erhält.

Haben die Männer rasch die fremde Mode angenommen, so bewahren die Frauen um so treuer die alte Wollentracht, am längsten unter allen die Dorierinnen. Herodot sagt: „Hellenische Frauentracht war im Altertum allgemein diejenige, welche wir nun die dorische nennen.“ Als Hera sich schmückt, um Zeus zu berücken, tut sie dies mit einem Gewand, dem Peplos, einem großen Wollentuch, in welches durch die ganze Breite oder nur an den Säumen mittels farbigen Einschlags Reihen von linearen Verzierungen, Pflanzen- und Tierbildern eingewoben sind. Dieses etwa 220 cm lange und 180 cm breite Tuch wird, nachdem ¼ der ganzen Länge nach außen umgeschlagen worden, unterhalb der freizulassenden Arme so um die Gestalt gelegt, daß die beiden Längsenden an der einen Körperseite hinab zusammenstoßen, welche somit nur mangelhaft gedeckt ist. Darauf werden Vorder- und Rückseite auf den Schultern durch Spangen (περόναι) verbunden und das Gewand ohne den frei herabfallenden Umschlag unter der Brust durch einen Gürtel zusammengefaßt, wobei der Überschuß der Länge unter dem Gürtel (ζώνη) herausgezogen als Bausch (κόλπος) über diesen herabfällt. Gegen Sonnenglut schützte ein schalartiges, linnenes Kopftuch (κρήδεμνον), welches das Gesicht freilassend vom Kopf auf die Brust herabfiel.

Alle diese Gewandstücke wurden für gewöhnlich von der Frau mit ihren Sklavinnen im eigenen Hause hergestellt. [pg 150]Dabei bediente man sich bei gröberen, wollenen Gespinsten des alten auf zwei Pfosten ruhenden Webgestelles, von welchem die Kette senkrecht herabhing; für feinere, linnene Gespinste dagegen bedurfte man des wohl aus Ägypten überkommenen vierfüßigen Webstuhles mit wagrecht liegender Kette. Beide Arten von Webstühlen sind noch heute in Griechenland wie in Kleinasien im Gebrauch. Doch kannte schon das Altertum die fabrikmäßige Herstellung; so waren die Gewebe von Milet, Kos, Amorgos, Tarent wegen ihrer durchsichtigen Feinheit, der glänzenden Pracht ihrer Farben (Purpur und Pflanzensäfte), der Schönheit und des Reichtums ihrer bunten Muster hochgeschätzt und weithin verbreitet.

Neben dem Glanz der weißen Arme und der Kunst des Haarflechtens hebt Homer bei schönen Frauen und Mädchen insbesondere den Reichtum und die kostbare Arbeit der Gürtel, goldenen Diademe, Ohrgehänge, Halsketten, Armbänder und Spangen hervor.

Den reichen Prunk der ionischen Tracht vergegenwärtigt uns ein Dichter von Samos, Asios, welcher den Putz seiner Landsleute also schildert: „In schöne Gewänder gehüllt, die Locken wohlgeordnet, zogen sie hinaus zum heiligen Bezirke der Hera; die schneeweißen Leibröcke fielen bis auf die breite Erde herab; das gestrählte Haar in goldenen Fesseln wehte im Winde; goldener Schmuck, Zikaden gleichend, hob sich im Haare auf dem Scheitel, kunstvolle Armbänder umschlossen die Arme, und dazu trugen sie den kriegerischen Schild.“

b) Die Tracht der klassischen Zeit.

Vergebens suchten in vielen Städten, wie in Athen, Korinth, Lokri, Syrakus, Kleiderordnungen gegen solchen Luxus anzukämpfen. Dagegen vollzog sich anfangs des 5. Jahrhunderts in ganz Hellas eine tiefgreifende Wand[pg 151]lung der Lebensführung. Die siegreichen Kämpfe gegen die Großmächte Persien und Karthago hatten das hellenische Selbstgefühl mächtig gehoben. Die Zeit der prunkliebenden Herrschaft der Vornehmen und Reichen ging rasch zu Ende; der emporkommende Mittelstand verhalf der Einfachheit, Gleichheit und Freiheit zum Siege. Die überladene, feierlich steife Pracht des Orients verschwand aus dem täglichen Leben und ward nur den Götterbildern gelassen, denen das Reichste zukommen sollte, was die Erde bot. Das vornehme, knapp anliegende, im 6. Jahrhundert streng symmetrisch gefältelte Linnengewand, welches den Träger in eine prächtige, aber steife Hülle zwang, wich dem kurzen wollenen Chiton, der nun allgemein gebräuchlich wurde. Ihr eigenartiges Gepräge aber erhielt die Tracht der klassischen Zeit durch das Obergewand, dessen freier Umwurf und natürlich-großes Faltenspiel die Persönlichkeit lebhaft hervortreten ließ. „Machten bisher die Kleider die Leute, so machen jetzt die Leute die Kleider.“ Die Tracht wird hellenisch. Das Obergewand, für welches der Name Himation üblich wird, ein länglich viereckiges Wollentuch, wird nicht mehr bloß umgehängt, sondern ganz umgelegt: von der linken Schulter wird es über den Rücken nach der rechten Seite gezogen entweder unter der rechten Achsel hindurch, so daß der rechte Arm freibleibt, oder über die rechte Schulter und den rechten Arm hinweg, so daß höchstens die rechte Hand herausschaut. Der Rest des Tuches wird über die linke Schulter geworfen. Hierbei wird auf die Erzielung eines schönen Faltenwurfs Wert gelegt. In vollendeter Weise ist dies erreicht bei der herrlichen Porträtstatue des Sophokles im Lateran (s. S. 147, Fig. 3). Handwerker, Landleute und Schiffer tragen nur ein Wollgewand, das, auf der linken Schulter zusammengeheftet, die rechte Schulter und die Arme zu ungehinderter Bewegung frei [pg 152]läßt, die Exomis (ἐξωμίς). Außerdem kam als Tracht der Reiter, die später vorzugsweise von den Epheben und auf Reisen getragen wurde, die Chlamys (χλαμύς) auf, ein oval zugeschnittenes Wollenstück, welches auf der rechten Schulter oder vorn am Halse mit einer Spange befestigt und, ähnlich wie die Chlaina der ältesten Zeit (s. Fig. 1), so über den Rücken geworfen wurde, daß die langen Enden von beiden Schultern nach vorne herabhingen. – Zu Hause trug man gewöhnlich nur den Chiton (γυμνός); beim Ausgehen legte man das Himation darüber.

Auch jetzt hielt die Frauentracht zäher am Überkommenen fest. Zwar hatte der Linnenchiton längst Eingang gefunden – zuerst bei den Ionierinnen –, aber wie ihn die Frauen später als die Männer angenommen hatten, so behielten sie ihn nun auch, neben dem aufkommenden Wollenchiton, länger bei und trugen ihn auf verschiedene Art, gewöhnlich mit Bausch und Überhang (wie bei dem homerischen Peplos). Ein schönes Beispiel dieser edlen Frauentracht bietet die S. 147 Fig. 4 abgebildete Karyatide vom Erechtheion (vgl. auch § 70). Dazu kommt noch ein großes Umschlagtuch (ἐπίπλημα, ἀμπεχόνιον), das beim Ausgehen, ähnlich wie das Männerhimation, umgelegt wird. Über weitere Kleidungsstücke der Damen sind wir nur mangelhaft unterrichtet. Bei der weiblichen wie männlichen Tracht erzeugte die wechselnde Mode eine reiche Mannigfaltigkeit des Schnitts wie der Art des Tragens.

Während die Farbe des Wollstoffs wie der Leinwand bei der Männerkleidung gewöhnlich weiß und nur an den Festen bunt war, dunkle Farben aber nur von den niederen Volksklassen und in der Trauer getragen wurden, erhielt sich bei den Frauen die Vorliebe für reich gemusterte, bunte, besonders safrangelbe Stoffe mit gestickten Säumen und [pg 153]Besatzstreifen, sowie für reichen Goldschmuck im Haare, an Ohren, Hals und Armen.

Eine Kopfbedeckung hatten die Griechen für gewöhnlich nicht; auf Reisen trug man (wie der Götterbote Hermes) den breitkrempigen Reisehut (πέτασος); Schiffer, Handwerker und Landleute (vgl. Odysseus, Charon, Hephäst) trugen eine feßartige Filz- oder Ledermütze (πῖλος). Neben den Sandalen, deren kunstvolles Riemenwerk wir am Fuße des Hermes zu Olympia bewundern, finden wir den roten Schnabelschuh, die Fußbekleidung der albanesischen Landbevölkerung im heutigen Hellas, und hohe Stiefel.

§ 61. Die Familie.

Bei Homer wird die Braut (νύμφη) durch reiche Geschenke (ἔεδνα) ihrem Vater abgekauft; in Sparta entführte der Jüngling seine Erwählte (nach vorausgegangener Verlobung) bei Nacht und brachte sie in seine Wohnung, um hier mit derselben einige Zeit in verborgener Ehe zu leben. Beiderlei Sitte, Brautkauf wie Brautraub, weist auf die ältesten Zeiten zurück. In späterer Zeit wird in Athen die Heirat zumeist von den Eltern vermittelt; die Väter schließen auch den Heiratsvertrag (ἐγγύησις) ab, wobei die Frage der Mitgift (προίξ) geschäftsmäßig behandelt wird. Am Hochzeitstage nehmen Bräutigam und Braut jedes in seiner Wohnung ein Bad, wozu das Wasser aus einer besonders heiligen Quelle geschöpft wird, und die Braut weiht eine Locke, sowie Gürtel und Spielzeug einer Göttin. Der Bräutigam kommt mit seinen Eltern, Verwandten und Freunden ins Haus der Braut, wo den Ehegöttern ein Opfer mit festlichem Schmaus dargebracht wird. Nach Sonnenuntergang wird die noch immer tiefverschleierte Braut unter Fackelschein und Absingung von Hochzeitsliedern [pg 154](Hymenäen) zu Wagen, zwischen dem Bräutigam (νυμφίος) und dem Brautführer (παράνυμφος) sitzend, in das Haus des Bräutigams geführt. Dem Wagen folgt ihre Mutter mit einer Fackel, womit sie am neuen Familienherd eine Flamme entzündet. Am Hause des Bräutigams wird die Braut von dessen Mutter empfangen und, nachdem sie eine Quitte, das Symbol des Kindersegens, verzehrt hat, zum Brautgemach (θάλαμος) geleitet. Vor diesem stimmt der Chor der Jungfrauen und Jünglinge unter Leierspiel und Tanz frohe Lieder (Epithalamien) an. Am Morgen des nächsten Tages erhalten die Neuvermählten reiche Geschenke von den Verwandten und die junge Frau wird in die Phratrie des Mannes eingeführt.

Dem Odysseus, der sich nach Heimkehr sehnt, rät Nausikaa:

„Schnell durchwandle des Königes Saal, auf daß du der Mutter
Thronsitz erreichest; sie sitzt am Herde im Glanze des Feuers
Neben dem Throne des Vaters; – du fasse die Kniee der Mutter;
Denn wofern nur jene dir hold im Herzen gesinnt ist,
Hoffnung blüht dir alsdann, die Freunde und Heimat zu schauen.“

Hier spricht sich die altgriechische Sitte, die Frau des Hauses hoch zu ehren, aus, eine Sitte, welche sich in Sparta am längsten erhalten hat, während zuerst in Ionien der orientalische Brauch Eingang fand, die Frau in ein besonderes Gemach (γυναικωνῖτις) zu sperren, wo sie als erste Sklavin die Aufsicht über Spinnen und Weben führt. Insbesondere aber wurde das Familienleben dadurch geschädigt, daß der Mann in Athen fast den ganzen Tag außerhalb des Hauses verbrachte, während die Frau, den Interessen des Mannes gänzlich entzogen, auch an Bildung weit hinter demselben zurückblieb. Mit dem Niedergang des politischen Lebens in hellenistischer Zeit erstarkte das häusliche Leben von neuem. Das weibliche Geschlecht gewinnt höhere Achtung; Plato verlangt sorgfältigere Er[pg 155]ziehung und tiefere Bildung für die Mädchen, und in vielen Städten werden Mädchenschulen eingerichtet.

Reicher Kindersegen galt als höchstes Glück und kräftigste Stütze des Alters (vgl. Il. 17, 301):

„Also denn sank er dahin, und nimmer lohnt er den Eltern
Sorgliche Pflege der Kindheit.“

Mangel an männlicher Nachkommenschaft wurde schon deshalb schmerzlich empfunden, weil dadurch die Erhaltung des Ahnenkults der Familie gefährdet wurde; es wurde daher in diesem Fall meist ein Knabe aus fremder Familie an Kindes Statt angenommen.

Die Amme trägt das neugeborene Kind alsbald um den Herd, um es unter den Schutz der Hausgötter zu stellen; am zehnten Tag wird ein Geburtsopfer mit Familienschmaus gefeiert, wobei das Kind seinen Namen erhält, ein Knabe meist den des Großvaters von väterlicher Seite. (Vgl. Enkel – enikel, kleiner Großvater.)

§ 62. Erziehung und Unterricht.

Das Endziel hellenischer Jugenderziehung spricht der greise Phönix, Achills Lehrer, aus:

„Darum sandte er mich, um getreu dich zu lehren das alles,
Daß du als Mann seist fertig im Raten und rüstig in Taten.“

Die schöne Kunst des spielenden Lernens war noch nicht erfunden; die Erziehung baute auf den Grundsatz:

„Jegliche Tugend des Mannes, dem Schweiße nur ist sie erreichbar.“

Nachdem die Zeit der Kinderspiele vorüber war, wurde der Knabe dem Elementarlehrer (γραμματιστής) übergeben, bei welchem er Lesen und Schreiben lernte. Doch nicht auf bequemen Schulbänken, sondern auf gebogenem Knie, wie der Türke noch heute schreibt, zeichneten die [pg 156]Kleinen ihre Buchstaben mit dem Griffel auf die wachsüberzogene Holztafel. Dazu wurde Homer, Hesiod und Theognis gelesen, von welchen große Stücke auswendig gelernt wurden, und das einfache Rechnen geübt. Beim Musiklehrer (κιθαριστής) lernte der Knabe Gesang, Flöten- und Saitenspiel, wovon die Griechen hohen Gewinn für die Entwicklung des Gemütslebens erwarteten. Indem der Junge hier die Lieder der alten Lyriker singen und spielen lernte, wurde er in die Gesetze der Metrik, Rhythmik und Prosodie (Aussprache) eingeführt. Im Laufe des 5. Jahrhunderts treten hierzu die neuen Lehrfächer Zeichnen und Geometrie. Von der niederen Elementarschule sondert sich der Unterricht beim Literaturlehrer (γραμματικός) ab, welcher den Vortrag und die Erklärung der reichen Literaturwerke umfaßt. Als Hilfsbücher für diesen Unterricht werden Chrestomathien, Anthologien, mythologische Handbücher, chronologische Tabellen und Wörterbücher bearbeitet. Mit der Schulung des Geistes hielt die Bildung des Leibes gleichen Schritt. Den größten Teil des Tages verbrachte der Junge in der Ringschule, Palästra, wo er unter Leitung eines Turnlehrers (παιδοτρίβης) die einfachen gymnastischen Übungen – Sprung, Lauf, Diskoswerfen, Speerschießen und Ringen (vgl. § 68) – pflegte.

War aller Unterricht bis auf die Zeit Alexanders des Großen Privatsache gewesen, so übernahm fortab der Staat die Sorge für das Unterrichtswesen durch Anstellung besoldeter Lehrer. Wie wir zufällig durch eine Inschrift erfahren, hatte die ionische Stadt Teos eine Schulstiftung von 34 000 Drachmen. Die Schule, welche für Knaben und Mädchen bestimmt war, hatte zwei Vorstände (γυμνασίαρχος und παιδονόμος), drei Elementarlehrer (γραμματοδιδάσκαλοι) mit 600, 550, 500 Drachmen Gehalt, entsprechend der Abstufung der Klassen, zwei Turnlehrer, einen [pg 157]Musiklehrer, einen Lehrer für Fechten, und einen für Speerwerfen und Bogenschießen. Am Ende des Jahres fanden öffentliche Prüfungen (ἀποδείξεις) statt.

Seit 400 v. Chr. entwickelt sich, vom Schulunterricht völlig gesondert, ein höherer Unterricht für Jünglinge. Lehrer der Weisheit und Redekunst, Sophisten und Rhetoren, kamen aus Kleinasien und Sizilien nach Athen, um durch ein prunkvolles Auftreten und das Versprechen, die wahre Bildung und Mannestugend zu lehren, rasch alle vornehme Jugend an sich zu ziehen. In Gymnasien, heiligen Hainen, wie Akademie, Lykeion, Kynosarges, hielten sie ihre Vorträge und Redeübungen, wofür sie von ihren Schülern zum Teil außerordentlich hohe Honorare verlangten. Aus diesen erst vorübergehenden und unregelmäßigen Lehrvorträgen erwächst ein ständiger Unterricht; Redner und Philosophen gründen unter fortwährender gegenseitiger Eifersucht eigene Schulen, welche sich oft nach des Meisters Tod in neue Zweigschulen spalten. Das Wort des Perikles, welcher Athen die Bildungsschule von Hellas nannte, erhielt noch eine umfassendere Bedeutung: zur Zeit Ciceros war Athen längst die Hochschule der alten Welt.

§ 63. Bestattung und Grab.

Die Gräber, welche sich in Griechenland aus vorgriechischer Zeit erhalten haben, sind entweder mit Erde bedeckte Kuppelgewölbe, wie vor der Burg von Mykenä (vgl. § 69 g. E.), bei Menidi in Attika und in Orchomenos, oder Felsengräber mit senkrechtem oder wagrechtem Schachte, wie auf der Burg von Mykenä und bei Sparta. In diesen Gräbern fanden sich vollständige Skelette; erhaltene Fleischstücke unter den goldenen Gesichtsmasken lassen auf Einbalsamierung der Leichen (mit Honig?) schließen; [pg 158]neben den Toten lagen Waffen, Schmuckgegenstände und Hausgeräte.

Wenn in den Homerischen Gedichten manches an jene alte Bestattungsweise erinnert, wie z. B. Thetis dem toten Patroklos Nektar und Ambrosia in die Nase träufelt, so erkennen wir andererseits aus denselben, daß bei den Ioniern und Äolern Kleinasiens die asiatische Sitte der Totenverbrennung die herrschende geworden ist. Es ist eine der auffälligsten Erscheinungen der Sittengeschichte, daß in der klassischen Zeit Athens zwei sich schroff gegenüberstehende Gebräuche der Totenbestattung, Verbrennung im Feuer und Bestattung zur Erde, nebeneinander in Übung waren.

Bestattung der Toten ist heilige Pflicht der Anverwandten, welche zum mindesten in symbolischer Weise durch Bestreuen des Leichnams mit Staub erfüllt werden muß (Antigone). Konnte eine Leiche nicht aufgefunden werden, so wurde für dieselbe ein Leergrab (κενοτάφιον) erstellt. Nachdem die Leiche von den Frauen des Hauses gewaschen, gesalbt, in linnene Tücher gewickelt, und ihr ein Obol als Fährgeld für Charon in den Mund gelegt worden war, wurde sie auf einem Ruhebette in der Wohnung einen Tag lang ausgestellt (πρόθεσις). Vor das Haus wurde ein Wassergefäß (ἀρδάνιον) voll reinen, aus einem anderen Hause geholten Wassers gestellt, mit dem sich die durch Annäherung an den Leichnam im religiösen Sinn befleckten Personen beim Verlassen des Hauses besprengten. Darauf begann die mehrfach wiederholte Totenklage, welche auf griechischen Inseln heute wie vor 2000 Jahren im Brauche ist. Rings um den Leichnam singen Frauen das eintönige Klagelied, indem sie ihr Haar zerraufen und taktmäßig an Kopf und Brüste schlagen. Vor Sonnenaufgang wurde der Leichnam offen, wie noch heute in Athen, unter Musik [pg 159]und großer Begleitung vor ein Stadttor hinausgetragen (ἐκφορά) und hier entweder zur Erde begraben oder auf einem Holzstoß verbrannt. Waren die letzten Gluten des Feuers mit Wein gelöscht, so wurden die Gebeine sorgfältig in eine Urne gesammelt und beigesetzt.

Der aufgeschüttete Grabhügel (τύμβος) wird mit Eppich, Blumen und Bändern, bei Vermöglichen mit einer Grabsäule (στήλη, oft mit Palmette oder Sirene) geschmückt und von den Angehörigen hernach oft besucht. Alljährlich wird dem Toten an seinem Geburtstage ein feierliches Opfer dargebracht (τὰ γενέσια). Ein allgemeiner Totenfeiertag war der 30. des Monats; das Hauptfest aller Seelen aber wurde in Athen an den Anthesterien (s. § 53) begangen.

In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten vollzieht sich unter dem Einfluß der Philosophie und der eleusinischen Mysterien eine mächtige Wandlung des Volksglaubens. Will Achill lieber der Niedrigste unter der Sonne, als der Herrscher der Unterwelt sein, so bricht nun die Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem Tode siegreich durch. Betrachten wir die schönen Grabreliefs auf dem Friedhof des alten Athen beim Dipylon, auf welchen der Verstorbene von den Liebsten Abschied nimmt, so möchten wir glauben, der bittere Trennungsschmerz sei durch eine schönere Hoffnung verklärt.

IV. Abschnitt.

Panhellenisches.

§ 64. Das Gastrecht.

Thukydides erzählt: „Die ältesten Bewohner Griechenlands trugen stets Waffen und beraubten einander beständig, und in den Gegenden der ozolischen [pg 160]Lokrer, Ätoler und Akarnanen lebt der alte Brauch noch heute.“ Der Seehandelsverkehr wird gerne zum Seeraub; beide Gewerbe gelten bei Homer als gleich wohlanständig; noch heute ist an den Gestaden des Ägäischen Meeres die Zunft der Hammeldiebe zur See nicht ausgestorben. Kriege werden nur zwischen Grenznachbarn wegen Raubes von Feldfrüchten, Pferden, Rinderherden und Weibern geführt. Zwischen den einzelnen Gemeinden und Landschaften gibt es keinerlei Handels- und Ehegemeinschaft. Noch in später Zeit wurden Friedensverträge nur für eine bestimmte Anzahl von Jahren abgeschlossen und mußten oft alljährlich neu beschworen werden. War der Bürger einer Stadt von dem einer anderen geschädigt, so suchte er sich seiner Person oder seines Eigentums zu bemächtigen (συλᾶν), um denselben zu einem rechtlichen Vergleich zu zwingen. Aller friedliche Verkehr vollzog sich in der Form der Gastfreundschaft, welche selbst in rohen Zeiten heilig gehalten wurde und daher unter des „gastlichen“ (ξένιος) Zeus Obhut stand. An den Gastfreund eines Atheners z. B. in Argos wandten sich nun auch andere Athener, die mit Empfehlungsbriefen ausgestattet dahin kamen – wie man noch heute im Orient reist –; der Argiver ward so zum Gastfreund der Athener überhaupt und als solcher von beiden Staaten anerkannt. Der Staatsgastfreund (Proxenos) von Athen beherbergte die Gesandten Athens in Argos, verschaffte denselben Zutritt bei den Behörden und nahm sich aller Athener tätig an. Kam derselbe nach Athen, so genoß er hier außerordentliche, fast bürgerliche Rechte, um derentwillen späterhin die Würde eines Proxenos vielfach auch Fremden, welche in Athen lebten, verliehen wurde. Außerdem wurden Angehörigen eines fremden Staates nur in besonderen Fällen privatrechtliche Vergünstigungen gewährt; z. B. das Recht auf Erwerb von Häusern und [pg 161]Grundbesitz (vgl. § 32). Staaten, welche einen lebhafteren Verkehr pflegten, schlossen späterhin Verträge (σύμβολα), welche besonders die rechtliche Austragung von Streitigkeiten im Handelsverkehr betrafen.

§ 65. Tempelvereine (Amphiktyonien).

Aus jenem rohen Zustand feindseliger Abgeschlossenheit führten drei Wege zu höheren staatlichen Bildungen. Manchmal vereinigten eindringende Eroberer die ganze Landschaft unter ihrem Machtgebot (Thessalien und Lakonien), oder es vereinigten sich mehrere Gemeinden zur Bekämpfung eines Gegners und schlossen zu diesem Zweck entweder nur ein Defensivbündnis (ἐπιμαχία) zu gegenseitiger Unterstützung gegen Angriffe, oder ein Bündnis zu Schutz und Trutz (συμμαχία), das sie verpflichtete, „dieselben Feinde und Freunde zu haben“; diese zeitweilige Bundesgenossenschaft (συμμαχία) verwandelte sich durch wiederholte Erneuerung in ein dauerndes Vertragsverhältnis.

Eine dritte uralte Form eines Bundes war der Tempelverein (Amphiktyonie). Die rings um ein Heiligtum liegenden Nachbargemeinden (Amphiktyones, Umwohner) taten sich zusammen, um die hier gebräuchlichen Opfer, Feste und Wettspiele gemeinsam und unter Ausschluß von anderen zu begehen; ähnlich wie im heutigen Griechenland zu einzelnen Lokalfesten (πανηγύρεις) die Umwohner von weither zusammenströmen. War diese Vereinigung ihrem ursprünglichen Zwecke nach eine rein religiöse, so konnte sie doch politischen Charakter annehmen. Über die Zeit der Festfeiern galt der Gottesfriede (ἐκεχειρία); die Teilnehmer verpflichteten sich zu gemeinsamem Schutze des Heiligtums; sodann lautete z. B. der Eid der pylischen Am[pg 162]phiktyonen: „Ich will keine amphiktyonische Stadt zerstören, noch vom fließenden Wasser abschneiden, nicht im Krieg, nicht im Frieden; verletzt eine Gemeinde diese Bestimmung, so will ich gegen dieselbe zu Felde ziehen und ihre Städte zerstören.“ Mittelpunkte von Tempelvereinen waren folgende Heiligtümer: die Poseidontempel auf der Insel Kalauria (an der argolischen Küste), in Samikon (in Elis), auf dem Vorgebirge Mykale (an der ionischen Küste Kleinasiens, Samos gegenüber); der Heraklestempel bei Phaleron (bei Athen); die Apollotempel auf Delos, auf dem Vorgebirge Triopion (in Karien), zu Delphi.

Die bekannteste ist die pylische Amphiktyonie beim Heiligtum der Demeter zu Anthela in den Thermopylen. Dieselbe vereinigte sich gelegentlich des ersten heiligen Krieges (593–584) mit der von Delphi. Aber auch in der neuen Vereinigung heißen die Teilnehmer Pylagorai („die in Thermopylai Versammelten“), die Versammlung Pylaia. Diese fand zweimal im Jahre statt: eine „Herbstversammlung“ beim Demeterheiligtum, und eine „Frühjahrsversammlung“ beim Apollotempel10. Mitglieder des Vereins waren die Malier, Ötäer (d. h. Änianen), Dorier, Phoker, Lokrer, Ionier, Achajer (von Phthia), Perrhäber, Magneten, Doloper, Böoter, Thessaler. Jeder Angehörige dieser 12 Stämme konnte an den Festfeiern und Versammlungen teilnehmen; im Rate der Amphiktyonen hatte jeder Stamm 2 Stimmen, wovon die 2 der Dorier sich zwischen der Metropolis und dem Peloponnes, die der Ionier zwischen Euböa und Athen, die der Lokrer zwischen den hypoknemidischen und hesperischen verteilten. Die stimmführenden Vertreter der Stämme, welche die Festfeier leiteten, hießen Hieromnemones.

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Die umfangreiche Vereinigung erhielt mit dem wachsenden Ansehen, Einfluß und Reichtum des delphischen Orakels immer größere Bedeutung und frühe auch Einfluß auf die staatlichen Verhältnisse. Dieser Einfluß war nicht eben segensreich. Die politischen Befugnisse des Vereins waren von Hause aus schwankender Natur, und so kam es wiederholt vor, daß mächtige Staaten denselben nur in Anspruch nahmen, um ihr selbstsüchtiges, gewalttätiges Vorgehen mit dem Rechtstitel einer heiligen Sache zu umkleiden (Athen gegen Skyros, Philipp gegen die Phoker). Die Phoker verloren nach ihrer Besiegung ihr Stimmrecht an Philipp von Makedonien, erhielten dasselbe jedoch 268 v. Chr. zurück, weil sie das delphische Heiligtum tapfer und erfolgreich gegen den Galliereinbruch verteidigt hatten. 378 v. Chr. erhielten die Ätoler, später auch die reiche Gemeinde Delphi je 2 Stimmen. Zur Zeit des ätolischen Bundes stand die Amphiktyonie ganz unter ätolischem, seit 146 v. Chr. ganz unter römischem Einfluß.

§ 66. Staatenvereine.

Die staatlichen Bildungen der Hellenen vollziehen sich alle im engen Rahmen einer Landschaft. Von weitergreifenden Gestaltungen kennt die griechische Geschichte nur den Bund (κοινόν). Zumeist knüpft die Gründung eines Städtebundes an eine Amphiktyonie (s. § 65) an; so ist aus der A. von Onchestos der böotische Städtebund, aus der A. vom Vorgebirge Mykale, an dessen Abhang das Panionion, das gemeinionische Heiligtum Poseidons lag, der ionische Zwölfstädtebund (δωδεκάπολις), aus der A. vom Vorgebirge Triopion mit einem Heiligtum des Apollo der dorische Sechsstädtebund (ἑξάπολις), aus der A. von Delos, ebenfalls mit einem Apolloheiligtum, erst der attische Seebund, später der Bund der Inselbewohner hervorgegangen. Außer[pg 164]dem werden zu verschiedenen Zeiten erwähnt: ein Bund der Thessaler, der Phoker, der Arkader, der Städte der Aiolis; aber alle haben nur zeitweilig eine Rolle gespielt, ohne zu festen staatlichen Bildungen zu führen. Zu größerer Bedeutung sind diejenigen Bünde gelangt, in welchen ein Staat kraft seines Übergewichts die Führung (Hegemonie) an sich riß, wie Sparta im Bunde der Peloponnesier, Athen im ersten und zweiten attischen Seebund, Theben im böotischen Bund. Diese drei Staaten waren gleichermaßen bestrebt, die Führung der Bundesglieder in eine Herrschaft über Untertanen (ἀρχή) zu verwandeln. Dagegen erhoben nun diese entschiedenen und erfolgreichen Widerstand, indem sie bei einer nebenbuhlerischen Macht Anschluß suchten. Die Gesandten von Mytilene erklärten auf einer Versammlung der Peloponnesier zu Olympia: „Solange uns die Athener zu gleichem Rechte führten, folgten wir ihnen mit gutwilligem Eifer. Als wir aber gewahrten, daß sie die Feindschaft gegen die Perser fallen ließen und die Knechtung der Bundesgenossen betrieben, begannen wir zu fürchten.“ So lösten sich jene drei Staaten gegenseitig im kurzen Besitz einer Hegemonie ab.

Mit Aufbietung der äußersten Mittel und zähester Rücksichtslosigkeit hat insbesondere Athen das Streben verfolgt, seine Führung im Seebund zu einer Herrschaft über alle Hellenen zu erweitern. In einer Verhandlung mit den Meliern stellten die Athener den Grundsatz auf: „Von Billigkeit kann nur unter Gleichgestellten die Rede sein. Mächtige suchen das Höchstmögliche zu erreichen, und die Schwachen müssen sich drein finden.“ Der 1. oder delisch-attische Seebund wurde 477 zur Abwehr persischer Angriffe gegründet. Die kleineren Städte, denen allmählich die größeren nachfolgten, zahlten, statt Schiffe zu stellen, [pg 165]jährliche Matrikularbeiträge, welche von Hellenotamien auf Delos verwaltet wurden, wo auch die Bundesversammlungen stattfanden. 454 wurde die Bundeskasse nach Athen verlegt; dorthin mußten von nun ab alle vier Jahre aus den fünf Tributbezirken (ionischer, hellespontischer, thrakischer, karischer und Inselbezirk) die Tribute (φόροι) abgeliefert werden. Gegen säumige Schuldner wurde streng vorgegangen. Abtrünnige Bundesgenossen wurden mit Waffengewalt unterworfen und in ein Untertanenverhältnis (ὑπήκοοι) zu Athen gebracht; nur wenige Bundesgenossen behielten ihre Selbständigkeit (Autonomie). Auch die Gerichtsbarkeit wurde den Bundesgenossen genommen: nicht nur die schweren Kriminalfälle, sondern auch alle Zivilprozesse, bei denen der Wert des Streitobjekts eine gewisse Summe überschritt, mußten vor den Gerichten in Athen verhandelt werden. Die durchweg demokratisch eingerichtete Verwaltung der Bundesstädte überwachten athenische Aufsichtsbeamte (ἐπίσκοποι), denen nötigenfalls Kommandanten stehender Besatzungen (φρούραρχοι) zur Seite standen. Durch wiederholte Abfälle suchten sich die Bundesgenossen der verhaßten Knechtschaft zu entziehen, bis sich nach der Schlacht bei Aigospotamoi (405) der Bund vollends auflöste.

Nur ein schwacher Abklatsch des 1. war der 2. attische Seebund, 378/77 gegründet, um die durch den Königsfrieden (387) garantierte Freiheit und Autonomie der Hellenen gegen die Übergriffe der Lakedaimonier zu sichern. Ein ständiger Bundesrat (συνέδριον) sollte die gemeinsamen Interessen der Bundesglieder Athen gegenüber vertreten; aber er war in Wirklichkeit bedeutungslos gegenüber der athenischen Volksversammlung, welche immer die letzte Entscheidung hatte. Die Bundesgenossen mußten zwar nicht mehr die verhaßten „Tribute“ (φόροι), aber schließlich doch wieder „Beiträge“ (συντάξεις) zahlen und [pg 166]die von Athen verheißene Autonomie der Bundesgenossen wurde wieder in mannigfacher Weise verletzt. Durch den Bundesgenossenkrieg (357–355) stark erschüttert, fristete der Bund ein Scheindasein bis zur Schlacht bei Chäronea (338).

Die Aufrichtung einer Herrschaft über alle Griechen gelang Athen so wenig als Sparta oder Theben. Die tieferen Gründe des Mißlingens waren: der Mangel einer festen dauernden Staatsordnung in den einzelnen Landschaften, die durch die natürliche Abgeschlossenheit begünstigte Eigenart derselben, endlich die Kleinheit der Landschaften, deren keine die für eine gebietende Stellung erforderlichen Machtmittel darbot. Eine Großmacht aus dem Norden erzwang durch blutigen Sieg die politische Einheit der Hellenen unter ihrem starken Zepter. In welcher staatsrechtlichen Form wurde dieselbe ausgesprochen? Philipp versammelte die Hellenen auf einer Tagfahrt zu Korinth; hier schlossen dieselben einen Kriegsbund (συμμαχία) gegen die Perser, und Philipp wurde zum Bundesfeldherrn gewählt.

Die durchgebildetste Form eines griechischen Bundes zeigt der achäische Städtebund (τὸ κοινὸν τῶν Ἀχαιῶν). Seit früher Zeit versammelten sich die Bewohner der Landschaft Achaja beim Amarion, einem Heiligtum bei Aigion. Alexander hatte die Vereinigung 324 v. Chr. aufgelöst, allein in den Wirren der Diadochenkämpfe traten 280 v. Chr. die Städte Dyme, Patrai, Tritaia, Pharai zu einem Bunde zusammen, welchem sich bald die zehn übrigen anschlossen. Dank dem Verdienste des Bundesfeldherrn Aratos breitete sich der Bund über die Grenzen Achajas aus, erhielt sodann infolge des Anschlusses an Rom weiteren Zuwachs, so daß er 191 den ganzen Peloponnes umfaßte. Würdig der großen Überlieferungen [pg 167]des alten Hellenentums ist der Bund der römischen Gewalt und Bedrückung mit dem Schwert in der Hand entgegengetreten. Mit seiner ruhmvollen Niederlage bei Korinth 146 endete die griechische Geschichte.

In der Bundesordnung finden wir die reichen Erfahrungen, welche die Geschichte darbot, mit staatsmännischem Blicke verwertet. Alle Mitglieder sollen gleichberechtigt und in ihren inneren Angelegenheiten völlig selbständig, dagegen in der äußeren Politik an die Beschlüsse der Gesamtheit gebunden sein. An der Spitze steht der auf Jahresfrist erwählte Bundesfeldherr, welcher das Bundessiegel in Händen hat, neben ihm der Reiteroberst (ἵππαρχος), der Admiral (ναύαρχος), der Kanzler (γραμματεύς). Dem Bundesfeldherrn, welcher die auswärtige Politik zu leiten hat, steht eine beratende Zehnerbehörde (δαμιοργοί) zur Seite. Neben den Volksversammlungen des Bundes, woran jeder 30 Jahre alte Bürger einer Bundesstadt teilnehmen konnte, scheint es Versammlungen eines engeren Kreises von Abgeordneten der Städte gegeben zu haben, welche Polybios „Rat“ nennt. Die Bundesversammlungen, in welchen die Beamten gewählt, ihre Rechenschaft entgegengenommen, über Krieg, Frieden und Verträge beschlossen wurde, fanden früher in Aigion statt; Philopömen, „der letzte der Hellenen“, setzte es durch, daß dieselben abwechselnd in allen Bundesstädten stattfanden, damit ja keine einzelne Stadt sich als Vorort aufspielte. Der Bund vermochte 30–40 000 Mann ins Feld zu stellen, teils Söldner, teils Bürgermiliz; der Bundesfeldherr bestimmte die Höhe des Kontingents der einzelnen Städte. Den schwächsten Punkt bildeten die Bundesfinanzen; die Matrikularbeiträge der einzelnen Städte gingen sehr [pg 168]unregelmäßig ein. Geschichte wie Ordnung des Bundes zeigen gleichermaßen das Bestreben, den Städtebund zum Bundesstaat zu erheben; insbesondere weist darauf die denkwürdige Bestimmung, wonach die Städte „gleiche Gesetze, Gewichte, Maße und Münzen“ hatten.

§ 67. Nationalfeste.

Konnten die Hellenen nicht zur politischen Einheit gelangen, so hatten sie doch das Bewußtsein der nationalen Einheit in den Kämpfen mit den großen Mächten des Orients gewonnen. Nirgends hat sich dies schöner betätigt als in den vier großen Nationalfesten, die in Olympia in Elis und in dem Tal Nemea in Argolis zu Ehren des Zeus, in Delphi dem pythischen Apollo und auf dem Isthmus bei Korinth im heiligen Fichtenhaine Poseidons eben diesem Gotte zu Ehren gefeiert wurden. Jeder freie Hellene durfte daran teilnehmen; so wurde denn die Frage, wer „Hellene“ sei, hier erstmals eine dringliche. Noch Alexander, Sohn des makedonischen Königs Perdikkas, mußte in Olympia nachweisen, daß er kein Barbar sei. Nach der heiligen Überlieferung sind die Feste uralt und von den Göttern selbst anläßlich großer Ereignisse gestiftet worden. In Wahrheit war selbst das olympische noch im 8. Jahrhundert ein örtliches Fest, das nur von den nächsten Nachbarn begangen wurde; erst allmählich sind die Feiern durch das steigende Ansehen des Heiligtums oder Orakels zu „panhellenischen“ geworden. Die Pythien und Olympien waren „pentaeterisch“, d. h. sie wurden immer im fünften Jahre gefeiert, während die Isthmien und Nemeen als „trieterische“ in jedem dritten Jahre stattfanden.

Den schönsten Glanz erhielten die Feste durch das Wettspiel (Agon). Kraft und Gewandtheit im Wettkampf zu [pg 169]messen, ist aller gesunden Jugend höchste Lust, so auch des jungkräftigen Volkes der Hellenen, welches im Stärkeren den Besseren und Edleren bewunderte und als höchstes Ziel allen Strebens erkannte:

„Immer der beste zu sein und es vorzutun allen andern.“
(Αἰὲν ἀριστεύειν καὶ ὑπείροχον ἔμμεναι ἄλλων.)

Wettspiele waren von alters her bei großen Totenfeiern beliebt, wie schon Achill dem gefallenen Patroklos zu Ehren solche veranstaltet. So waren auch jene großen Wettspiele Griechenlands ursprünglich wohl Leichenspiele, die in regelmäßiger Wiederkehr Heroen zu Ehren gefeiert und erst nachträglich höheren Schutzherren, Göttern, geweiht wurden.

Hatten bei dem pythischen Feste die den Musen heiligen Wettkämpfe (musische Agone) in Dichtkunst, Gesang zur Zither (κιθαρῳδία) und Flöte (αὐλῳδία) und Zitherspiel die erste Stelle, so rang man in Olympia wie auf dem Isthmus und in Nemea vornehmlich um den Preis der Kraft und Gewandtheit des Körpers und der Schnelligkeit der Rosse (gymnische und hippische Agone). Anfangs waren kostbare Preise ausgesetzt (ἀγῶνες χρηματῖται), später jedoch bestand der höchste Lohn bei den Nationalfesten in einem einfachen Kranze (ἀγ. στεφανῖται), der in Olympia von wildem Ölbaum, in Delphi von Lorbeer, auf dem Isthmus in alter Zeit von Fichte, später von Eppich, in Nemea gleichfalls von Eppich gewunden wurde.

§ 68. Die olympische Feier.

„Gleichwie des Goldes lodernde Glut mächtigen Reichtum überstrahlt, so weiß ich keinen herrlicheren Wettkampf zu besingen, als den von Olympia“, singt Pindar. In das breite, von waldigen Hügelketten umschlossene Wiesental des mächtigen Alpheiosflusses tritt vier Stunden oberhalb [pg 170]der Mündung der rauschende Gebirgsbach Kladeos ein. In der Gabelung beider Gewässer lag ein Heiligtum und Orakel des olympischen Zeus am Fuß eines waldigen Hügels (Kronion), auf dessen Spitze sich seit uralter Zeit eine Opferstätte des Kronos befand. Das Heiligtum gehörte zum Gebiet der 6 Stadien flußaufwärts gelegenen Achajerstadt Pisa. Die Spiele soll Pelops, der den König Oinomaos von Pisa im Wagenrennen besiegte und dadurch dessen Tochter und Erbin Hippodameia gewann, nach anderer Sage Herakles gegründet haben. Letzterer habe auch das Stadion abgeschritten. Leiter des Festes waren anfangs die Pisaten, bis nach langen Streitigkeiten 572 die Eleer die ausschließliche Festleitung in die Hand bekamen. Die Beteiligung an der Feier, anfänglich auf die nächste Nachbarschaft beschränkt, dehnte sich allmählich auf ganz Griechenland aus.

Die erste gezählte Feier fällt in das Jahr 776 v. Chr. Damals habe Iphitos im Verein mit Lykurgos die Begehung der Spiele neu geordnet und mit Koroibos, dem Sieger im Wettlauf, die Aufzeichnung der Sieger begonnen, welche den Olympiaden ihren Namen gaben. Die Zählung der Olympiaden ist indes erst durch den griechischen Geschichtsforscher Timaios (geb. ca. 350 v. Chr.) der allgemein-griechischen Zeitrechnung zugrunde gelegt worden. War das Fest ursprünglich ein eintägiges, so wurde seine Dauer 472 v. Chr. auf fünf Tage ausgedehnt; war ja doch mit der Teilnahme auch die Zahl der üblichen Kampfesarten außerordentlich gewachsen.

Das Fest wurde noch lange gefeiert, nachdem der große Konstantin das Christentum staatlich anerkannt hatte; erst Theodosius erließ 393 n. Chr. ein Verbot desselben, dem 30 Jahre später Theodosius II. Nachdruck verschaffte, indem er in den Zeustempel Feuer legen ließ. Die gewaltigen [pg 171]Säulen und das Steingebälk desselben warfen Erdbeben (522 und 551 n. Chr.) zu Boden, und der Kladeos bedeckte die ganze Stätte mit 6 m hohem Sand und Geröll. (Beschreibung von Olympia s. § 71.)

Die Feier des Festes verlief in seiner Glanzzeit (400 v. Chr.) etwa folgendermaßen: Sobald „die elischen Friedensbringer Zeus’ des Kroniden, der Jahreszeiten Herolde“, den Beginn des heiligen Mondes (ἱερομηνία) verkündet hatten und bei allen Hellenen umherzogen und zum Feste einluden, war in ganz Hellas Gottesfriede (ἐκεχειρία). Wer diesen verletzte, hatte schwere Buße zu zahlen. Der Haupttag des Festes fiel auf den ersten Vollmond nach der Sommersonnenwende, die ganze Dauer desselben in die Gluthitze des Hochsommers, Ende des Juni und Anfang des Juli. Längst vorher waren die Kampfbewerber in Olympia zusammengeströmt, um hier in dem Gymnasium und der Palästra die letzten Übungen durchzumachen und sich einer Prüfung ihrer Würdigkeit zu unterwerfen.

Hernach kamen die Festgesandtschaften (θεωρίαι) der hellenischen Städte; die üppige Pracht ihrer Gewänder, Schmuckstücke, Wagen, Pferde und Schätze sollte den Reichtum und die Macht ihrer Heimat vor ganz Hellas zeigen. Endlich strömte die zahllose Schar der Hellenen aller Gaue und Mundarten zusammen und lagerte sich in der weiten Alpheiosebene unter freiem Himmel, begierig, in den nächsten Tagen Hellas’ Pracht und Macht, Kunst und Herrlichkeit zu schauen. Die Leitung des ganzen Festes und die Entscheidung über die Kampfpreise lag in den Händen von neun, später zehn, aus den elischen Bürgern gewählten „Hellanodikai“.

Der erste Tag begann mit dem Opfer, welches die Eleer dem olympischen Zeus am großen Aschenaltar darbrachten; darauf opferten auch die Festgesandtschaften und [pg 172]überreichten die kostbaren Weihgeschenke ihrer Städte. Sodann ließen die Hellanodikai die Kampfbewerber schwören, daß sie sich während der letzten zehn Monate nach den Vorschriften gewissenhaft vorbereitet haben und sich keiner unerlaubten Mittel im Kampfe bedienen werden, und verlosten die einzelnen Paare. Wer hierbei übrig blieb, wartete als Zuschauer (ἔφεδρος), um hernach mit einem Sieger zu kämpfen. Wer keinen Gegner fand, siegte, „ohne staubig zu werden“ (ἀκονιτί).

Schon vor dem Grauen des zweiten Tages waren die das Stadion (Laufbahn) umschließenden Wälle und der Abhang des Kronoshügels dicht besetzt mit Tausenden von Zuschauern, die des großen Schauspieles harrten, das heute mit den Wettkämpfen der Knaben im Lauf, Ringen und Faustkampf seinen Anfang nahm.

Darauf folgten am dritten Tag die Kampfspiele der Männer, und zwar:

1. Der Wettlauf, das älteste aller Kampfspiele. Man begann mit dem Dauerlauf (δόλιχος), wobei es galt, die genau 600 olympische Fuß (= 192 m) lange Laufbahn 24mal zurückzulegen. Völlig nackt eilten die Läufer über die Bahn im tiefen Sand dahin. Schön sagt ein Epigramm von einem Sieger im Lauf:

„Nur an den Schranken erblickten wir ihn, des Menekles Sprößling,
Oder am äußersten Ziel, nicht in der Mitte der Bahn.“

Bei dem darauf folgenden einfachen Wettlauf (στάδιον) wurde die Bahn nur einmal, bei dem Doppellauf (δίαυλος) sodann zweimal durchmessen. Der Sieg im einfachen Wettlauf galt für besonders ehrenvoll, weil nach dem Sieger die Olympiade benannt wurde.

2. Der Ringkampf (πάλη). Sieger war, wer seinen Gegner dreimal so geworfen hatte, daß dieser mit beiden Schultern den Boden berührte; dabei war vieles erlaubt, [pg 173]was heute als unstatthaft gilt: dem Gegner ein Bein zu stellen, denselben in die Kniekehle zu schlagen, ein Bein emporzureißen, die Glieder zu verdrehen, ihn durch Seitensprung von hinten zu fassen oder mit den Schenkeln zu umschlingen.

3. Der Faustkampf (πυγμή). Hierfür wurden die Hände und Unterarme mit weichen Riemen von Ochsenhaut umwunden, die später noch mit Metallplatten belegt wurden. Wer nicht rechtzeitig mit dem Arme parierte oder mit dem Körper ausbog, dem fielen die Fausthiebe wie Hammerschläge auf Haupt und Brust nieder. Deutlich bezeugen dies noch heute die verschwollenen „Faustkämpferohren“ an alten Bildwerken.

4. Der vereinte Ring- und Faustkampf (παγκράτιον), welcher nicht mit dem Werfen, sondern erst dann endete, wenn der Geworfene durch Ausstrecken der Hand sich für besiegt erklärte. Mag diese Kampfart von Hause aus berechtigt gewesen sein, insofern hier nur die mit geschulter Gewandtheit vereinte Körperkraft siegte: späterhin hat dieselbe jene Zunft der Berufsathleten mit den „gewaltigen Stieresmuskeln, Schultern ganz von Erz“ großgezogen, welche dem Schöpfer des „Herakles Farnese“ das Vorbild geliefert haben.

Der vierte Tag brachte 1. das glänzendste Schauspiel: die Wagenrennen. Man rannte mit Viergespannen (seit 404), auch mit Zweigespannen von ausgewachsenen Pferden (συνωρὶς τελείων ἵππων) oder (seit 380) von Fohlen (πώλων). Zahllose bildliche Darstellungen, insbesondere aber die herrlichen Schilderungen Homers (Il. 23, 262 ff.) und Sophokles’ (Elektra 698 ff.) vergegenwärtigen uns die tieferregte Anteilnahme der Zuschauer. Besondere Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit erforderte das Umfahren der Zielsäule (νύσσα); bei dem Gedränge, das hier entstand – es liefen immer alle konkurrierenden Gespanne auf einmal –, [pg 174]waren Unglücksfälle nicht selten. Wie heutzutage siegten die Pferde und ihr Besitzer, nicht etwa der Wagenlenker oder Reiter, der im Fall des Sieges nur eine Siegerbinde (Tänia) erhielt. Seit 648 war auch das Wettreiten (κέλητι) in Olympia eingeführt.

Hierauf folgte 2. der Fünfkampf (πένταθλον – ἅλμα, ποδωκείην, δίσκον, ἄκοντα, πάλην), welcher die Vereinigung der ältesten und einfachsten Wettkämpfe und damit die Blüte hellenischer Gymnastik darstellt. „Die Kämpfer im Pentathlon“, sagt Aristoteles, „sind die schönsten Leute, da ihr Körper zur Kraftleistung und zur Schnelligkeit in gleicher Weise befähigt ist.“ Nach dem feierlichen Vortrag eines „pythischen Liedes“ durch den Flötenspieler begann der Kampf mit dem Weitsprung. Man sprang mit Schwungkolben (ἁλτῆρες), unseren Hanteln ähnlich, in den Händen, welche sowohl die Weite des Sprunges als die Sicherheit des Niederkommens steigerten. Es folgte der Wurf des Diskos, einer linsenförmigen Erzscheibe, welche möglichst weit frei durch die Luft geschleudert werden mußte. Mit Speerwurf nach einem Ziele, Lauf und Ringkampf schloß das Pentathlon. Die lange Reihe der dreitägigen Wettkämpfe endete mit 3. dem Kriegerlauf (ὁπλιτῶν δρόμος), einem Wettlauf junger Krieger, welche früher in voller Waffenrüstung, später nur mit ehernem Schilde bewehrt liefen.

Der fünfte Tag war der Tag der Sieger. Nachdem schon vorher jeder Sieger einen Palmzweig erhalten hatte, überreichten ihnen jetzt die Hellanodiken das köstlichste Besitztum eines Hellenen, den zum Kranze gebogenen Ölzweig, den ein Knabe, dem beide Eltern noch lebten (παῖς ἀμφιθαλής), mit goldenem Messer vom heiligen Ölbaum (κότινος) geschnitten hatte. Herolde verkündeten allem Volk die Namen der Sieger, ihrer Väter und Heimatsorte. In festlichem [pg 175]Zuge, voran die reichgeschmückten Festgesandtschaften, zogen die Sieger zu den Altären der Götter, ihre Dankopfer darzubringen. Festliche Reigen sangen frohe Lieder, bis die Sieger zum Festmahl im Prytaneion gerufen wurden, wo Dichter wie Pindar durch Siegeslieder (ἐπινίκια) ihren Ruhm feierten. Große Ehren erwarteten die Sieger zu Hause: so singt Xenophanes von Kolophon (ca. 530 v. Chr.):

„Ja, wenn einer den Sieg mit hurtigen Füßen erwürbe,
Oder im Fünfwettkampf, wo das Gehege des Zeus
Liegt an Pisas Flut in Olympia, oder als Ringer,
Oder auch, daß er der Faust schmerzende Künste versteh’,
Oder den schrecklichen Kampf Pankration, wie sie ihn heißen,
Herrlicher scheint er dann allen den Bürgern zu schau’n,
Wird bei Spielen die Ehre des vordersten Sitzes erhalten
Und durch Speisung geehrt aus dem Vermögen des Volks,
Auch ein Geschenk von der Stadt wird stets ihm bleiben als Kleinod.“

Als Alkibiades einst einen dreifachen Wagensieg errungen, bewirtete er die ganze Festmenge, wozu ihm Lesbos den Wein gab. In der Altis (§ 71) konnte der Sieger eine Statue mit Inschrift aufstellen lassen; doch erst nach dem dritten Siege durfte sie Porträtähnlichkeit haben. Aber so groß einst die Zahl dieser Siegerstatuen gewesen war, keine derselben ist unversehrt gefunden worden. Auch nach dem Ende des Festes blieben Tausende in Olympia versammelt. Ein großer Markt von Handwerkern, Künstlern, Kaufleuten hatte sich ringsum ausgebreitet; Beschlüsse und Verträge von Staaten wurden verkündet; Geschichtschreiber und Dichter lasen ihre Werke vor, Redner und Philosophen hielten Vorträge (ἐπιδείξεις): Herodot, Gorgias, Hippias, Prodikos, Lysias (or. 33) und andere haben hier zu ganz Hellas gesprochen.

[pg 176]

V. Abschnitt.

Klassische Ruinenstätten.

Nicht bloß aus den Schätzen der Literatur schöpfen wir die Kenntnis des griechischen Altertums, sondern auch der unerschöpflich reiche Boden von Hellas selbst spendet uns immer reichlicher fließende Quellen für die Erkenntnis des öffentlichen Lebens, der Kunst und des Gottesdienstes jenes edelsten Volkes der alten Welt; wie Dio Chrysostomus in der 31. Rede sagt: „noch mehr freilich tun die Steine und die Trümmer der Bauwerke die hehre Pracht und Hoheit von Hellas kund.“ Und zwar sind die Ruinenstätten Griechenlands Zeugen der verschiedensten Kulturepochen von den Tagen des heroischen Königtums bis in die Zeiten der römischen Kaiser herab.

§ 69. Tiryns und Mykenä.

Wir beginnen unseren Rundgang mit der sagenumsponnenen Burg des „festummauerten“ Tiryns (s. Plan), dem Herrschersitz des Perseus, wohin die alte Sage die Geburt des Herakles verlegt. Von der uralten Seestadt Nauplia, am inneren Winkel des Argolischen Meerbusens, wandern wir auf der Straße nach Argos dahin und gelangen etwa beim 4. Kilometerstein an einen langgestreckten, etwa 30 m langen und fast 100 m breiten Hügel rechts der Straße, der sich von allen Seiten frei nur 18 m über die argivische Ebene erhebt (22 m Meereshöhe). Wir begeben uns an die vom Meere abgekehrte östliche Langseite des Kalksteinfelsen, an welcher der fahrbare Hauptaufgang zur Burg emporführt. Um die Steigung aus der Ebene allmählich zu überwinden, ist in nord-südlicher Richtung dem Berg [pg 177]entlang eine Rampe aufgemauert (1), auf der man (bei 3) an einen Mauerdurchlaß (nicht Tor!) gelangt, der rechts von einem massigen, noch heute mehr als 7 m hohen Turm (2) überragt wird.

Wir sind in den Mauerring eingetreten. Von dem Durchlaß zweigt rechts der Weg zur niedriger gelegenen Mittelburg ab, während der Weg zur Oberburg in der bisherigen Richtung weiterführt, von hohen Mauern umschlossen. Der Weg ist gesperrt durch das feste Burgtor (4). Wir durchschreiten dasselbe, gelangen auf einen weiten Vorplatz (5) und stehen nun vor dem auf der Südseite der Oberburg angelegten großen Propylaion (Torbau, 6), das nicht zur Befestigung, sondern zum Schmuck diente. Die Bestandteile der sehr einfachen, im wesentlichen bis in die Blütezeit der griechischen Baukunst beibehaltenen Anlage sind 1. die eigentliche Torwand (in der Mitte) mit der zweiflügeligen Tür, 2. die Vorhalle, deren Schauseite gebildet ist durch zwei Säulen zwischen zwei „Anten“ (Mauerenden), 3. die Hinterhalle.

Haben wir diesen Torbau passiert, so öffnet sich vor uns der große Vorhof (7), und wir stehen nun auf der Stätte der erfolgreichen Ausgrabungen Schliemanns und Dörpfelds in den Jahren 1884/85, die uns zum erstenmal eine klare Vorstellung von der Anlage eines heroischen Herrscherpalastes gegeben haben. Ein zweites, kleineres Propylaion (8) von derselben Anlage wie das erste, in dem wir das homerische πρόθυρον τῆς αὐλῆς (Od. 1, 103) erkennen dürfen, führt uns in den säulenumgebenen Hof der Männerwohnung (9), die αὐλή. Noch ist der solide Kalkestrich erhalten, auf dem vor drei Jahrtausenden die Herren der Burg, ihre Mannen und Gäste wandelten. An der Südseite befindet sich der mächtige Altar (s. Plan), auf dem der Herr des Hauses opferte (Il. 11, 772 ff.).

[pg 178]

An die Nordseite des Hofes, also gegen Süden geöffnet, schließt sich der Männersaal (μέγαρον) an, der Mittelpunkt des Palastes, der höchste Punkt der Burg. Vom Hofe aus betritt man zuerst die Vorhalle (10) (αἴθουσα δώματος); von dieser führen drei Türen zu einem Vorsaal (πρόδομος), von diesem eine Tür in den eigentlichen Saal (11). Die Menge der zu durchschreitenden Vorräume (sechs im ganzen) kennzeichnet die Hoheit des Herrschers. Vier Holzsäulen in der Mitte dienten als Stützen für das Dach, das wohl in der Mitte eine Öffnung für Oberlicht und Rauchdurchlaß hatte. Zwischen diesen Säulen war nämlich der runde Herd angeordnet. Der Grundriß des Megaron kehrt fast genau wieder bei den ältesten griechischen Tempeln, den Wohnhäusern der Götter.

Sehr überraschend war, daß sich bei den Ausgrabungen keine direkte Verbindung vom Männersaal zum Frauengemach (IV) vorfand. Letzteres lag, rings von anderen Gemächern umgeben, schwer zugänglich im innersten Teil des Palastes. Wir erreichen es, wenn wir vom großen Propylaion (6) aus den langen Korridor (I), dann den Vorhof (II), endlich den Hof (III) durchschreiten. Die Ähnlichkeit mit dem Männersaal springt sofort ins Auge, nur die Maße sind bedeutend kleiner. Unter den Nebengelassen, die wohl zum großen Teil als Schlafgemächer für Herrschaft und Gesinde dienten, ist besonders hervorzuheben das kleine, fast quadratische Badezimmer (12), dessen Boden aus einem einzigen kolossalen Stein besteht.

Wir wenden uns nun zu den riesenhaften Befestigungen. Den späteren Griechen erschienen sie so gewaltig, daß sie den Bau derselben dämonischen Wesen, den Kyklopen, zuschrieben, und daß der griechische Baedeker Pausanias (2. Jahrh. n. Chr.) sie den ägyptischen Pyramiden an die Seite stellte. Mächtige, kaum bearbeitete Blöcke sind auf[pg 180]einandergetürmt, die Fugen durch kleinere Steine und Lehmmörtel ausgefüllt. Höchst interessant ist die Mauerkonstruktion an der Süd- und Ostseite. Von dem großen Burghof (7) führt nämlich, den Mauerkern durchbrechend, eine schmale Treppe (A) in den 7 m tiefer gelegenen, überwölbten Korridor (C); in diesen münden fünf stattliche, gleichfalls überwölbte Kammern (BB). Über diesen unterirdischen Gängen und Kammern erhob sich der massive Mauerbau, der an dieser Stelle, ein unzerstörbares Bollwerk bildend, die mächtige Dicke von ca. 17 m erreichte, während sonst die Mauerstärke gegen 8 m beträgt. Ganz gleich ist die Anlage an der Nordostseite. Ohne Zweifel dienten diese kasemattenartigen Kammern, die sich in ganz ähnlicher Konstruktion in Karthago finden, als Magazine für Lebensmittel, Waffenvorräte u. dgl.

Tiryns
Tiryns.

Die Königsburg von Tiryns weist auf einfache, ursprüngliche Lebensverhältnisse, wie die Gedichte Homers. Sie zeigt einfachen, an orientalische Muster gemahnenden Schmuck und ist an Pracht und Ausdehnung nicht zu vergleichen mit den Palästen der assyrischen und ägyptischen Herrscher. Und doch zeigt die kolossale, übrigens durch und durch praktische und übersichtliche Anlage, daß der bauende Herrscher eine despotische Gewalt über seine Untertanen besessen haben muß, vermöge deren er sie zwang, die Steinkolosse (die Bodenplatte des Badezimmers wiegt ca. 400 Ztr., die Mauersteine meist 80–200 Ztr.; der Türsturz des Löwentors von Mykenä etwa 600 Ztr., ein Stein am sog. Schatzhaus des Atreus gar 2400 Ztr.) aus den Steinbrüchen beizuschaffen und zusammenzufügen. Tiryns war für jene Zeiten eine Festung ersten Ranges, die dem Herrscherhaus unbedingte Sicherheit gegen feindliche Angriffe bot. Die wichtigsten Mittel der Verteidigung sind richtig und mit sicherem Blick verwendet, außer den starken Mauern [pg 181]Türme (d, e, 2, den Mauerdurchlaß rechts, also den Angreifer an der unbeschildeten Seite flankierend), ferner möglichste Beschränkung der Zugänge: es sind deren nur zwei, das Haupttor, durch welches der Fahrweg führt, und die schmale, von Westen direkt auf die Mittel- und Oberburg führende Treppe (b), die leicht zu sperren war und bei Überfällen einen geschickten Ausweg bot, um entweder den von Osten Angreifenden in den Rücken zu fallen oder im letzten Augenblick die Burg unbemerkt zu verlassen. Außerdem ist für Vorratskammern (B, f) und Wasser (c Zisterne) Vorsorge getroffen. Kurz, wir haben in Tiryns das vollendetste und besterhaltene Muster einer vorhomerischen Königsburg.

Wenden wir den Blick von der Burg gen Norden, so haben wir vor uns den Berg, der das hochberühmte Heraion, den Tempel der argivischen Hera, trug; hinter demselben liegen die Ruinen der Königsburg Mykenä, des Herrschersitzes Agamemnons. Wenn Tiryns die nahe Meeresküste und Ebene beherrschte, so war Mykenä ein Bergschloß, das, ebenso uneinnehmbar, die von Norden kommenden Straßen sperrte. Die einer etwas späteren Zeit angehörigen Mauern der Burg sind regelmäßiger und kunstvoller als in Tiryns; außer den oben beschriebenen sog. kyklopischen Mauern finden sich nämlich hier auch solche, die aus sorgfältig aneinandergepaßten polygonen und oblongen Steinen gebildet sind. Aber auch hier finden wir nur zwei Zugänge, von denen der westliche als das Löwentor weltbekannt ist. Zu demselben führt ein prachtvoll gemauerter Torweg, dessen rechte Seite durch einen Turm gedeckt ist. Das Tor ist gebildet durch zwei mächtige Türpfosten, über welche der Türsturz gelegt ist, ein einziger kolossaler Stein von 5 m Länge, 2,5 m Tiefe, ca. 1 m Höhe. Eine zweiflügelige Türe, die mit Querbalken gesperrt wurde, schloß die Öffnung. Über dem Türsturz ist hier, wie bei allen [pg 182]Toren dieser Epoche, in der über dem Tor aufsteigenden Mauer ein dreieckiger Raum ausgespart, damit der Druck der Mauer nicht die Mitte des Türsturzbalkens belaste. Dieses Dreieck ist in Mykenä mit einer ziemlich dünnen Platte ausgefüllt, worauf in erhabener Arbeit zwei als Wappentiere gegen eine Säule ansteigende Löwen dargestellt sind, wohl das älteste Denkmal der Bildhauerei auf griechischem Boden.

Im übrigen nimmt Mykenä eine einzigartige Stellung ein durch seine Grabbauten. 1876 wurden von Schliemann innerhalb des Burgrings beim Löwentore in einem von einer doppelten Reihe aufrechtstehender Platten umschlossenen Kreise von 26,5 m Durchmesser sechs in den Felsen der Burg gehauene Schachtgräber mit reichen Goldschätzen (Totenmasken, Bechern, Diademen und sonstigen Schmuckgegenständen) aufgedeckt. Über dem vierten Grabe fand sich eine ummauerte Opfergrube, durch welche man die Spenden für die Toten in die Erde fließen ließ, ein monumentaler Beweis dafür, daß schon in der ältesten Zeit bei den Griechen ein Seelenkult bestand (vgl. § 51). Großartige Kuppelgräber befinden sich außerhalb der Burg, die sog. Schatzhäuser (Thesauren), von welchen das des Atreus am besten erhalten ist. Ein 6 m breiter und 35 m langer Gang, Dromos, führt durch ein von zwei mächtigen Steinbalken überdecktes Portal in einen kreisrunden Kuppelbau, Tholos, von 15 m Durchmesser am Fußboden und gleicher Höhe; der bienenkorbartige Raum ist durch 33 horizontale übereinander vorragende Steinringe von sorgfältigster Konstruktion gebildet. Von dem Hauptraum führt eine Türe in ein in den Felsen eingehauenes Nebengemach von 6,5 m Quadratfläche und 3 m Höhe, wohl die eigentliche Grabkammer, während der gewölbte Hauptraum für die Darbringung der Totenopfer bestimmt war. (Vgl. auch § 63.)

[pg 183]

§ 70. Die Akropolis von Athen.

Von den Königsburgen der sagenberühmten Herrengeschlechter richten wir den Blick auf die heilige Götterburg der Athener, die Akropolis. Nicht von jeher hat dieselbe heiligen Zwecken gedient. Reichen Wechsel der Menschen und Verhältnisse hat sie im Lauf der Jahrhunderte gesehen. Ein frei und kühn aufragender Kalkfels (156 m über dem Meer, ca. 80 m über der Stadt, gegen 300 m lang und bis zu 130 m breit), war die Akropolis in kriegerischer, friedloser Zeit wie geschaffen zur Anlage einer festen Burg, hoch genug, um die umliegenden niedrigeren Hügel und die Ebene zu beherrschen, ohne daß jedoch der Verkehr mit der unteren Gegend irgend erschwert gewesen wäre, und weit genug vom Meere entfernt, um gegen räuberische Überfälle von dieser Seite her gesichert zu sein. An die Akropolis knüpfen sich die ersten historischen Erinnerungen der Athener an, hier war die älteste Ansiedelung; an die Burg lehnte sich allmählich, ähnlich wie im Mittelalter, die Stadt an. Dementsprechend ist die ursprüngliche, noch in den attischen Urkunden der späteren Zeit übliche Bezeichnung der Burg einfach Polis; seitdem eine Unterstadt entstanden war, kam zur genaueren Unterscheidung der Name Akropolis auf.

So befand sich denn auf der Burg, vermutlich in ähnlicher Anlage wie auf Tiryns, der uralte Herrschersitz des sagenhaften Königs Kekrops (daher Kekropia) und seiner Nachfolger, später des Theseus und seines Geschlechts; Reste des alten Königspalastes sind auf der Nordseite der Burg östlich vom Erechtheion aufgedeckt worden (s. Plan!). Natürlich war derselbe von mächtigen sogenannten kyklopischen (§ 69) Mauern umgeben, die am stärksten sein mußten im Westen, weil hier der Berg von dem niedrigeren Areopag nur durch eine kleine Einsattelung getrennt ist. Ein glück[pg 184]licher Zufall hat es gefügt, daß uns auch von dieser ansehnlichen Befestigung Reste erhalten sind in mächtigen Mauerstücken südlich von den Propyläen, an der SW.-Ecke des Parthenon und der SO.-Ecke der Burg. Mauer und Palast, von den Athenern auf die Ureinwohner, die Pelasger, zurückgeführt, hießen später das Pelasgikon.

Auch nach dem Aufhören der Königsherrschaft behielt die Akropolis ihren Charakter als Festung. Hier residierten die Peisistratiden, wohl in dem alten Königspalast. Aus ihrer Zeit (6. Jahrh.) stammte der durch eine glückliche Entdeckung des Jahres 1885 in seinen Fundamenten aufgefundene alte Athenatempel der Burg (s. Plan).

Es war die alte Hauptstätte des Athenakultes, die Peisistratos, der Stifter des Hauptfestes der Stadtgöttin, der Panathenäen, verschönte, indem er um das schon früher erbaute eigentliche Tempelhaus eine Säulenhalle dorischen Stils legte, so daß der Tempel ein sog. Peripteros wurde. Wegen seiner Länge von 100 altatt. Fuß = 33 m hieß der Tempel Hekatompedos, der 100füßige. Das Material des Baues war Kalkstein aus dem Peiraieus, sog. Poros. Durchschritt man die Säulenhalle von Osten her, so gelangte man zunächst in die Vorhalle (Pronaos), von hier in das durch zwei Säulenreihen in drei Schiffe geteilte, eigentliche Gotteshaus (Naos), in dem ein altes Kultbild der Göttin stand. Hinter diesem Hauptraum, von ihm durch eine massive Wand getrennt, lag das aus einem Saal und zwei Kammern bestehende Hinterhaus (Opisthodomos), das nur von Westen aus betreten werden konnte. Dies war das Schatzhaus der Athena; hier wurden die Gelder der Göttin und seit 454 v. Chr. der Tribut der athenischen Bundesgenossen aufbewahrt und verwaltet.

Akropolis von Athen.
AKROPOLIS von ATHEN.

Einen Einschnitt in der Geschichte und Bedeutung der Akropolis bildet das Jahr 479. Nachdem die Perserscharen [pg 186]des Xerxes 480 nach vergeblichem Angriff auf die von Natur schwache, aber seit uralten Zeiten stark befestigte Westseite die Burg auf einer schmalen Hintertreppe in der Nähe des späteren Erechtheion (vgl. die Hintertreppe in Tiryns) erstiegen und alles Brennbare niedergebrannt hatten, zerstörten sie 479 beim zweiten Einfall in Attika vollends alles, was sie im vorigen Jahr übrig gelassen hatten. Das gleiche Jahr aber brachte die Siege der Griechen bei Platää und Mykale und damit für Athen eine Zeit raschen politischen Aufschwungs. Im Kriege mit Xerxes hatte man die Erfahrung gemacht, daß die Burg den Bürgern nicht den Schutz bot, dessen die bis dahin offene Stadt barbarischen Feinden und auch eifersüchtigen Stammesbrüdern gegenüber bedurfte. Sie konnte ja höchstens eine beschränkte Anzahl Bewaffneter aufnehmen. Man schritt also dazu, die Befestigungslinie möglichst weit hinauszuschieben und die ganze Stadt, ja auch den Hafen Peiraieus in dieselbe hereinzuziehen. Damit fiel bei den damaligen Mitteln der Belagerung die Bedeutung der Burg als der Hauptbefestigung Athens, eine Tatsache, die den Wandel der Zeiten recht deutlich macht: nicht mehr auf dem einen Herrschergeschlechte, sondern auf der Gesamtheit der freien Bürger ruhte der Staat. Wie nun schon bisher die Akropolis der Hauptkultsitz der Athener war, so sollte sie es in Zukunft erst recht bleiben, ja sie sollte aus einer Festung gleichsam ein großer Altar der Götter werden.

So beginnt denn alsbald rührige Arbeit auf der zerstörten Burg. Der alte Athenatempel wurde wieder in stand gesetzt – man scheute sich, die alte Kultstätte zu verlassen –, nur die von den Persern zerstörte Säulenhalle wurde nicht wiederhergestellt, da man wohl alsbald den Plan ins Auge faßte, einen zweiten, dem Fortschritt der Zeit mehr entsprechenden, schöneren Tempel aufzurichten. Jedenfalls noch im 4. Jahrhundert v. Chr., vielleicht sogar noch im [pg 187]2. Jahrhundert n. Chr. stand dieser altehrwürdige Bau und diente den obengenannten heiligen und profanen Zwecken. Dann wurde die bis dahin sehr unebene Oberfläche zur Aufnahme größerer Bauwerke umgestaltet. Denn während in der vorpersischen Zeit das Terrain schon von der Mittelachse des späteren Parthenon nach Süden abfiel, ließ jetzt Kimon die große Südmauer (Plan!) bis zur heutigen Höhe errichten und die zwischen der Mauer und jener Absenkung entstandene Lücke mit Schutt auffüllen, so daß nun erst das breite Unterlager entstand, auf dem in gehöriger Entfernung vom alten Athenatempel ein weit großartigerer Neubau aufgeführt werden konnte. Die Umgestaltung des Baugrundes war ein gewaltiges Werk, das fürstliche Mittel erforderte; gleichwohl war es nur eine Vorarbeit. Noch unter Kimons Staatsleitung wurden die Fundamente des neuen Tempels gelegt und am Oberbau angefangen; wie dieser mächtige Führer der Aristokratie auch ein neues Burgtor erbauen ließ, von dem noch Reste hinter den späteren Propyläen zu Tage liegen. Unter ihm wurde auch zwischen Propyläen und altem Tempel zur Erinnerung an die Perserkriege auf Staatskosten die Statue der Athena Promachos errichtet, ein ehernes Kolossalbild von der Hand des Pheidias, das Wahrzeichen der Burg, das den zur See heimkehrenden Athener schon von ferne grüßte.

Durch Kimons gezwungenen Rücktritt vom politischen Schauplatz (461) wurde diese Bautätigkeit unterbrochen. Und nun kam ein Stärkerer ans Ruder, dessen Name immer mit den glänzenden Prachtbauten der Akropolis zusammengenannt werden muß – Perikles. Unter seiner Staatsleitung wurde die Akropolis zu dem umgeschaffen, was sie im Altertum war und noch heute trotz aller Greuel der Verwüstung ist, zu dem unvergänglichen und unvergleichlichen Kleinod hellenischer Kunst. Trefflich schreibt über [pg 188]diese glanzvolle Bauperiode Plutarch (ca. 100 n. Chr.): „Von jedem einzelnen dieser Werke glaubt man, daß es nur in mehreren Menschenaltern zum Ziele gelangen könnte, und sie alle kamen in der Blütezeit einer einzigen Staatsleitung zur Vollendung. So verdienen denn die Werke des Perikles um so größere Bewunderung, weil sie, in kurzer Zeit ausgeführt, dennoch so lange Dauer erlangt haben. Denn schon damals war jedes derselben durch seine Schönheit alt, durch die Höhe seiner Kunst aber erscheint es bis heute neu und wie eben vollendet. Unberührt von der Zeit, bewahrt ihr Aussehen den Duft der Frische, als ob ihnen ein ewig blühendes Leben und eine niemals alternde Seele eingehaucht wäre.“ Unter Perikles wurde wieder von neuem angefangen: die unter Kimon gemachten Anfänge befriedigten seinen und seiner Gehilfen hohen Geist nicht mehr. Die halbbearbeiteten Werkstücke des Kimonischen Athenatempels wurden zur Aufführung der großen Nordmauer (fälschlich Mauer des Themistokles genannt), und zur Ausfüllung des Raumes hinter derselben verwendet. In die Mauer wurden auch mit sinniger Absicht die Trümmer des von den Persern teilweise zerstörten alten Athenatempels verbaut: der Unterstadt zugekehrt, sollten diese Trümmer, ein ewiges Denkmal der persischen Barbarei, den Bürgern eine stete Mahnung an Zeiten schweren Unglücks, aber auch nationaler Erhebung der Vorfahren sein.

Eine völlige Neugestaltung erhielt der Aufgang zur Burg. Durch den Baumeister Mnesikles ließ Perikles hier die Propyläen (437–432) erbauen. Dieses Prachttor, in der Hauptsache erhalten, ist ein unsymmetrischer Bau, was darin seinen Grund hat, daß der ursprüngliche Plan des Baumeisters nicht zur vollständigen Ausführung kam. Es zerfällt in drei ungleiche Teile: 1. den Mittelbau, in dem die Bestandteile der vorgeschichtlichen Propyläenbaues [pg 189]wiederkehren, nämlich die Quermauer mit fünf Toren, die (westliche) Vorhalle, deren Front von sechs dorischen Säulen getragen und deren Inneres durch zwei Reihen mit je drei ionischen Säulen in drei Hallen gegliedert ist, endlich die schmälere (östliche) Hinterhalle, deren Front abermals sechs dorische Säulen bilden; durch die dritte führt der Hauptaufgang zur Burg; 2. den Nordflügel, die sogenannte Pinakothek (Aufbewahrungsort für Votivgemälde); 3. den verkümmerten Südflügel. Dieses Prachttor allein ist Beweis genug, daß Perikles die Burg nicht mehr als Festung betrachtete, nicht minder der Umstand, daß durch ihn auf der großen Bastion, die schon in den ältesten Zeiten den Eckabschluß der Südmauer bildete, kühn und frei in die herrliche Landschaft hinausragend, der kleine Tempel der Athena Nike erbaut wurde.

Treten wir nun durch das Prachttor in den heiligen Bezirk der Burg ein, so erhebt sich vor unseren Augen in strahlender Schöne und doppelt imposant wegen seiner um etwa 10 m höheren Lage der Parthenon, der neue Tempel der Athena. An Stelle des Kimonischen Athenatempels, jedoch mit diesem im Grundriß nicht ganz zusammenfallend, wurde er unter Oberleitung des Pheidias von den Baumeistern Iktinos und Kallikrates in den Jahren 447–438 erbaut. Wir ziehen auf der alten Prozessionsstraße hinan und betreten den Tempel von Osten her, an seiner Vorderseite (bei den christlichen Kirchen des Mittelalters liegt im Gegenteil die Front gegen Westen, der Altarraum, der Chor, gegen Sonnenaufgang). Wir steigen die drei mächtigen Stufen, welche, wie fast bei allen griechischen Tempeln, die Grundlage (Krepis) bilden, hinauf und stehen nun auf der Fläche des Tempels, dem Stylobat, der eine Breite von 30,9 m und eine Länge von 69,5 m hat. Auf diesem erheben sich als Träger des Dachgebälks ringsum [pg 190]dorische Säulen – der Tempel ist also ein Peripteros – und zwar je 8 an den Schmal-, je 17 an den Langseiten (Höhe 10,4 m, unterer Durchmesser 1,9 m). Aus der Säulenhalle (Peristyl) gelangen wir zunächst in den Pronaos (in der Front sechs dorische Säulen) und von diesem in den eigentlichen Tempel. Dieser hieß, ebenso wie der (33 m lange) alte Athenatempel (s. S. 184 ff.), Hekatompedos, der 100füßige, wegen seines Längenmaßes von 100 altattischen Fuß = 32,84 m – man schließt daraus, daß seit der Erbauung des alten Athenatempels der altattische Fuß von 33 cm auf 32,84 cm gesunken sei. Zweimal neun dorische Säulen, über denen sich ein zweites Stockwerk von Säulen erhob, teilten den Raum in drei Schiffe. Im Mittelschiff stand dem Eintretenden gegenüber das 12 m hohe Standbild der Göttin aus Gold und Elfenbein, eines der Meisterwerke des Pheidias, von dessen Aussehen uns eine 1880 in Athen gefundene Marmorstatuette ein ziemlich genaues Bild gibt. Eine massive Wand schloß die Cella ab, wie beim alten Tempel. Hinter dem Haus der Göttin befand sich der Opisthodom, zu dem man von Westen her durch eine dem Pronaos gleiche Vorhalle eintrat. Dieser Raum, dessen Decke von vier Säulen getragen wird, führte den Namen Parthenon im engeren Sinn: in ihm wurden Kultgeräte und Weihgeschenke aufbewahrt. Ist der ganze Bau, aus dem köstlichsten Material, pentelischem Marmor, mit peinlichster Sorgfalt und Sauberkeit aufgeführt, ein architektonisches Meisterstück, so kommt zur Erhöhung der Wirkung noch plastischer Schmuck hinzu, in einem Reichtum, wie er sonst bei keinem griechischen Tempel wiederkehrt. Die 92 Metopenplatten unter dem Dachgesims waren mit Hochreliefs geschmückt (Kämpfe der Giganten, Kentauren, Amazonen und Griechen vor Troja); in den beiden Giebeln standen die mächtigen Giebelstatuen [pg 191](Vorderseite: Geburt der Athene aus dem Haupte des Zeus inmitten der Versammlung der olympischen Götter, Rückseite: Streit der Athene und des Poseidon um Attika), und um den oberen Rand des Tempelhauses zog sich als fortlaufendes Band ein beinahe 160 m langer, 1 m hoher Fries mit niederem Relief, den großen Festzug an den Panathenäen (vgl. § 53, S. 118 f.) darstellend. Die plastische Ausschmückung des Wunderbaues leitete Pheidias.

Ziemlich unversehrt erhielt sich derselbe aus dem Altertum bis in die Neuzeit. Zwar wurden nach seiner Umwandlung in eine christliche Kirche einige bauliche Veränderungen (Verlegung des Eingangs nach der Westseite und Anbau einer flachen Apsis) vorgenommen, und als er nach der Einnahme der Akropolis durch die Türken (1458) als Moschee dienen mußte, wurde an der Südwestecke ein Minarett errichtet, aber Giebel, Metopen und Fries waren gegen Ende des 17. Jahrhunderts noch gut erhalten, wie aus den von dem Maler Carrey 1674 angefertigten Zeichnungen zu ersehen ist. Da wurde in dem 1687 zwischen den Venezianern und Türken entbrannten Kriege, als letztere auf der Akropolis eingeschlossen waren, am 26. September in den von den Türken als Pulvermagazin benutzten Parthenon eine Bombe geworfen, welche eine furchtbare Explosion bewirkte. Die ganze Mitte des Baues wurde herausgerissen; die in Trümmern umherliegenden Skulpturstücke wurden in der Folgezeit verschleppt oder zum Kalkbrennen verwendet. 1801–1806 brachte Lord Elgin die noch erhaltenen Werke der Plastik nach London, wo sie jetzt eine Hauptzierde des Britischen Museums bilden.

Ins Ende des 5. Jahrhunderts fällt die Vollendung des merkwürdigen Bauwerks nahe der Mitte der Nordmauer, direkt hinter dem alten Athenatempel, des Erechtheions. Dieser Tempel barg uralte Heiligtümer, das älteste, an[pg 192]geblich vom Himmel gefallene Holzbild der Athena, den Ölbaum und die Salzquelle, die Wahrzeichen, die Athena und Poseidon bei ihrem Wettstreit um das attische Land hervorgezaubert hatten. Hier handelte es sich um ausschließlich ionische Gottesdienste, und darum wurde der Tempel auch in ionischem Stile erbaut, und zwar ist er als das vollendetste Musterbild dieses leichten, zierlichen, anmutigen Stils zu bezeichnen. Der Grundriß weicht von allen anderen griechischen Tempeln ab. Das Erechtheion zerfiel in drei Teile. Der mittlere Hauptraum, den man von Osten her durch eine herrliche, von sechs Säulen getragene Vorhalle (Pronaos) betrat, war das Heiligtum der Athena Polias; hier befand sich jenes uralte Holzbild der Göttin, vor dem eine ewige Lampe brannte. Dieser Raum wurde im Westen von einer Massivmauer abgeschlossen. Wir müssen also, um in die anderen Gelasse zu kommen, wieder in die Vorhalle hinaustreten. Von dieser führte eine Freitreppe in nördlicher Richtung hinunter zu der 3 m tiefer liegenden nördlichen Vorhalle (Prostasis), von der die weltberühmte Prachttüre ins Innere des Hinterhauses führte. Dasselbe zerfiel in einen Kellerraum, in welchem die Salzquelle und die Dreizackspur Poseidons gezeigt wurden, und in ein Obergelaß, in dem drei Altäre, einer für Poseidon und Erechtheus, einer für den Heros Butes und einer für Hephäst, standen. Dies war das eigentliche Erechtheion, das dem ganzen Bau den Namen gab, wie der Perikleische Athenatempel nach seinem Hinterhaus Parthenon benannt wurde. Ebenso wie der Nordwand ist auch der Südwand des Langhauses eine (kleinere) Prostasis vorgelegt, deren zierliches Dach von Mädchen getragen wird, die vielgefeierte Koren- (κόρη, Mädchen) oder Karyatiden-Halle (vgl. Abbild. S. 147 Fig. 4), von der eine Treppe ins Innere des [pg 193]Hinterhauses hinabführte. Unmittelbar westlich vom Erechtheion stand der heilige Ölbaum der Athena.

Von anderen Heiligtümern ist noch zu nennen der heilige Bezirk (nicht Tempel!) der Artemis Brauronia (deren Kult vom attischen Gau Brauron stammte), eine große im Süden und Osten von offenen Säulenhallen umgebene Terrasse, die sich östlich an die Propyläen anschloß. Neben diesem Heiligtum befand sich die Chalkothek, ein großes Magazin für Weihgeschenke und Erzgeräte, die zum Dienst der Athena notwendig waren.

Damit haben wir die wichtigsten sicher bestimmbaren Bauwerke der Akropolis besprochen. Man würde nun aber irren, wollte man glauben, dies seien die einzigen Kunstwerke der Burg gewesen. Die ganze Burg war vielmehr ein großes Museum von Bildwerken aller Art, welche als Weihgeschenke zu beiden Seiten der Wege, vor den Tempeln, in den heiligen Bezirken der Götter aufgestellt waren. Die verschiedensten Zeitalter konnten sich nicht genug tun, diese Hochburg der griechischen Kunst mit immer neuen Schätzen zu bereichern. Und als längst die Freiheit der Athener dahingesunken war, gewann der ewig junge Zauber höchster Geisteskultur, der die Stadt umschwebte, derselben fürstliche Gönner, die eine Ehre darein setzten, Athen, die Akropolis und damit sich selbst zu verherrlichen. Unter der unendlichen Zahl der Weihgeschenke war wohl das großartigste das, welches König Attalos I. von Pergamon (regierte 241–197 v. Chr.) an der Südmauer oberhalb des Dionysostheaters aufstellen ließ. Es waren vier figurenreiche Gruppen von Bronzestatuen: Kampf der Götter und Giganten, der Athener und Amazonen, der Griechen und Perser, der Pergamener und Galater. Über ihre Bedeutung s. § 72, S. 205. Nachbildungen einzelner Figuren sind in verschiedenen europäischen Museen erhalten.

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Hier von der Südmauer herab haben wir auch den schönsten Überblick über die am Südabhang der Akropolis gelegenen Bauten. Da erblicken wir in schwindelnder Tiefe unter uns das große Dionysostheater, westlich davon, hart unter dem Burgfelsen, das Asklepieion, das Heiligtum des Heilgottes Asklepios, mit dem eine Kuranstalt verbunden war. Unterhalb desselben zieht sich in einer Länge von 163 m die Halle (Stoa) hin, die wahrscheinlich König Eumenes II. von Pergamon (197–159 v. Chr.) den Athenern erbaute, und endlich im Anschluß daran erhebt sich das dramatischen und musikalischen Zwecken dienende Odeion, das der reiche Herodes Attikus aus Marathon, der Freund Mark Aurels, zwischen 160 und 170 n. Chr. errichtet hat.

§ 71. Olympia.

Von der Akropolis, dem Nationalheiligtum der ionischen Athener, begeben wir uns nach einem religiösen Mittelpunkt aller Hellenen, doch mit vorherrschend dorischem Gepräge, nach Olympia. Geschichte und Verlauf der olympischen Spiele wurden § 68 beschrieben.

Die Wiedererweckung Olympias nach mehr als tausendjährigem Schlaf ist eine Ehrentat des jungen Deutschen Reichs (1875–81), mit der die Namen des Archäologen und Historikers Ernst Curtius und seines hochsinnigen Gönners, des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, für immer verknüpft bleiben.

Olympia nach Dörpfeld.
Olympia nach Dörpfeld.

Indem wir den Rundgang durch den gewaltigen Gebäudekomplex von Olympia antreten, versetzen wir uns in das Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr., eine Zeit, da die Bautätigkeit in Olympia im wesentlichen abgeschlossen war. Der Kern der ganzen Anlage ist die Altis (aus ἄλσος = Hain), der heilige Bezirk des Zeus, in welchem die Tempel, [pg 196]Altäre und Weihgeschenke sich befanden. Wir betreten denselben durch das im Süden befindliche, wohl von Nero erbaute Festtor, das, wie ein Triumphbogen konstruiert, drei überwölbte Durchgänge hatte. Unter den zahllosen Weihgeschenken erhebt sich auf hoher dreiseitiger Basis die von den Messeniern geweihte überlebensgroße Nike, ein Werk des Paionios von Mende, welches, bis auf den Kopf wohlerhalten, bei der deutschen Ausgrabung wiedergefunden wurde.

Halblinks haltend, stehen wir alsbald vor dem Hauptbau der Altis, dem Zeustempel. Wahrscheinlich ca. 472 bis 460 von dem Eleier Libon aus einheimischem Muschelkalk in dorischem Stil erbaut, machte er einen weit massigeren und strengeren Eindruck als der Parthenon. Dem dreistufigen Unterbau ist an der Eingangsseite (Ost) ein Treppenbau vorgelegt, auf dem wir zur Säulenhalle (Peristyl) hinansteigen. An den Schmalseiten befinden sich je 6, an den Langseiten je 13 gewaltige Säulen (unterer Durchmesser 2,2 m, Höhe 10,4 m; Stylobat 200 olympische Fuß = 64,1 m: 27,7 m). Vom Peristyl treten wir in den Pronaos, der durch zwei Säulen zwischen zwei Anten gebildet ist, von da durch eine breite Türe in die einschließlich der Umfassungsmauern 100 olympische Fuß lange und 50 olympische Fuß breite Cella, die durch zwei Reihen von je sieben Säulen in ein breites Mittelschiff und zwei schmale Seitengänge zerfällt. Im Hintergrund der Cella schaute das vielbewunderte, etwa 40 Fuß hohe, sitzende Kolossalbild des Zeus, aus Gold und Elfenbein von Pheidias gefertigt, mit mildem, hoheitsvollem Ernst auf den Besucher herab. (Vgl. die Münze von Elis S. 99, 4.) An plastischem Schmuck besaß der Tempel Giebelgruppen (im Osten: Vorbereitung zum Wagenrennen des Pelops und Dinomaos, im Westen: Kampf der Kentauren und Lapithen) und [pg 197]Metopenreliefs (die zwölf Arbeiten des Herakles) über dem Eingang zum Pronaos und Opisthodom.

Vom Tempel südöstlich gehend, gelangen wir an den weitläufigen Palast, den Nero, der selbst in Olympia auftrat, an der Stelle eines griechischen Gebäudes errichten ließ. Von da wenden wir uns nordwärts, vorbei an einer Reihe von Weihgeschenken, entlang der wegen ihres siebenfachen Widerhalles sogenannten Echohalle, dem prächtigen säulengetragenen Ostabschluß der Altis, welcher zur Zeit Philipps von Makedonien einer älteren, einfacheren Halle vorgelegt wurde. Hier fanden die Festgäste Schutz gegen die Witterung, von hier aus sahen sie der Prozession zum Zeusaltar und den Opfern zu. Am Nordende dieser Halle biegen wir rechts um und gelangen durch den überwölbten Tunnel (ältestes Beispiel eines regelrechten Gewölbes in Griechenland, 4. Jahrhundert) an das westliche Ende (den Ablauf) des 600 olympische Fuß = 192,27 m langen Stadions (Laufbahn), das auf seinen künstlich aufgeschütteten, aber nicht mit Sitzen versehenen Wällen etwa 40 000 Zuschauern Raum bot. Südlich vom Stadion, mit diesem parallel laufend, lag der Hippodrom, den die Fluten des Alpheios ganz weggespült haben. Zurückkehrend sehen wir zur Rechten eine lange Reihe von Zeusstatuen, die Zanes (Zan, elische Form für Zeus), die aus Strafgeldern für Verletzung der Kampfregeln errichtet wurden. Hinter denselben erhebt sich eine Terrasse, auf der dreizehn Schatzhäuser (Thesauren) stehen. Einzelne Städte errichteten dieselben, um in ihnen die Weihgeschenke der betreffenden Gemeinden zu vereinigen. Unterhalb dieser Terrasse stoßen wir wieder auf einen Tempel, das Metroon, der Göttermutter (μήτηρ μεγάλη) geweiht; es ist der späteste unter den drei Altistempeln (Diadochenzeit), in spätdorischem Stil mit schlanken Säulen in ziemlich kleinen [pg 198]Maßen erbaut. Zwischen Metroon und Zeustempel liegt der große Zeusaltar, dessen Grundriß eine Ellipse bildet, während er sonst, jedes künstlerischen Schmuckes entbehrend, nur aus Asche und Knochen aufgeschichtet war.

Vom Metroon unseren Gang nach Westen fortsetzend, stehen wir alsbald vor der Exedra des Herodes Attikus, einer prunkvollen Wasserkunst, die der fürstlich reiche Philosoph als Abschluß einer Wasserleitung erbauen ließ: im Vordergrund war ein stattliches Bassin, flankiert von zwei eleganten Rundtempelchen in korinthischem Stil und überragt von einer hohen, überwölbten Hauptkuppelnische, die alle Gebäude Olympias an Höhe übertraf. Wenden wir uns, so stehen wir gerade vor dem Eingang des dorischen Heratempels (Heraion). Es ist der älteste Tempel der Altis und für die Geschichte der griechischen Architektur von besonderer Wichtigkeit. Im Grundriß fällt die langgestreckte Form auf (Peristyl 6 : 16 Säulen, Cella 50 : 18,7 m), welche für die ältesten Tempel charakteristisch ist. Eigentümlich ist ferner das Innere der Cella gebildet, indem aus den beiden Langseiten Quermauern vorspringen, wodurch je vier Nischen entstehen; in einer derselben wurde der berühmte Hermes des Praxiteles wiedergefunden. Die Cellawände, aus Lehmziegeln bestehend, die an der Sonne getrocknet waren (ältestes Beispiel in Griechenland!), waren mit einer horizontalen Holzdecke überdacht, über welcher sich erst der Dachstuhl erhob. Was aber am meisten auffällt, ist, daß die Säulen ganz verschiedene Maße und Formen zeigen. Dies rührt daher, daß die Säulen alle ursprünglich aus Holz bestanden und im Lauf der Zeiten, je nachdem die eine oder andere morsch wurde, der Bauweise der späteren Zeit entsprechend durch steinerne ersetzt wurden. Auch die oberen Bauteile bestanden aus Holz. Das Heraion liefert also den schlagenden Beweis für die schon früher [pg 199]vermutete Tatsache, daß der griechische Tempel ursprünglich ein Holzbau gewesen ist.

Westlich vom Heraion stoßen wir auf das Philippeion, das Philipp von Makedonien nach der Schlacht bei Chäronea errichten ließ; es war ein Rundbau, von 18 ionischen Säulen umgeben, im Inneren standen Goldelfenbeinstatuen von Mitgliedern des makedonischen Königshauses. Am Prytaneion, dem Haus der Hellanodiken, in welchem die Sieger in den Festspielen bewirtet wurden (vgl. § 68), vorbeigehend, verlassen wir die Altis durch das Nordtor und stehen nun an der Südostecke des riesigen, rings von Hallen umgebenen Gymnasions (die südliche und östliche Halle ist auf dem Plan noch zu erkennen), zu dem ein besonderer stattlicher Torbau (Propylaion) führte. Südwärts der Westaltismauer entlang gehend, haben wir zur Rechten zuerst die Palästra, speziell für die Vorübungen der Ringer bestimmt, dann einen Komplex, der wohl mit Recht als der Theokoleon bezeichnet wird, d. h. als das Amtsgebäude der Theokoloi, der Oberpriester, welche die jahraus jahrein darzubringenden Opfer auf dem Zeusaltar und den übrigen mehr als 60 Altären der Altis zu besorgen hatten. Schließlich gelangen wir an dieser Seite an den großartigen Südwestbau, das größte Bauwerk Olympias, das endlich durch die neulich gefundene Weihinschrift seinen richtigen Namen Leonidaion bekommen hat. Der Naxier Leonides nämlich hat ca. 300 v. Chr. diesen Bau aus eigenen Mitteln selbst errichtet, wahrscheinlich als Logierhaus für vornehme Gäste, wie denn hier in römischer Zeit die Prokonsuln abstiegen. Durch das südwestliche Tor, das zu Pausanias’ Zeit als Festtor diente, betreten wir nochmals ein Stück der Altis, das aber erst in römischer Zeit zu derselben geschlagen wurde, und gelangen, nach Osten umbiegend, an einer langen Reihe von Ehrenstatuen vorbei, an das Buleu[pg 200]terion, das Amthaus des Rates von Olympia, der obersten Instanz in Sachen der Festspiele. Der dorische Bau zerfällt in drei Teile, die durch eine vorgelegte Säulenhalle verbunden sind. In der Mitte befindet sich ein quadratischer Raum, in welchem das Bild des Zeus Horkios (Zeus der Eidschwüre) stand: vor diesem schwuren die Kämpfer, die Kampfesregeln zu beobachten. Zu beiden Seiten sind gleiche, mit einem Halbrund (Apsis) abgeschlossene Hallen, die durch je eine Säulenreihe in zwei Schiffe geteilt werden. Von diesen ist das Halbrund je durch eine Scheidewand getrennt. Die Verwendung der einzelnen Räume steht nicht fest. Einer der Säle diente jedenfalls als Sitzungssaal des hohen Rats.

§ 72. Pergamon.

Zum Schluß begeben wir uns auf eine Königsburg der hellenistischen Zeit, nach dem neuerdings wieder so berühmt gewordenen Stammsitz des Attalidengeschlechtes.

Pergamon liegt in Kleinasien, Lesbos gegenüber, 28 km von der Küste entfernt, auf dem äußersten Vorsprung eines südlichen Ausläufers des Pindasosgebirges, der sich 270 m hoch über die Kaïkosebene erhebt und diese in ihrer ganzen Ausdehnung bis zum Hafenplatz Elaia beherrscht. Während die „Burg“ (dies bedeutet Pergamon; ebenso hieß auch die Akropolis von Troja) und der älteste Teil der Ansiedlung, die Oberstadt, auf dem Bergkegel selbst liegt, sind die Ruinen der antiken Unterstadt am südwestlichen Abhange und Fuße desselben, der Stätte des heutigen Bergama, zerstreut.

Die Attalidenherrschaft begründete Philetairos (ca. 280 v. Chr.), welcher den von dem Feldherrn und Nachfolger Alexanders des Großen, Lysimachos, in Pergamon deponierten Kriegsschatz sich aneignete. Nach langen Kämpfen mit dem syrischen Statthalter Antiochos und den in seinen [pg 202]Diensten stehenden gallischen Horden nahm Attalos I. (241–197) den Königstitel an. Die Glanzzeit Pergamons bildete die Regierung seines Sohnes Eumenes II. (197–159). Dieser schirmte das über ganz Vorder-Kleinasien ausgedehnte Reich gegen Angriffe von allen Seiten und besiegte die Gallierschwärme, die sich, aus Griechenland zurückgeworfen, in furchtbaren Verheerungszügen über Kleinasien ergossen, in wiederholten schweren Kämpfen, während er durch eine großartige Bautätigkeit seinen Herrschersitz erweiterte, befestigte und verschönerte.

Pergamon. Akropolis, Markt und Theater.
PERGAMON
AKROPOLIS MARKT und THEATER

Von den monumentalen Kunstschöpfungen der Attaliden geben uns die von der preußischen Regierung unter der Leitung von Humann, Bohn und anderen 1878–1886 unternommenen Ausgrabungen eine Vorstellung.

Auf dem in Windungen zur Burghöhe hinanführenden Hauptweg gelangen wir zunächst auf den Markt (Agora), welcher aus zwei von gewaltigen Stützmauern eingefaßten und miteinander verbundenen Terrassen bestand. Die untere, durch deren Hallen der Weg führt, diente wohl dem eigentlichen Markt- und Geschäftsverkehr. Hart an ihrer Westmauer befand sich ein kleiner Tempel des Dionysos. Die obere Terrasse, vermutlich der Ort für die politischen Versammlungen und die Staatsopfer, hatte in ihrer Mitte den mächtigen, die ganze Umgebung beherrschenden Zeusaltar, einen Prachtbau, der selbst den größten Altar Griechenlands, den des Zeus zu Olympia, an Ausdehnung und Höhe, wie an architektonischem und plastischem Schmuck übertraf.

Der Unterbau des Altars ist im Grundriß nahezu quadratisch, 37,7 auf 34,6 m; die Höhe betrug etwa 5,5 m. Auf der von drei Stufen gebildeten Krepis stand der 1,5 m hohe Sockel; über diesem zog sich rings um den ganzen Bau der 2,3 m hohe imposante Relieffries von bläulich-[pg 203]weißem Marmor, den Kampf der Götter mit den Giganten darstellend. Der Unterbau war gekrönt von einer nach außen geöffneten ionischen Säulenhalle, die an ihrer dem eigentlichen Brandaltar zugekehrten Rückwand mit einem zweiten kleineren Fries geschmückt war, der Szenen aus der pergamenischen Stammessage (Herakles, Auge, Telephos, Teuthras) enthielt. Inmitten der Plattform, auf welche eine in die Westseite eingeschnittene breite Freitreppe führte, stand der eigentliche Brandaltar, der ebenso wie der Zeusaltar in Olympia aus der Asche der verbrannten Opfertiere aufgehäuft war und die ihn umgebende Säulenhalle weit überragte.

Das Glanzstück dieses gewaltigen Altarbaues bildete der schon erwähnte Gigantenfries. Da die Platten desselben in byzantinischer Zeit in eine Festungsmauer unterhalb des Altarplatzes verbaut wurden, so ist der größte Teil derselben erhalten, wenn auch in Trümmern, die sich jetzt im Berliner Museum befinden; aus diesen konnten einige bedeutendere Gruppen wieder zusammengesetzt werden.

Alle Götter und Göttinnen des Himmels, des Meeres und der Unterwelt sehen wir an dem entscheidenden Kampfe um die Herrschaft der Welt beteiligt; auch die Giganten haben alles aufgeboten, aber bereits unterliegen sie allenthalben. Zeus, weitausschreitend, schüttelt mit der Linken die Ägis, mit der Rechten schwingt er den Blitz gegen einen alten, bärtigen, schlangenbeinigen Giganten, der ihn mit einem Felsstück bedroht; zwei weitere Gegner sind zu Boden gesunken; dem einen hat der Blitzstrahl den Oberschenkel durchbohrt.

Neben Zeus schleift Athena einen jungen geflügelten Giganten an den Haaren; ihre heilige Schlange schlägt ihre Zähne in seine rechte Brust; von rechts her schwebt Nike, die siegreiche Athena zu bekränzen, während aus dem Boden [pg 204]die Mutter der Giganten, die Erdgöttin selbst, mit dem Oberkörper emportaucht und flehend die Arme zu Athena erhebt. Mit Fackel, Schwert und Lanze zugleich kämpft die dreigestaltige Hekate. Ein schöner Gigantenjüngling, welcher der Artemis entgegentritt, ist von der Schönheit der Göttin wie gebannt, so daß er ganz vergißt, sich mit dem Schilde zu decken. Doch erbarmungslos schießt jene den Pfeil auf den Berückten ab. Außerdem erkennen wir noch Helios, Eos, Selene, Apollo, Dionysos, Phöbe und Asteria u. a.

Während die Gestalten und Attribute der Götter im wesentlichen durch die Kunsttradition gegeben waren, hatte bei der Gigantenbildung die schöpferische und erfinderische Phantasie den weitesten Spielraum, und so versuchten denn auch die Künstler, um nicht durch Eintönigkeit zu ermüden, die mannigfaltigste Individualisierung und verschiedenartigste Bildung der Giganten von der edelsten Menschengestalt bis zum widerlichsten Monstrum. Viele werden durch gewaltige Schlangenleiber, in welche ihre Beine von den Hüften oder Knien ab übergehen, als Söhne der Erde gekennzeichnet; manche sind außerdem noch beflügelt.

In der Kühnheit der Stellungen und Bewegungen, der Neuheit der oft phantastischen Gebilde, der Leidenschaftlichkeit und äußersten Kräfteanspannung der mit virtuoser Technik ausgeführten Gestalten aller Kämpfenden liegt ein pathetischer Zug und Schwung von packender Wirkung. Durch diese Altarskulpturen ist uns ein überraschender Einblick in die bisher weit unterschätzte pergamenische und hellenistische Kunst überhaupt eröffnet worden.

Der Altar wurde wahrscheinlich von Eumenes II. in den Friedensjahren 180–170 v. Chr. als Siegesdenkmal „dem Retter Zeus“ zu Ehren errichtet. Nach einer in [pg 205]der griechischen Kunst nicht seltenen Verwendung (vgl. das nach Athen gestiftete Weihgeschenk Attalos’ I. § 70, S. 193) sollte die Gigantomachie ein mythologisches Spiegelbild der von den Attaliden siegreich bestandenen Gallierkämpfe sein. Wie in jenem Gigantenkampf, so hat im Kampfe mit den Galliern (und ebenso in dem mit den Amazonen und Persern, S. 193) das Griechentum über das Barbarentum, die Kultur über die Unkultur, das Licht über die Finsternis den Sieg davongetragen.

Wir begreifen es freilich, daß den Christen der riesige, weithin sichtbare Altarbau mit seiner Darstellung der gesamten heidnischen Götterwelt und seinen zahlreichen Schlangengebilden, in denen der christliche Glaube teuflische Wesen erblickte, ein Greuel war und die Offenbarung Johannis, wo sie sich an die Gemeinde von Pergamon wendet (2,13 f.), ihn geradezu als „Thron Satans“ bezeichnet.

Von der Ostseite der Altarterrasse führt die Straße nordöstlich, dann nach einer scharfen Biegung an einem starken Turme vorbei zum Burgtor, dem Eingang in die eigentliche Hochburg. Wir treten in einen Vorhof und kommen, nach links uns wendend, durch ein viersäuliges Propylon in den mit Weihgeschenken aller Art, Denkmälern aus der Siegesbeute, Statuen der Attaliden wie verdienter Bürger reich geschmückten Tempelbezirk der Athena. Im Westen der ungefähr rechteckigen Terrasse, in dominierender Lage erhob sich der der Athena als Herrin der Stadt (Polias) und Verleiherin des Sieges (Nikephoros) geweihte dorische Peripteros von 13 m Breite und 22 m Länge, das wahrscheinlich aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammende Hauptheiligtum, das älteste aller dort aufgedeckten Gebäude.

Im Norden und Osten war der Tempelhof von einer Säulenhalle eingefaßt, die aus einem Untergeschoß [pg 206]dorischer und einem Obergeschoß ionischer Ordnung bestand; zwischen den Säulen des letzteren war eine Balustrade mit großenteils erhaltenen Trophäenreliefs eingelassen, einer Darstellung der in dem Kampfe mit Hellenen und Barbaren, insbesondere den Galliern, erbeuteten Waffenstücke. Im Süden stieß die Halle an einen mächtigen viereckigen Turm; an die Nordhalle schlossen sich vier große Räume an, die berühmte pergamenische Bibliothek.

Am Abhang unterhalb des Athenaheiligtums sehen wir noch die 80 Sitzreihen des griechischen Theaters: Orchestra und Skene lagen auf der schmalen, aber nahezu 250 m langen „großen Terrasse“, die, von gewaltigen, aus mehreren Stockwerken bestehenden Stützmauern getragen, unter dem Zeusaltare und Athenaheiligtum bis gegen den nordwestlichen Vorsprung der Akropolis sich hinzieht. Den nördlichen Abschluß bildet ein auf mächtigen Stufen sich erhebender ionischer Tempel.

Aus dem hl. Bezirk der Athena begeben wir uns zurück auf die Straße, welche der Osthalle entlang und an einer Quelle mit antiker Fassung vorbei zum höchsten Teile der Akropolis hinanführt. Von den Bauwerken, die einst hier standen, sind die Grundrißanlagen kaum mehr zu erkennen. Man kann sechs Gebäudekomplexe unterscheiden: auf dem höchsten Punkt des Berges (II) befand sich ein Wachtturm oder nach anderer Vermutung eine Altaranlage; IV und V zeigen Gruppierungen von Gemächern um einen Hof; bei V umschließt den Hof eine dorische Säulenhalle, nach welcher sich die mit prächtigen Mosaikfußböden geschmückten Zimmer öffneten; eine ähnliche Anlage zeigt I. Ohne Zweifel sind die Gebäudeanlagen IV und V als der einstige Herrschersitz der Attaliden zu betrachten; bei ihrer geringen Ausdehnung entsprechen sie freilich nicht ganz den Vorstellungen, [pg 207]die man sich wohl bisher vom Palaste jenes durch seinen Reichtum sprichwörtlich gewordenen Königshauses zu machen pflegte; allein bei der Beschränktheit des Raumes auf der Hochburg war eben eine weitere Entfaltung ausgeschlossen.

Südlich von der höchsten Spitze der Burg erhebt sich ein gewaltiger Bau der römischen Kaiserzeit, der wohl dem Trajan geweihte Tempel, fast 20 m breit, über 33 m lang, im Norden, Osten und Westen von Säulenhallen umgeben.

Damit sind wir bereits bei der Bautätigkeit der römischen Zeit angelangt, welcher außerdem das Gymnasium südöstlich vom Markte, die Thermen am Selinus mit einer großartigen Überbrückung desselben auf 196 m Länge durch Tonnengewölbe, ferner auf der rechten Seite des Selinus ein Theater, Zirkus und Amphitheater entstammen.


[pg 208]

Deutsches Register.

Abstimmung in Sparta durch Zuruf oder Auseinandertreten 38 f.
– in Athen durch Handaufheben od. mit Stimmsteinen 76.
achäischer Städtebund 166 ff.
Achajer 25, 26.
Ackerbau 20.
Adel in Attika 50.
Admiral 43, 167.
Agathokles in Syrakus 57.
Agiaden in Sparta 32.
Agis IV. 31, 32.
Agon, dramatischer 123.
– gymnischer, musischer, hippischer 169.
Agyrrhios 65.
Aigikoreis in Attika 46.
Akropolis von Athen 183 ff.
Allerheiligstes 106.
Altar 107;
in Tiryns 177;
in Olympia 171, 198;
in Pergamon 202 f.
Altarpriester i. Eleusis 116.
Altis in Olympia 194.
Ammon, Zeus 109.
Amnestie 67.
Amphiaraos 112.
Amphiktyonien 161 ff.
Amphora 143;
– mit Öl für die Sieger an den Panathenäen 118, 145.
anikonische Gegenstände verehrt 106.
Anthesterien 120 f.
Antigonos Gonatas 98.
Antipater 70.
Äoler 27;
– Mundart 27.
Apagoge 90.
Apaturienfest 47, 120.
Apographe 90.
Aratos 166.
Archonten in Athen, Einsetzung 48 f.;
Wahl 62, 64;
Funktionen 84 ff.
Archon Eponymos, Einsetzung 49;
Richter 51;
Funktionen 84 f.;
leitet die städt. Dionysien 123.
– Basileus 48;
Vorsteher der Blutgerichte 50 f.;
Aufsicht üb. den Staatskultus 85;
leitet die Lenäen 123;
bei den eleusinischen Mysterien 116, 117.
– Polemarchos, Einsetzung 48 f.;
Funktion 85;
Richter 51.
Thesmotheten s. d.
Areopag, der Rat vom A. in der ältesten Zeit 49;
nach den Perserkriegen 63 f., 82, 87;
in römischer Zeit 70;
das Verfahren vor dem A. 93 ff.
Argadeis in Attika 46.
Aristokratie, Entstehg. 34 f.
Aristoteles 12, 31, 48.
Aroania 16.
Asklepieion in Athen 194;
in Epidauros 111.
Asyl 72.
Athen, Entstehung 46;
seine Demen 60;
Akropolis 183 ff.
Athena Polias in Athen 192;
in Pergamon 205.
Athenatempel auf der Akropolis in Athen 184 ff.
Atimie 74.
Atreus, Schatzhaus des A. 182.
Attaliden 200 f.
Attalos I. von Pergamon. 70, 193, 202.
attische Mundart 26.
Aufmarschieren 42.
Ausfuhr in Attika 100.
Ausfuhrzoll 101.
Ausgaben des Staates 102 f.
Aushebung in Athen 132.
Aussetzung von Kindern in Sparta 39.
Autochthonen in Attika 45.
Autonomie 165.
Badezimmer in Tiryns 178.
Barbaren 25.
Bart 149, 38.
Basileus s. Archon.
Baumwolle 21.
Beamte in Athen, ursprünglich vom Areopag ernannt 55;
seit Solon von der Volksgemeinde 55;
ausgelost 64;
gewählt 82;
Bestätigungsprüfung 83;
Amtsantritt 83;
Eid 83;
Ehren und Vorteile 83;
Rechenschaftsablegung 83.
Begegnisse, als Vorzeichen 108.
Beisassen in Athen 72 f.
Beiträge der Bundesgenossen 101, 165.
Bekränzung, öffentliche 74, 82.
Bendideia 122.
Bergama 200.
Berufsstände in Attika 52.
Berufung an das Volk bei Wahlen 64;
an die Heliaia 56, 87.
Bestätigungsprüfung 64, 83.
Bestattung 157 ff.
Bevölkerungsziffer Griechenlands 20.
Bewirtung an Festen 103.
Bibliothek in Pergamon 206.
Bittgebete 112.
Blitzmaschinen 131.
Blutgerichtshöfe in Athen 50, 93 ff.
Blutrache 50.
Blutsuppe in Sparta 40.
Boedromien 119.
Brandstiftung 93.
Brauronia, Artemis 193.
Brautführer 154;
Brautgeschenke, Brautraub 153.
Brunnenmeister in Athen 82.
Bühnengebäude 125 ff.
Bund, Staaten- 163 ff.
Bundesgenossen, zahlen Tribute 101, 165;
Beiträge 101, 165.
Bundesgenossenkrieg 166.
Bundeskasse von Delos nach Athen verlegt 100, 165.
Bundesrat 165.
Bündnisse 161.
Bürgerrecht in Attika 59, 63 A., 73.
calculus Minervae 95.
Carrey 191.
Chalkeia 120.
Chalkothek 193.
Charonische Stiege 131.
Chiton 148, 151 f.
Chlaina 148.
Chlamys 152.
Chor 123 f.
Chorausstattung (Choregie) 103, 123.
chryselephantine Werke 107.
Cumä 112.
Curtius, Ernst 194.
Daduchos 116.
Damasias 57.
Dauerlauf 172.
Delphi 110 f.
Delphinien, Apollofest 121.
Delphinion, Gerichtsstätte 94.
Demagogen in Athen 69.
Demarchos 59, 123.
Demen in Attika 59 f.
Demeter 116.
Demetrios von Phaleron 70.
Demiurgen in Attika 52.
deus ex machina 131.
Deuteragonisten 124.
Diaiteten in Athen 87, 90.
Diakrier in Attika 57.
Dialekt, äolischer 27;
attischer, dorischer, ionischer 26.
Diarchie in Sparta 32.
Diasien, Zeusfest 121.
Diäten für Festgesandtschaften 102.
Diazoma 129.
Dichter, dramatischer 123 f.
Didrachmon 97.
Dienstpflicht in Sparta 41;
in Athen 131 f.
Dieren 136.
Dinarisches Gebirgssystem 14.
Diogenes im Faß 143.
Dionysien, die großen oder städtischen 121, 123.
– die ländlichen 120, 123.
Dionysostempel in Pergamon 202.
Dionysostheater in Athen 194.
Dipolia, Zeusfest 122.
Dipylonvasen 144.
Diskos 174.
Dodona 109.
Dokimasia 64, 83.
Donnermaschinen 131.
Doppellauf 172.
Dorier 26;
Mundart 26.
Drachme 98.
Drakon 51.
Dreißig, die, in Athen 67.
Dromos 182.
Dymanen 30.
Echohalle in Olympia 197.
Ehrensitze im Theater 124, 129.
Eichmeister 105.
Eid 112;
Fahnen- und Bürgereid 132;
E. der Beamten 83;
der Ratsherren 80;
der Richter 87;
der Parteien vor Gericht 91;
der Olympiakämpfer 172.
Eidopfer 112 f.
Einbalsamierung der Leichen 157.
Einfuhr in Attika 100.
Einfuhrzoll 101.
Einnahmen des Staates 101 f.
Einnehmer, staatliche 103.
Einrede, gerichtliche 91.
Eintreiber, staatliche 103.
Eisagogeis 86.
Eisangelie 78, 90.
Eisengeld der Spartaner 21.
Eisenindustrie in Lakonien 28.
Ekkyklema 131.
Elaphebolien, Artemisfest 121.
Elementarlehrer 155, 156.
Eleusis 116, 117;
Mysterien 116 ff.
Elfmänner in Athen 105.
Emporion im Peiraieus 136.
Endeixis 90.
Enomotarchen, Enomotien 41.
Epameinondas’ schiefe Schlachtordnung 44.
Ephegesis 90.
Epheten in Athen 50, 87.
Ephialtes, athenischer Staatsmann 63.
Ephoren in Sparta 36 ff.
Epidauros, Asklepieion 111;
Theater 125, 129 f.
Epirus 14 f.
Epistates der Prytanen 80 f.
– der Vorsitzer 81.
Epitadeus, Gesetz des E. 31.
Epitimie 74.
Epithalamien 154.
Epobelie 92.
eponyme Beamte: der erste der Ephoren in Sparta 36;
der Archon in Athen 49, 84.
Epopten 117.
Erbfolge der Könige in Sparta 33.
Erechtheion in Athen 191 f.
Erymanthos 16.
Erziehung 155 f.
Euandria 119.
Euböa 16;
Münzsystem 54.
Eubulos, Finanzverwaltung des E. 69.
Eumenes II. von Pergamon 194, 202, 204.
Eupatriden in Attika 52.
Euripos 16.
Eurypontiden in Sparta 32.
Eurysthenes 32.
Euthynoi in Athen 84.
Exedra des Herodes Attikus 198.
Exomis 152.
Fackelwettläufe 103, 119.
Fahneneid 132.
Fahnenflucht 135.
Fälschung von Gesetzen 93.
Familie 153 ff.
Faustkampf 173.
Felsengräber 157.
Feste, attische 118 ff.
Festgelder s. Schaugeld.
Festgesandtschaften 104, 171.
Fettdampf 114.
Finanzwesen Athens 100 ff.
Fleischgenuß der Spartaner 21, 40.
Flotte in Sparta 43;
in Athen 135 ff.
Frau, Stellung der F. 154 f.
Frauensaal 140;
in Tiryns 178.
Frauenwohnung 141, 142, 154.
Freilassung von Sklaven in Athen 72.
Fremdenausweisung in Sparta 38.
Friedensverträge 160.
Fries am Parthenon 191;
am Zeusaltar in Pergamon 202 f.
Fünfkampf 174.
Galliereinfälle in Kleinasien 202;
in Phokis 163.
Gamelien 120.
Gasausströmungen in Griechenland 14.
Gastrecht 159 ff.
Gaurichter in Attika 58, 86 f.
Gefängnisse 105.
Gefechtsstellung der Spartaner 41 f.
Geheimkulte 116 ff.
Geißelung der Knaben in Sparta 40.
Geldstrafen in Athen 82, 83.
Geleonten in Attika 46.
Gemeindebürgerliste 59, 73.
Gemeinden in Attika 59 f.
Genesia 119, 159.
Geomoren in Attika 52.
Gerichtsgebühren 91.
Gerichtsstätten in Athen 89, 93 f.
Gerichtswesen in Athen 64, 84 ff.
Gerusie in Sparta 34 ff.
Geschlechter in Attika 46 f.
Geschlechtsvorsteher in Attika 47.
Geschworenengerichte in Athen 56, 87 ff.;
Taggelder 64.
Gesetze Solons 56.
Gesetzesfälschung in Athen 93.
Gesetzgebung in Athen 78 ff.
Gesetzwidrigkeit, Klage wegen G. 77.
Giebelgruppen des Parthenon 190 f.;
G. des Zeustempels in Olympia 196.
Giftmischerei 93.
Gigantenfries in Pergamon 203 ff.
Goldmünzen 97 f.
Götterbühne 131.
Gottesfriede 117, 161, 171.
Gräber 157 ff.;
in Mykenä 182.
Grabhügel 159.
Grabsäule 159.
Griechen, Name 24 f.;
Stämme 25 ff.
Gymnasienvorstandschaft 103.
Gymnasion in Olympia 199.
Gytheion, spartanischer Kriegshafen 43.
Häfen Athens 135 f.
Hafenbörse in Athen 105.
Hafengebühr 101.
Halbbürger in Sparta 30.
Harmosten in Sparta 28.
Haus, griechisches 138 ff.
Heerwesen, spartanisches 41 ff.;
athenisches 131 ff.
Hegemonie 164.
Heiratsvertrag 153.
Hekate 114, 204.
Hekatombaion 118.
Hekatompedos 184, 190.
Heliaia 56, 64, 87 ff.
Heliast 87.
Helikon 16.
Hellanodikai 171 f., 174.
Hellas, Name 25;
Orographie 13 ff.;
Hydrographie 17 f.
Hellenen, Name 25.
Hellenotamien 82, 165.
Heloten 28, 29.
Henker in Athen 105.
Heratempel in Olympia 198.
Hermes des Praxiteles 198.
Herodes Attikus, Odeion des H. in Athen 130, 194;
Exedra des H. in Olympia 198.
Heroenkult 115.
Hetärien in Athen 66.
Hieromnemones 162.
Hierophant, Hierophantin 116.
Himation 148, 151.
Himmelserscheinungen 108.
Hinrichtung in Athen 106.
Hipparch 59.
Hipparmosten in Sparta 43.
Hippeis in der Solonischen Verfassung 55.
Hippias 59.
Hippodrom in Olympia 197.
Hochzeit 153 f.
Hof des griechischen Hauses 139, 140, 142.
Holzbau, ältester, d. griech. Tempel 198 f.
Holzschnitzbilder 106.
Hopletes in Attika 46.
Hopliten in Sparta 41 ff.;
in Athen 135.
Hoplitenschlacht 43 ff.
Hörige in Attika 52.
Humann 202.
Hut auf Reisen 153.
Hydrographie von Griechenland 17.
Hylleer 30.
Hymettos 16.
Jahresanfang in Attika 118.
Iakchos 117.
Iktinos, Baumeister 189.
Indoeuropäische Völkerfamilie 23.
Inkubation 111.
Inschriften 13.
Invalidenunterstützung in Athen 103.
Ionier 25 f.;
Mundart 26;
Phylen 46.
Iphigenie, Opferung der I. 115.
Isotelie 73.
isthmische Spiele 168 f.
Kalender, attischer 118 ff.
Kallikrates, Baumeister 189.
Kallynterien 122.
Kampfrichter im Theater 124;
in Olympia 171, 174.
Kantharoshafen 136.
Karyatide vom Erechtheion 152.
Karyatidenhalle 192.
Kastri 111.
Kekropia, Burg von Athen 46.
Keryx 116.
Kirchweihen 120.
Kithäron 16.
Klage, öffentliche, in Athen 89.
Kleidung 146 ff.
Kleisthenes 59 ff.
Kleomenes 32.
Klima Griechenlands 18 f.
Kodros, König 45.
Komödie 122.
Könige in Sparta 32 ff.;
in Athen 47 f.
Königtum, heroisches 47 f.
Konistra 125.
Kontermarsch 42.
Kopaissee 16.
Kopfbedeckung 153.
Kopfsteuer der Sklaven 101.
Kopftuch 149.
Korenhalle am Erechtheion 192.
Körperteile, Nachbildungen von K. geweiht 111.
Kothurn 128, 131.
Kranz, als Auszeichnung in Athen 74;
der Ratsherren 82;
der Beamten 84.
Kreiseinteilung Attikas 60 f.
Krepis 189, 202.
Kriege in ältester Zeit 160.
Kriegsflotte, athenische 136.
Kriegsgeschrei 44.
Kriegshafen, spartanischer 43;
athenischer 136.
Kriegskasse der Athener 69.
Kriegsschifführung 104, 137.
Kriegswesen in Sparta 41 ff.;
in Athen 131 ff.
Kriegszahlmeister 82.
Kriminalpolizei 105.
Krongut 48.
Kronien 118.
Krypteia 29.
Kultbild 106.
Kultgenossenschaften in Attika 61.
Kultstätten 106 f.
Kultus in Attika 106 ff.
Kupfermünzen 98.
Kuppelgräber 157, 182.
Küster 108.
Kykeon 117.
kyklopische Mauern 178 f., 183.
Kyllene 16.
Lager der Spartaner 43.
Lakedaimonier 30.
Lämpchen 143.
Landesheroen Attikas 61.
Laurion, Silberbergwerke 21, 97, 101.
Lebadea 112.
Leibrock 148, 151 f.
Leichtbewaffnete in Sparta 42;
in Athen 135.
Leiturgia 103 f.
Lenaien 120, 123.
Lendenschurz 148.
Leonidaion in Olympia 199.
Leuchtpfannen 143.
Leuktra, Aufstellung bei L. 44.
Literaturlehrer 156.
Lochagos in Sparta 41;
in Athen 134.
Lochos in Sparta 41, 42;
in Athen 134.
Logeion, Sprechbühne 126.
Logisten in Athen 84.
Löhnung s. Sold.
Losung der Ämter in Athen 55, 64, 82.
–– der Priesterämter 108.
Löwentor von Mykenä 181 f.
Luxus in der Kleidung 150 f.
Lykaien, Zeusfest 115.
Lykurg, spart. Gesetzgeber 28.
–– Athener 69, 125.
Lysimachos 200.
Mahlzeiten in Sparta 40.
Männersaal 130, 140;
in Tiryns 178.
Marktmeister in Athen 104.
Marmor 22.
Marschkolonne 42.
Marschlieder 43.
Masken der Schauspieler 131.
Maße, Längen-, Flächen- und Hohlmaße 95 f.
Mauern, kyklopische 178 f., 183;
die langen M. Athens 136.
Maulbeerbaum 21.
Medimnos 55, 96.
Medon, Sohn des Kodros 49.
Meineid 112.
Meldeklage 78 f.
Menschenopfer 115.
Metöken in Athen 72 f.
Metopen des Parthenon 190.
–– des Zeustempels in Olympia 197.
Metretes 55, 96.
Metroon in Athen 77;
in Olympia 197 f.
Mine 97, 98.
Mineralien 21.
Minyer 23.
Mischkessel 143.
Mnesikles, Baumeister 188 f.
Mobilmachung in Sparta 37;
in Athen 132 f.
Mora im spartanischen Heer 41.
Munychien, Artemisfest 121.
Münzwesen 96 ff.
Musiklehrer 156.
Mütze aus Filz oder Leder 153.
Mykenä 181 f.;
mykenäische Periode 23 f.
Myrtenkranz des Redners 75;
der Ratsherren 81.
Mysterien 115 ff.;
eleusinische 116 ff.
Naos 106.
Nationalfeste 168 ff.
Nauarchos 43, 167.
Nausinikos, Archon 102.
nemeische Spiele 168 f.
Nero, Palast des N. in Olympia 197.
Niesen als Vorbedeutung 108.
Nike, Tempel der Athena N. 189.
–– des Paionios 196.
Nomotheten 68.
Oben in Sparta 30.
Obolos 98.
Odeion des Perikles 130;
des Herodes Attikus 130, 194.
Ölbaum 20.
Oligarchie von 411 in Athen 66 f.
oligarchische Klubs in Athen 66.
Olympia 194 ff.;
olympische Spiele 169 ff.
Olympiadenzählung 170.
Olympienfest in Athen 121.
Olympos 15.
Opfer 112 ff.;
Opferbesorger 108;
Opfergerste 113;
Opferherd 107;
Opferschau 109;
Opferschmaus 114;
Opfertier 113.
Opisthodomos 106, 184.
Orakelstätten 109 ff., 170.
Orchestra 125 ff.
Orestie 123.
Orgeonen 61.
Orographie von Hellas 13 ff.
Oschophorien 119.
Ostrakismos 62, 74, 76.
Öta 15.
Palästra in Olympia 199.
Palladion, Bild 106;
Heiligtum 93.
Pamphyler 30.
Panathenäen 118 f.
Pannychis 119.
Parabyston 89.
Paraler in Attika 57.
Paralos, Staatsschiff 138.
Paraskenia 125, 130.
Parnaß 15.
Parnes 16.
Parodoi 130.
Parthenon 189 ff.
Patrone der Metöken 72.
Pediaker in Attika 57.
Peiraieus 135 f.
Peisistratos, Tyrann 57;
Regierung 58.
Pelasgikon in Athen 184.
Pelops 170.
Peltasten 135.
Pentakosiomedimnen 55.
Pentekontoroi 136.
Pentekosteren, Pentekostyen 41.
Pentelikon 16.
Penteren 137.
Peplos 110, 149.
Pergamon 200 ff.
Periaktoi 130.
Perikles’ Bauten 187 ff.
Periöken 28 f.
Peripoloi 132.
Peristyl 190.
Pflanzenwuchs in Griechenland 18 f.
Phasis 90.
Pheidias, Athenabild auf der Akropolis 190;
Zeusbild in Olympia 196.
Philetairos 200.
Philippeion in Olympia 199.
Philopömen 167.
Phönizier 24.
Phratriarchos in Attika 47.
Phratrien in Sparta 30;
in Attika 46 f., 61, 73.
Phreatto 94.
Phylen, altdorische, der Spartaner 30;
lokale, in Sparta 30;
ionische, in Attika 46, 61;
attische, seit Kleisthenes 60 f.;
Namen 61, 70.
Phylenvorsteher 61.
Pindos 15.
Plynterien 122.
Polemarch in Sparta 41;
Archon P. in Athen s. Archon.
Polis 183.
Polizei in Athen 71, 102.
Poros 21.
Priester 107 f.
Privatklage 89.
Probole 78, 90.
Prokles 32.
Promachos, Statue der Athena P. 187.
Pronaos 106.
Propheten in Delphi 110.
Propyläen in Athen 188 f.;
in Tiryns 177.
Proskenion 126.
Prostasis 192.
Prostates in Athen 72.
Protagonisten 124.
Proxenos 72, 160 f.
Prozession an den Panathenäen 119;
nach Eleusis 117.
Prozeßgang in Athen 90 ff.
Prozeßrede 93.
Prytaneion, Speisung im P. in Athen 74;
in Olympia 175, 199;
Gerichtsstätte am P. 94.
Prytanen in Athen 80 f.
Pyanepsien 119.
Pylagorai 162 f.
Pylaia 162 f.
pylische Amphiktyonie 162 f.
Pyrrhiche 119.
Pythia 110.
Pythioi in Sparta 33.
Pytho (Delphi) 110;
pythische Spiele 168 f.
Python 110.
Quellen, heiße, in Griechenland 14.
Quellen der griech. Altertumskunde 12 f.
Rat in Sparta (Gerusie) 34 f.;
bei Homer und in Athen in ältester Zeit 48;
seit Drakon (?) 52;
seit Kleisthenes 62;
R. der 400 im Jahr 411 66 f.;
R. der 600 70;
Befugnisse 80 ff.
Rathaus 81.
Ratsschreiber 81.
Rechenschaftsablegung der Beamten 83 f.
Rechnungsbehörde 84.
Rechtswesen in Athen 84 ff.
Regatta 119.
Regenmenge in Griechenland 19.
Reichsschatzmeister i. Athen 82.
Reiterei in Sparta 42 f.;
in Athen 134.
Rhapsoden 118 f.
Rhetoren 157.
Ringkampf 172 f.
Ringschule 156.
Ritter in Sparta 42.
Salaminia, Staatsschiff 138.
Sandalen 153.
Satyrn 122;
Satyrspiel 123.
Schattendächer 139.
Schatzhaus des Atreus 182.
Schatzhäuser in Olympia 197.
Schatzmeister der hl. Schätze 108.
Schätzung (vor Gericht) 92.
Schaugeld in Athen, Einführung 65;
Kasse 69;
Behörde 82;
Betrag 65, 102, 124.
Schauspieler 124.
Scherbengericht 62, 74, 76.
Schiedsrichter in Athen 87.
Schierlingstrank 106.
Schiffahrt 22, 138.
Schiffsbaumeister 82.
Schiffsbauplätze 136.
Schiffshäuser 136.
Schildabzeichen der Spartaner 41.
Schildknappen 41.
Schlacht, gewöhnlicher Verlauf 43 ff.
Schlachtgesänge 43 f.
Schlachtopfer 109.
Schlachtordnung, schiefe, des Epameinondas 44.
Schneefall in Griechenland 19.
Schuhe 153.
Schuldknechtschaft in Attika 52 f.; 53 f.
Schulprüfungen 157.
Schulunterricht 155 ff.
Schutzbürger in Athen 72.
Schutzgeld 72, 101.
Schwenkungen (militärische) 42.
Schwerbewaffnete in Sparta 41;
in Athen 135.
Sechstler in Attika 52.
Seebund, 1. attischer 163, 164 f.;
2. attischer 165 f.
Seelenkult 114 f.
Seeraub 160.
Seeschlacht 138.
Seesoldaten 137.
Seher 109.
Seide 21 A.
Seisachtheia 53 f.
Sessel 143.
Siegerstatuen 175.
Siegeslieder 175.
Siegeszeichen 45.
Silbergewinnung, besonders in Laurion 21, 97, 101.
Silbermünzen 97 f.
Skene 128.
Skias in Athen 80.
Skirophorien, Athenefest 122.
Sklaven in Athen 71.
Skytale 37.
Skythen, Polizei in Athen 71, 102.
Sold 64;
der Hopliten und Matrosen 103;
der Reiter 103;
der Polizei und der Unterbeamten 102.
Söldner in Sparta 42.
Söldnerwesen 135.
Solon 53 ff.
Sophisten 157.
Sophokles im Lateran 151.
Souveränität des athenischen Volkes 68, 77.
Sparta, Entstehung 27 f.;
Kriegerstaat 28;
Bevölkerung 28 ff.;
Königtum 32 ff.
Spartiaten 30 ff.
Speerwurf 174.
Speisung im Prytaneion 74, 175, 199.
Spiele, isthmische, nemeische, pythische 168 f.;
olympische 169 ff.
Spruchorakel 110.
Staatenvereine 163 ff.
Staatsarchiv in Athen 77.
Staatsgastfreund 160 f.
Staatsleistung (Leiturgia) 103 f.
Stadion, Längenmaß 95;
in Olympia 197.
Städtebund, achäischer 166 ff.;
böotischer, dorischer, ionischer 163.
Stämme s. Phylen.
Stammkönige in Attika 47, 94.
Stammrolle in Athen 132 ff.
Steinkolosse in Tiryns und Mykenä 180.
Steuerkapital 102.
Steuern 101 f.
Steuersatz, degressiver 101 f.
Steuerverbände 102.
Strategen in Athen 62, 134 A.;
in römischer Zeit 71.
Sühneopfer 115.
Symmorien 102.
Synoikien 118.
Synoikismos des Theseus 45.
Syssitien in Sparta 40.
Taggeld der Archonten 102;
der Geschworenen 64;
der Ratsherren 64 f.;
für den Besuch der Volksversammlung 65.
Taktik der Spartaner 41 f.;
der Athener 134.
Talent 97, 98.
Taygetos 17, 39.
Tempel 106;
Tempelbezirk 107;
Tempelsklaven 108;
Tempelvereine 161 ff.;
Tempelwächter 108.
Temperatur in Athen 18.
Tennenfest 120.
Teos, Schule in T. 156 f.
Tetartemorion 97.
Tetradrachmon 97.
Thalamiten 137.
Thargelien 122.
Theater 125 ff.
Theokoleon in Olympia 199.
Theologeion, Götterbühne 131.
Theorikon s. Schaugeld.
Theseus 45;
Theseusfest 119.
Thesmophorien 120.
Thesmotheten, Einsetzung 49;
Funktionen 85 f.;
revidieren die Gesetze 79.
Thessalien 15.
Thetes in der Solonischen Verfassung 55.
Tholos, Amtslokal der Prytanen 61, 80;
bei Gräbern 182.
Thraniten 137.
Thrasybul 67.
Thymele 125.
Tiryns 176 ff.
Tongefäße 143 f.
Totenfeste 119, 120 f., 159.
Totenklage 158.
Totenorakel 112.
Tragödie 122 f.
Trajantempel in Pergamon 207.
Trankopfer 113.
Träume 108;
Traumdeuter 108;
Traumgesichte 111;
Traumorakel 111.
Triakontoroi 136.
Tribus in Attika 60.
Tributbezirke 165.
Tribute der Bundesgenossen 101, 165.
triclinium 143.
Trierarchie 104, 137.
trierarchische Verbände 104.
Trieren 136 ff.
Trinkhorn 144.
Trinkschale 143 f.; 146.
Tritagonisten 124.
Trittyen in Attika 60.
Trophonios 112.
Turnlehrer 132, 156.
Tyrannis 57 f.
Tyrtaios 43 f.
Unsterblichkeitsglaube 111, 114 f., 118, 159.
Unterricht 155 ff.
Unterweltseingänge 112.
Urheimat der indoeuropäischen Völkerfamilie 23.
Vasenbilder 13, 144 ff.
Vegetarianismus der Griechen 21.
Verbrennung der Toten 158 f.
Verfolgung des geschlagenen Feindes 45.
Verkäufer, staatliche 103.
Vermögenstausch 104.
Vermögensumlage 101.
Verpflegungsgelder 103.
Viereck, militärisches 42.
Viertelsmeister 104.
Vierzigmänner in Athen 86 f.
Vogelflug 108.
Volksbeschlüsse, Form der athenischen V. 76.
Volksversammlung in Sparta 38 f.;
in Athen 68, 74 ff.
Vorgeschichte der Griechen 23.
Voruntersuchung 91.
Vulkane 14.
Waffen 41, 135.
Waffentanz 119.
Wagenrennen 173 f.
Wahl der Beamten in Athen 52, 82;
in Sparta 35.
Währung, äginetische 54, 97;
attische 98;
euböische 54, 97.
Wälder in Griechenland 19, 21.
Wasseruhr 91.
Webstuhl 150.
Weihgeschenke, auf der Akropolis 103;
in Olympia 196, 197.
Weinbau in Griechenland 20.
Weisen, die sieben W. 53.
Weitsprung 174.
Wendungen (rechtsum, linksum) 42.
Werftaufseher 137.
Werften 136.
Wettkämpfe 168 f.;
Aufwand in Athen 102.
Wettlauf 172.
Widerklage 91.
Wiederaufnahme des Verfahrens 92.
Wohltäter, Ehrentitel 73.
Wohngebäude 139 ff.
Wohnungseinrichtung 142 ff.
Wucher, Geld- 53;
Korn- 105.
Wunderkuren 111.
Xenophanes von Kolophon 175.
Xerxes’ Einfall in Griechenland 186.
Zeichenorakel 109.
Zeltgenossenschaften in Sparta 40.
Zeughäuser 136.
Zeusaltar in Olympia 198, 171;
in Pergamon 202 f.
Zeusbild in Olympia von Pheidias 196.
Zeusstatuen in Olympia 197.
Zeustempel in Olympia 196.
Zivilgerichtsbarkeit in Athen 51.
Zölle 101 f.
Zollpächter 101.
Zucht in Sparta 39 ff.
Zuchtmeister in Athen 132.
Zwischenschwur 77.
Zygiten 137.

Griechisches Register.

ἄγαλμα 106.
ἀγέλαι in Sparta 39.
ἀγορανόμοι 104.
ἀγωγή, Zucht in Sparta 39 f.
ἀγών, Wettspiel 168 f.
– ες χρηματῖται, στεφανῖται 169.
ἀγών, Prozeß 89.
– ες τιμητοί, ἀτίμητοι 92.
ἄδεια 76.
ἀδύνατοι 103.
ἄδυτον 106.
Ἀθηνᾶ φρατρία 47.
αἴδεσις 95.
αἴθουσα αὐλῆς 139.
– δώματος 139,
in Tiryns 178.
αἱμακουρία 114.
αἱματία 40.
αἱρεῖν, überführen 89.
ἀκονιτί 172.
ἀκόντια, ἀκοντιστής 135.
ἀκρόπολις 183.
ἅλαδε μύσται 117.
ἀλαλά 44.
ἁλτῆρες 174.
Ἁλῷα 120.
ἁλῶναι, verurteilt werden 89.
ἀμπεχόνιον 152.
ἀμφιθαλὴς παῖς 174.
ἀνάκρισις 91.
ἀνδρεῖα, Mahlzeiten in Sparta 40.
ἀντιγραφή 91.
ἀντίδοσις 104.
ἀντιτιμᾶσθαι 92.
ἀπαγωγή 90.
ἀπέλλα, Volksversammlung in Sparta 38 f.
ἀπογραφή 90.
ἀποδείξεις 157.
ἀποδέκται 103.
Ἀπόλλων ἀγυιεύς 106.
– δελφίνιος 94.
– πατρῷος 47.
ἀποτυμπανίζω 106.
ἀποφεύγω, werde freigesprochen 89.
ἀρδάνιον 158.
Ἄρειος πάγος, Name 50.
ἡ βουλὴ ἡ ἐξ Ἀ. π., s. Areopag.
ἀρχαγέται, Titel der Könige in Sparta 33.
– in Attika 61.
ἀρχιθεωρία 104.
ἀρχιτέκτονες ἐπὶ τὰς ναῦς 82.
ἄρχων τοῦ γένους in Attika 47.
ἄρχων βασιλεύς, ἐπώνυμος, πολέμαρχος, s. u. Archon.
ἀστυνόμοι 104.
ἀτέλεια 73, 74.
ἀτιμία 74.
αὐλή 139, 140, 142, 177.
αὐλῳδία 169.
αὐτόχθονες in Attika 45.
ἄψυχα 94.
βάλανος 88.
βασίλιννα (βασίλισσα) 85.
βαφά, Blutsuppe in Sparta 40.
βῆμα, Rednerbühne 75.
βοῦαι in Sparta 39.
βούλευσις 94.
βουλευτήριον 81, 199 f.
βουλή s. Rat.
βροντεῖα 131.
βωμός 107.
γενέσια 159, 119.
γένη in Attika 46 f.
γεννῆται in Attika 46.
γραμματεύς im achäischen Bund 167.
– τῆς βουλῆς 81.
γραμματικός 156.
γραμματιστής 155.
γραμματοδιδάσκαλος 156.
γραφὴ ἀστρατείας, δειλίας, λειποταξίου 135.
ξενίας 74.
παρανόμων 77.
γυμνασιαρχία 103.
γυμνασίαρχος 156.
γυμνῆτης 135.
γυμνός 152.
δάκτυλος 95.
δαλίον 113.
δαμιοργοί 167.
δήμιος 105.
δημόσιοι 71.
δημόται 60.
διαγνῶναι 86.
διαιτηταί 87, 90.
διαμαρτυρία 91.
διαμαστίγωσις 40.
δίαυλος 172.
διδάσκαλος, dramat. Dichter 123 f.
διέκπλους 138.
δικασταί 87 ff., οἱ κατὰ δήμους – 86 f.
δικαστήριον 87.
– φοινικοῦν, βατραχιοῦν 89.
ἠγεμονία τοῦ – 84, 86.
δίκη 89.
– ἀγαμίου, ὀψιγαμίου 31.
δίκαι ἔμμηνοι 86.
διοίκησις, ὁ ἐπὶ τῇ – ει 82. 103.
Διονύσια, τὰ μεγάλα, τὰ ἐν ἄστει 121.
τὰ κατ’ ἀγρούς 120.
διόρθωσις τῶν νόμων 79.
διοσημία 77.
δίφρος 143.
διωβελία 65.
διώκειν, anklagen 89.
διωμοσία 91.
δοκιμασία 64, 83.
δόλιχος 172.
δοῦλοι οἰκογενεῖς, οἰκότριβες 71.
ὠνητοί 71.
δραχμή 98.
δρόμος bei Gräbern 182.
δρόμος ὁπλιτῶν 174.
δωδεκάπολις 163.
ἐγγύησις 153.
ἔγκτησις γῆς καὶ οἰκίας 72.
ἔθνη, Berufsstände in Attika 52.
εἰσαγγελία 78, 90.
εἰσαγωγεῖς 86.
εἰσφορά 72, 101.
ἐκεχειρία 117, 161, 171.
ἐκκλησίαι κύριαι 74.
– σύγκλητοι, κατάκλητοι 75.
ἐκκύκλημα 131.
ἑκτεύς 96.
ἑκτήμοροι 52.
ἐκφορά 159.
ἐλελεῦ 44.
ἑλληνοταμίαι 82.
ἐμβατήριον 43.
ἐμβάτης 131.
ἔμβολον 137.
ἐμπορίου ἐπιμεληταὶ 105.
ἐναγίζειν 114.
ἔνδειξις 90.
ἕνδεκα, οἱ, 105.
ἔνδυμα 148.
ἐνόδιοι σύμβολοι 108.
ἑξάπολις 163.
ἐξελιγμός 42.
ἐξωμίς 152.
ἐπιβάται 137.
ἐπίβλημα 148, 152.
ἐπιβολὰς ἐπιβάλλειν 82, 83.
ἐπίδειξις 175.
ἐπίδοσις 101.
ἐπιμαχία 161.
ἐπιμεληταὶ ἐμπορίου 105.
νεωρίων 137.
φυλῆς 61.
ἐπινίκια 175.
ἐπίσκοποι 165.
ἐπιστάτης τῶν προέδρων 81.
τῶν πρυτάνεων 80 f.
ἐπιστολεύς 43.
ἐπιστροφαί 42.
ἐπιτιμία 74.
ἐπιχειροτονία τῶν νόμων 79.
d. Beamten 74.
ἐπιψηφίζειν 76.
ἐπωβελία 92.
ἑστίασις 103.
ἐσχάρα, Opferherd 107.
ἑταιρίαι in Athen 66.
εὐεργέτης, Ehrentitel 72.
εὔθυνοι 84.
εὐφημεῖτε 113.
ἔφεδρος 172.
ἔφεσις, Berufung 56, 64, 87.
ἔφηβος 73.
ἐφήγησις 90.
ἔφοροι in Sparta 36 ff.
Ζεὺς ἑρκεῖος 47, 139.
Λυκαῖος 115.
μαιμάκτης 120.
ξένιος. 160.
ὅρκιος 112, 200
φράτριος 47.
ζυγόν, Glied der Phalanx 42.
ζωμός, ὁ μέλας 40.
ζώνη 149.
ἡγεμονία τοῦ δικαστηρίου 84, 86.
ἡλιαία, ἡλιαστής, s. Geschworenengerichte.
θάλαμος 154.
θεσμοθέται, s. Thesmotheten.
θεωρία 171.
θεωρικόν, s. Schaugeld.
θίασοι 61.
θόλος, s. Tholos.
θρῆνυς 143.
θρόνος 143.
θύειν 114.
θυμέλη 125.
θυρωρεῖον 140.
θυσίαι ἄγευστοι 114.
θώραξ 135.
ἱέρεια 107 f.
ἱερεύς 107 f.
ἱερόδουλοι 108.
ἱερομηνία 171.
ἱερόν 107.
ἱεροποιοί 108.
ἱεροσκοπία 109.
ἱκετηρίαι 75.
ἴκρια 128 f.
ἶλαι in Sparta 39.
ἱμάτιον 148, 151.
ἵππαρχος 134, 167.
ἱππεῖς in Sparta 42 f.,
in der Solon. Verfassung 55.
ἴρανες in Sparta 39.
ἰσοτέλεια 73.
ἱστίον 137.
κάνθαρος 144.
καταλογεῖς 134.
κατάστασις 134.
κέλης 174.
κενοτάφιον 158.
κεραυνοσκοπεῖα 131.
κερκίδης 129.
κιβώτια 142.
κιθαριστής 156.
κιθαρῳδία 169.
κλᾶρος in Sparta 30.
κλεψύδρα 91.
κλίνη 142 f.
κλίσεις 42.
κλισμός 143.
κνημῖδες 135.
κνίση 114.
κόθορνος 128, 131.
κοινόν, Bund 163.
τῶν Ἀχαιῶν 166.
κόλπος d. Gewands 149.
κόσμος in Sparta 37.
κότινος 174.
κοτύλη 96.
κρατήρ 143.
κρήδεμνον 149.
κρήναι, ὁ ἐπὶ τὰς –ας 82.
κύαθος 96, 144.
κυβερνήτης 137.
κύλιξ 144.
κώνειον 106.
λαμπαδηφορία 103, 119.
λαμπτῆρες 143.
λάρνακες 142.
λειτουργία 103 f.
λεπτόν 98.
λήκυθος 143.
ληξιαρχικὸν γραμματεῖον 59.
ληξίαρχοι 75.
λίθος ἀναιδείας, ὕβρεως 95.
λογεῖον 126.
λογογράφος 91.
λόγον καὶ εὐθύνας διδόναι 83.
λοχαγός 41, 134.
λόχος 41, 42, 134.
λύχνος 143.
μαντεῖα 109 ff.
μέγαρον 139, 178.
μέδιμνος 96, 55.
μελίκρατον 113.
μετοίκιον 72, 101.
μετρητής 96, 55.
μνᾶ 97, 98.
μετρονόμοι 105.
μηρία 114.
μήτηρ μεγάλη 197.
μηχανή, θεὸς ἀπὸ μηχανῆς 131.
μισθὸς βουλευτικός 65.
δικαστικός 64.
ἐκκλησιαστικός 65.
στρατιωτικός 64.
μυστήρια 116.
ναός 106.
ναοφύλακες 108.
ναύαρχος 43, 167.
ναυμαχία 138.
ναυπῆγια 136.
ναῦται 137.
νεκρομαντεῖα 112.
νεωκόροι 108.
νεῶν ἅμιλλα 119.
νεώρια 136.
νεώς 106.
νεώσοικοι 136.
νῆες μακραί 136.
νομοθεσία 78 ff.
νομοθέται 68, 79.
νόμοι 78 ff.
νομοφύλακες 70.
νύμφη, Braut 153.
νυμφίος 154.
νύσσα 173.
ξενηλασία 38.
ξόανα 106.
ὀβολός 98.
οἰωνος, οἰωνοσκοπία 108.
ὀλαί 113.
ὁμογάλακτες 46.
ὅμοιοι in Sparta 30.
ὀμφαλὸς Γῆς 110.
ὄνειρος 109.
ὀργεῶνες 61.
ὀργυιά 95.
ὅρκια τέμνειν 112 f.
ὅρκος 112.
ὅσιοι in Delphi 110.
ὀστρακισμός 62.
οὐλαί 113.
οὐλαμοί 43.
οὐλοχύται 113.
οὐραγοί 42.
παγκράτιον 173.
παιδονόμος 39, 156.
παιδοτρίβης 132, 156.
παλαισθή 95.
πάλη 172 f.
πανδημεί, πανστρατιᾷ 134.
πανηγύρεις 161.
παράβυστον 89.
παραγραφή 91.
παρανόμων γραφή 77.
παράνυμφος 154.
παρασκήνια 125 f., 130.
πάρεδροι 84.
παριέναι, als Redner auftreten 75.
πάροδοι 130.
παστάς 140.
πελάται 52.
πελτασταί, πέλτη 135.
πέμματα 113.
πένταθλον 174.
πεντηκόντοροι 136.
περίβλημα 148.
περίπλους 138.
περίπολοι 132.
περίστυλος 142.
περόναι 149.
πέτασος 153.
πηδάλια 137.
πῆχυς 95.
Πιθοιγία 120.
πίθος 143.
πῖλος 153.
πλαισίον 42.
πλέθρον 95.
πληροῦν τὸ δικαστήριον 88.
πλήρωμα 137.
Πλουτώνεια 112.
πόλις 183.
πολῖται ποιητοί, δημοποίητοι 73.
πομπή 117, 119, 121.
πούς 95.
– τετράγωνος 95.
πράκτορες 103.
πρᾶσιν αἰτεῖν 72.
προβολή 78, 90.
προβούλευμα 81.
πρόγραμμα 74.
πρόδικος 33.
πρόδομος 139, 178.
προεδρία 74.
πρόεδροι 81.
πρόθυρον 139, 177.
προίξ 153.
προκρίνειν 55.
πρόξενος 72, 160 f.
πρόρρησις 94, 117.
προσκήνιον 126.
πρόσκλησις 90.
προστάτης 72.
προστῷον 140.
προσωπεῖα, πρόσωπα 131.
προχειροτονία 75.
πρύμνα 137.
πρυτανεῖα, Gerichtsgebühren 91.
πρυτανεῖον s. Prytaneion.
πρύτανις 80 f.
πρῷρα 137.
πρωτοστάται 42.
πυγμή 173.
Πύθιοι in Sparta 33.
πυρκαϊά 93.
πωληταί 103.
ῥυτόν 144.
σηρικά 21.
σῖτηρέσιον 3.
σίτησις ἐν Πρυτανείῳ 74, 175, 199.
σιτοφύλακες 105.
σκέλη, τὰ 136.
σκευοθῆκαι 136.
σκηνή 128.
Σκύθαι, Polizei in Athen 102.
σκυτάλη 37.
σπιθαμή 95.
σπλάγχνα 114.
σπολάς 135.
στάδιον 95, 197.
στήλη 159.
στίχος, Rotte 42.
συγγραφεῖς 66, 79.
συλᾶν 160.
συλλογεῖς τοῦ δήμου 75.
σύμβολα, Verträge 161.
σύμβολον, Marke 75.
σύμβολοι ἐνόδιοι 108.
συμμαχία 161, 166.
συνέδριον 165.
συνήγοροι 79, 84.
σύνοδοι 124.
συντάξεις 165.
συνωρὶς τελείων ἵππων 173.
σύσκηνοι 40.
συσσίτια 40.
σφάγια 109.
σφενδονῆται 135.
σωμάτιον 131.
σωφρονιστής 132.
τάλαντον 98.
ταμίαι τ. ἱερῶν χρημάτων 108.
τ. στρατιωτικῶν 82.
ταξίαρχος 134.
τάξις, Regiment 134.
τελεταί 116.
τέλη in der Solon. Verfassung 55,
Zölle 101.
τελῶναι 101.
τέμενος, Krongut 48. Tempelbezirk 107.
τεταρτημόριον 98.
τετταράκοντα, οἱ 86 f.
τεχνῖται, οἱ περὶ τὸν Διόνυσον 124.
τιμᾶσθαι τῷ φεύγοντι 92.
τίμημα, Buße 92.
Steuerkapital 102.
τιμητοὶ ἀγῶνες 92.
τόμια 112 f.
τοξόται, Bogenschützen 135.
Polizei in Athen 71.
τραγῳδία 122.
τραῦμα ἐκ προνοίας 93.
τριακάδες in Attika 46.
τριάκοντα, οἱ 67.
τριακόντοροι 136.
τριηραρχία 104, 137.
τριήρης 136 ff.
τρόπαιον 45.
τύμβος 159.
ὑδρία 143.
ὑπασπιστής 41.
ὑπερβατήρια 43.
ὑπερῷον 140.
ὑπήκοοι 165.
ὑπομείονες 30.
ὑπωμοσία 77.
φάλαγξ 41 f.
φάρμακα 93.
φάσις 90.
φεύγω, werde angeklagt 89.
φιάλη 143.
φιδίτια 40.
φοινικίς 41.
φόνος ἀκούσιος, ἑκούσιος 93.
φόροι 165.
φρατρία, φρατρίαρχος 46 f.
φρουρὰν φαίνειν 37.
φρούραρχοι 165.
φυλαί s. Phylen;
Schwadronen in Athen 134.
φύλαρχος 134.
φυλοβασιλεύς 47.
χαλκοῦς 98.
χειροτονία 76, 82.
χηλοί 142.
χιτών 148, 151 f.
χλαῖνα 148.
χλαμύς 152.
Χόες 120.
χοῖνιξ 96.
χοιρίναι 91.
χορὸν αἰτεῖν 124.
χοῦς 96.
χρηστήρια 109 ff.
Χύτροι 120.
ψήφισμα, 78 ff.
– ἐπ’ ἀνδρί 76.
ψῆφοι 76, 92.
ψιλοί 135.
ψυχομαντεῖα 112.
ὠβαί 30.

Fußnoten

1.
Vgl. die Quellennachweise für die einzelnen Abschnitte der griechischen Geschichte in Sammlung Göschen Nr. 49: Griechische Geschichte.
2.
Die Baumwolle (ἡ κάρπασος), welche Herodot als einen bei den Indern gebräuchlichen Kleiderstoff kennt, kam den Griechen erst nach Alexanders d. Gr. Zügen über Ägypten zu. Die Seide wird erstmals bei Aristoteles erwähnt, der erzählt, daß auf der Insel Kos aus den Kokons (τὰ βομβύκια) der wilden Seidenraupe Gewebe hergestellt werden. Chinesische Seidenstoffe (σηρικά) erhielten die Griechen seit dem 1. Jahrh. v. Chr.
3.
Vgl. Sammlung Göschen Nr. 49: Griechische Geschichte, § 1.
4.
Über die dorische Wanderung vgl. Sammlung Göschen Nr. 49: Griechische Geschichte, § 5.
5.
Dieser Zuzug, begünstigt durch die Gemeindeordnung des Kleisthenes, wonach der Wohnsitz in Attika die einzige Bedingung für das attische Bürgerrecht war, nahm solche Ausdehnung an, daß auf Perikles’ Antrag 451 v. Chr. wiederum Abstammung von attischem Vater und Mutter als Bedingung des Bürgerrechts festgesetzt wurde.
6.
Die Zahl der Sitophylakes wurde daher um 330 v. Chr. auf 35 erhöht.
7.
Vgl. Sammlung Göschen Nr. 27: Griechische und Römische Mythologie, § 96 ff.
8.
Diese waren ursprünglich die 10 Strategen gewesen; seitdem diese aber Vorsteher des gesamten Kriegswesens und Oberbefehlshaber geworden, traten die Taxiarchen an ihre Stelle.
9.
Keine Bauform ist in der griechischen Architektur zu so allgemeiner Bedeutung und künstlerischer Vollendung gelangt, wie das Schattendach. Ähnlich, wie wir es noch heute im Süden vielfach sehen, wurden längs einer Mauer im Abstand von 2–3 m Baumstämme aufgestellt, Querbalken über dieselben gelegt und diese mit der Mauer durch ein Dach von Binsen, Kleinholz und Lehm verbunden. In Stein ausgeführt wird das Schattendach zur Säulenhalle, wobei indes die Natur des Materials die Säulen näher an die Mauer zu rücken nötigte.
10.
Nach anderer Nachricht fand jede der beiden Versammlungen sowohl in Thermopylä als auch in Delphi statt.(?)

Bemerkungen zur Textgestalt

Die Fußnoten wurden an das Ende des Textes gesetzt.

Die Originalausgabe ist in Fraktur gesetzt. In Antiqua gesetzt sind in ihr römische Zahlen (in der elektronischen Fassung ohne Hervorhebung wiedergegeben) und einzelne Wörter aus fremden Sprachen (hier kursiv). Gesperrt oder fett gesetzte Passagen sind in dieser Form übernommen.

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Seite 16: „wechle“ geändert in „welche“
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Seite 35: „Feudalherschaft“ geändert in „Feudalherrschaft“
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Seite 167: „dei“ geändert in „die“
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Seite 183: „sogenannnten“ geändert in „sogenannten“
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Nicht vereinheitlicht wurden Schreibweisenvarianten wie „Polybius“ und „Polybios“, „hiedurch“ und „hierdurch“, „Heimatgemeinde“ und „Heimatsgemeinde“, „Lenaien“ und „Lenäen“.


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